Die Rolle der Linkspartei bei der Zerstörung des staatlichen Schulsystems in Berlin

Immer wieder gab es in den letzten Monaten Meldungen, die den Niedergang des öffentlichen Schulsystems in Berlin unter der rot-roten Landesregierung aus SPD und Linkspartei deutlich machten.

Überfüllte Schulklassen, häufiger Unterrichtsausfall, marode Schulgebäude und Gewalttaten kennzeichnen den Berliner Schulalltag. Zuletzt sorgte ein Brief von 68 Schuldirektoren aus dem Stadtbezirk Mitte an den Senat für Aufsehen. Das Schreiben wurde von allen Schulleitern des Stadtbezirks unterschrieben, obwohl nicht alle Schulen des Bezirks gleichermaßen von den dargestellten Problemen betroffen sind.

Im Schreiben an den Regierenden Bürgermeister teilen die Schuldirektoren mit, dass unter den gegebenen Bedingungen ein normaler Schulbetrieb nicht mehr aufrecht zu erhalten sei und sie sich außer Stande sehen, ihren gesetzlichen Bildungsauftrag zu erfüllen. Der Stadtbezirk stehe vor dem bildungspolitischen Kollaps. Zum Stadtbezirk Berlin-Mitte mit seinen schönen Bauten und dem Regierungsviertel zählen nach einer Verwaltungsreform im Jahre 2001 auch die früheren Stadtbezirke Tiergarten und Wedding mit vielen sozialen Brennpunkten.

Die Schulleiter beklagen in ihrem Schreiben, dass neben gravierenden baulichen Mängeln an den Schulgebäuden seit Jahren zu wenig Mittel bereit gestellt werden, um sich in der notwendigen Art und Weise um Kinder von Migranten und aus Familien, die von staatlichen Hilfeleistungen abhängig sind, zu kümmern. Das betrifft in Berlin-Mitte immerhin 65 Prozent aller Schüler.

Aber nicht nur die Schulleiter in den so genannten sozial schwachen Problem-Bezirken mit hohem Migrationsanteil klagen über die katastrophalen Verhältnisse. Auch die Bürgermeister der "gut bürgerlichen" Stadtbezirke machen darauf aufmerksam, dass sie mit ihrem Etat bereits am unteren Limit der notwendigen finanziellen Mittel angekommen sind.

Die Misere ist ein direktes Ergebnis der rigiden Sparmaßnahmen, mit denen der rot-rote Senat in den vergangenen sieben Jahren das staatliche Schulsystem systematisch zerstört hat.

Eine wichtige Rolle spielt dabei die Linkspartei. Sie betont zwar oft, dass der Verantwortliche für die Bildung, Senator Jürgen Zöllner, Sozialdemokrat sei, doch Zöllner könnte keine seiner aggressiven Sparmaßnahmen ohne die enge Zusammenarbeit mit der Linkspartei durchsetzen.

Auch bei der Ablehnung der Forderungen im Brandbrief der 68 Schuldirektoren sind sich SPD und Linkspartei einig. Die Fraktionsvorsitzende der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus Carola Blum wies in einem Interview mit der Berliner Abendschau die Kritik der Schulleiter rundheraus zurück und unterstellte ihnen indirekt, selbst für die Misere verantwortlich zu sein. Es müsse erst einmal geprüft werden, wo die vom Senat zur Verfügung gestellten Mittel geblieben seien.

Einer der Initiatoren des Briefes, der Leiter des John-Lennon-Gymnasiums Jochen Pfeifer, kritisierte vor allem die Rolle der Berliner Integrationssenatorin Heidi Knake-Werner (Die Linke). Sie habe, wie bei dem Brief der Rütli-Schule vor drei Jahren, die Kritik wochenlang ignoriert und völlig desinteressiert reagiert.

Die frühere DKP-Funktionärin Knake-Werner aus Oldenburg, die gleich nach der Wende in die PDS eintrat, spielt seit langem eine Schlüsselrolle bei der Durchsetzung der Sozialkürzungen des Berliner Senats. Erst war sie vier Jahre lang Senatorin für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz und seit Ende 2006 leitet sie als Senatorin die Bereiche Integration, Arbeit und Soziales.

Gestützt auf die Zusammenarbeit mit der Linkspartei lehnte Bildungssenator Zöllner eine schriftliche Antwort auf das schon im Dezember übersandte Schulleiterschreiben ab. Ende Januar traf er sich dann zumindest mit einigen der Unterzeichner zu einem Gespräch, in dem er vollmundig die Einstellung von 14 zusätzlichen Sozialarbeitern versprach. Da diese aber ohnehin schon eingeplant gewesen waren und Zöllner auf dem Treffen keinerlei Zusagen für die Einstellung neuer Lehrer machte, haben die Schulleiter mit ihrem Brief beim rot-roten Senat jegliche Wirkung verfehlt.

Auch ein Treffen im Kanzleramt der von Bundeskanzlerin Merkel (CDU) ausgerufenen "Bildungsrepublik Deutschland", zu dem die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer (CDU) einige der Schulleiter medienwirksam eingeladen hatte, blieb ergebnislos. Mehr als schöne Worte waren von Frau Böhmer nicht zu vernehmen. Sie forderte lediglich mehr Engagement bei der Eingliederung von Migranten.

Die Kürzungspolitik in allen Sozialbereichen steht in krassem Gegensatz zu den Hunderten Milliarden Euro, die die Bundesregierung zur Unterstützung der Banken und zur Verteidigung einer kleinen Elite ausgibt, die sich auf Kosten der Bevölkerung hemmungslos bereichert.

In Berlin ist die soziale Krise am weitesten fortgeschritten. Seit über sieben Jahren führt die Landesregierung aus SPD und Linkspartei in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften kontinuierlich die schärfsten Angriffe auf alle sozialen und kulturellen Errungenschaften der Bevölkerung durch. Die Bildungsmisere ist nur ein Aspekt des beispiellosen Sozialabbaus, den dieser rot-rote Senat betrieben hat.

Während sowohl SPD als auch Linkspartei auf ihren jeweiligen Internetseiten in rosigen Farben ihre bildungspolitischen Konzepte zeichnen und von den vermeintlichen Erfolgen der Zusammenarbeit in der Koalition schwärmen, sieht das Ergebnis ihrer tatsächlichen Politik in der Realität ganz anders aus. Eine verantwortungsvolle Bildungspolitik würde vor allen anderen Dingen eine Umverteilung des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums erfordern, der durch die Politik aller bürgerlichen Parteien in die Taschen einer kleinen Finanzelite an der Spitze der Gesellschaft geflossen ist.

Auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird mitgeteilt, dass das Land Berlin zum zweiten Schulhalbjahr 165 Lehrer neu eingestellt habe. In Wirklichkeit handelt es sich bei den Neueinstellungen lediglich um den Ersatz für die in Altersteilzeit befindlichen bzw. im vergangenen Schuljahr pensionierten Lehrer. Es werden also keine zusätzlichen Lehrerstellen besetzt.

Auch rühmt sich der Senat mit einer 100-prozentigen Lehrerversorgung in den Berliner Schulen. Nach dem Modell der so genannten Personalkosten-Budgetierung, das vom rot-roten Senat mit dem Schuljahr 2007/2008 eingeführt wurde, erhalten Schulen 100 Prozent Lehrerstellen und zusätzlich 3 Prozent Personalmittel, um gegebenenfalls notwendige Vertretungslehrer anzufordern. Nach Angaben der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) wäre hingegen mindestens eine 110-prozentige Ausstattung pro Schule notwendig, um anfallende Vertretungsstunden ausreichend abdecken zu können. Anstelle des "Lehrerfeuerwehr" genannten Stellenpools sei zudem eine fest angestellte Vertretungsreserve an jeder Schule notwendig.

Die Vertretungslehrer aus dem Stellenpool werden zurzeit nur befristet beschäftigt und müssen sich bei Beginn der Schulferien wieder arbeitslos melden. Das ist für diese Lehrkräfte demütigend und demotivierend. Den Berliner Schulen laufen die Lehrer weg, denn sie werden schlechter bezahlt als in anderen Bundesländern. Insbesondere bei jungen Lehrern herrscht großer Frust. Sie werden nicht mehr in den Beamtenstatus übernommen und haben bei gleicher Ausbildung und Tätigkeit zwischen 500 und 700 Euro weniger Verdienst als ihre Kollegen im Beamtenstatus.

Der Senat kündigte an, im Jahre 2009 zunächst etwa 30 Millionen Euro in die Sanierung von Schulen fließen zu lassen. Zusätzlich würden weitere 50 Millionen Euro aus im Jahre 2008 nicht verbrauchten Haushaltsmitteln bereitgestellt. Diese Summen klingen zunächst gewaltig, jedoch wird der tatsächliche Bedarf für die Instandsetzung von Schulen und Kindertagesstätten in Berlin inzwischen auf mehr als 950 Millionen Euro geschätzt - ein durch den "Sparzwang" des Berliner Senats in den vergangenen Jahren entstandener Investitionsrückstand.

Viele Schulen leiden unter baulichen Mängeln: kaputte Toiletten, fehlende Fachräume, bröckelnde Fassaden sowie Bauschäden, die sogar zur Sperrung von Klassenräumen und Treppenhäusern führen. Anfang des Jahres mussten einige Berliner Schulen ihren Schülern wegen schadhafter Heizungen und eingefrorener Wasserleitungen "kältefrei" geben. Es fehlen bezahlte Stellen für Schulsekretärinnen und Hausmeister. Selbst die von der Bundesregierung für die nächsten drei Jahre zusätzlich bereitgestellten Mittel zur Sanierung der Schulen decken den tatsächlichen Bedarf nur zur Hälfte.

Rohe Gewalt perspektivloser, verwahrloster Jugendlicher ist an Berliner Schulen keine Seltenheit. Es fehlen die Sozialarbeiter, denn der Senat hat die staatliche Erziehungshilfe um Millionenbeträge gekürzt. Es ist eine Tatsache, dass in kaum einem anderen Bundesland der Schulerfolg so stark von der sozialen Herkunft abhängig ist wie in Berlin. Vermögende Eltern können ihren Kindern kostenpflichtigen Nachhilfeunterricht ermöglichen. Arme Kinder haben keine Chance. In Schulen, an denen überwiegend Kinder mit Migrationshintergrund lernen, kommen zwei Drittel aller Schüler aus sozial schwachen Familien. Doch unter der Verantwortung des rot-roten Senats wurde die Lernmittelfreiheit abgeschafft und die Mittel für Sprachförderung wurden gekürzt.

Gleichzeitig zu dieser regelrechten finanziellen Austrocknung des staatlichen Schulsystems sprießen in Berlin private Schulen in freier Trägerschaft wie Pilze aus dem Boden. Alle Eltern, die es sich irgendwie leisten können, schicken ihre Kinder zum Lernen dorthin. Das Niveau an den staatlichen Schulen wird dadurch zusätzlich noch weiter gesenkt.

Selbst die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) zeigt sich angesichts der Bildungsmisere in der deutschen Hauptstadt alarmiert: "Armut, Gewalt, Vernachlässigung, Sprachnot, das ballt sich in den Schulen von [Berlin-]Mitte zusammen und vertreibt jeden, für den die Bildung seiner Kinder ein hohes Gut ist. Die Zahl der Privatschulen ist sprunghaft angestiegen, auch ein Signal der Notwehr enttäuschter Eltern." Zunehmend mehr Schüler verließen die Schule ohne das Leistungsniveau für eine Berufsausbildung zu erreichen und es manifestiere sich eine Unterschicht, deren Bildungsprobleme große soziale Sprengkraft entfalten könne, so die FAZ.

Gegen die Bildungspolitik des rot-roten Senates wurden schon mehrfach Demonstrationen und Streiks von Schülern und Lehrern durchgeführt. Erst im November fand eine Demonstration von tausenden Schülern statt.

Wenige Tage danach beendeten die Gewerkschaften den längsten Tarifkampf im öffentlichen Dienst, mit dem die Lehrer im Angestelltenverhältnis gegen die systematische Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen kämpften, mit einem schäbigen Ausverkauf. Nach beinahe eineinhalb Jahren, in denen die Beschäftigten mit zahlreichen Protestaktionen, Demonstrationen und Streiks gegen die Kürzungspolitik des rot-roten Senats gekämpft haben, hat die Tarifgemeinschaft unter der Führung von Verdi einen Tarifvertrag ausgehandelt, der für die Beschäftigten eine weitere Reallohnsenkung bedeutet. Die GEW konnte diesen Abschluss nur unter großen Schwierigkeiten gegen ihre Mitglieder durchsetzen.

Auf den wachsenden Widerstand reagieren SPD und Linkspartei in Berlin mit zunehmend autoritären und überwachungsstaatlichen Maßnahmen. In diesem Zusammenhang muss auch der Vorschlag zum Aufbau einer zentralen Schülerdatei verstanden werden. Die Behauptung, diese Datei diene dazu, den richtigen Bedarf an Lehrern für die Berliner Schulen zu ermitteln, ist eine gezielte Täuschung. Dieser Bedarf ist längst bekannt.

Die Sammlung von Namen, Geburts- und anderen Persönlichkeitsdaten, Schulbesuch samt Auffälligkeitsmerkmalen, Herkunftsland und -sprache, Ergebnisse von Arztuntersuchungen, "Förderbedarf" und sozialer Status - insgesamt 16 verschiedene Positionen - dient vor allem der Überwachung. Wie die Berliner Zeitung Anfang Januar berichtete, sollen weder die Eltern noch die Schüler selbst das Recht haben, entsprechende persönliche Eintragungen zu verhindern. Der Senat hat große Angst, dass der verbreitete Unmut und Widerstand plötzlich in eine Welle von Schulbesetzungen und Massendemonstrationen wie jüngst in Frankreich und Griechenland umschlagen kann.

Siehe auch:
Wut und Empörung über Tarifabschluss im öffentlichen Dienst von Berlin
(19. November 2008)