Versammlung in Paris legt sozialistisches Programm gegen Krieg in Sri Lanka vor

Am Sonntag, den 15. März 2009, fand in Paris eine Versammlung über Sri Lanka statt, zu der die World Socialist Web Site und das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) eingeladen hatten. Sie war Teil einer weltweiten Kampagne der WSWS und des IKVI für den sofortigen Rückzug der srilankischen Armee aus dem Tamilengebiet im Norden und Osten der Insel. Auf der Versammlung wurde eine sozialistische und internationalistische Lösung vorgestellt, um den Bürgerkrieg zu beenden, der seit 25 Jahren andauert und schon über 70.000 Menschenleben gefordert hat.

Unterstützer der Kampagne hatten vor der Versammlung tausende Handzettel mit WSWS -Erklärungen verteilt und damit breite Schichten der großen Tamilen-Gemeinde von Paris angesprochen. Die tamilische Internetstation Tamilolli brachte vor der Versammlung eine zweistündige Diskussion mit Myilvaganam Thevarajah, einem Führungsmitglied der Socialist Equality Party (SEP) aus Sri Lanka, und andern WSWS -Mitarbeitern.

Das CCTF (Comité de Coordination Tamoul-France) - eine Organisation, die eng mit den tamilisch-separatistischen Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) zusammenarbeitet - versuchte, WSWS -Sympathisanten einzuschüchtern, als sie für die Versammlung Werbung machten. Das CCTF will jede Kritik am nationalistischen Programm der LTTE unterbinden und behauptet, es allein sei die authentische Stimme des tamilischen Volkes.

Die Kampagne zur Verhinderung der Versammlung wurde noch während ihres Verlaufs fortgesetzt. Doch alle Störversuche von außen konnten gestoppt werden, und so verlief die Versammlung mit etwa fünfzig Teilnehmern völlig ungestört. Anwesend waren hauptsächlich Tamilen aus Frankreich, aber auch französische Studenten, Schüler, Lehrer und Arbeiter, wie auch mehrere Delegierte aus Deutschland und Großbritannien.

Auf der Versammlung sprachen Myilvaganam Thevarajah von der SEP in Sri Lanka und Peter Schwarz, IKVI-Sekretär.

Thevarajah sagte, im Zentrum der Bemühungen um ein Ende des Kriegs stehe der Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse. Er sagte, die Anwesenheit von französischen, deutschen, englischen und tamilischen Arbeitern auf dieser Versammlung vermittle einen Eindruck davon, welche Möglichkeiten eine Vereinigung der Arbeiterklasse böten, um Kommunalismus und Krieg, wie auch das kapitalistische System, das beide hervorbringe, zu überwinden.

Der srilankische Trotzkist betonte, dass die SEP die einzige politische Partei in Sri Lanka ist, die gegen den Krieg kämpft und auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms für die Einheit der tamilischen, singhalesischen und muslimischen Arbeiter eintritt. "Gestützt auf diese Perspektive", sagte er, "haben wir an den Provinzwahlen vom 14. Februar in Nuwara Eliya und Puttalam teilgenommen. Trotz der Drohungen und Einschüchterungsversuche konnten wir in Versammlungen und dem ganzen Wahlkampf unser Programm hunderten Arbeitern vorstellen. Jetzt nehmen wir mit 46 Kandidaten an den Provinzwahlen vom 25. April in Colombo teil."

Dann sprach Thevarajah über die zwei großen Oppositionsparteien, die United National Party (UNP) und die Janatha Vimukthi Peramuna (JVP), und sagte, diese beiden Parteien unterstützten den Krieg vollständig. Er fuhr fort: "Die Lanka Sama Samaja Party (LSSP), die stalinistische Kommunistische Partei, der Ceylon Workers Congress und die Upcountry Peoples Front sitzen alle in der Koalitionsregierung, die von Präsident Mahinda Rajapakses Sri Lanka Freedom Party (SLFP) angeführt wird." Diese Parteien bezeichnete er als Rajapakses "Partner im Krieg".

Die Ex-Radikalen von der Nama Sama Samaja Party (NSSP) und der United Socialist Party hätten sich, wie er weiter erklärte, mit der UNP zusammengeschlossen, die den Krieg befürwortet.

Thevarajah schilderte die brutalen Auswirkungen des Krieges. So würden täglich fast fünfzig tamilische Zivilisten, darunter auch viele Kinder, von der Armee getötet. Die Krankenhäuser würden bombardiert, und es fehle an Ärzten und Medikamenten, um die Verletzten zu behandeln.

Er fügte hinzu: "Während die Regierung Krieg gegen die tamilische Minderheit führt, verstärkt sie auch ihre politische Unterdrückung im Süden. Sie benutzt ihre militärischen Fortschritte, um die wirtschaftliche Last des Krieges der Arbeiterklasse und den Armen aufzubürden. ... Todesschwadronen durchstreifen in unzähligen Fahrzeugen das Land und entführen und töten politische Gegner, Journalisten und Geschäftsleute."

Thevarajah betonte, ein militärischer Sieg im Norden würde nicht nur die Unterdrückung der tamilischen Minderheit fortsetzen, sondern auch "den Weg für verschärfte Angriffe auf die Arbeiterklasse im ganzen Land bereiten".

Er ging auf die bankrotte politische Perspektive der LTTE ein und sagte, für diese Organisation sei jede Orientierung auf die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse eine Bedrohung ihrer Perspektive, denn sie strebe einen eigenen kapitalistischen Staat an, um der tamilischen Elite ihre Privilegien zu erhalten. Die LTTE mache keinen Unterschied zwischen dem reaktionären Establishment in Colombo und den einfachen singhalesischen Arbeitern. Ihre gewalttätigen Angriffe gegen singhalesische Zivilisten, sagte Thevarajah, dienten nur den Interessen der Regierung, denn sie verbreiteten unter der Arbeiterklasse politische Konfusion und schafften gleichzeitig den Vorwand für die militärische Unterdrückung der tamilischen Bevölkerung.

Er sagte, ein Blick auf die Geschichte zeige, dass der Krieg das Ergebnis des veralteten Nationalstaatensystems in Südasien sei. Seine Wurzeln könnten bis auf die formale Unabhängigkeit Indiens und Ceylons 1947 und 1948 und die blutige Abtrennung von Pakistan zurückverfolgt werden. Die Partei der Bolschewiki-Leninisten Indiens (BLPI) habe schon damals den bankrotten Deal zwischen dem britischen Imperialismus und der nationalen Bourgeoisie abgelehnt und für die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse in der ganzen Region gekämpft.

Er erklärte, 1950 hätten sich die BLPI und die LSSP zusammengeschlossen. Die LSSP habe am Anfang den singhalesischen Chauvinismus abgelehnt, aber dann habe sie immer stärker vor dem Nationalismus kapituliert, und 1964 sei sie in die Koalitionsregierung von Frau Bandaranaikes SLFP eingetreten.

"Die SEP von Sri Lanka, die sich auf sozialistische Prinzipien stützte, hat in ihrer ganzen Geschichte die Rechte der Tamilenbevölkerung immer verteidigt. 1968 wurde die Vorläuferorganisation der SEP, die Revolutionary Communist League (RCL), gegründet, um gegen den Verrat der LSSP zu kämpfen. Die RCL stand fest auf der Grundlage von Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution und vertrat in der Tamilenfrage eine revolutionäre Perspektive. Den tamilischen Kommunalismus lehnte sie ab."

Thevarajah schloß: "Der Kampf gegen Krieg darf nicht von den Kämpfen der Arbeiterklasse in Europa gegen Arbeitslosigkeit und soziale Kürzungen getrennt werden. Ich rufe jeden einzelnen dazu auf, seine Rolle beim Aufbau der neuen revolutionären Führung der internationalen Arbeiterklasse wahrzunehmen."

Danach sprach der IKVI-Sekretär Peter Schwarz. Er wies darauf hin, dass diese Versammlung inmitten der tiefsten Krise des kapitalistischen Weltsystems seit den 1930er Jahren stattfinde, und dass das gesamte Weltfinanzsystem sich im freien Fall befinde. Wie er erklärte, wird in diesem Jahr die globale Wirtschaft zum ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg schrumpfen.

Schwarz betonte: "Die heutige Krise ist keine zyklische Krise; es ist keine Rezession, die nach einem oder zwei Jahren einem neuen ökonomischen Aufschwung weicht. Sie hat ihr Zentrum im Herzen des Weltimperialismus, den USA. Sie ist das Ergebnis eines anhaltenden wirtschaftlichen Niedergangs des amerikanischen Kapitalismus in den letzten vierzig Jahren."

Er erklärte, der US-Imperialismus nutze seine militärische Überlegenheit aus, um diesen Niedergang zu kompensieren. Er warnte: "Die amerikanische herrschende Klasse ist - wie auch ihre Pendants in Europa, Asien und auf der ganzen Welt - nicht bereit, die Reichtümer und Privilegien aufzugeben, die sie in den letzten zehn Jahren durch rücksichtslose Spekulation angehäuft haben. Deshalb der Griff zu noch schärferem Klassenkampf und Militarismus."

Die heutige Krise, sagte er, habe "revolutionäre Implikationen" und werde "heftige Klassenkämpfe in den USA, Europa, Asien und auf der ganzen Welt" hervor bringen.

Schwarz sagte, die Krise führe zu einer Veränderung der weltweiten politischen Beziehungen. "Die USA haben unter anderem den Indischen Ozean im Focus ihrer strategischen Interessen", sagte er. Die Obama-Regierung betrachte mit Sorge die wachsende Seemacht Indiens und Chinas in dieser Weltregion, denn sie sei wegen ihrer Handelsrouten und der angrenzenden energiereichen Länder im Nahen Osten und in Zentralasien von großer strategischer Bedeutung. Vor zwei Wochen, sagte er, habe die Sunday Times von Sri Lanka Pläne der USA enthüllt, in das Kriegsgebiet im Norden der Insel militärisch einzugreifen. Als Vorwand solle die Evakuierung der Zivilisten dienen, die zwischen der Armee und der LTTE in der Falle sitzen.

Wie Schwarz erklärte, sind zwei miteinander verbundene Prozesse im Gange. Erstens droht die Verschärfung der globalen Widersprüche des Weltkapitalismus die internationale Arbeiterklasse in Armut, massenhafte Repression und eine Kette immer tödlicherer, bewaffneter Konflikte zu stoßen. Die Arbeiterklasse reagiert darauf mit der Entfaltung von gesellschaftlicher und politischer Militanz und neuen Formen eines revolutionären Bewusstseins. "Die entscheidende Frage lautet", sagte er, "welche der beiden Prozesse schließlich die Oberhand behalten wird".

Schwarz erinnerte seine Zuhörer an den Appell aus dem Kommunistischen Manifest, geschrieben vor über 160 Jahren: "Arbeiter aller Länder, vereinigt euch!". Der Verrat dieses Prinzips durch die zweite Internationale hatte zum imperialistischen Gemetzel des ersten Weltkriegs geführt. "Die damaligen Revolutionäre - Lenin, Trotzki, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und andere - verteidigten die Perspektive des proletarischen Internationalismus. Sie riefen zur Einheit der internationalen Arbeiterklasse und zur Umwandlung des Kriegs in einen Bürgerkrieg auf. Das Ergebnis war die erste erfolgreiche proletarische Revolution der Geschichte, die russische Oktoberrevolution von 1917, die von Lenin und Trotzki angeführt wurde."

Trotzki und die Linke Opposition bekämpften die Degeneration der Sowjetunion und Stalins katastrophale Politik des Sozialismus in einem Land. Sie gründeten die Vierte Internationale. Schwarz erklärte der Versammlung, nach dem zweite Weltkrieg sei die Perspektive des proletarischen Internationalismus nicht nur von außerhalb, sondern auch von innerhalb der Vierten Internationale unter Beschuss geraten. Eine revisionistische Tendenz unter Führung von Michel Pablo und Ernest Mandel habe vor Stalinismus, Reformismus und bürgerlichem Nationalismus kapituliert.

"1953 wurde das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) gegründet, und es wies diese Revision des Marxismus zurück. Es bestand darauf, dass die Stabilisierung des Kapitalismus eine vorübergehende Erscheinung sei und in keiner Weise die grundlegenden Widersprüche des kapitalistischen Systems gelöst habe", sagte Schwarz.

"1964 gab die LSSP ihre prinzipielle Feindschaft gegen Kommunalismus und singhalesischen Chauvinismus auf und trat mit der SLFP zusammen in eine bürgerliche Koalitionsregierung ein. Dieser Verrat wurde vom pablistischen Vereinigten Sekretariat abgedeckt. Indem die LSSP mit der SLFP in eine Regierung eintrat und den Buddhismus zur Staatsreligion machte, entwaffnete sie die Arbeiterklasse politisch und bereitete den Boden für einen Krieg, der nun schon drei Jahrzehnte dauert und das Leben von Zehntausenden Menschen und die Infrastruktur des Landes zerstört hat."

"Es gibt keinen nationalen Weg aus der Krise", betonte Schwarz, "und es gibt keine Lösung im Rahmen des Kapitalismus. Entweder wird die Bourgeoisie, wie 1914 und 1939, die Menschheit in Barbarei und Krieg zurück stoßen, oder die Arbeiterklasse wird sich international zusammenschließen, das kapitalistische System überwinden und eine sozialistische Gesellschaft aufbauen. Eine weitere Alternative gibt es nicht."

Schwarz wies die nationalistische und rückständige Perspektive der LTTE zurück und fügte hinzu: "Jede Vorstellung, ein Land - noch dazu eine Insel, oder eine halbe Insel - könne sich von der Weltwirtschaft abkoppeln und eine Lösung innerhalb ihrer eigenen Grenzen finden, ist absurd und reaktionär. Sie würde bedeuten, die Uhr in die vorkapitalistische Zeit, ins Mittelalter, zurück zu drehen. Sie würde eine massive Zerstörung von Produktionskräften und menschlichen Leben mit sich bringen.

Weit von einer Unabhängigkeit vom Imperialismus entfernt, würde die tamilische Bourgeoisie, selbst wenn es ihr gelänge, ihren Traum von einem kapitalistischen Staat zu verwirklichen, nichts anderes als ein Billiglohnreservoir für die multinationalen Konzerne schaffen, das der Arbeiterklasse nur brutale Ausbeutung und Armut bringen würde."

Wie Schwarz betonte, ist das Schicksal der Arbeiterklasse in den fortgeschrittenen und den rückständigen kapitalistischen Ländern untrennbar miteinander verflochten, ganz gleich, ob es sich um amerikanische, europäische, chinesische oder srilankische Arbeiter handelt.

Zum Schluss bekräftigte er: "Das IKVI ist die einzige Organisation mit unbefleckter Fahne auf diesem Planeten. Es hat den proletarischen Internationalismus unter den widrigsten und schwierigsten Bedingungen unermüdlich verteidigt." Er forderte die Anwesenden auf, dem IKVI beizutreten, und sagte: "Das wird der Schlüssel sein, um die Jahrzehnte von Krieg und Leiden in Sri Lanka zu überwinden und zu beenden. Es wird das Instrument sein, um den Sozialismus weltweit zu verwirklichen."

Die Ausführungen der beiden Redner wurden gut aufgenommen, und zum Schluss ergab eine Spendensammlung mehrere hundert Euro für die Wahlkampagne der Socialist Equality Party in Sri Lanka.

Siehe auch:
Wir sind stolz auf den Wahlkampf der SEP in Sri Lanka
(20. Februar 2009)
Protestiert gegen die Drohungen und Gewalt der LTTE gegen SEP-Anhänger in Europa
( 10. März 2009)
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