Auswirkungen der internationalen Finanz- und Autoindustrie

Stahlkonzerne kündigen Kurzarbeit an und drohen mit der Schließung ganzer Werke

Noch vor wenigen Monaten konnte die weltweite Nachfrage nach Stahl kaum befriedigt werden. Jetzt stehen die Stahlkonzerne vor einem dramatischen Absatzeinbruch und Auftragsrückgang, als Folge der internationalen Finanzkrise und deren Auswirkungen auf die Bau-, Maschinenbau- und insbesondere Autoindustrie.

Die Stahlkonzerne reagieren mit massiver Kurzarbeit, Sparprogrammen, Entlassung von Leiharbeitern und der Stilllegung von ganzen Werken.

Anfang November hatte der weltgrößte Stahlkonzern Arcelor Mittal angekündigt, seine Produktion konzernweit um bis zu 35 Prozent zu drosseln. Bereits laufende Sparprogramme sollen verschärft und Investitionen auf Eis gelegt werden.

Arcelor Mittal ist ein multinationaler Konzern mit Firmensitz in Luxemburg. Er beschäftigt 326.000 Arbeiter in mehr als 60 Ländern und hat einen Anteil von etwa zehn Prozent an der weltweiten Rohstahlproduktion. Arcelor Mittal hat bereits ein Stahlwerk in der Ukraine stillgelegt. In den USA sollen ab Mitte Januar in einem Werk in Burns Harbor, im Bundesstaat Indiana, 2.444 Arbeiter "unbefristet freigesetzt", das heißt, entlassen werden.

Weltweit streicht Arcelor Mittal 9.000 Stellen. In Deutschland wurden bereits 3.000 Arbeiter in Standorten von Arcelor Mittal in Kurzarbeit geschickt. Betroffen sind die Werke in Bremen und Eisenhüttenstadt sowie in Duisburg. Aus heutiger Sicht sollen mindestens 800 der 8.000 Arbeitsplätze in den Werken von Arcelor Mittal in Deutschland gestrichen werden. Darüber hinaus sollen weitere 750 Vollzeitstellen eingespart werden. Diese Drohung dient der Gewerkschaft dazu Arbeitszeitverkürzungen und damit verbundenen Lohnsenkungen anzubieten und gegenüber den Beschäftigten durchzusetzen. Die Verhandlungen mit Betriebsräten und IG Metall dazu sind bereits in vollem Gang.

Ähnliche Maßnahmen wie Arcelor Mittal haben weltweit führende Stahlkonzerne wie Corus (Indien), Nippon Steel (Japan), Severstal (Russland), Baosteel (China) und Voest-Alpine (Österreich) ergriffen mit katastrophalen Folgen für Zehntausende von Arbeitern.

Auch der größte deutsche Stahlkonzern ThyssenKrupp Steel, der noch vor wenigen Wochen erklärte, Kurzarbeit sei nicht geplant, hat inzwischen verlängerte Werksferien über Weihnachten für seine Edelstahlwerke und Stahlverarbeitungsbetriebe, Stillstände an den Feiertagen in den Stahlerzeugungsbetrieben (soweit aus produktionstechnischer Sicht möglich) und Kurzarbeit für praktisch alle Stahlwerke, einschließlich dem größten Standort in Duisburg, ab Januar angekündigt. Davon könnten insgesamt 20.000 Arbeiter betroffen sein.

Laut einem Bericht der WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) von Anfang Dezember beträgt der Absatzeinbruch bei ThyssenKrupp Steel 60 Prozent. Etwa 40 Prozent des produzierten Stahls geht an die Autoindustrie, weitere zehn bis zwanzig Prozent an die Autozulieferindustrie.

Wie in der Autoindustrie selbst und auch anderen Industriebetrieben sind Leiharbeiter als Erste und am heftigsten von den Sparmaßnahmen der Konzerne betroffen. So wurden allein bei ThyssenKrupp Steel 2.100 Leiharbeitern gekündigt.

Im Kaltwalzwerk von Thyssenkrupp Steel in Bochum sollen ab Januar 600 der 2.400 Arbeiter, jeder Vierte, in Kurzarbeit gehen. Bereits ab Mitte Dezember soll das Werk für zwei Wochen stillgelegt werden. Sollte sich die Lage im Januar nicht bessern, würde die Kurzarbeit auch auf Februar verlängert und auch auf die Warmbreitbandstrasse ausgedehnt. Dann könnten weitere 1.000 bis 1.500 Arbeiter allein in Bochum betroffen sein.

In welchem Umfang und wie lange die Kurzarbeit in den anderen Werken umgesetzt wird, steht noch nicht fest. Das Kurzarbeitergeld sichert nur 60 Prozent des Einkommens wenn gar nicht gearbeitet wird. Außerdem macht sich für die betroffenen Arbeiter der Wegfall der Schichtzuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit stark bemerkbar.

Die Bereiche Stahl und Edelstahl trugen im letzten Geschäftsjahr, das am 30. September 2008 zu Ende ging, mit 1,7 Milliarden Euro mehr als die Hälfte zum Konzernergebnis von ThyssenKrupp bei. Nun sind gerade diese Unternehmensbereiche stark mit sinkenden Aufträgen und Absatzrückgang konfrontiert.

Der ThyssenKrupp-Vorstand wagte angesichts des wirtschaftlichen Einbruchs keine Ergebnisprognose für die nächste Periode. Stattdessen wurde ein Sparprogramm beschlossen, das über eine Milliarde Euro an Kosten einsparen soll. Außerdem sollen Investitionen verschoben werden.

Für den Fall, dass sich die Auftragslage weiter verschlechtert, was angesichts aller Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung höchst wahrscheinlich ist, gibt es laut Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 29./30. November auch schon einen "Plan C" für den von ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz sogenannten "worst case": "Für den Fall, dass die Stahl- und Edelstahlaufträge weiter einbrechen, sieht er Entlassungen und die Schließung ganzer Werke vor."

Siehe auch:
Betriebsrat fordert Geheimhaltung über geplante Lohnsenkung und Sozialabbau
(10. Dezember 2008)
Hiobsbotschaften aus der Autoindustrie
( 5. Dezember 2008)