Harold Pinter und Eartha Kitt - zwei Künstler, die sich gegen imperialistischen Krieg stellten

Am Heiligabend starb im Alter von 78 Jahren der englische Dramatiker Harold Pinter, und am ersten Weihnachtstag - 81jährig - die amerikanische Sängerin und Schauspielerin Eartha Kitt. Beide waren für ihre Ernsthaftigkeit als Künstler bekannt, und man wird sich an beide erinnern, weil sie sich öffentlich gegen imperialistische Kriege stellten: Kitt gegen den Vietnamkrieg und Pinter im Besonderen gegen die britisch-amerikanische Invasion des Irak.

Es würde konstruiert wirken, weitere offensichtliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden herzustellen. Pinter erarbeitete sich als Dramatiker einen Namen, der die Bedrohungen und Spannungen auf die Bühne brachte, die hinter der zufriedenen Fassade des Alltagslebens verborgen sind. Kitt, die Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin, galt als eines der ersten afroamerikanischen "Sexsymbole". Orson Welles, der sie "die aufregendste Frau der Welt" nannte, gab ihr in seiner Inszenierung des Faust Anfang der 1950er Jahre die Rolle der Helena.

Beide Künstler setzten viel aufs Spiel, indem sie sich in kritischen Augenblicken mit den Mächtigen anlegten und das aussprachen, was Millionen dachten. Ihre künstlerischen Erfolge werden immer mit ihrem Einstehen für die Wahrheit verbunden sein.

Eartha Kitt wurde 1927 in armen Verhältnissen als Tochter einer Cherokee-Indianerin in South Carolina geboren. Ihren früh verstorbenen weißen Vater lernte sie nicht kennen. Nach mehreren Zwischenstationen bei lieblosen Verwandten wuchs sie bei einer Tante in Harlem auf, die sie misshandelte. Kitt lernte das Leben als Fabrikarbeiterin kennen, schlief gelegentlich auf Dachböden und in Hauseingängen. Schließlich wurde sie Tänzerin und gelangte in der Nachkriegszeit zu Ruhm, als die Klischees gegen Farbige in der Pop-Kultur verblassten.

Bereits berühmt durch ihre Interpretation von Songs wie C'est si bon, Love for Sale, Monotonous und Santa Baby, für ihre Auftritte in Filmen, im Kabarett und im Fernsehen – auch als verführerische Catwoman in der Serie Batman – geriet sie Anfang 1968 in die Schlagzeilen, als sie anlässlich eines Besuches im Weißen Haus couragiert den Vietnamkrieg an den Pranger stellte.

Kitt erklärte dazu einmal: "Ich bekam von Lady Bird Johnson [Präsident Johnsons Ehefrau] eine Einladung ins Weiße Haus. Es ging bei diesem Treffen um die Frage ‚Wie können die Bürger helfen, Amerikas Straßen sicherer zu machen?’ Ein Auto holte mich ab, und als ich dann ins Weiße Haus kam, sah ich, dass das Personal am Eingang weiße Handschuhe trug. Ich fühlte mich etwas an den Süden erinnert, was kein gutes Gefühl war ... Ich erinnere mich, dass die mit mir am Tisch sitzenden Damen mehr Interesse am Porzellan hatten, von dem wir aßen, als an der Frage, die uns zusammengeführt hatte ..."

"Nach dem Dessert wurde die Frage gestellt: Was kann zur Verschönerung Amerikas getan werden? Man fragte reihum die Leute nach ihrer Meinung. Es ging dann überwiegend um das Pflanzen von Bäumen und Blumen und derartiges. Ich hob ein paar Mal meine Hand und Lady Bird sagte immer wieder, ‚Du bist gleich dran, Eartha.’ Endlich war es dann so weit, und ich wiederholte die Frage, die eigentlich das Thema sein sollte, und um mich herum wurde alles ganz still ... Als ich dann wieder draußen war, hatte ich plötzlich kein Auto mehr. Ich musste ein Taxi zurück ins Hotel nehmen. Das sagt doch wohl alles.”

Einem UPI-Reporter zufolge sagte Eartha Kitt zur Präsidentengattin: "Sie schicken die Besten unseres Landes fort, damit sie erschossen und verstümmelt werden. Die rebellieren auf der Straße. Sie rauchen Marihuana und berauschen sich. Sie wollen keine Schule besuchen, aus Angst, aus ihren Familien gerissen und in Vietnam erschossen zu werden."

Kitt erklärte an diesem Abend den Medien: "Ich sehe nichts Schlechtes in meinem Verhalten. Ich kann nur hoffen, dass es etwas Gutes bewirkt.”

Über die Präsidentengattin bemerkte sie: "Ich fürchte, sie war etwas durcheinander. Ihre Augen blitzten, während sie hastig an ihrer Zigarette zog und mit dem Finger vor dem entsetzten Publikum herumfuchtelte." Kitt sagte einem Reporter zufolge weiter, "die amerikanischen Jugendlichen sind wütend, weil ihre Eltern aufgebracht sind über einen Krieg, den sie nicht verstehen und von dem sie nicht wissen, warum er überhaupt stattfindet."

Ihre offene Opposition brachte Kitt eine faktische Auftrittssperre in den USA ein. Lyndon Johnson war wütend und forderte vom FBI wiederholt, etwas "Schmutziges" gegen sie auszugraben. Sie bekam kaum noch Angebote in den USA und war gezwungen, für etwa ein Jahrzehnt in Europa zu arbeiten, bevor sie mit großem Erfolg nach Amerika zurückkehrte.

Es spricht Bände über die amerikanischen Medien, dass sie Kitts Äußerungen im Weißen Haus überwiegend als "unklug" oder "selbstzerstörerisch" bezeichnen. Das Riskieren ihrer Karriere, womöglich sogar Einkommensverluste zu erleiden – und zwar für Grundsätze, das ist für die furchtsamen Seelen in den Redaktionsstuben kaum vorstellbar.

Im Jahre 2001 interviewte George Wayne von Vanity Fair die Sängerin und äußerte die Vermutung, sie sehe den Lunch vom Jahre 1968 im Weißen Haus heute sicher als ein Ereignis, das sie am liebsten aus ihrem Leben streichen würde.

Zu ihrer Ehre antwortete Kitt: "Ich bin froh, dort gewesen zu sein."

Wayne fuhr fort: "Sie brachten ihre Opposition gegen den Krieg zum Ausdruck, was das FBI und die CIA gegen sie aufbrachte und ihnen für Jahre eine künstlerische Sperre eintrug. Woher nahmen sie die Stärke und den Mut, weiterzumachen, woher die Überzeugung, richtig gehandelt zu haben?"

"Dass ich nichts Falsches getan hatte, daher nahm ich die Stärke. Noch heute bedanken sich Eltern bei mir, dass ich half, den Krieg zu stoppen."

Auch Rob Hoerburger fand in seinem Nachruf vom 26. Dezember in der New York Times keine rechte Erklärung für Kitts Verhalten. Über die Episode im Weißen Haus schrieb er: "Kitt brachte den unbeugsamen Willen auf, ihre Karriere voranzutreiben, mit nur einer einzigen Ausnahme." Das ist reines Spießbürgertum.

Auch Harold Pinter, der besonders die letzten fünfzehn Jahre seines Lebens als bewusster Gegner des imperialistischen Krieges lebte, wurde 1930 in einfache Verhältnisse hineingeboren. Er wuchs in Hackney, im Nordosten Londons, als Sohn eines jüdischen Immigranten und Schneiders auf. Frühzeitig erfuhr er Antisemitismus und erlebte Straßenkämpfe mit Faschisten. Nach dem Krieg verweigerte er den gesetzlich vorgeschriebenen Militärdienst und wurde deshalb mit einer Geldstrafe belegt.

In den späten Fünfzigern und frühen Sechzigern wurde Pinter durch eine Reihe prägnanter, wortkarger, zuweilen verstörender Theaterstücke wie Die Geburtstagsparty, Der stumme Diener, Der Hausmeister und Die Heimkehr berühmt. Er arbeitete auch mit Joseph Losey an Der Diener (1963) und Accident – Zwischenfall in Oxford (1967) zusammen. In seinen Stücken und Drehbüchern werden die tiefer liegenden Widersprüche und Spannungen des Nachkriegslebens sichtbar, die umso heimtückischer wirkten, weil sie versteckt und verleugnet wurden.

Pinter stellte sich öffentlich gegen den Golfkrieg von 1991 und verurteilte den 1999 von der NATO und den USA geführten Krieg gegen Serbien. Größte Bekanntheit und internationale Bewunderung erhielt er, weil er sich entschieden gegen den von den USA und Großbritannien geführten Irakkrieg im Jahr 2003 aussprach.

Im März 2005, bei der Entgegennahme des Wilfred-Owen-Preises für seine gegen den Krieg gerichtete Dichtung, beschrieb Pinter den Angriff gegen den Irak als "einen räuberischen Akt, einen Akt offenen Staatsterrorismus’, der absolute Verachtung für das Konzept des Völkerrechts zeigt." Es handele sich um "eine willkürliche Militäraktion, gerechtfertigt durch einen Haufen Lügen und mittels grober Medienmanipulation und somit Manipulation der Öffentlichkeit ..."

"Wir haben dem irakischen Volk Folter, abgereichertes Uran, Streubomben, unzählige blindwütige Morde, Entwürdigung und Elend gebracht und nennen das ‚dem Nahen Osten Frieden und Demokratie bringen’. Und wie wir alle gut wissen, wurden wir nicht mit den versprochenen Blumen begrüßt. Wir haben heftigen und nicht nachlassenden Widerstand entfacht, Zerstörung und Chaos."

Im selben Jahr wurde Pinter mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet (siehe: "Ein mutiger Künstler sagt die Wahrheit über den US-Imperialismus", WSWS, 13. Dezember 2005). Pinter nahm sich in seiner Dankesrede Zeit, um seine eigene Herangehensweise an das Drama etwas zu erläutern. Er bestand beispielsweise darauf, dass "Moralpredigten" um jeden Preis vermieden werden müssten. Objektivität sei wesentlich. Den Figuren müsse erlaubt werden, "sie selbst zu sein", bevor sie sich den Problemen der Tagespolitik zuwenden.

Pinter fasste kurz und vernichtend die Geschichte der US-Außenpolitik seit Ende des Zweiten Weltkrieges zusammen. "Der direkte Einmarsch in einen souveränen Staat ist nie Amerikas bevorzugte Methode gewesen. Meistens bevorzugte man, was ‚Konflikt geringer Intensität’ genannt wird. Darunter versteht man, dass tausende Menschen sterben, aber langsamer, als wenn eine einzige Bombe sie auslöschen würde. Man versteht darunter, dass das Herz eines Landes infiziert wird, dass man eine bösartige Wucherung in Gang setzt und ihr Wachsen beobachtet. Wenn die Bevölkerung dann unterworfen – oder erschlagen – ist, und die eigenen Freunde, das Militär und die Unternehmen die Macht sicher in der Hand haben, dann trittst du vor die Kamera und sagst: Die Demokratie hat gesiegt."

Nach einer weiteren vernichtenden Kritik an den Regierungen Bush und Blair wegen ihrer Grausamkeit und der Massenmorde im Irak, griff er die Verantwortung des Schriftstellers und Intellektuellen auf und sagte:

"Als Schriftsteller führt man ein sehr verletzliches, nahezu schutzloses Leben. Wir müssen darüber keine Tränen vergießen. Der Schriftsteller trifft seine Wahl und muss dann damit leben. Aber es ist wahr, dass man allen Winden ausgesetzt ist, und einige davon sind eiskalt. Du bist allein auf weiter Flur, auf dich selbst gestellt. Du findest keinen Unterschlupf, keinen Schutz – es sei denn du lügst – womit du natürlich deinen Schutz selbst geschaffen hast, und, so könnte man argumentieren, zum Politiker wirst...

Wenn wir in einen Spiegel sehen, so glauben wir, das Bild uns gegenüber sei korrekt. Bewegst du dich aber ein paar Millimeter, so verändert sich das Bild. Tatsächlich sehen wir uns einer unendlichen Reihe Reflektionen gegenüber. Aber manchmal muss der Schriftsteller den Spiegel einschlagen – weil die Wahrheit hinter dem Spiegel ist.

Ich glaube, trotz der enormen Unwägbarkeiten besteht ein für uns alle wesentliches Gebot darin, unerschütterlich und unentwegt die intellektuelle Entschlossenheit aufzubringen, die Wahrheit über unser Leben und unsere Gesellschaft herauszufinden. Das ist tatsächlich eine Pflicht.

Wenn diese Entschlossenheit nicht Teil unserer politischen Vorstellungen ist, so haben wir keine Hoffnung, das wiederherzustellen, was uns nahezu verloren gegangen ist – die Würde des Menschen."

Es gibt eine komplexe, aber klare Verbindung zwischen der grundlegenden moralischen Haltung des Künstlers, den täglichen politischen Herausforderungen und der Qualität seines Werkes. Die Künstler, bemerkte Trotzki einmal, sind nicht leblose Maschinen zur Erschaffung von Form. Sie sind lebende Menschen mit Seelen, die das Resultat sozialer Umstände sind.

Wichtige Anstöße, einschließlich der Empörung über die Verbrechen der herrschenden Elite, sind Antrieb für bedeutsame Werke. Nichts künstlerisch Ernsthaftes wird in unserer Zeit ohne eine Verbindung zwischen dem Intellektuellen und der sozialen Wahrheit geschaffen.

Siehe auch:
Nobelpreis-Rede von Harold Pinter: Ein mutiger Künstler sagt die Wahrheit über den US-Imperialismus
(13. Dezember 2005)
Britischer Dramatiker Harold Pinter erhält Literaturnobelpreis
(20. Oktober 2005)
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