Druckmaschinenindustrie in freiem Fall

Seit September 2008 veröffentlichen die führenden Druckmaschinenhersteller alarmierende Nachrichten mit Ankündigungen von Kurzarbeit und Arbeitsplatzvernichtung an allen Standorten.

In Deutschland hat Manroland in den Werken in Offenbach und Mainhausen Kurzarbeit eingeführt. König & Bauer (KBA) gab im Oktober die Entlassung von 600 Arbeitern in Radebeul (Sachsen) bekannt, dem Werk für die Herstellung von Bogenoffsetmaschinen. Ende November bestätigte KBA dann erweiterte Zwangsferien während der Weihnachtsfeiertage und verlängerte Kurzarbeit bis in den Januar 2009 hinein auch für die Rollenoffsetfabriken in Würzburg und Frankenthal (Pfalz).

Der Marktführer Heidelberger Druckmaschinen AG (HDM) hat Ende November die Streichung von 2.500 Arbeitsplätzen in Wiesloch (1.400), Heidelberg (300), der Gießerei in Amstetten und den kleineren Montagewerken in Brandenburg, Kiel und Leipzig angekündigt. Zusätzlich gibt es im Hauptwerk in Wiesloch und der Hauptverwaltung in Heidelberg über die Feiertage Kurzarbeit.

Die japanischen Hersteller Komori, Mitsubishi und Tokyo Kikai Seisakusho haben noch keine Entlassungen angekündigt, aber Berichte auf einer Konferenz der Rollenoffsetbranche weisen auf schmerzliche Maßnahmen hin: Während die kombinierte Kapazität dieser Hersteller für die Jahresproduktion von 120 Rollenoffsetmaschinen ausgelegt ist, liegen die erwarteten Auftragseingänge unter 35 Maschinen. Die Bestellungen von Bogenoffsetmaschinen sind um etwa 40 Prozent gesunken.

Der amerikanische Hersteller Goss International durchlief bereits nach dem Ankauf der Akzidenzrollenoffsetabteilung von HDM im Jahre 2004 eine Periode von Fabrikschließungen und Entlassungen. Die Zahl der Beschäftigten wurde Schritt für Schritt in allen Werken reduziert bis auf die Joint Venture Fabrik in Shanghai. Die Zukunft ist unsicher, da der Mehrheitsanteilseigner, der Hedgefonds Matlin Patterson Global Opportunities Partners, die Firma abzustoßen versucht.

Die Aktien der großen Hersteller sind dramatisch eingebrochen. Allein im letzten Jahr fiel der Aktienwert von HDM von über 40 Euro Mitte 2007 auf 3,94 Euro in der ersten Dezemberwoche 2008. Das ist ein Fall von 90 Prozent im Vergleich zum Vorjahr innerhalb von nur 18 Monaten. Der Aktienwert von KBA fiel von 30 Euro auf 9,94 Euro und die Aktien der japanischen Firma Komori sanken um die Hälfte im gleichen Zeitraum.

Alle deutschen Hersteller hatten 2007 einen "Beschäftigungssicherungspakt" mit der IG Metall abgeschlossen: KBA für das Werk Radebeul bis Januar 2010, Manroland für Offenbach bis Ende 2009 und Heidelberger Druckmaschinen für Wiesloch bis 2012. Es ist bezeichnend für das Ausmaß der Krise, dass der Vorstandsvorsitzende von HDM, Bernhard Schreier, jetzt die Aufkündigung dieses Pakts einleitet, indem er 2.500 Stellen streicht.

Schreier gilt als Vertreter der alten Schule der Sozialpartnerschaft. Er besetzt seit Jahren in Personalunion die Positionen des Vorstandsvorsitzenden und des Arbeitsdirektors im Heidelberger Aufsichtsrat. Er kommt aus einer Familie, die schon seit drei Generationen bei Heidelberg beschäftigt ist. Die Novemberausgabe der Zeitschrift Manager Magazin charakterisiert ihn als jemanden, der "niemandem wehtun" wolle und die meisten Fabrikarbeiter in Wiesloch mit Namen kenne. Für ihn sei "der Erhalt von qualifizierten Arbeitsplätzen wichtiger als ein kurzfristiger Kurssprung der Aktie".

Doch die Krise polarisiert die Beziehungen zwischen allen Beteiligten in der Industrie und zwingt sie, Position zu beziehen. Der Sozialpartnerschaft wird die Grundlage entzogen. Den Aktionären geht der von Schreier angekündigte Abbau von 2.500 Arbeitsplätzen bei HDM nicht weit genug. Auf der Jahreshauptversammlung im Juli 2008 verlangten sie laut Manager Magazin "frisches Blut im Vorstand".

Auch die Autoren des Manager Magazins werfen Schreier vor, er habe "das einstige Prunkstück des deutschen Maschinenbaus zum Sanierungsfall verkommen" lassen. Sie verlangen ein "Ende der Kuschelkultur" und die schnelle Verlagerung von Produktionsstätten in Niedriglohnländer wie China oder andere asiatische Länder.

Schreier selbst geht von einer vorübergehenden Krise aus. "Das ist jetzt die fünfte Krise, die ich mitmache", sagte er dem Manager Magazin. Sie folgten alle dem gleichen Schema: Das Geschäft gehe für höchstens eineinhalb Jahre zurück und die gleiche Zeit sei nötig, um sich von der Krise zu erholen. Es komme darauf an, zu überwintern und Marktanteile zu halten.

Auch die IG Metall, die 2007 den "Beschäftigungssicherungspakt" ausgehandelt hat, geht von einer vorübergehenden Krise aus und rechtfertigt damit ihre Bereitschaft, Zugeständnisse zu machen und den Gürtel enger zu schnallen. Tatsächlich weisen alle Fakten darauf hin, dass diese Zugeständnisse nur der Auftakt zu weiteren Angriffen und Entlassungen sind.

Die Schnelligkeit und das Ausmaß, mit denen sich die Krise ausbreitet, hat man in der Industrie noch nicht erlebt. Alle großen Hersteller berichten von um 30 bis 40 Prozent reduzierten Auftragseingängen im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig erhöht sich der Bestand von Lagermaschinen dramatisch, mit negativen Auswirkungen auf die Bilanzen. Dies führt zu einem Preiskampf: Jeder Hersteller versucht verzweifelt, so viele Aufträge wie möglich an Land zu ziehen, um eine kostendeckende Auslastung der Fabriken zu erreichen.

Trotz deflationärer Preise halten sich die Druckereien jedoch mit Investitionen zurück. Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen.

Laut Daten des Verbands Magazine Publishers of America berichten führende Verlage in den USA über einen Rückgang des Werbevolumens um 30 Prozent innerhalb der letzten drei Monate. Als Folge werden Journalisten entlassen und Zeitschriften eingestellt. Der schrumpfende Werbemarkt verursacht sinkende Druckauftragsvolumen und die Verschiebung von Investitionen in neue Maschinen durch die Druckereien.

Die Bankenkrise hat zu einem Rückgang der Vergabe von Krediten geführt, mit denen Druckereien normalerweise ihre Investitionen finanzieren. Deswegen wurden zahlreiche Maschinenkäufe storniert, die erst im Juni 2008 auf der weltgrößten Messe der Druckindustrie DRUPA in Düsseldorf abgeschlossen worden waren.

Sinkende Werbeeinnahmen der Zeitungen im Zuge der Abwanderung von Kleinanzeigen ins Internet haben zu Verlusten der Zeitungsverlage, vermehrten Pleiten und zur Beschränkung einiger Verlage auf Fernseh- und Rundfunkkanäle geführt. Damit gingen auch die Aufträge für Zeitungsmaschinen zurück.

All diese Entwicklungen werden durch den erbitterten globalen Konkurrenzkampf verschärft.

Druckereien auf der ganzen Welt benutzen gleichartige Ausrüstung. Sie kämpfen durch Preisnachlässe um die selben Aufträge. Die Bücher für das Weihnachtsgeschäft in den USA und Europa werden oft in Osteuropa, China oder Lateinamerika gedruckt. Die weltweit größten Druckereien wie RR Donnelley, Quebecor World, Quadgraphics, Toppan, Dai Nippon oder europäische Druckhäuser haben weltweit ein Netz von Druckereien aufgebaut, in der Jagd nach niedrigeren Löhnen und anderen Kosteneinsparungen, um im Wettbewerb eine dominierende Industrieposition zu erhalten.

Diese Entwicklung hat zu einer umfassenden Maschinenautomation, höherem Seitenvolumen pro Zylinderumdrehung und dramatisch gesteigerten Produktionsgeschwindigkeiten geführt. Bogenoffsetmaschinen haben ihre Produktivität in den letzten dreißig Jahren mehr als verdreifacht, während das Bedienungspersonal halbiert wurde. Eine Rollenoffsetmaschine produzierte in den 70er Jahren etwa 500.000 vierfarbige Seiten pro Stunde. Heute stoßen die größten Rollenoffsetmaschinen mehr als 4 Millionen Farbseiten je Stunde aus, bei gleicher Bedienungsmannschaft.

Im Jahre 2007 veröffentlichte Manroland eine Statistik in der Fachzeitschrift Deutscher Drucker, laut der sich die Produktionskapazität aller installierten Rollenoffsetmaschinen in Europa zwischen 1995 und 2005 nahezu verdoppelte, während die Zahl der installierten Maschinen um 25 Prozent zurückging. Die Folge waren Stellenstreichungen und erhöhter Arbeitsstress für die verbleibende Belegschaft.

Auf kapitalistischer Grundlage gibt es keinen Ausweg aus dieser Krise. Die Beschäftigten der Druck- und Druckmaschinenindustrie müssen sich grenzüberschreitend zusammenschließen und für eine grundlegende Neuorganisation der Wirtschaft und Gesellschaft auf sozialistischer Grundlage eintreten.

Loading