Börsensturz an der Wall Street nach Scheitern des Finanz-Rettungsplans im Kongress

An der Wall Street brach am Montag Panik aus, und der Dow Jones Index erlebte seinen größten Tages-Einbruch der Geschichte. Am gleichen Tag fiel das Rettungspaket der Regierung für die großen Banken und Finanzhäuser im Repräsentantenhaus durch.

Der Dow Jones stürzte um 777 Punkte oder sieben Prozent ab. Die anderen wichtigen Indizes fielen prozentual sogar noch stärker. Die Technologiebörse Nasdaq gab mehr als neun Prozent nach und der Standard & Poor’s 500 Index fiel um 8,8 Prozent. Insgesamt wurden 1,2 Billionen Dollar oder neun Prozent des gesamten Marktwertes vernichtet.

Der Absturz der Wall Street war schon vor der Abstimmung im Repräsentantenhaus in vollem Gange, und sehr wahrscheinlich hätten die Schlagzeilen auch bei Annahme des Gesetzes gelautet: "Repräsentantenhaus billigt das Rettungspaket, Markt bricht trotzdem zusammen."

In Europa und Asien, wo allgemein erwartet wurde, dass das Rettungspaket angenommen werden würde, und wo die Märkte aus dem Handel gingen, ehe die Abstimmung am Montagnachmittag stattfand, gab es durchweg Verluste. Man befürchtete schon, die Kreditklemme in den USA und international werde zu weiteren Bankzusammenbrüchen führen, ganz unabhängig vom Schicksal des 700-Milliarden-Dollar Pakets. Noch vor der Öffnung der US-Märkte am Montag mussten europäische Regierungen und große Finanzinstitute drei größere Banken vor dem Kollaps bewahren.

Die Regierungen der drei Benelux-Staaten organisierten die 16-Mrd.-Dollar-Rettung der Fortis Bank, während die größte spanischen Bank, Banco Santander, den größten britischen Kreditgeber für Hausbesitzer, Bradford & Bingley Plc, aufkaufte. In Deutschland mussten Regierung und Großbanken mit einer 35-Milliarden-Euro-Kreditlinie eingreifen, um den Kollaps der Hypo Real Estate zu verhindern, einem der größten europäischen Immobilienfinanzierer und Kreditgeber für Kommunen.

In den USA stiegen die Bankzinsen auf das höchste Niveau seit 25 Jahren. Viele Stimmen warnen, die Kreditmärkte könnten derart eng werden, dass selbst große Firmen gezwungen wären, ihre Tore zu schließen. Diesen Sinn hatte auch eine Bemerkung von Finanzminister Henry Paulson, der nach dem Scheitern des Rettungspakets im Kongress am Montagnachmittag sagte:

"Die Märkte stehen weltweit unter Stress, und das schränkt die Verfügbarkeit von Kredit ein, den Unternehmen überall in Amerika benötigen, um Löhne auszuzahlen und Material zu kaufen", sagte Paulson.

Das Damoklesschwert einer Depression, mit Massenentlassungen und tiefen Einschnitten beim Lebensstandard, hängt über der amerikanischen und der Weltwirtschaft. Es gibt allerdings wenig Grund zu der Annahme - und offensichtlich auch wenig Vertrauen auf den Finanzmärkten -, dass Paulsons Rettungsplan ein solches Unglück verhindern könnte. Der Plan versucht keineswegs, die immer schlechter werdenden Lebensbedingungen von Millionen Arbeitern zu verbessern. Sein Ziel besteht darin, das Vermögen der obersten Schicht der amerikanischen Finanzaristokratie zu retten.

Washington Post Kolumnist Steven Pearlstein machte den nackten Klassencharakter des Vorschlags klar, der von der Führung beider großer Parteien propagiert wird. Er betonte, die Gegner des Plans "müssen verstehen, dass es einen Ausweg aus der Krise nur gibt, wenn Regierungen in aller Welt jede Menge Geld leihen und große Teile des Finanzsystems praktisch verstaatlichen, damit es restrukturiert, rekapitalisiert, reformiert und wieder in Privateigentum zurückgegeben werden kann, wenn die Krise vorüber ist."

Mit anderen Worten "jede Menge Geld" wird der Bevölkerung genommen, um den Reichtum der großen Aktienbesitzer und Investoren zu schützen und die Großbanken unter die Fittiche der Regierung zu nehmen, bis sie wieder profitabel genug sind, um sie erneut diesen gleichen Finanzoligarchen zu übereignen.

Dies einen "Plan" zu nennen, trifft die Sache nicht ganz. Es ist nichts anderes als die Entscheidung, Finanzminister Paulson, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von Goldman Sachs, 700 Milliarden Dollar Steuergelder an die Hand zu geben, damit er seinen ehemaligen Kollegen an der Wall Street völlig wertlose Papiere abkaufen kann.

Niemals in der Geschichte sind einem amerikanischen Staatsvertreter derart weitreichende Vollmachten erteilt worden. Selbst die phantastische Summe von 700 Milliarden Dollar, die in diesem Plan genannt ist, wird von vielen Fachleuten nur als erste Rate gesehen, denn die Gesamtsumme der faulen Papiere in den Büchern der großen Finanzhäuser beträgt ein Vielfaches dieser Summe.

Was die "Zugeständnisse" angeht, die die Führer der Demokraten im Kongress der Bush-Regierung abgerungen haben wollen, so sind es reine Luftschlösser. Mit diesem atemberaubenden Transfer von Reichtum werden keinerlei bindende Bedingungen verbunden, und die breite Bevölkerung, die der Wirtschaftskrise voll ausgesetzt ist, wird damit in keiner Weise unterstützt.

Obwohl die Führungen beider Parteien und beide Präsidentschaftskandidaten hinter diesem Plan stehen, wird er von der Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Das war auch der eigentliche Grund für sein Scheitern im Kongress. Fast alle - demokratischen und republikanischen - Abgeordneten, die im November in umkämpften Wahlkreisen kandidieren, stimmten gegen den Entwurf, weil sie befürchten müssen, sonst an der Wahlurne bestraft zu werden.

Regierung und Kongressführung deuteten an, dass sie das Paket so bald wie möglich erneut vorlegen wollen. Vor Donnerstag ist eine zweite Abstimmung allerdings nicht zu erwarten.

Wall Street und Weißes Haus reagierten entsetzt auf die Ablehnung des Gesetzes, das die Unterstützung des Präsidenten, der Demokratischen Mehrheitsführung, der Führung der Republikaner im Kongress und von Barack Obama und John McCain hatte.

"Wir haben ein großes Problem", sagte eine wie betäubt wirkender George W. Bush, der im Weißen Haus an der Seite des ukrainischen Präsidenten auftrat.

An der Wall Street schwankte die Stimmung bei den großen Finanzhäusern zwischen Panik und kochender Wut auf die Opposition der amerikanischen Bevölkerung gegen das Rettungspaket. Einige machten düster drohende Bemerkungen, die Leute würden schon noch "aufwachen", wenn sie ihre Kreditkarten nicht mehr benutzen oder kein Geld mehr am Automaten abheben könnten.

Die Medien warfen jeden Anschein von objektiver Berichterstattung über Bord. Fernsehkommentatoren gaben dem Zorn und der Besorgnis der großen Finanzinteressen Ausdruck und versuchten einen Schuldigen für die irrationale Ablehnung einer unerlässlichen Maßnahme zu finden.

Der Rettungsplan wurde mit 238 zu 205 Stimmen abgelehnt. 60 Prozent der Demokratischen Abgeordneten stimmten dafür und 67 Prozent der Republikanischen Abgeordneten dagegen.

Erneut erwiesen sich den Demokraten als die verlässlichsten und loyalsten Verteidiger der Interessen der Wall Street.

Obama rief in einer Rede am Montag zur Unterstützung des Plans auf. Er schloss sich den Bemerkungen Bushs ein paar Stunden früher auf dem Rasen des Weißen Hauses an, in denen dieser die amerikanische Bevölkerung unter Druck setzte, den Plan zu unterstützen. Der Rettungsplan, erklärte Bush, ist "unser bester und einziger Weg, eine wirtschaftliche Katastrophe zu verhindern."

Weder Obama noch sonst jemand konnte erklären, auf welche Weise der Entwurf der amerikanischen Bevölkerung zugute käme. Ganz im Gegenteil hat Obama schon eingeräumt, dass die Verabschiedung dieses Plans zwingend bedeuten würde, dass er sogar seine geringfügigen Versprechen aus dem Wahlkampf wieder zurücknehmen müsse. Der Plan erfordere eine noch striktere Haushaltsdisziplin. Im Klartext bedeutet das, dass zentrale Sozialprogramme, wie die Renten und die Krankenversorgung, erheblich gekürzt werden.

Nach der Ablehnung des Gesetzentwurfs zögerte Obama eine Stellungnahme hinaus, bis er sich mit Paulson beraten hatte. Dann bekräftigte er, der Vorschlag sei "notwendig, um die Märkte zu stabilisieren". Er fuhr fort: "Demokraten und Republikaner in Washington haben die Verantwortung, ein Rettungspaket zu schnüren, das zumindest die unmittelbaren Probleme eingrenzt."

Auch McCain gab keine sofortige Stellungnahme ab, aber einer seiner Wahlkampfberater setzte die lächerliche Behauptung der Republikanischen Führung im Repräsentantenhaus in Umlauf, das Scheitern des Projekts sei die Folge eines parteitaktischen Angriffs der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, vor der Abstimmung.

Die stärkste Opposition im Kongress gegen den Rettungsplan ging von den rechtesten Teilen der Republikanischen Partei aus. Sie versuchen die Übertragung von riesigen Mengen öffentlicher Gelder auf die reichsten Interessen des Landes als - "Sozialismus" hinzustellen.

Der Abgeordnete Thaddeus McCotter aus Michigan brachte sogar die Oktoberrevolution von 1917 ins Spiel und verglich den Rettungsplan mit der Parole der Bolschewiki von "Brot, Land und Frieden".

Diese extrem rechten Ideologen lassen in vielen Fällen auch noch rassistische Töne hören. Häufig machen sie Angehörige von Minderheiten, die als Hauskäufer überdurchschnittlich oft an den Subprime-Hypotheken scheiterten, für die Krise verantwortlich, die doch vom Parasitismus der Wall Street verschuldet ist.

Diese rechten Gegner der Rettungsaktion treten letztlich für noch stärkere Steuersenkungen für die Reichen ein und fordern die Zerstörung des noch verbliebenen sozialen Netzes in Amerika. Sie wollen alles öffentliche Geld der Wirtschaft in den Rachen spülen, allerdings auf einem anderen Weg.

Solche schwachsinnigen Demagogen können die breite Opposition gegen den Rettungsplan nur deshalb für sich vereinnahmen, weil die Führung der Demokratischen Partei wie ein Mann hinter den Interessen des Finanzkapitals steht und den Sorgen der arbeitenden Bevölkerung gegenüber völlig gleichgültig ist. Sie sind von Grund auf unfähig, den Forderungen der Wall Street irgendeine Alternative entgegen zu setzen.

Dies ist die tiefste Krise des amerikanischen und des Weltkapitalismus seit der Großen Depression der 1930er Jahre. Ein Ausweg verlangt nicht nur die Ablehnung des Rettungsplans. Der ganze Rahmen, innerhalb dessen die Debatte in Washington geführt wird, muss zurückgewiesen werden.

Das kapitalistische System ist gescheitert, und es gibt keinen Grund, die Warnungen Bushs, Paulsons und Obamas in Zweifel zu ziehen, dass sich hier eine soziale Katastrophe zusammenbraut.

Wer eine Antwort für die Krise sucht, muss als erstes die Frage stellen: Wer soll das bezahlen? Die Antwort von Demokraten und Republikanern steht fest, trotz allen taktischen Differenzen über den Rettungsplan: Die arbeitende Bevölkerung soll den Verlust ihrer Arbeitsplätze, ihres Lebensstandards und ihrer sozialen Interessen in Kauf nehmen, um die Finanzparasiten zu retten, die die Katastrophe heraufbeschworen haben.

Die Arbeiterklasse muss für ihre eigene Lösung eintreten. Die Banken und großen Finanzhäuser, die die Wirtschaft jetzt in den Abgrund und Millionen in Armut reißen, müssen enteignet werden, und zwar ohne Entschädigung für ihre Chefs und großen Aktienbesitzer.

Diese Institute müssen in öffentliche Versorgungsunternehmen umstrukturiert werden, die demokratisch von der Bevölkerung kontrolliert werden. Ihre riesigen Mittel dürfen nicht mehr der Profitmacherei der Reichen dienen, sondern müssen zu produktiven Zwecken verwandt werden, wie z.B. der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Beendigung von Zwangsräumungen, der Modernisierung der Infrastruktur und der Finanzierung von Bildung, Gesundheitsversorgung und anderen dringend benötigten Sozialprogrammen.

Alle, die unmittelbar für die Krise verantwortlich sind, die Vorstandschefs der Wall Street, die in betrügerische Finanzmanipulationen verwickelt waren und viele Millionen Dollar daran verdienten, müssen zur Verantwortung gezogen werden. Ihr Vermögen muss konfisziert, und sie selbst müssen vor Gericht gestellt werden.

Dieses Programm kann nur durchgesetzt werden, wenn die arbeitende Bevölkerung für den Aufbau ihrer eigenen unabhängigen Partei mobilisiert wird und dafür kämpft, die politische Herrschaft der Banken und der Großkonzerne, die von den Demokraten und den Republikanern repräsentiert wird, durch eine Arbeiterregierung zu ersetzen.

Dies ist die Politik der Socialist Equality Party und ihres Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidaten. Jerry White und ich kandidieren bei der Wahl 2008 um diesem Programm die breitest mögliche Bekanntheit unter Arbeitern, Studenten und Jugendlichen zu verschaffen. Wer die Notwendigkeit für diese sozialistische Alternative sieht, sollte unseren Wahlkampf unterstützen und Mitglied der SEP werden.

Siehe auch:
Nein zu Obama und McCain! Unterstützt die sozialistische Alternative 2008! Baut die Socialist Equality Party auf!
(18. September 2008)
Rettungsaktion enthüllt Bankrott des amerikanischen Kapitalismus
( 17. September 2008)
Die Wall Street-Krise und der Niedergang des amerikanischen Kapitalismus
( 17. September 2008)
Demokraten signalisieren Unterstützung für Wall Street-Rettungsaktion
( 25. September 2008)
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