US-Finanzminister Henry Paulson hat Unterstützung von unerwarteter Seite bekommen. Der Vorsitzende der Linkspartei,, Oskar Lafontaine, unterstützt den Plan der Bush-Regierung, der Wall Street Hunderte Milliarden Dollar Steuergelder zu geben.
Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), sonst eher bekannt für ihren "Schmusekurs" gegenüber Washington, sah sich gezwungen, der US-Regierung schwere Versäumnisse und Blockaden vorzuwerfen. Sie wies am vergangenen Wochenende die Aufforderung, den 700-Milliarden-US-Rettungsplan für die Wallstreet mit deutschen Steuergeldern zu unterstützen, entschieden zurück.
Auch Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) schlug am Donnerstag in einer Regierungserklärung scharfe Töne an. Vor den Parlamentariern erklärte er, warum er gemeinsam mit den anderen G7-Mitgliedern eine Beteiligung am amerikanischen Finanzplan ablehne. "Die USA sind der Ursprung der Krise", sagte Steinbrück im Bundestag. Washington habe eine Kontrollen der Finanzmärkte stets zurückgewiesen und sei für das "Erdbeben in der internationalen Finanzarchitektur" verantwortlich.
Ganz anders der Standpunkt von Oskar Lafontaine. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters griff er die Bundesregierung an, weil sie der US-Regierung die Unterstützung verweigere. Lafontaine wird mit den Worten zitiert: "Ich bedauere, dass die deutsche Politik sagt, die USA sollen sehen, wie sie zurechtkommen. Das ist ein falscher Ansatz."
Bundesregierung müsse "den USA dabei helfen, krisengeschüttelte Banken zu retten", forderte Lafontaine und kritisierte die Reaktion von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), der erklärt hatte, jeder müsse vor seiner eigenen Haustür kehren, als "nicht sachgemäß". Glos übersehe, dass deutsche Banken in den USA mit in der Krise hingen. Lafontaine wörtlich: "Insofern fände ich es ratsam, wenn sich die deutsche Regierung nicht in solch provinziellen Erklärungen ergeht, sondern erkennt, dass man zusammenarbeiten muss."
Obwohl der so genannte Rettungsplan den Banken mindestens 700 Milliarden Dollar an Steuergeldern in den Rachen wirft, damit sie ihre Spekulationsverluste ausgleichen und die persönliche Bereicherung ihrer Spitzenmanager fortsetzen können, bezeichnete Lafontaine das Stützungspaket der US-Regierung als "alternativlos".
Er begründetet das mit den Worten: "Der Geldfluss ist der Blutkreislauf der Wirtschaft. Die USA sind der Arzt am Krankenbett, der sehen muss, dass das Blut weiter fließt." Washington habe keine andere Wahl, als "zu den Steinzeitrezepten des Sozialismus zurückzukehren, also Verstaatlichung."
Reuters veröffentlichte auf seiner Internetsite nur einen Bericht mit kurzen Zitaten über das Gespräch. Darin heißt es: "Nach Ansicht von Linken-Chef Oskar Lafontaine sollte die Bundesregierung zur Überwindung der internationalen Finanzkrise mit den USA bei den Rettungsbemühungen für Banken unter bestimmten Bedingungen enger zusammenarbeiten."
Als Bedingung für eine solche Zusammenarbeit müsse die Bundesregierung aber auf einer neuen Finanzarchitektur bestehen, um künftige Krisen und Spekulationsblasen zu verhindern, fasst die Nachrichtenagentur den Standpunkt Lafontaines zusammen und zitiert ihn: "Es ist eine einmalige Chance, jetzt etwas Ordnung in das Finanzchaos zu bringen."
Zwei Tage später bekräftigte Lafontaine seinen Standpunkt in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung. Auf die Frage, ob Angela Merkel mit ihrer Ablehnung einer Beteiligung am US-Rettungspaket und Hilfen für Banken richtig gehandelt habe, antwortete Lafontaine mit der Feststellung, dass in Deutschland "ja schon die Privatbank IKB und einige Landesbanken durch Milliarden aus Steuermitteln vor der Pleite bewahrt" worden seien.
Dann fügte er hinzu: "Was die Finanzmärkte anbelangt, so muss Deutschland gemeinsam mit Partnern wie den USA und Großbritannien Strukturreformen beschließen, um Risiken zu verringern und die Stabilität zu erhöhen." Seine Formulierung vom Vortag, wonach das Stützungspaket der US-Regierung alternativlos sei, weil der Geldfluss den Blutkreislauf der Wirtschaft ausmache und nicht unterbrochen werden dürfe, wiederholte er in verkürzter Form: "Ohne funktionierenden Geldfluss leidet die reale Wirtschaft."
Diese Äußerungen sind sehr aufschlussreich. Sie sagen mehr aus, als viele hundert Seiten aus Lafontaines Büchern "Das Herz schlägt links" und "Die Wut wächst". Sie machen deutlich, was von seinen radikalen Phrasen über die "Abschaffung des Raubtierkapitalismus" und seinen Klagen über die "Exzesse des Casino-Kapitalismus" zu halten ist.
Unter der Überschrift "Lafontaine springt Bush bei" schreibt die Süddeutsche Zeitung : "Ausgerechnet Lafontaine fordert nun, Deutschland solle die 700 Milliarden Dollar schwere Hilfsaktion unterstützen, während die Bundesregierung abwinkt." Das Blatt rechnet vor: "Nimmt man die Wirtschaftskraft beider Länder als Maßstab, müsste Deutschland von dem Paket mehr als 100 Milliarden Dollar übernehmen." Damit ließen sich "die deutschen Renten locker um ein Viertel erhöhen", die Zahlungen für Hartz-IV-Empfänger könnte etwa verdreifacht werden und "es wäre rund zwanzig Mal so viel, wie die Wiedereinführung der Vermögensteuer brächte".
Aber nicht nur diese Beispiele zeigen, wie unsozial und reaktionär Lafontaines Standpunkte sind. Mit seiner Behauptung, das Stützungspaket der US-Regierung sei "alternativlos", und seiner Kritik an der Weigerung der Bundesregierung, sich daran zu beteiligen, positioniert sich der Vorsitzende der Linkspartei eindeutig auf Seiten der Finanzaristokratie. Seine Wortwahl unterscheidet sich nicht von der des amerikanischen Finanzministers Henry Paulson, der während der Senatsanhörung der vergangenen Tage und in unzähligen Interviews immer wieder betonte, das geplante 700-Milliarden -Dollar-Geschenk an die Banken sei unverzichtbar, um eine Kreditklemme und das Einfrieren des Geldkreislaufs zu verhindern.
Lafontaine ist kein Neuling in der Politik und im Umgang mit den Medien ein routinierter und ausgebuffter Profi. Seine Stellungsnahme gegenüber Reuters richtete sich an die herrschenden Finanzkreise in Deutschland. Der ehemalige Bundesfinanzminister wollte der Elite in den Chefetagen der Banken signalisieren: Ich bin immer noch einer von Euch.
Gerade weil der Einfluss der Linkspartei wächst und ernsthaft die Option einer "Linksregierung" in Hessen und im Saarland und möglicherweise auch auf Bundesebene in Betracht gezogen wird, will Lafontaine klarstellen, dass er als Linkspartei-Chef genauso wenig die herrschenden Verhältnisse antasten wird, wie er es als SPD-Chef getan hat.
Seine Formulierung, der "funktionierende Geldfluss" müsse aufrecht erhalten werden, dient als Beruhigungspille für die Banker. Denn wenn der bestehende Geldfluss der "Blutkreislauf der Wirtschaft" ist, dann sind die Banken deren Herz. Mit anderen Worten: Lafontaine macht klar, dass er die Macht des Finanzkapitals nicht antasten will.
Sein langjähriger Freund Dominique Strauss-Kahn, der Ende der neunziger Jahre, als Lafontaine das Finanzministerium in Berlin leitete, Wirtschafts- und Finanzminister in Frankreich war, vertritt in der gegenwärtigen Finanzkrise den selben Standpunkt. In einem Artikel der Financial Times schreibt der zum geschäftsführenden Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) avancierte Strauss-Kahn: "Ich begrüße die beherzten Schritte der amerikanischen Regierung und hoffe auf ihre effektive Umsetzung. Andere große Volkswirtschaften sollten vergleichbare Maßnahmen ergreifen..."
Der Paulsen-Plan, den Lafontaine als "alternativlos" bezeichnet, ist ein Raubzug der Banken auf die Taschen der amerikanischen und weltweiten Bevölkerung. Lafontaine stellt die Dinge auf den Kopf und bezeichnet ihn als "Verstaatlichung" von Großbanken. Am Dienstag Abend sprach er auf einer Wahlveranstaltung im brandenburgischen Königs-Wusterhausen und erklärte, es sei ein "Treppenwitz der Weltgeschichte", dass die US-Regierung mit dem "gigantischen Aufkauf fauler Kredite" die Banken verstaatliche.