Berliner Finanzsenator Sarrazin wird belohnt

Der Finanzsenator der rot-roten Landesregierung Berlins wird zum 1. Mai diesen Jahres auf Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) in den Vorstand der deutschen Bundesbank wechseln. Ganz offensichtlich wird Sarrazin von der SPD mit diesem lukrativen Posten für seine erfolgreiche Politik der vergangenen Jahre, zugunsten der Reichen und Mächtigen, belohnt. Sein Jahresgehalt steigt laut Zeitungsmeldungen auf nunmehr 228.000 Euro.

Der 1945 geborene Thilo Sarrazin studierte Volkswirtschaft, promovierte und wurde Mitglied der SPD. Er war viele Jahre in führenden Positionen im Bundesfinanzministerium tätig. In den Jahren 1990/91 war er bei der Treuhandanstalt beschäftigt, bis 1997 Staatssekretär im Finanzministerium von Rheinland-Pfalz. Anschließend war er Führungsmitglied der Treuhand- Liegenschaftsgesellschaft (TLG), deren Hauptaufgabe darin bestand, öffentliches Eigentum zu privatisieren.

In den Jahren 2000 und 2001 war Sarrazin vorübergehend im Konzernvorstand der Deutschen Bahn AG beschäftigt und wurde im darauf folgenden Jahr zum Berliner Finanzsenator berufen. Bereits damals war er als knallharter Sanierer bekannt, der "Haushaltsdisziplin" forderte und Politiker aufforderte, Sozialkürzungen auch gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen. Das hinderte ihn allerdings nicht, für sich selbst immer ein Höchsteinkommen anzustreben. In der Übergangszeit vom Bahnvorstand zum Senator bestand er auf volle Auszahlung seines Bahnvertrages und kassierte mehrere Monate lang ein Doppelgehalt - als Ex-Bahnvorstand und als Senator.

Als Sarrazin im Januar 2002 Finanzsenator wurde, hatte Berlin einen Schuldenberg in Höhe von knapp 60 Milliarden Euro. Das war die Hinterlassenschaft von CDU und SPD, die in einer Großen Koalition unter Eberhard Diepgen (CDU) in den neunziger Jahren eine hemmungslose Klientelpolitik betrieben hatten. Sarrazins Aufgabe bestand von Anfang an darin, einen harten Sparkurs in der Verwaltung und den öffentlichen Ausgaben, vor allem im Sozialbereich, durchzusetzen.

Ferner oblag ihm die Rettung der überschuldeten Berliner Bankgesellschaft, die durch krasses Missmanagement und kriminelle Verstrickungen kurz vor dem Zusammenbruch stand. Bei seinem Amtsantritt wies der Berliner Haushalt ein Defizit von 5,2 Milliarden Euro auf.

Diese katastrophale Finanzsituation des vorigen von der CDU geführten Senates, mit der SPD als Juniorpartner, führte bei der Landeswahl im Jahr 2000 zu einem erheblichen Stimmenzuwachs für die damalige PDS. Sie erhielt damals 22,6 Prozent in ganz Berlin und nahezu fünfzig Prozent im Ostteil der Stadt.

Doch die PDS sah von Anfang ihre Aufgabe darin, gemeinsam mit der SPD eine Regierung zu bilden und "die Karre aus dem Dreck zu ziehen". Seitdem hat sich die nach einem Zusammenschluss mit der WASG heute als "Die Linke" bezeichnende Partei die harte, auf dem Rücken der einfachen Bevölkerung ausgetragene Sanierung des Landeshaushaltes weitgehend widerspruchslos mitgetragen. Um mitzuregieren, wurden alle Wahlversprechen über Bord geworfen. Selbst solche Sprüche von Sarrazin wie "Dumm, dümmer, PDS" wurden geschluckt.

Das Zusammenspiel zwischen PDS/Linkspartei und Sarrazin spielte bei der Durchsetzung drastischer Sparmaßnahmen in den vergangenen sieben Jahren eine wichtige Rolle. Sarrazin gab die Linie vor und bildete mit seinen dumm-dreisten Sprüchen gleichzeitig eine Art politischer Blitzableiter. Die Linkspartei kritisierte und attackierte ihn mitunter und versuchte damit, ihr linkes Image aufzupolieren, während sie gleichzeitig alle wichtigen Entscheidungen des Senats unterstützte und mittrug. Sarrazin beschimpfte nicht selten die Abgeordneten und Senatsmitglieder der Linkspartei, wohl wissend, dass diese Partei eine Schlüsselrolle spielte, um den Widerstand gegen die unsoziale Senatspolitik unter Kontrolle zu halten.

Eine der ersten Maßnahmen von Sarrazin und dem rot-roten Senat war die Rettung der Berliner Bankgesellschaft. Dieses Finanzinstitut war durch einen rechtlich fragwürdigen Zusammenschluss von Berliner Landesbank und privaten Geldinstituten entstanden und bot vermögenden Immobilienfonds-Anlegern - darunter vor allem Berliner und bundesdeutscher Politprominenz - sagenhafte Gewinngarantien.

Zum Schutz der verbrieften Einlagen und Gewinne übernahm der Senat eine Risiko-Abschirmung in Höhe von 21,6 Milliarden Euro. Weiter zahlte der Senat zu Lasten des Landeshaushaltes unmittelbar 1,7 Milliarden Euro als Kapitaleinlage an die Bankgesellschaft. Diese Haushaltsmittel wurden an anderer Stelle eingespart. Der Berliner Haushalt wurde in den vergangenen Jahren auf Kosten der arbeitenden und der armen Bevölkerungsschichten saniert.

Gleich nach Übernahme des Finanzressorts gelang es Sarrazin im Senat mit voller Unterstützung der Linkspartei, ein Sparpaket in Höhe von 600 Mio. Euro zu verabschieden und umzusetzen. Für die im öffentlichen Dienst Beschäftigten brachten diese Maßnahmen längere Arbeitszeiten, Stellenabbau und Lohnkürzungen. Sarrazin verhöhnte die beim Land Berlin Beschäftigten noch mit dem Spruch: "Die Beamten laufen bleich und übel riechend herum, weil die Arbeitsbelastung so hoch ist."

Seit Sarrazins Amtsantritt wurden 23.500 Vollzeitstellen im öffentlichen Dienst abgebaut. In den nächsten zwei Jahren sollen weiter 14.000 folgen. Bis 2012 soll das Ausgabenniveau in Berlin auf das von Hamburg gesenkt werden, obwohl die Hansestadt an der Elbe nur halb so groß ist wie Berlin.

Unter Sarrazin wurden bereits die Gebühren für Kindertagesstätten stark erhöht. Den Protest der Eltern dagegen parierte er mit dem Ausspruch: "Es wird ja so getan, als ob der Senat die Kinder ins Konzentrationslager schicken wollte." Die Etats bei Kultureinrichtungen und Universitäten wurden gekürzt, die Preise für den öffentlichen Nahverkehr erhöht. Als Studenten aus Protest sein Büro besetzten, rief Sarrazin ihnen zu: "Ihr seid alle Arschlöcher".

Die Berliner Schulen sind marode, viele Schwimmbäder und Bibliotheken wurden geschlossen, die Lehrmittelfreiheit für die Schüler abgeschafft. Der soziale Wohnungsbau wurde eingestellt und öffentliche Wohnungsbaugesellschaften in großem Stil privatisiert. Als Abschiedsgeschenk verweigert Sarrazin nun die Fortschreibung von Mietobergrenzen im sozialen Wohnungsbau. Die Berliner Bevölkerung, die einen Senat aus SPD und Linkspartei wählte, um die sozialen Bedingungen in der Stadt zu erhalten, sieht sich von deren Politik bitter enttäuscht.

Berühmt berüchtigt sind auch Sarrazins zynische und menschenverachtende Sprüche gegenüber den Ärmsten in der Stadt: "Nirgendwo sieht man so viele Menschen, die öffentlich in Trainingsanzügen rumschlurfen, wie in Berlin." Er äußerte auch: Das kleinste Problem von Hartz-IV-Empfängern sei Untergewicht, und eine vollwertige und ausgewogene Ernährung sei mit vier Euro pro Tag möglich. Es genüge, Berliner Leitungswasser zu trinken, das sei gesund. Offenbar glaubt Sarrazin, den Almosenempfängern noch Vorschriften machen zu müssen, wie sie zu leben haben und womit sie zufrieden sein müssen: "Wenn die Energiekosten so hoch sind wie die Mieten, werden die Menschen überlegen, ob sie mit einem dicken Pullover nicht auch bei 15 oder 16 Grad Zimmertemperatur vernünftig leben können."

Als es um die Einführung von Mindestlöhnen ging, meinte Herr Sarrazin "Für fünf Euro würde ich jederzeit arbeiten gehen. Das wären 40 Euro pro Tag". Freiwillige Arbeit wird von Sarrazin ebenfalls nicht geschätzt: "Wer als Hartz-IV-Empfänger genug Kraft für ein Ehrenamt findet, der sollte dann die Kraft darin legen, Arbeit zu finden." Er selbst übt allerdings neben seiner Tätigkeit als Finanzsenator noch 46 Nebentätigkeiten aus, die gewiss nicht ehrenamtlich sind, darunter als Aufsichtsratsvorsitzender bei den Berliner Verkehrsbetrieben BVG, bei BIH (Berliner Immobilien Holding) und BIM (Berliner Immobilienmanagement). Pro Nebenjob sind Einnahmen von 6.135,50 Euro jährlich erlaubt.

Sarrazin war sich über die Rolle der Linkspartei und ihrer kritischen Unterstützung sehr bewusst. Ungeachtet aller Wahlkampfreden trug sie seine Sparmaßnahmen mit und setzte sie durch. Der vorgetäuschte Einsatz dieser Partei für die Armen und Benachteiligten ist schon lange als Lüge entlarvt. Die Politik dieser Partei dient letztendlich dazu, die bestehenden Verhältnisse zu erhalten und selbst davon zu profitieren, sonst hätte sie den Senat längst verlassen.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Landesvorsitzende der Berliner Linkspartei Klaus Lederer die Arbeit Sarrazins im rot-roten Senat ausdrücklich würdigte. Er sei der Gegenpart zu denjenigen gewesen, die versucht hätten, bestimmte Bereiche von den Einsparmaßnahmen abzuschirmen: "Insbesondere in der ersten Legislaturperiode von Rot-Rot, wo wir den Blick nach Karlsruhe (zum Bundesgerichtshof) gerichtet haben, war es gut, dass Thilo Sarrazin da war."

Sarrazins Ruf als knallharter Sanierer auf Kosten der Bevölkerung hat mit seinen Berliner Senatorenjahren weiter zugenommen. Er selbst sagt über sich: "Ich bin nicht in der Politik, um Leute zu ärgern, sondern um Ziele zu erreichen."

In den Jahren 2007 und 2008 konnte Berlin erstmals in seiner Nachkriegsgeschichte einen Überschuss von knapp 100 und im nächsten Jahr von rund 940 Millionen Euro erwirtschaften und so seinen Schuldenberg auf rund 59 Milliarden Euro reduzieren. Das geschah jedoch ausschließlich auf Kosten des sozialen Lebensstandards der Berliner Bevölkerung.

Sarrazin hinterlässt einen sozialen Kahlschlag. Sein Nachfolger wird Ulrich Nußbaum. Der parteilose 51 Jahre alte Jurist und Unternehmer aus Bremerhaven war von 2003 bis 2007 Finanzsenator in Bremen. Der Stadtstaat an der Weser ist wie Berlin seit Jahren hoch verschuldet und Nußbaum hatte in seiner Bremer Zeit ähnlich wie Sarrazin in Berlin einen Sparkurs gefahren und sich dafür viel Protest von Betroffenen eingehandelt.

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