Eröffnungsbericht von Nick Beams auf der SEP Sommerschule

Der Wirtschaftszusammenbruch von 2008 und seine revolutionäre Bedeutung

Teil 3

Nachfolgend bringen wir den 3. Teil des Eröffnungsberichts von Nick Beams auf der Sommerschule der SEP im Januar 2009 in Sydney. Beams ist Nationaler Sekretär der Socialist Equality Party (Australien) und Mitglied der Internationalen Redaktion der WSWS. Der 1. und 2. Teil wurden am 27., bzw. 28. Februar veröffentlicht. Der abschließende Teil 4 folgt morgen.

Ich möchte die Bedeutung einer globalen Sichtweise betonen, weil man ohne sie die Ursachen und Gründe der Großen Depression überhaupt nicht verstehen kann. Und dabei geht es nicht bloß um rein historische Fragen. Die Große Depression ist gerade jetzt, wo die Obama-Regierung ihr Konjunkturprogramm ausarbeitet, wieder brandaktuell geworden. Diverse Keynesianer und "linke" Ökonomen in aller Welt melden sich mit der These zu Wort, die Wirtschaftskrise in den USA und weltweit könnte überwunden werden, würde man nur ihre Vorschläge mit Entschiedenheit umsetzen.

John Maynard Keynes war sich der politischen Dimension seiner Rolle sehr bewusst, als er nachzuweisen versuchte, dass Regierungsinterventionen in der Wirtschaft durch erhöhte Staatsausgaben die Probleme der kapitalistischen Wirtschaft überwinden könnten. Sein politisches Ziel bestand darin, die sozialistische Revolution zu verhindern.

Er erklärte Ende 1933 in seinem offenen Brief an Präsident Roosevelt: "Sie haben sich zum Sachwalter all derer in jedem Land gemacht, die alle Probleme unserer Lage durch wohlüberlegte Experimente im Rahmen der bestehenden sozialen Ordnung lösen wollen. Wenn sie versagen, dann wird rationale Veränderung in aller Welt in Verruf geraten, und Orthodoxie und Revolution werden es auskämpfen."

In einer Vorlesung an der Columbia-Universität im Juni 1934 betonte Keynes, das Hauptproblem der Wirtschaft bestehe nicht mehr darin, wie jede einzelne Firma mehr produzieren könne, sondern, wie man ausreichend effektive Nachfrage schaffen könne, damit jede Firma soviel produziere, wie sie zu produzieren in der Lage sei. Wenn dieses "neue Problem" nicht gelöst werde, dann "wird die bestehende Gesellschaftsordnung so diskreditiert werden, dass wilde, dumme und destruktive Veränderungen unvermeidlich werden."

Keynes sah die Krise des Kapitalismus nicht als Ergebnis ihm innewohnender Prozesse, und noch weniger als Ergebnis objektiver Gesetze, sondern darin, dass seine Funktionsweise nur unzureichend durchschaut werde. In der Einleitung zu seinen 1931 veröffentlichten Essays in Persuasion definierte er seine Position als "die tiefe Überzeugung, dass das Problem der Wirtschaft, wie man es kurz nennen könnte, das Problem von Not und Armut und des wirtschaftlichen Kampfs zwischen den Klassen und Nationen, nichts anderes ist als ein erschreckender Kuddelmuddel, ein vorübergehender und unnötiger Kuddelmuddel".

Die Ursache der Krise bestand nach Keynes’ Meinung in intellektuellem Unvermögen. Die Lösung liege deshalb in den richtigen Argumenten. Das war, wie sein Biograph Robert Skidelsky anmerkt, seine Antwort auf Marx. Wenn die Führer des Kapitalismus nicht zur Besinnung kämen und aufhörten, die Löhne der Arbeiter zu drücken, um die Profite wieder zu steigern, dann werde das zu einem Klassenkampf führen, der Marx Recht gebe. Diese Fragen haben nichts von ihrer Aktualität verloren.

Analysen der Großen Depression waren schon immer sehr politisch, denn kein anderes ökonomisches Phänomen hat den historischen Bankrott der kapitalistischen Produktionsweise - und seine schrecklichen Konsequenzen wie Massenarbeitslosigkeit, Faschismus und Krieg - jemals deutlicher demonstriert.

Als Milton Friedman 1963 zusammen mit Anna Schwartz sein Buch A Monetary History of the United States herausgab, lagen seiner Analyse ganz sicher politische Überlegungen zugrunde. Friedman war ein besonders entschiedener Verfechter der "freien Marktwirtschaft". Er versuchte mit allen Mitteln nachzuweisen, dass dem Kapitalismus kein Problem innewohne, das eine solche Katastrophe unausweichlich mache. Deswegen versuchte er nicht nur, die Marxisten zu widerlegen, sondern auch die Keynesianer, die die Depression der mangelnden effektiven Nachfrage zuschrieben und ein Eingreifen der Regierungen in die kapitalistische Wirtschaft forderten.

Friedman zufolge war die grundlegende Ursache der Depression die Politik des knappen Geldes der Notenbank Federal Reserve, die besonders in der Bankenkrise von 1932 die Liquidität verknappte und damit einen normalen Konjunkturabschwung in eine Katastrophe verwandelte.

Friedman war der Meinung, eine Lockerung der Geldpolitik hätte den Zusammenbruch verhindern können, und dies wäre wohl auch passiert, hätten nur andere Personen an der Spitze der Fed gestanden. Und warum war dem nicht so? Friedman führte das Problem auf den Tod von Benjamin Strong 1928 zurück, dem damaligen Gouverneur der New Yorker Federal Reserve Bank. Sein Ausscheiden veränderte die Machtbalance in der Federal Reserve und beraubte sie einer effektiven Führung.

Diese Erklärung hält nicht einmal einer oberflächlichen Begutachtung stand. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Politik der Fed mit Strong anders ausgesehen hätte. Schließlich reagierte die Fed auf die Krise der 1930er Jahre auf die gleiche Weise, wie sie auf den scharfen Einbruch von 1920-21 reagiert hatte. Sie erwartete, dass sich die Wirtschaft erholen werde, wie sie das auch in den "roaring twenties" der 1920er Jahre getan hatte.

Trotz ihrer intellektuellen Dürftigkeit wurde Friedmans These zur theoretischen Leitlinie der amerikanischen Federal Reserve. Der heutige Fed-Vorsitzende brachte seine Auffassung 2002 in einer Rede zum 90. Geburtstag Friedmans zum Ausdruck. Er nannte die Analyse von Friedman und Schwartz eine mächtige Theorie und schloss: "Was die Große Depression angeht, haben Sie Recht gehabt. Wir waren schuld. Tut uns sehr leid. Aber Dank Ihnen werden wir es nicht wieder tun."

Nach dem Börsenkrach von 1987 richteten sich die amerikanischen Finanzbehörden - erst unter Leitung von Alan Greenspan und dann von Ben Bernanke - nach Friedmans Rezepten. Auf jede Finanzkrise oder potentielle Krise wurde mit einer Senkung der Leitzinsen und einer Ausdehnung des Kredits reagiert. Und fast zwanzig Jahre lang schien diese Medizin zu wirken.

Es kam zu Finanzkrisen, aber sie wurden relativ schnell mit einer Zufuhr von Liquidität in das Finanzsystem überwunden, und das schuf jeweils die Bedingungen für einen neuen Boom.

Aber mit dem Ausbruch der Subprime-Hypothekenkrise - selbst Ergebnis der Finanzblase, die nach dem Platzen der Aktienblase von 2000-2001 entstand - funktionierte diese Methode nicht mehr. Die Erhöhung der Geldmenge konnte die Krise nicht mehr stoppen. Sie wurde immer schlimmer, weil die Banken und Finanzinstitute aufhörten, sich untereinander Geld zu leihen.

Der Zusammenbruch der gesamten "freien Marktwirtschaft" hat den Keynesianern noch einmal Aufwind verschafft. Sie behaupten, die Krise könne durch eine Rückkehr zu Staatsinterventionen und durch Konjunkturprogramme gelöst werden.

Wenn man darauf hinweist, dass der New Deal die Große Depression nicht beenden konnte, antworten sie, die Maßnahmen seien nicht entschlossen genug umgesetzt worden. Auf das Argument, der neunmonatige Absturz von September 1937 bis Juni 1938, der in den Worten eines Historikers jener Zeit "in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte ohne Beispiel" war und "der schlimmste Absturz war, solange es statistische Aufzeichnungen gibt" (Kenneth D. Roose, "The Recession of 1937-38", The Journal of Political Economy, Juni 1948), antworten sie, der Absturz nach der Erholung von 1933-37 sei das Ergebnis von schlechten Ratschlägen gewesen, denen Roosevelt mit seiner Steuererhöhung Folge geleistet habe.

Weiter sagen die Keynesianer, es stütze ihre Argumentation, dass sich die Wirtschaft erholt habe, sobald die Regierung Kriegsausgaben getätigt habe. Staatsausgaben helfen, sagen sie, wenn sie nur hoch genug sind. Der Kapitalismus könne in einer Weise reguliert werden, dass die gesellschaftlichen Bedürfnisse nicht zu kurz kommen. Die heutige Krise sei nicht, wie die Marxisten behaupten, das Produkt der unversöhnlichen Widersprüche der kapitalistischen Ordnung, sondern entspringe dem Aufgeben keynesianischer Weisheiten zugunsten der abgedroschenen Postulate der Apostel des "freien Marktes" in den letzten dreißig Jahren.

Ich werde diese Fragen zuerst theoretisch und dann historisch untersuchen und einen Überblick über die Entstehung und Lösung der großen Depression geben.

Die grundlegenden theoretischen Irrtümer des Keynesianismus wurzeln in seiner inkorrekten Vorstellung über das Wesen der kapitalistischen Ökonomie. Die Triebkraft der kapitalistischen Produktionsweise ist nicht die Produktion von Gebrauchswerten oder die Konsumption, sondern die Akkumulation von Kapital durch die Aneignung von Mehrwert. Also ist die Schlüsselfrage: Wie wirken sich keynesianische Maßnahmen - d.h. vor allem erhöhte Staatsausgaben - auf diesen Prozess aus? Wie wirken sie sich auf die Profite aus?

Für die Keynesianer ist das Schlüsselproblem mangelnde effektive Nachfrage. Wenn nicht genügend Nachfrage herrscht, dann können die produzierten Waren nicht verkauft werden. Wenn die Firmen, die sie produziert haben, sie nicht verkaufen können, dann müssen sie ihre Produktion zurückfahren. Das führt zu einer Verminderung der Nachfrage nach Gütern, die diese Firmen selbst kaufen, mit der Folge eines weiteren Rückgangs der effektiven Nachfrage, und so weiter. Der springende Punkt ist demzufolge, die effektive Nachfrage auf ein Niveau anzuheben, dass die Wirtschaft sich wieder auszudehnen beginnt.

Schauen wir uns das einmal genauer an. Was ist effektive Nachfrage? Sie besteht aus zwei Komponenten: aus der Nachfrage der Arbeiter nach Konsumgütern und aus der Nachfrage von Unternehmen nach Produktionsgütern. Die Nachfrage der Arbeiter nach Konsumgütern, die ja von ihren Löhnen abhängt, kann niemals einen ausreichend großen Markt bieten, damit das Kapital seine Profite realisieren kann, weil der Preis der Konsumption schon den Profit beinhaltet, der an das Kapital geht. Mit anderen Worten, eine Unterkonsumption der Arbeiterklasse ist immer vorhanden. Das ergibt sich aus der Natur der kapitalistischen Produktion selbst. Der Wert der Arbeitskraft, d.h. der Löhne, die die Arbeiter erhalten, ist immer geringer, als der Wert, den der Arbeiter im Produktionsprozess neu schafft. Aus der Differenz speisen sich Mehrwert und Profit.

Die Ursache der Krise kann daher nicht die Unterkonsumption der Arbeiter sein, weil die eine grundsätzliche Bedingung der kapitalistischen Produktionsweise ist. Der Umfang der effektiven Nachfrage muss also von ihrer anderen Komponente bestimmt sein, der Nachfrage kapitalistischer Firmen nach Produktionsgütern. Der Umfang dieser Nachfrage wird von der Profitrate bestimmt. Wenn die Profite steigen, dann steigen auch die Investitionen. Wenn die Investitionen steigen, dann nimmt in diesen Industrien die Zahl der beschäftigten Arbeiter zu. Wenn mehr Arbeiter beschäftigt werden, dann steigen die Konsumausgaben, und die Wirtschaft dehnt sich insgesamt aus.

Keynes betonte die entscheidende Rolle der Investitionen. Er sah ihren Rückgang als das Ergebnis pessimistischer Einschätzungen des Zustands der Märkte. Aber wenn die Psychologie kapitalistischer Geschäftsleute und ihre Bereitschaft zu investieren vom Zustand der Märkte abhängen, dann stehen wir wieder vor der gleichen Frage: was bestimmt den Zustand der Märkte?

Es steht außer Frage, dass eine Krise oder Depression auf dem Markt die Form von mangelnder Nachfrage annimmt. Aber die mangelnde Nachfrage ist die Erscheinungsform eines Prozesses, der seinen Ursprung nicht auf dem Markt hat, sondern in der Sphäre der Produktion.

Schauen wir uns das genauer an. Jede kapitalistische Firma ist mit den Diktaten des Marktes konfrontiert. Auf dem Markt realisiert jede kapitalistische Firma den Mehrwert, den sie aus der Arbeiterklasse gezogen hat - d.h. sie verwandelt ihn zurück in Geld - oder, um es genauer auszudrücken, sie nimmt an der Aneignung des gesamten Mehrwerts teil, der insgesamt aus der Arbeiterklasse gepresst worden ist.

Um die Profitabilität eines bestimmten Kapitals zu erhöhen, muss sich der Markt insgesamt ausdehnen. Diese Ausdehnung geschieht durch die erhöhte Erzielung von Mehrwert durch andere Abteilungen des Kapitals.

Marx schrieb, dass die Schaffung von Mehrwert durch das Kapital von einer ständigen Ausdehnung der Sphäre der Zirkulation abhänge. Schaffung von Mehrwert an einer Stelle erfordere Schaffung von Mehrwert auch an anderer Stelle, gegen den er ausgetauscht werden könne.

Wie wirken sich höhere Konsumausgaben - sei es direkt von der Regierung getätigt, oder indirekt durch Steuererleichterungen - auf die Akkumulation von Mehrwert aus? Sie erhöhen den Mehrwert nicht. Insoweit zusätzliche Staatsausgaben durch neue Schulden finanziert werden, können sie das Problem langfristig sogar verschärfen, weil sie die Zinsansprüche der Gläubiger erhöhen.

Höhere Staatsausgaben können zeitweise eine wirtschaftliche Belebung bewirken, d.h. eine Erhöhung des Nationaleinkommens. Aber sie werden nicht automatisch eine Steigerung der Akkumulation von Mehrwert und der Profitrate bewirken.

Nehmen wir eine Analogie aus der Medizin. Wenn ein junger Mensch einen elektrischen Schlag erleidet, dann bleibt sein Herz stehen. Mit einem Adrenalinstoß beginnt das Herz wieder zu schlagen. Das Adrenalin funktioniert, weil wir es mit dem Herzen einer jungen, gesunden Person zu tun haben. Aber wenn das Herz schon alt und verbraucht ist, dann hilft auch noch so viel Adrenalin nichts mehr.

Wenn das Produktionsregime in der kapitalistischen Wirtschaft gesund ist, d.h. wenn es noch genügend Mehrwert in den wirtschaftlichen Kreislauf pumpt, dann kann ökonomisches Adrenalin in der Form von höheren Staatsausgaben Wunder wirken. Aber nicht, wenn der wirtschaftliche Pumpmechanismus defekt oder ausgeleiert ist, oder wenn die Arterien, durch die der Mehrwert fließen soll, verkalkt sind.

Auf der Grundlage dieser theoretischen Überlegungen wollen wir zu der historischen Entwicklung der Großen Depression zurückkehren.

1933 schrieb der britische Ökonom Lionel Robbins: "Wir leben nicht im vierten, sondern im neunzehnten Jahr der Weltkrise." Er wollte damit sagen, dass die Krise nicht 1929 begann, sondern 1914. Mit dieser Herangehensweise können wir ein korrektes Verständnis der Ursachen der großen Depression gewinnen.

An einem Wendepunkt der Kurve der kapitalistischen Entwicklung brach die Weltkrise in Gestalt des ersten Weltkriegs aus, wie wir schon bemerkt haben. Nach einer stürmischen Wachstumsperiode von Mitte der 1890er Jahre an begannen die Profitraten zu sinken. Das war nicht einfach Teil eines Konjunkturzyklus, sondern eine neue Phase der ökonomischen Entwicklung, was sich daran zeigte, dass die europäische Wirtschaft sich in der Nachkriegszeit nicht wieder erholte.

In den 1920er Jahren verstanden mehrere Beobachter, wie der Kapitalismus sich weiter hätte entwickeln können: Die europäische Wirtschaft musste nach dem Vorbild Amerikas wieder aufgebaut, und die wesentlich produktiveren amerikanischen Methoden angewandt werden. Aber das war unmöglich. Der Krieg selbst war aus dem Konflikt zwischen der Ausdehnung der Produktivkräfte und den Beschränkungen des Nationalstaatensystems entstanden. Aber dieser Konflikt war durch den Krieg - den Vertrag von Versailles - nicht entschärft, sondern verschärft worden.

Dem Wachstum der europäischen Industrie und der Einführung neuer Produktionsmethoden standen Zollgrenzen, Kartelle, Produktionsbeschränkungsabkommen und nationale Grenzen entgegen.

Gleichzeitig erlebten die Vereinigten Staaten ein schnelles Wachstum. Aber sie waren nicht mehr selbstgenügsam. Damit das amerikanische Wirtschaftwachstum anhalten konnte, musste die europäische Wirtschaft wachsen. Die Auspressung von Mehrwert aus der Arbeiterklasse mit den viel produktiveren Methoden des amerikanischen Kapitalismus erforderte die Erzielung eines höheren Mehrwerts in Europa. Das konnte nicht gelingen, und das Ergebnis war der Zusammenbruch der amerikanischen Wirtschaft 1929. Mit anderen Worten, die Depression nahm zwar die Form eines Zusammenbruchs der effektiven Nachfrage an, aber ihre Ursache war nicht Unterkonsumption, sondern die Unterproduktion von Mehrwert, vor allem in Europa.

Die Große Depression brach nicht in einem Land aus und breitete sich dann in der Welt aus. Nein, sie war eine globale Krise, die sich besonders dramatisch in den beiden stärksten Volkswirtschaften der Welt auswirkte, in den USA und in Deutschland.

Der Zusammenbruch war in den Vereinigten Staaten so heftig, weil die europäischen Volkswirtschaften die Depression nie wirklich überwunden hatten, in die sie nach dem Krieg geraten waren.

Und in Deutschland war er so scharf, weil es stärker als jede andere Wirtschaft durch das europäische Nationalstaatensystem eingeengt wurde. Die deutsche Bourgeoisie versuchte diese Beschränkung abzuwerfen, indem sie Hitler unterstützte, in der Hoffnung, er werde in der Lage sein, durch militärische Eroberungen Lebensraum im Osten zu gewinnen.

Nicht Roosevelts New Deal holte den amerikanischen Kapitalismus aus der Krise. Es war im Gegenteil gerade sein Scheitern, das die herrschenden Kreise der USA überzeugte, nur eine völlige Umstrukturierung der gesamten Weltordnung könne die historische Sackgasse überwinden, die zur Großen Depression geführt hatte. Der Weg musste für die produktiveren Produktionsmethoden der amerikanischen Industrie frei gemacht werden. Trotzki hatte im Dezember 1933 erklärt: "Früher oder später muss der amerikanische Kapitalismus Wege finden, sich über den ganzen Planeten auszubreiten." Diese Aufgabe müsse er mit allen verfügbaren Mitteln verfolgen, Krieg eingeschlossen.

Deutsche Pläne für ein Empire auf dem europäischen Kontinent hätten dem amerikanischen Kapitalismus im Weg gestanden und mussten verhindert werden. Ebenso japanische Pläne für ein Empire im Osten, die so genannte Gemeinsame Wohlstandszone. Und als Churchill Roosevelt 1941 zu Diskussionen über die Atlantik-Charta traf, musste er feststellen, dass die amerikanische Vision für die Nachkriegszeit kein britisches Empire mit seinen geschlossenen Türen und imperialen Vorzugsregelungen für Handel und Finanzen mehr vorsah.

Die Nachkriegsregelungen, die sich im Bretton-Woods-Abkommen von 1944 und dem Marshall-Plan von 1947 ausdrückten, lieferten die ökonomische Grundlage für eine Periode kapitalistischer Expansion. Diese Maßnahmen bereiteten den Weg für die Ausbreitung der industriellen Methoden Amerikas mit ihrer höheren Arbeitsproduktivität und dem höheren erzielten Mehrwert. Amerikanische Investitionen flossen in die ganze Welt.

In weniger als drei Jahrzehnten kamen die grundlegenden Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise aber wieder zum Vorschein. Der Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems von 1971 bis 1973 hing mit dem Überhang an Dollars zusammen, die in der ganzen Welt zirkulierten, im Verhältnis zu den Goldvorräten der USA, die diese Dollars eigentlich decken sollten. Aber das war nur der Ausdruck eines grundlegenderen Prozesses: des Widerspruchs zwischen dem Wachstum der Weltwirtschaft, das das Nachkriegswährungssystem selbst ermöglicht hatte, und der Tatsache, dass das Währungssystem auf der Währung eines einzelnen Landes beruhte - auch wenn es das mächtigste war, nämlich die USA. Mit anderen Worten, der Widerspruch zwischen der Weltwirtschaft und dem Nationalstaatensystem war wieder aufgetaucht. Nach dem Zusammenbruch von Bretton Woods scheiterten alle Vorschläge für eine stabile internationale Rechnungseinheit an den gegensätzlichen nationalen Interessen der kapitalistischen Großmächte. Dasselbe Schicksal hatte schon früher Keynes’ Vorschlag für eine internationale Währung erlitten.

Auch der andere Widerspruch, auf den wir hingewiesen haben, trat wieder auf. Die Weltrezession von 1974-75 war nicht einfach auf die Explosion der Ölpreise zurückzuführen. Diese waren nur der Auslöser. Die Rezession hatte ihre Ursache in einem Sinken der Profitrate, die sich seit Ende der 1960er Jahre bemerkbar gemacht hatte. Die Kurve der kapitalistischen Entwicklung bewegte sich wieder nach unten.

Die folgenden Entwicklungen habe ich in meinem Vortrag The World Economic Crisis: A Marxist Analysis erläutert. Ich werde deshalb nur noch einmal kurz auf die zentrale Frage eingehen. Der Zusammenbruch des Weltkapitalismus 2008 war nicht das Ergebnis einer schlechten Politik oder eines mangelhaften Verständnisses seitens der bürgerlichen politischen Entscheidungsträger, was jetzt irgendwie korrigiert werde könnte. Er resultiert aus Prozessen, die schon von der Krise Anfang der 1970er Jahre in Gang gesetzt wurden, und die in der ökonomischen und historischen Logik der kapitalistischen Produktionsweise selbst verankert sind.

Fortsetzung folgt

Siehe auch:
Weltwirtschaftsforum in Davos von Trübsinn# Ratlosigkeit und Spaltung beherrscht
(3. Februar 2009)
Der Finanzkrach 2008 und die Perspektiven für 2009
( 13. Januar 2009)
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