Großbritannien:

Arbeiter besetzen Verpackungsbetrieb in Dundee

Eine Handvoll Arbeiter eines Verpackungsbetriebs im schottischen Dundee haben gemeinsam einen wichtigen Schritt vorwärts getan, um ihre Existenz zu verteidigen. Zwölf Arbeiter haben das Werk Prisme in der Innenstadt von Dundee besetzt. Sie wollen ihren Dienstherrn zwingen, gesetzlich vorgeschriebene Abfindungen zu zahlen, nachdem die Firma die gesamte Belegschaft entlassen hat.

Am 4. März erfuhren die Arbeiter überraschend, dass der Geschäftsführer zurückgetreten sei und sie alle ihre Arbeitsplätze verlieren würden. Einige von ihnen arbeiten schon seit vierzehn Jahren im Betrieb.

Am selben Tag um die Mittagszeit tauchte eine unbekannte Person auf und behauptete, der neue Werksdirektor zu sein. Die Arbeiter schickten ihn fort, aber Kenneth Andrews, so hieß diese Person, war tatsächlich erst im letzten Monat als Direktor eingestellt worden. Er kehrte zurück und verlangte, die Arbeiter müssten das Werk bis um 17:00 Uhr räumen. Er überreichte ihnen einen Brief, in dem es hieß, die Firma werde ihnen keine Abfindungen, kein Urlaubsgeld und auch sonst nichts mehr bezahlen.

In dem Brief heißt es lapidar: "Wir bedauern, dass wir keine Zahlung leisten können ... und können zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, ob wir Ihnen das Geld in Zukunft bezahlen können."

Die Arbeiter, sieben Frauen und fünf Männer, weigerten sich, zu unterschreiben. Im Verlauf des weiteren Nachmittags kamen sie überein, die Kontrolle über die Fabrik zu übernehmen und zu verhindern, dass möglicherweise wertvolles Material und Gerätschaften abtransportiert würden. In der Fabrik gibt es Kartonvorräte bis unters Dach, außerdem teure Schneide- und Faltmaschinen.

Sieben Arbeiter verbrachten die erste Nacht im Fabrikbüro. Freunde und Unterstützer brachten ihnen Schlafsäcke und Essen. Die Arbeiter nahmen auch Kontakt zur Presse auf.

Ein Arbeiter, Matthew Duffield, gab mehreren Zeitungen Interviews und erklärte, alle Beteiligten verstünden die Aktion als prinzipielle Verteidigung von Arbeiterrechten. "Wir haben beschlossen, Widerstand zu leisten, bis wir bekommen, was uns zusteht. Die Company zeigt sich uns gegenüber vollkommen respektlos. Dem wollen wir einen Riegel vorschieben und hoffen, dass solche Dinge in Zukunft nicht mehr auf diese Art und Weise geregelt werden."

Ein anderer Arbeiter, David Taylor, sagte: "Wir verlassen die Fabrik so lange nicht, bis man uns den Grund für ihre Schließung erklärt und uns die Abfindungen zugesteht." Zum Vorgehen der Firma sagte Taylor: "Sie machen alles hinten herum. Sie zeigen überhaupt keine Veränderung. Die einzige Wahl, die uns bleibt, ist sie zu entlarven und zu hoffen, dass sie so etwas nie wieder machen können."

Er bemerkte, die Firma habe sich noch nicht einmal auf der Behörde blicken lassen. Sie weigere sich einfach zu zahlen. "Wir sind der Meinung, wir müssen durchhalten, bis sie entweder die Bedingungen verändern, oder bis die Bank eine Liquidation der Firma durchführt."

Die Arbeiter haben ihren Arbeitskampf in der ganzen Region bekannt gemacht und im Umkreis von Dundee beträchtliche Unterstützung gewonnen, obwohl ihnen die örtliche Polizei das Geld Sammeln verbieten wollte.

In den letzten Tagen haben die Prisme-Beschäftigten trotz ihrer geringen Anzahl große Entschlossenheit unter Beweis gestellt. Keiner von ihnen ist Gewerkschaftsmitglied. Sie haben in der Nachaußenwendung große Fähigkeiten bewiesen und andere Teile der arbeitenden Bevölkerung erfolgreich um Unterstützung gebeten.

Ein Reporterteam der World Socialist Web Site wurde in der besetzten Fabrik sehr gut aufgenommen. Es kam zu lebhaften Diskussionen, an denen sich viele Arbeiter beteiligten. Dabei wurden Fragen aufgeworfen, auf die sie immer wieder zurückkamen.

Die Arbeiter vertrauen im Wesentlichen auf ihre Fähigkeit, die Aktion zum Erfolg zu führen. Sie wiesen immer wieder auf die breite Unterstützung in der Bevölkerung hin, die sie mobilisieren konnten. Noch während der Diskussion tauchten Freunde und Unterstützer auf, die im Stadtzentrum von Dundee gerade an einer anderen Demonstration teilgenommen hatten. In der jüngsten Zeit gab es in Dundee eine Reihe von Betriebsschließungen, und viele Arbeiter haben selbst Erfahrungen mit skrupellosen und bankrotten Unternehmern gemacht.

Trotzdem beschränken die Arbeiter ihre Forderungen im Wesentlichen auf bessere Abfindungen. Das war auch bei der Belegschaft so, die in Irland die Kristallglasfabrik Waterford Wedgewood besetzt hatte. Weil die Position von Prisme hoffnungslos sei, ging niemand davon aus, die Arbeitsplätze zu verteidigen.

Viele sahen im Zusammenbruch von Prisme bloß ein Beispiel für "schlechtes Management", und nicht in erster Linie das Ergebnis der immer schlimmeren Wirtschaftskrise. Mehrere Vorschläge wurden gemacht, wie man den Betrieb wieder aufnehmen und neue Aufträge gewinnen könnte.

Der Betrieb war früher einmal eine Filiale von Texol Technical Solutions, die vergangenes Jahr Konkurs angemeldet hatte. Damals waren 150 Arbeiter entlassen worden, weil der größte Arbeitgeber von Dundee, NCR Corporation, seine Produktion aus der Stadt abgezogen hatte.

Danach hat sich Prisme offenbar eine unabhängige Existenz aufgebaut und sich auf Kartonverpackungen für den Versand von luxuriösem schottischen Whisky der Edrington Destillerien aus Glasgow spezialisiert. Auch sind nach verschiedenen Umzügen und Umbauten heute die Besitzverhältnisse bei einem Teil der Maschinerie unklar. Auf jeden Fall hat der Betrieb in den letzten Wochen einen Whisky-Vertrag verloren, der etwa sechzig Prozent seines Auftragsvolumens ausmachte.

Die Arbeiter wollen sich juristisch informieren, auf welche Weise sie dem Unternehmer den Prozess machen könnten und was überhaupt ihr jetziger Status sei. Sie versuchen, das Beziehungsgeflecht um ihren früheren Arbeitgeber zu entwirren. David Taylor ist felsenfest überzeugt, dass sie juristische Schritte ergreifen müssen, um sicher zu stellen, dass sich diese Praktiken in Zukunft nicht wiederholen.

An den Erklärungen der WSWS-Reporter waren die Arbeiter sehr interessiert, besonders was die politische Bedeutung ihrer Entscheidung anging. Wir erklärten, man müsse sie im Zusammenhang mit der allgemeinen Finanzkrise verstehen. Die Kapitalisten versuchen alles, um die Kosten ihrer Finanzmisere auf die Arbeiterklasse abzuwälzen, und die Gewerkschaften unterstützen sie dabei.

Zurzeit sind viele Arbeiter mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Allein in Dundee kündigte in der gleichen Woche, in der Prisme besetzt wurde, ein weiterer Betrieb, Day International, Kurzarbeit an. Day International ist ein Druck- und Bildübertragungsbetrieb, der hundert Arbeiter beschäftigt. Ähnliche Maßnahmen sind bei NCR Corporation eingeführt worden, wo bis zum April Kurzarbeit herrscht, wie auch bei Michelin. Diese beiden Werke haben ihre Operationen in der Stadt Dundee schon ganz eingestellt.

Briefe und Botschaften können an folgende Email-Adresse geschickt werden: studio@prisme.co.uk

Siehe auch:
Lehren aus der Betriebsbesetzung in Chicago
(13. Dezember 2008)
Loading