Srilankischer Armeechef mischt sich in Diplomatie ein

Bemerkungen des Kommandeurs der sri lankischen Armee Generalleutnant Sarath Fonseka provozierten letzte Woche einen diplomatischen Zwischenfall mit Indien. Der Zwischenfall zeigt den Einfluss, den das Militär inzwischen in Colombo ausübt. Präsident Mahinda Rajapakse, der die Insel Mitte 2006 zurück in den Krieg warf, stützt sich zunehmend auf die Armee, die dadurch in der Regierung, wie im politischen Leben allgemein, eine zunehmend bedeutende Rolle spielt.

In einem längeren Interview im staatlichen Sunday Observer vom 7. Dezember hetzte General Fonseka gegen Politiker des südlichen indischen Bundesstaates Tamil Nadu und ihre Forderung, dass Neu-Delhi Druck auf die Regierung von Sri Lanka ausüben solle, um einen Waffenstillstand mit den Befreiungstigern von Tamil Eelam (Liberation Tigers of Tamil Eelam, LTTE) zu schließen. "Wenn die LTTE zerschlagen ist, werden diese politischen Witzfiguren [in Tamil Nadu], wie Nedumaran, Vaiko und wer immer sonst noch mit der LTTE sympathisiert, sehr wahrscheinlich ihre Einkünfte verlieren, die sie von der LTTE erhalten", verkündete er.

Gefragt, ob die indische Regierung von den Protesten in Tamil Nadu beeinflusst werde, kommentierte Fonseka: "Ich bin zuversichtlich, dass die indische Regierung nicht an einem Waffenstillstand in Sri Lanka interessiert ist und die LTTE als terroristische Organisation ansieht. Sie behandeln schon Prabhakaran [den Führer der LTTE] als Kriminellen und haben ihn zum Tode verurteilt... [Der indische] Premierminister Singh hat nach den Terroranschlägen in Mumbai selbst genug Probleme. Sie sind gegen die LTTE und werden somit nichts zugunsten der LTTE unternehmen."

Wie zu erwarten provozierten Fonsekas Bemerkungen einen politischen Aufruhr in Indien. Es kam zu Demonstrationen, welche die Protestbewegung, die im Oktober aufflammte, wieder zu entfachen drohen. Präsident Rajapakse entsandte am 26. Oktober seinen Bruder Basil nach Neu-Delhi um die indische Regierung zu beschwichtigen, und sich bestätigen zu lassen, dass Neu-Delhi nichts gegen den Krieg in Sri Lanka tun werde. Im Gegenzug erreichte Premierminister Manmohan Singh, dass die Parteien aus Tamil Nadu nicht aus seiner Regierungskoalition austraten.

Seit Rajapakse den Krieg neu entfacht hat, befindet sich die indische Regierung in einem delikaten Balanceakt. Um den wachsenden separatistischen Tendenzen in Indien selbst vorzubeugen und regionale Rivalen wie Pakistan und China zu hindern, in Colombo mehr Einfluss zu gewinnen, unterstützte Neu-Delhi unter der Hand die srilankische Regierung politisch wie militärisch. Gleichzeitig konnte Singh aber auch nicht die Stimmung in Tamil Nadu ignorieren, wo es starke Bande zur tamilischen Minderheit in Sri Lanka gibt. Die Wut von Politikern in Tamil Nadu spiegelt den weitverbreiteten Ärger der Bevölkerung über das Militär Sri Lankas wieder, das wahllose Angriffe auf die zivile Bevölkerung im Norden und Osten der Insel führt.

Fonseka hat seine Äußerungen nicht unbedacht gemacht. Er gab das Interview nur Tage nachdem Neu-Delhi auf Drängen der Regierung in Tamil Nadu den indischen Außenminister Pranab Mukherjee nach Sri Lanka gesandt hatte, um die Möglichkeit eines Waffenstillstandes zu erörtern. Es war zwar unwahrscheinlich, dass Neu-Delhi zu viel Druck ausüben würde, aber die Überlegungen gingen dahin, das Mukherjee das Problem wenigstens formal ansprechen würde. Mit der absichtlichen Provokation dieses diplomatischen Zwischenfalls machte Fonseka deutlich, dass das Militär eine solche Diskussion nicht zulassen werde. Mukherjee blies daraufhin seinen geplanten Besuch ab.

Was daraufhin in Colombo geschah ist bezeichnend. Die indische Regierung wies ihren Hochkommisar in Colombo an, eine formelle Protestnote zu Fonsekas Bemerkungen einzureichen. In einem ungewöhnlichen Schritt übernahm es der srilankische Verteidigungsminister Gotabhaya Rajapakse - ein anderer Bruder des Präsidenten -, für Fonseka zu antworten, und versicherte, dass die Äußerungen nicht mehr wiederholt würden. Die Regierung schasste den Herausgeber des Observer, weil er das Interview veröffentlicht hatte.

Der General selber wurde nicht belangt. Fonseka hat seine Bemerkungen weder zurückgenommen noch wurde er für seine eigenmächtige Einmischung in die Außenpolitik des Landes und die sensiblen Beziehungen mit Indien diszipliniert. Niemand in der Regierung, noch die Opposition oder die Medien kritisierten Fonsekas kaltschnäuzige Verletzung der Normen der bürgerlichen parlamentarischen Demokratie - sie zeigen damit nicht nur ihre Unterstützung des reaktionären Krieges, sondern fallen auch vor dem Militär auf die Knie.

Präsident Rajapakse kam nicht auf die Idee Fonseka für sein Verhalten zu tadeln, sondern lobte den General. Auf einer Zeremonie des Militärs am 12. Dezember, pries er Fonseka als "auf der selben Stufe mit den besten Kommandeuren der Welt stehend". "Die Armee, die unter Fonsekas Führung kämpft, hat die Herzen des Volkes gewonnen", fügte er hinzu. Fonseka schenkte dem Präsidenten eine Gedenkmedaille.

Die Wiederaufnahme des Krieges durch die Regierung in Colombo hat die wirtschaftliche und soziale Krise des Landes verschärft, und die Regierung selbst zutiefst unpopulär gemacht - und nicht "die Herzen des Volkes gewonnen". Weil seine Koalition auf einer wackeligen parlamentarischen Mehrheit beruht, hat Rajapakse zunehmend Macht in seinen Händen konzentriert. Dabei stützte sich Rajapakse auf den Krieg und das Militär, um im Namen der "Nationalen Sicherheit" jede Opposition einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen.

So ist es nicht überraschend, dass Fonseka in Rajapakses herrschender Kamarilla eine prominente Stellung innehat. Rajapakses Bruder Gotabhaya und Fonseka sind alte Schulfreunde, die das elitäre Ananda College besuchten und zusammen als Offiziere im Sinha Regiment dienten. Präsident Rajapakse hat Fonseka zum Chef der bewaffneten Streitkräfte gemacht und erst kürzlich seine Amtszeit um ein weiteres Jahr verlängert, obwohl Fonseka bereits das Rentenalter erreicht hat.

Die globale Rezession konfrontiert die Regierung Sri Lankas mit einer wirtschaftlichen und sozialen Krise. Trotz Rajapakses ständiger Anstachelung patriotischer Gefühle wird die Massenopposition gegen den Krieg und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten unvermeidbar weiter anwachsen. In dieser Zeit politischer Gärung sind die Oppositionsparteien bereits diskreditiert und können deswegen ihre Funktion als Sicherheitsventil nicht mehr wahrnehmen. Daher ist absehbar, wann sich die herrschenden Klassen an die Armee und Figuren wie Fonseka "als Retter der Nation" und Verteidiger ihrer Reichtümer wenden.

In diesem Zusammenhang hat ein Interview vom 11. Dezember mit Fonseka auf der Internet Seite der Regierung, unter der Überschrift "Generalleutnant Sarath Fonseka - Mann der Stunde", eine ganz besondere Bedeutung.

Gefragt, ob eine andere Situation mit einer anderen Herangehensweise an den Krieg zu militärischen Rückschlägen führen würde, erklärte Fonseka: "Wenn die Menschen einen schwachen Führer wählen, der unsere Möglichkeiten unterschätzt und die Stärke und Möglichkeiten unseres Feindes überschätzt, dann werden wir an Boden verlieren und das Problem wird schlimmer werden. Solch eine Person kann ein Führer sein, aber mit Sicherheit kein Patriot."

Fonseka fuhr fort: "Ich denke, so wie in anderen Ländern, sollte die nationale Sicherheitspolitik nicht geändert werden, wenn die Regierungen wechseln. Der Präsident muss ein Patriot sein. Wir müssen mit Stolz und Ehre leben und das muss von jedem Machthaber akzeptiert werden." Er schloss mit einer kaum verhüllten Drohung: "Präsidenten und Politiker kommen und gehen. Doch die Bürger bleiben. Sie brauchen Sicherheit."

Der Interviewer fragte Fonseka nicht danach, was er tun würde, wenn die Menschen einen unpatriotischen Führer wählten, doch ergibt sich die Antwort bereits aus der Logik seiner Bemerkungen. Im Namen der "Sicherheit" der Bürger würde die Armee verpflichtet sein, das Wahlergebnis zu negieren und geeignetere Herrschaftsformen herbeizuführen. Fonseka würde offensichtlich nicht zögern, die härtesten und extremsten Maßnahmen gegen eine politische Bewegung zu ergreifen, die die Opposition gegen den Krieg auf ihre Fahne geschrieben hat.

Im "befreiten" Osten des Landes, hat die Regierung bereits ein de facto Militärregime errichtet, das von Führern von Milizen geleitet wird, die für Entführungen und Mord berüchtigt sind. Dasselbe ist für den Norden geplant, wo immer noch heftige Kämpfe stattfinden. Um den Anforderungen des Krieges nachzukommen, wurde die Mannstärke des Militärs aufgestockt. Nach Fonseka haben die Sicherheitskräfte die Erlaubnis ihre Zahl von 130.000 auf 200.000 aufzustocken. Sri Lanka hat statistisch gesehen bereits einen der größten Militärapparate der Welt. 4 Prozent der Männer im Alter von 18 bis 49 gehören einem der Sicherheitskräfte des Landes an.

Rajapakse hat den "Krieg gegen den Terror" zur alles beherrschenden Politik seiner Regierung erhoben und die Insel in ein einziges Armeelager verwandelt. Unter diesen Bedingungen fühlt sich der Chef der Streitkräfte frei, eigenmächtig zu handeln und selber die Außenpolitik mit zu gestalten. Insofern die Regierung den Anforderungen der "Nationalen Sicherheit" nicht gerecht wird, werden, mit Fonsekas eigenen Worten, Präsidenten und Politiker "kommen und gehen".

Siehe auch:
Trotzkisten Sri Lankas blicken auf 40 Jahre Kampf für den sozialistischen Internationalismus zurück
(26. Juli 2008)
Sri Lanka: Armee erleidet Debakel bei Offensive gegen LTTE
(7. Mai 2008)
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