Die AFL-CIO-Gewerkschaften und die "Verstaatlichung"

Der Vorstand der AFL-CIO-Gewerkschaften verabschiedete vergangenen Donnerstag auf seiner jährlichen Winterversammlung in Miami Beach (Florida) eine Resolution. Darin forderte er die Obama-Regierung dringend auf, die krisenhaften Banken vorübergehend zu verstaatlichen. Was bedeutet eine solche politische Erklärung? Stellt sie eine radikale Umorientierung der AFL-CIO dar, die doch zeitlebens unversöhnliche Gegnerin des Sozialismus und Verteidigerin des Profitsystems war?

Nichts dergleichen. In der Erklärung der Gewerkschaftsbürokratie findet sich nicht die Spur eines Wirtschaftsradikalismus’ oder selbst unabhängigen Denkens. Die AFL-CIO stellt sich vielmehr auf die Seite jener wachsenden Zahl von Vertretern der amerikanischen Wirtschaft und Politik sämtlicher Couleurs, die eine zeitweise staatliche Übernahme von Bankriesen, wie Citigroup und Bank of America, befürworten. Es ist in ihren Augen die effektivste Möglichkeit, der Finanzaristokratie mit dem Geld der Steuerzahler aus der Klemme zu helfen und den US-Kapitalismus wieder ins Lot zu bringen.

Wie so viele im Establishment, argumentieren die Gewerkschaftsfunktionäre, eine kurzfristige Regierungsübernahme sei die beste Möglichkeit, die Altlasten der Banken der Öffentlichkeit aufzubürden, um ihre Rentabilität wieder herzustellen und einen vollständigen Zusammenbruch des privaten Banksystems zu verhindern.

Die Resolution der AFL-CIO ist ein Beispiel für politische Ausflüchte und offenen Betrug. Darin heißt es, die Aufhebung des Glass-Steagall-Gesetzes, das noch aus der Zeit der Depression stammt, im Jahr 1999 habe zu einer "dramatischen Konzentration der Bankenmacht" geführt. So hätten sich 43 Prozent des US-Bankenvermögens in nur vier Finanzhäusern konzentriert: der Citigroup, Bank of America, JPMorgan Chase und Wells Fargo. In der Resolution wird nicht gesagt, dass die Clinton-Administration, mit der die AFL-CIO-Gewerkschaften damals in enger Verbindung standen, die Aufhebung des Gesetzes befürwortet hatte. In der Resolution wird auch keine Auflösung dieser korrupten Finanzhäuser verlangt, noch auch nur eine Wiedereinführung jener kontrollierten Regulierung, wie sie die Roosevelt-Regierung eingeführt hatte.

Die AFL-CIO-Gewerkschaften bekräftigen in ihrer Resolution einerseits ihre Loyalität für die "Regeln des freien Marktes, von denen die Arbeiter leben", und kritisieren andererseits in ihrer üblichen Rhetorik die aktuelle Politik der Obama-Regierung. Sie weisen warnend darauf hin, eine Regierungspolitik, die "den Banken Stapel weise öffentliche Gelder in den Rachen schmeißt", werde zu "Zombie-Banken" und "langfristiger Stagnation" führen.

Die interessanteste Passage in der Resolution lautet: "Das wichtigste Ziel der staatlichen Unterstützung muss darin bestehen, die Banken wieder zum Verleihen von Krediten zu bewegen, indem ihnen eine ausreichende Kapitalkraft sicher gestellt wird. ... Im Fall von Not leidenden Banken heißt das, dass die Regierung schließlich eine Aktienmehrheit zur Kontrolle halten wird. Die Regierung sollte diese Mehrheit nutzen, um eine Säuberung der Bankenbilanz zu erzwingen. Als Ergebnis sollte es Banken geben, die entweder gegen Gläubigerkonzessionen an die Gläubiger übergeben oder auf dem Markt verkauft werden."

Hier steht absolute nichts, was die AFL-CIO von bürgerlich-liberalen Ökonomen unterscheiden würde, zum Beispiel von Leuten wie Paul Krugman und Joseph Stiglitz oder rechten Republikanern, wie dem ehemaligen Vorsitzenden der Federal Reserve Bank, Alan Greenspan, Senator Lindsey Graham oder James Baker, dem Stabschef und Finanzminister Ronald Reagans und Außenminister unter dem älteren George Bush. Sie alle schlagen die vorübergehende Verstaatlichung Not leidender Banken als Notmaßnahme vor, die zur Stützung der Banken notwendig sei.

Die Gewerkschaftsbürokratie interveniert nicht als Sachwalter der Arbeiterklasse, sondern eher als Unterstützer einer Fraktion in der immer schärferen Debatte innerhalb der herrschenden Klasse. Ihre Klassenrolle und -Orientierung zeigte sich klar auf dem Vorstandstreffen, wo sie sich mit den Angelegenheiten und Bedürfnissen jenes winzigen Teils der amerikanischen Bevölkerung befasste, der seine Einkünfte von der Wall Street bezieht. Sie verabschiedete zwei Resolutionen über die Bankenkrise, hatte aber keinen Vorschlag zur Lösung der Zwangsräumungswelle, noch zur Wiederherstellung der Ersparnisse und Rentenkonten von Millionen Familien, zur Aufhaltung der Fabrikschließungen und Entlassungen oder zur Bereitstellung ausreichender Hilfsgelder für Arbeiter, deren Leben die Wirtschaftskrise zerstört.

Die selbstzufriedenen Funktionäre, die sich in Florida an der Sonne aalten, entwickelten keinerlei Vorschläge für öffentliche Arbeitsprojekte oder andere Maßnahmen gegen die wachsende soziale Krise. Das ist für jene Millionen Arbeiter, die von den großen Gewerkschaften und Kapitalistenknechten an ihrer Spitze schon ausverkauft und verraten worden sind, keine Überraschung.

Die ungebrochene Solidarität der AFL-CIO mit der Finanzelite Amerikas kam darin zum Ausdruck, dass sie Paul Volcker lobend erwähnte. "Wir empfehlen Präsdent Obama", heißt es in der Resolution unter dem Punkt Finanzregulierung, "das Economic Recovery Advisory Board des Präsidenten einzuberufen. Es steht unter dem Vorsitz von Paul Volcker, des ehemaligen Chefs der Federal Reserve und Autor des G-30-Berichts über globale Finanzregulierung, und wir freuen uns darauf, mit dem Vorsitzenden Volcker in dieser entscheidenden Sphäre zusammenzuarbeiten."

Volcker war nicht nur Fed-Vorsitzender unter dem Demokratischen Präsidenten Jimmy Carter und dem Republikanischen Präsidenten Ronald Reagan, sondern auch "Urheber" der vor der heutigen Krise tiefsten Rezession seit den 1930er Jahren. Auf Volcker ging die dreißigjährige Klassenoffensive gegen die Arbeiterklasse zurück, denn er setzte 1979 die Zinsraten auf fast zwanzig Prozent hoch, um Massenarbeitslosigkeit und eine Welle von Werksschließungen auszulösen. Er spielte eine entscheidende Rolle beim Abwickeln großer Teile der Schlüsselindustrie und der Umlenkung der gesellschaftlichen Ressourcen in die Finanzspekulation, wodurch die Bedingungen für eine gewaltige Bereicherung der herrschenden Elite und eine beispiellose soziale Ungleichheit geschaffen wurden.

Volcker wurde wegen seines Ausspruchs berüchtigt, Reagan habe 1981 den größten Einzelbeitrag zur Bekämpfung der Inflation geleistet, indem er den PATCO-Fluglotsenstreik in die Knie gezwungen habe.

Die Tatsache an sich, dass die Frage der Verstaatlichung im Raum steht, beweist das Scheitern der kapitalistischen freien Marktwirtschaft, die von der Gewerkschaftsbürokratie nach wie vor verteidigt wird. All die unterschiedlichen Modelle zur Rettung der Banken, auch die zeitweilige Verstaatlichung, versuchen, die Kosten für den Zusammenbruch des Profitsystems der Arbeiterklasse aufzubürden.

Die Frage lautet: In wessen Interesse wird staatliche Kontrolle ausgeübt, wer kontrolliert und zu welchem Zweck?

Die Krise erfordert nicht eine befristete Regierungsübernahme zur Rettung der Banker, sondern eine sozialistische Politik gegen den wirtschaftlichen Würgegriff der Finanzaristokratie. Nötig ist die Verstaatlichung der Banken ohne Entschädigung der großen Aktionäre und Wertpapierbesitzer, die Umwandlung der Banken und Finanzeinrichtungen in öffentliche Dienstleistungen unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse, und eine Richtungsänderung in der Finanzpolitik zur Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen. Es müssen vernünftig bezahlte Arbeitsplätze, Wohnungen, Bildungseinrichtungen, Krankenkassen und sichere Renten finanziert werden, und nicht die Profite und angehäuften privaten Reichtümer einiger weniger Privilegierter.

Siehe auch:
Zur Verstaatlichung der Banken
(23. Januar 2009)
Debatte über Verstaatlichung der Banken
( 26. Februar 2009)
Autoarbeiter brauchen eine sozialistische Strategie
( 18. Dezember 2008)
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