Augenzeuge berichtet über die Polizeigewalt gegen Demonstranten in Athen

Der folgende Beitrag wurde der World Socialist Web Site von einem griechischen Studenten zugestellt:

Am vergangenen Freitag (12. Dezember) demonstrierten erneut 10.000 Menschen durch die Innenstadt von Athen. Die Teilnehmer kamen aus allen gesellschaftlichen Schichten - Studenten und Schüler gemeinsam mit ihren Professoren und Eltern, auch Immigranten, Arbeitslose und sogar Arbeiter des Öffentlichen Dienstes. Sie alle gingen auf die Straße, um ihrem Widerstand gegen die Regierung Ausdruck zu verleihen.

Der Protestmarsch begann an Athens Universität, setzte sich fort über die Stadiou Straße bis zum Syntagma Platz und endete vor dem Parlamentsgebäude, wo kleinere Zusammenstöße mit der Polizei stattfanden. Einige Schüler veranstalteten einen Sitzstreik direkt vor der Einsatzpolizei (MAT). Nachdem die Masse der Demonstranten angekommen war, versuchte sie zweimal in das Parlamentsgebäude einzudringen.

Studenten knien mit den Händen auf dem Rücken auf dem Boden wie Gefangene

Nach einiger Zeit begann die Polizei die Versammelten zu provozieren, indem sie einzelne Individuen herausgriffen und verhafteten. Die Demonstranten wichen aber nicht zurück. Nachdem der Erfolg ausblieb, sprühten die Polizisten, die selbst mit Gasmasken geschützt waren, Tränengas in die Menge. Glücklicherweise gelang es jenen, die von der Polizei gefangen genommen waren, mit Hilfe von anderen Studenten aus dem Polizeigewahrsam zu entkommen, wobei auch einige ältere Männer den Jugendlichen zu Hilfe kamen. Sie riefen den Polizisten, von denen viele selbst noch sehr jung waren, zu "sie sollten sich schämen".

Da die Polizei ihre Angriffe verstärkte, zogen sich die Demonstranten auf das Gebiet der Universität zurück. Auf dem Weg zur Polytechnio (Nationale Technische Fachhochschule), eine der Hochschulen, von denen die Proteste ausgegangen waren, führte die Polizei ihre Provokationen gegenüber den Demonstranten fort und griffen wahllos Menschen aus der Menge.

Die Polytechnio befindet sich im Athener Stadtviertel Exarchia, wo der junge Schüler Alexis Grigoropoulos vor einer Woche getötet worden war. Diese Technische Hochschule war die erste Universität, die von Studenten in der Nacht der Ermordung besetzt wurde.

Im Anschluss an die Demonstration am Freitag versammelten sich 500 bis 700 Menschen in der Aula der Polytechnio, um das weitere Vorgehen zu diskutieren. Unter ihnen waren sowohl Studenten, als auch Arbeitslose, Immigranten und Arbeiter des Öffentlichen Dienstes. Sie betonten die Notwendigkeit, die Einheit der Bewegung zu erhalten und sie nicht einzelnen Parteien unterzuordnen, da diese nur versuchen, die Ausschreitungen und Proteste für ihre eigenen Wahlabsichten zu nutzen.

Die Versammelten besprachen dann, wie sie Schüler unterstützen könnten, die an der vordersten Front der Auseinandersetzungen stehen. Man diskutierte über verschiedene Maßnahmen, die den Austausch von Informationen verbessern, den Zusammenhalt und die Organisation der Studenten gewährleisten und sie vor Festnahmen bewahren sollen.

Angestellte der Stadtverwaltung berichteten, dass einige Bezirksämter und Verwaltungsbereiche bereits völlig geschlossen haben, weil die Beschäftigten die Proteste unterstützten und sich an den Demonstrationen aktiv beteiligten. Auf dem Treffen wurde außerdem über die Rolle der Medien diskutiert, deren Kampagnen bewusst darauf ausgerichtet sind, die Oppositionsbewegung zu isolieren und den Widerstand zu brechen. Ohne Zweifel würde dies die Unterstützung der Regierung finden und ihr von Nutzen sein.

Die versammelten Studenten riefen die Arbeiterbewegung zur Unterstützung auf und forderten, dass diejenigen Partei- und Gewerkschaftsführer entlassen werden sollen, die in engem Kontakt zur Regierung stehen oder sogar für sie arbeiten.

Auf dem Treffen wurden unter anderem folgende Forderungen erhoben: Bestrafung der Verantwortlichen für den Tode von Alexis Grigoropoulos, Rücktritt der Regierung, Beseitigung der "Anti-Terror-Gesetze" und der Sondereinheiten der Polizei, ein Verbot für das Tragen von Schusswaffen durch Polizisten und die Freilassung der 200 Studenten, die seit Ausbruch der Demonstrationen bereits festgenommen wurden.

Die Studenten erhoben auch soziale Forderungen. Unter anderem verlangten sie die Abschaffung aller privaten Bildungseinrichtungen, Colleges und Universitäten und einen freien, unbeschränkten Zugang zu höherer Bildung. Außerdem verlangten sie die Verteidigung des Rechts auf Asyl in den Gebäuden und auf dem Gelände der Universitäten, ein Recht, das erstmals im Laufe der massiven Kämpfe gegen die griechische Militärjunta 1973 durchgesetzt worden war. Darüber hinaus wurden anständige und sichere Arbeitsplätze sowie eine Verkürzung der Arbeitswoche gefordert.

Politiker begutachten die Auseinandersetzungen in Athen

Am Samstagnachmittag (13. Dezember) fand erneut ein Protest vor dem Parlamentsgebäude statt. Schülerinnen und Schüler der selben Schule, die Grigoropoulos besucht hatte, zeigten ihre Anteilnahme und nahmen Abschied von ihrem getöteten Klassenkameraden.

Trotz des friedlichen Verlaufs der Kundgebung hatte die Regierung Soldaten und bewaffnete Spezialeinheiten mit Tränengaskanonen zum Schutz des Parlamentes aufgestellt und waren Polizisten in geschlossener Formation aufmarschiert. Einige Hochschulstudenten zogen vor den Polizisten ihre T-Shirts aus und knieten nieder, die Hände hinter dem Rücken, als wären sie Gefangene.

Trotz der angespannten Atmosphäre sagte ein Student zu den Polizisten: "Wir bekämpfen euch nicht persönlich. Wir wissen, dass ihr Menschen seid wie wir. Wir kämpfen gegen eure Uniformen und gegen die Gesetze, die ihr befolgt."

Ein protestierender Jugendlicher steht einem Polizisten mit ausgestreckten Armen gegenüber

Die Demonstration setzte sich in Richtung des Athener Stadtviertel Gazi fort und bewegte sich auf die Pireos Straße zu, wo erneut Spezialeinheiten der Polizei warteten. Zwei bewaffnete Einheiten erschienen plötzlich hinter den Protestierenden und andere kamen von der Seite, um die Demonstration einzukreisen und so viele wie möglich festzunehmen.

Auf dem Weg zum Omonia Platz attackierten einige wenige Demonstranten Banken und versuchten Fernsehüberwachungsanlagen, die die Polizei zur Kontrolle der Demonstrationen nutzt, abzureißen. Dies waren die beiden einzigen Angriffspunkte der Protestierenden, was die Medien aber nicht davon abhielt von weitgehenden Zerstörungen zu sprechen.

Viele, die an den täglichen Protesten teilnehmen, sind über die tendenziöse Berichterstattung der Medien empört. Sie berichten in völlig einseitiger Weise über die Auseinandersetzungen der Polizei mit Demonstranten und stellen die protestierenden Menschen als Extremisten dar. Die Berichte erwähnen Studenten und Schüler unter den Demonstranten, blenden aber die Teilnahme von Professoren, Lehrpersonal und Eltern völlig aus. Stattdessen konzentrieren sich die Zeitungen auf die Zerstörungen von Geschäften und auf Entschädigungen, die die Regierung den Unternehmern versprochen hat.

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