Inmitten der Rezession: Multimilliarden-Dollar-Zahlungen an US-Hedge-Fonds-Manager

Eine statistische Erhebung der Einkommen amerikanischer Hedge-Fonds-Manager im Jahr 2007, die letzte Woche veröffentlicht wurde, wirft Licht auf die abstoßende Realität des amerikanischen Kapitalismus.

Die jährliche Rangliste der obersten Hedge-Fonds-Verdiener, die von Alpha zusammengetragen wird, einer Zeitschrift die auf reiche und institutionelle Anleger ausgerichtet ist, weist als Top-Verdiener John Paulson aus, der letztes Jahr 3,7 Milliarden Dollar mit nach Hause genommen hat - wahrscheinlich die höchste Ausbeute eines Jahres in der Geschichte der Wall Street.

Paulson, Gründer von Paulson & Company, war nicht der einzige Multi-Milliarden-Hedge-Fonds-Gewinner. Ihm folgten George Soros, der 2,9 Milliarden Dollar eingenommen hat, und James H. Simons, der netto 2,8 Milliarden Dollar verdient hat.

Die 50 obersten Hedge-Fonds-Manager haben zusammen eine Summe von 29 Milliarden Dollar eingenommen.

Um diese astronomischen Zahlen begreifbarer zu machen: das gemeinsame Einkommen dieser 50 Spekulanten entspricht in etwa dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt von Kenia, einem Land mit 32,5 Millionen Einwohnern, und beträgt nur eine Milliarde Dollar weniger, als das BIP von Sri Lanka mit seinen 20 Millionen Menschen.

Paulsons 3,7-Milliarden-Dollar-Einkommen alleine würde den größten Teil des 4,2-Milliarden-Defizits abdecken, das der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, selber Multi-Milliardär, in seinem vorläufigen Haushaltsplan für 2009 ausgewiesen hat - ein Defizit, das mit einer neuen Runde von Haushaltskürzungen und Entlassungen gedeckt werden soll.

Zu einem Großteil haben die Höchstverdiener der US-Hedge-Fonds ihre überraschenden Gewinne durch Wetten angehäuft, in denen sie richtig darauf gesetzt haben, dass der US-Immobilienmarkt zusammenbricht oder indem sie mit den galoppierenden Preisen von Grundstoffen, wie Öl und Lebensmitteln, spekuliert haben. Sie haben satt von der Immobilien- und Kreditkrise profitiert, die Millionen in den USA und in anderen Ländern in die Zwangsvollstreckung treibt und Millionen Menschen mit Hunger oder dem direkten Hungertod bedroht.

Die New York Times stellte am Mittwoch fest, Paulson habe gewettet, dass die komplexen Hypothekenpapiere an Wert verlieren werden. Diese Hypothekenpapiere, auch bekannt als besicherte Schuldverpflichtungen, haben eine Schlüsselrolle bei den Immobilien- und Kreditblasen gespielt, welche die Rekordprofite der Banken in immer neue Höhen getrieben haben, bis sie im letzten Jahr geplatzt sind. Ein Fonds, den er eingerichtet hatte, erzielte im letzten Jahr eine Rendite von 590 Prozent und ein weiterer 353 Prozent. Ende 2007 verwaltete Paulson 28 Milliarden Dollar an Anlagevermögen im Vergleich zu 6 Milliarden 12 Monate zuvor.

Das Magazin Forbes, dass eine eigene Statistik über die Chefs von Hedge-Fonds und Aktiengesellschaften veröffentlichte, überschrieb seinen Artikel: "Wall Streets Top-Verdiener: Euer Leiden, ihr Gewinn". Der Artikel fängt an:

"Die Probleme bei der Bezahlung der Hypothek, beim Tanken und bei der Ernährung der Familien haben den Lebensstandard von Millionen von Amerikanern in den letzten Monaten ausgehöhlt. Das gilt nicht für Menschen die riesige Mengen Geld verwalten: Viele von ihnen haben ein Vermögen damit gemacht, dass sie im letzten Jahr auf die Immobilenkatastrophe und steigende Warenpreise gewettet haben."

Forbes Erhebung über die 20 Top Hedge-Fonds- und Aktienkapital-Manager kommt zu dem Schluss, dass ihr addiertes Einkommen 2007 43 Prozent höher lag als 2006. "Nur um überhaupt auf die Liste zu kommen", schrieb das Magazin, "braucht man ein Mindesteinkommen von 350 Millionen Dollar, was 90 Millionen höher liegt als im Jahr zuvor."

Das Magazin berichtete, dass das Vermögen der Hedge-Fonds um 14 Prozent auf 2,2 Billionen Dollar gestiegen ist, während die Beteiligungsfonds um die Rekordsumme von 300 Milliarden Dollar gestiegen sind und ein Vermögen von 2 Billionen Dollar erreicht haben.

Hedge-Fonds und Beteiligungsfonds sind quasi Firmen, die keinerlei Kontrollen unterliegen und die auf reiche Investoren, Pensionsfonds, Universitätsstiftungen und ähnliches abzielen. Hedge-Fonds versprechen ihren vermögenden Investoren super hohe Renditen aus Spekulationen mit Aktien, Rentenpapieren, Finanzderivaten und Waren. Die Manager bekommen normalerweise eine Gebühr von 2 Prozent der Gesamtinvestition ihrer Kunden plus 20 Prozent von allen Gewinnen.

Im letzten Jahr haben die Demokraten sang- und klanglos einen Antrag fallen gelassen, der die günstige Besteuerung der Hedge-Fonds-Manager beenden sollte; deren Einkommen wird mit dem 15-prozentigen Satz der Kapitalsteuer versteuert und nicht mit dem höheren Einkommenssteuersatz.

Gary Burtless, Wirtschaftswissenschaftler am Brookings Institute beschrieb die Funktionsweise der Hedge-Fonds und erklärte: "In gewisser Weise ist das eine gigantische Version von Las Vegas."

Alpha berichtete, dass die obersten 25 Hedge-Fonds-Manager auf ihrer Liste im Durchschnitt 892 Millionen Dollar verdient haben, im Vergleich zu 532 Millionen Dollar im Jahr 2006.

Alpha schreibt: "Er [Paulson], Soros, Simons und die anderen, die mehr als eine 1 Milliarde Dollar verdient haben - Philip Falcone und Kenneth Griffen - sind die Spitzen einer Erscheinung, die sich als größte Zurschaustellung von individuellem Reichtum in der modernen Geschichte des Finanzwesens herausstellen könnte ...

Fünf der Manager auf der diesjährigen Liste verdienten 2007 mehr als die 1,2 Milliarden Dollar, die JPMorgan Chase & Co. für die fast bankrotte 85 Jahre alte Bear Stearns Bank zu zahlen bereit war.

Als wir 2002 unsere erste Liste veröffentlichten, stand Soros mit 700 Millionen Dollar an der Spitze, eine Leistung, die ihn in diesem Jahr auf den 9. Platz gebracht hätte. Damals brauchte man 30 Millionen Dollar, um zu den obersten 25 zu gehören, dieses Jahr braucht man 360 Millionen Dollar.

Die Gesamtsumme, die die 25 Topleute unserer Liste 2003 verdienten, immerhin fast 2,8 Milliarden Dollar, war weniger als das, was jeder der drei Top-Manager dieses Jahr verdient hat und weniger als ein Fünftel dessen, was die obersten zehn zusammen verdient haben (16,1 Milliarden Dollar)."

Das Magazin erklärt, dass das erforderliche Minimum, um dieses Jahr in die Liste der 50 Bestverdienenden zu gelangen, bei 210 Millionen Dollar lag.

Was sagen diese gigantischen Einkommen über das Schmarotzertum des amerikanischen Kapitalismus und die soziale Ungleichheit, die es hervorbringt? Wenn man das Gesamteinkommen Paulsons für 2007 nimmt und es durch 365 teilt, kommt man auf ein tägliches Einkommen von 10.137.000 Dollar. Aufgeschlüsselt bedeutet das 422.374 Dollar pro Stunde, 7.040 Dollar pro Minute und 117 Dollar pro Sekunde.

Das Durchschnittseinkommen eines amerikanischen Arbeiters liegt bei 17,50 Dollar. Wenn man annimmt, dass Paulson 40 Stunden in der Woche arbeitet bei 52 Wochen im Jahr, dann läge sein Stunden"lohn" 24.136-mal so hoch wie der eines Durchschnittsarbeiters in den USA.

Jede Stunde hat Paulson eine Summe verdient, die dem mittleren jährlichen Einkommen (60.500 Dollar) von sieben amerikanischen Familien entspricht. Die addierten 29 Milliarden Dollar, die an die 50 Top-Hedge-Fonds-Manager gegangen sind, entsprechen dem mittleren Jahreseinkommen von 479.000 US-Familien.

Die Summen, welche die erfolgreichsten Hedge-Fonds-Manager einstreichen (und die mit dem meisten Glück), sind nur der spektakulärste Ausdruck eines viel umfassenderen Phänomens des Unternehmertums in Amerika. Eine Übersicht über die Gehälter der Vorstandsvorsitzenden, die am Montag vom Wall Street Journal veröffentlicht wurde, stellt fest, dass die durchschnittlichen Gehälter und Sondervergütungen der Vorstandsvorsitzenden von 200 US-Firmen mit einem jährlichen Umsatz von über 5 Milliarden Dollar im letzten Jahr um 4,7 Prozent auf 2.939.000 Dollar gestiegen sind. Die direkte Vergütung mit Aktienanteilen und anderen Boni stieg auf durchschnittlich 8.848.000 Dollar.

Eine weitere Studie schätzt, dass die Spitzen der US-Konzerne im Februar 2008 eine durchschnittliche Gesamtvergütung von 18,8 Millionen Dollar bekommen haben, im Vergleich zu 15,6 Millionen Dollar ein Jahr zuvor.

Zu einem Großteil gewähren sich die Vorstandsvorsitzenden, die für Finanzkatastrophen und sinkende Aktienpreise, einschließlich derjenigen bei großen Banken und Investmenthäusern, verantwortlich waren, selbst immer noch Multi-Millionen-Dollar-Gehälter und Boni; und selbst diejenigen, die gezwungen waren, zurückzutreten oder in Ruhestand zu gehen, bei Firmen wie der Citigroup und Merrill Lynch, haben Abfindungen in Höhe von mehreren zehn Millionen Dollar erhalten.

Die Konzentration von Reichtum an der Spitze und die tief greifende soziale Ungleichheit sind heute in den USA größer als zu irgendeiner Zeit seit der Großen Depression. Eine Studie, die letzte Woche vom Economic Policy Institute und dem Center on Budget and Policy Priorities herausgegeben wurde, sagt aus, dass die wirtschaftliche Ungleichheit in diesem Jahrzehnt weiterhin rasch angewachsen ist.

Die Studie folgert, dass die reichsten fünf Prozent der Familien des Landes von 2004 bis 2006 im Durchschnitt mehr als 12-mal soviel verdient haben wie die ärmsten 20 Prozent, verglichen mit 9-mal soviel in der Zeit von 1987 bis 1989. Von 1998 bis 2000 ist das Einkommen der ärmsten 20 Prozent um 2,5 Prozent gesunken, während für die reichsten 20 Prozent das Einkommen um 9,1 Prozent gestiegen ist. Das Einkommen des mittleren Fünftels der Familien ist in den späten 1990er Jahren nur um 1,3 Prozent gestiegen.

Diese Zahlen unterzeichnen sogar erheblich das Anwachsen der Ungleichheit, weil sie das Einkommen aus Kapitalgewinnen nicht berücksichtigen, von dem der allergrößte Teil an die reichste Schicht der Gesellschaft geht.

Im Durchschnitt, bemerkt der Bericht, liegen die Reallöhne für Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen genauso hoch oder niedriger als im Jahr 2001.

Jared Bernstein, ein führender Wissenschaftler am Economic Policy Institute, erklärte, dass die Vereinigten Staaten seit 1913 erst einmal ein Jahr mit einer solchen ungleichen Verteilung des Reichtums erlebt haben - das war 1928, das Jahr vor dem Börsenkrach.

Die New York Times beschreibt in einem Artikel vom 14. April mit der Überschrift "Selbst wenn die Zeiten hart werden, geben die Ultrareichen Geld aus" die Neigung der obersten gesellschaftlichen Schicht zum verschwenderischen Geldausgeben und zu einem Lebensstil, der an die Dekadenz und die Ausschweifungen des französischen Ancien Régime erinnert, und der trotz des Abgleitens der USA in eine Rezession und trotz des wachsenden sozialen Elends von Dutzenden Millionen Menschen unvermindert weitergeht.

Die Times stellt fest, dass die Krise an der Wall Street begonnen hat, die "einfach nur Reichen" zu treffen, unter Bedingungen, in denen das New Yorker Independent Budget Office davor gewarnt hat, dass die City bis Ende 2009 bis zu 20.000 Arbeitsplätze im Finanzsektor verlieren könnte; das hätte aber bisher keine erkennbaren Auswirkungen auf die Gewohnheiten der privilegiertesten Schichten der Finanzelite.

Die Zeitung schreibt: "Viele Geschäfte, die die Superreichen beliefern, berichten, dass Kunden - viele von ihnen Makler und private Anleger, deren Arbeit mit der Wall Street in Verbindung steht - ihr Geld immer noch mit vollen Händen für mehrere Millionen Dollar teure Apartments in Manhattan, für Jachten, die nach Kundenwünschen gefertigt werden, für zeitgenössische Kunst und verschwenderische Partys ausgeben.

Käufer haben dieses Jahr schon 71 Appartements in Manhattan gekauft, die pro Stück mehr als 10 Millionen Dollar gekostet haben, verglichen mit 17 Appartements in dieser Preisklasse im gesamten Jahr 2007 ... Und die GoodBar, eine Lounge in der Innenstadt, berichtet, dass die Bankiers immer noch 3.000 Dollar teure Flaschen Rémy Martin Louis XIII-Kognak bestellen."

Der Artikel beschreibt eine Party, die für den 10. Mai im exklusiven Plaza-Hotel geplant ist. "Dabei werden ein Dutzend weibliche Musiker mit Streichinstrumenten mitwirken, die so zurechtgemacht werden, dass sie wie Statuen aussehen, mit Kleidern aus frischen Blumen, wie Rosen und Gardenien. Es wird Kaviar und Kognak-Bars geben sowie ein Buffet, dass so aussehen soll wie eine Kopie der holländischen Bilder aus der kürzlich im Metropolitan Museum of Art gezeigten Ausstellung,Das Zeitalter Rembrandts’."

Siehe auch:
Tiefste Krise seit der Großen Depression kündigt sich in Bear Stearns Zusammenbruch an
(22. März 2008)
Ungleichheit in den USA auf Rekordniveau: Milliarden für Wall Street-Bosse - sinkende Löhne
( 29 September 2007)
Loading