BMW-Geschäftsleitung schickt Arbeiter in Zwangsurlaub

WSWS-Reporter sprachen mit Beschäftigten im Münchner Stammwerk

Die Geschäftsführung der Bayerischen Motoren Werke (BMW) hat Maßnahmen ergriffen, um die Last der beginnenden Rezession und die Krise in der Autoindustrie in vollem Umfang auf die Beschäftigten abzuwälzen. Sie arbeitet dabei Hand in Hand mit den Betriebsräten und den zuständigen Funktionären der IG Metall in Bayern und Sachsen.

Im Münchner Stammwerk wird die Produktion von Mitte Dezember bis 9. Januar gestoppt. Angesichts starker Absatzrückgänge - alleine im Oktober sanken die Verkaufszahlen um 8,3 Prozent - will die Unternehmensleitung den Produktionsstopp sogar um eine weitere Woche ausdehnen und auf den 8. Dezember vorziehen. Darüber finden gegenwärtig Verhandlungen mit dem Betriebsrat statt.

Auch im Werk Regensburg wird die Produktionspause auf vier Wochen verlängert. Das Werk schließt komplett nach der ersten Dezember-Woche und soll erst zu Beginn der zweiten Januar-Woche die Produktion wieder aufnehmen. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen der Werksleitung und dem Betriebsrat wurde am Montag unterzeichnet, gab der Regensburger Betriebsratschef Werner Zierer am Dienstag gegenüber dem Bayerischen Rundfunk bekannt. Das BMW-Werk Regensburg ist mit rund 10.000 Mitarbeitern und einer Tagesproduktion von etwa 1000 Autos nach dem Werk in Dingolfing das zweitgrößte BMW-Werk weltweit.

Im Leipziger BMW-Werk stehen seit diesem Montag die Bänder still, die Produktion wurde zunächst für vier Tage unterbrochen. Gleichzeitig wurde die künftige Produktion drastisch reduziert. Nach Unternehmensangaben werden ab sofort statt den bisher 700 nur noch 400 Autos pro Tag im Leipziger Werk gefertigt. BMW hat deshalb fast der Hälfte der 700 Leiharbeiter in Leipzig die sofortige Kündigung zum nächsten Monat ausgesprochen.

Insgesamt arbeiten weltweit knapp 108.000 Menschen für den Konzern, davon etwa 80.000 in Deutschland. BMW hatte bereits am Jahresanfang die Streichung von mehr als 8.000 Stellen angekündigt, darunter 5.000 Zeitarbeitsplätze. Angesichts der anhaltenden Krise in der Autoindustrie sollen nun nochmals bis zu 2.500 Stellen in Deutschland "auf dem Prüfstand kommen", ließ der Vorstand verlauten.

Der Stellenabbau ist nicht nur eine Reaktion auf sinkende Verkaufszahlen. BMW nutzt die Krise, um ein umfangreiches Sparprogramm durchzusetzen, mit dem die Rendite des Unternehmens im Interesse der Anleger deutlich erhöht werden soll.

"Wir richten die BMW Group konsequent auf Profitabilität" aus, sagte der Vorstandsvorsitzende Norbert Reithofer, als er im vergangenen Jahr ein "Strategiepapier" vorlegte, mit dem er den Abbau von damals 8.000 Arbeitsplätzen ankündigte.

Zu diesem Zeitpunkt stützte sich das Münchner Unternehmen auf volle Auftragsbücher. 2006 war der Absatz gegenüber dem Vorjahr um über acht Prozent gestiegen. In den USA war BMW der verkaufsstärkste deutsche Anbieter, und auch in China stiegen die Absätze kontinuierlich.

Während Konzernvertreter und Betriebsräte nicht müde werden die Kurzarbeit und Sparmaßnahmen als notwendig und unverzichtbar zu rechtfertigen, reagieren die Beschäftigten mit wachsender Ablehnung und Wut darauf.

Betriebsrat und Management "hängen alle zusammen"

Die große Mehrzahl der Beschäftigten, mit denen die Reporter der World Socialist Web Site vor den Werkstoren in München sprachen, berichtete über die Sorgen, die viele Arbeiter haben. Angst und Unsicherheit gehe in den Werken um. Niemand wisse genau wie es weiter geht. Man müsse jeden Tag auf neue Hiobsbotschaften gefasst sein. Auch von den Betriebsräten kämen kaum klare Informationen, immer nur der Hinweis man müsse abwarten und Ruhe bewahren.

Aus Angst vor Repressalien hielten sich viele Arbeiter zurück, wollten sich nicht ausführlich äußern, oder wollten oft anonym bleiben.

Erwin P.arbeutet seit 34 Jahren bei BMW und sagte: "Die Stimmung ist mies". Während ältere Mitarbeiter noch relativ geschützt sind, geht besonders "bei den Jüngeren" die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes um.

"Viele haben Angst den Arbeitsplatz zu verlieren", bestätigte auch ein türkischer Betriebsrat, der seit 35 Jahren für BMW arbeitet und seinen Namen nicht nennen möchte. Eine ganze Reihe von Kollegen ziehen es vor mit Abfindungen den Betrieb zu verlassen, weil sie für sich dort keine Zukunft sehen.

Er erklärte, dass sich die Situation bei BMW in den letzten Jahren grundlegend verändert hat. Die Beschäftigten waren im Vergleich zu anderen Betrieben sehr gut gestellt. Die Bezahlung lag deutlich über dem üblichen Tariflohn und zudem großzügige betriebliche Sicherungen. Heute dagegen bestimmen gesteigerte Arbeitshetze und ständige Angriffe auf die Löhne den Arbeitsalltag.

Frank B., ebenso viele Jahre in der Produktion beschäftigt, berichtete über den harten Alltag, der darin bestehe, dass "immer weniger Leute an den Bändern immer mehr Arbeit" erledigen müssen.

Auch Hassan K., der in der Abteilung Rohbau beschäftigt ist, bestätigte die fortgesetzten Personaleinsparungen. Es werden "jede Menge Leute entlassen. Eine Leihfirma wurde komplett aufgelöst. 50 Prozent der Leiharbeiter sind schon raus".

Anders als von der Geschäftsführung immer wieder behauptet, geht die Drosselung der Produktion voll zulasten der Beschäftigten. "Wir müssen unsere Überstunden dafür verwenden. Wer keine angesammelt hat, muss seinen Urlaub verwenden. Der ganze Stress macht viele regelrecht krank", erklärte der türkische Betriebsrat.

Auf die Frage nach der Rolle der Betriebsratsleitung und Gewerkschaft antwortete er offen: "Die sitzen alle zusammen. Wird ein neuer Vertrauensmann gewählt, spricht er zuerst mit dem Chef."

In kaum einem anderen Betrieb ist das gewerkschaftliche Co-Management derart ausgeprägt wie bei BMW. Hier wurden Sparmaßnahmen von der Arbeitnehmerseite nicht nur abgenickt, sondern selbst vorgeschlagen. Die völlige Flexibilisierung der Arbeitszeit, die für die meisten Beschäftigten ein halbwegs geregeltes Alltagsleben fast unmöglich macht, wurde seit den 90er Jahren durch den Betriebsrat eingeführt. Neben Samstagsarbeit wurde auch ein Arbeitszeitkonto eingeführt, Mitarbeiter arbeiten damit bis zu 200 Überstunden pro Jahr ohne Zuschläge, die sie nun gezwungener Maßen abbauen müssen. Diese Flexibilisierung ermöglicht es jetzt dem Management je nach Bedarf die Arbeiter nach Hause zu schicken.

Besonders dreist waren die Stellungnahmen der Gewerkschaft zu dem Anfang des Jahres angekündigtem Arbeitsplatzabbau bei den Zeitarbeitsfirmen. Offen stellten sie sich hinter Reithofer und die Konzernführung. "Wir sind vollkommen unaufgeregt", erklärte Matthias Jena, Sprecher der IG Metall Bayern damals. "Wenn die Produktion umgebaut wird, werden weniger Leute gebraucht." Das sei völlig normal.

IG-Metall und Betriebsrat waren seit langem in die Pläne des Vorstandes eingeweiht. Hinter den Kulissen haben Management, Gewerkschaft und Betriebsrat seit Monaten die Entlassungen ausgehandelt und abgesegnet.

Die Komplizenschaft von Gewerkschaft und Management wurde jüngst auch beim Tarifabschluss, der Metall- und Elektroindustrie deutlich, der auch für die Beschäftigten bei BMW gilt. Die meisten Arbeiter zeigten sich maßlos enttäuscht darüber.

"Das ist viel zu wenig nachdem wir so lange keine Erhöhung hatten", beklagten viele langjährig Beschäftigte. Wie in zahlreichen anderen Betrieben, hatten sich auch an den BMW-Standorten mehrere tausend Mitarbeiter an den Warnstreiks beteiligt.

Insgesamt hatten 550.000 Metall- und Elektroarbeiter in den vergangenen Wochen an Protestaktionen und Warnstreiks teilgenommen, was deutlich machte, dass viele Arbeiter nicht mehr bereit waren Lohneinbußen hinzunehmen. Dass die IG Metall die ursprüngliche Forderung von 8 Prozent vollständig aufgegeben hat und erneut einen Tarifvertrag unterschrieb, der Reallohnsenkung bedeutet, stieß bei vielen BMW-Beschäftigten auf scharfe Kritik.

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