Die Linke bereitet Auffangbecken für kommende soziale Proteste vor

Sahra Wagenknecht - linke Begleitmusik zu rechter Politik

Am vergangenen Freitag lud die Bielefelder Ratsgruppe der Linken zu einer Diskussionsveranstaltung mit Sahra Wagenknecht unter dem Titel "Die große Ausplünderung" ins Rathaus ein. Wagenknecht trat 1989, kurz vor dem Untergang der DDR, in die SED ein und sitzt seit fünf Jahren für die PDS, jetzt Die Linke, im Europaparlament. Sie ist Mitglied im Parteivorstand der Linkspartei.

Als Galionsfigur der so genannten "Kommunistischen Plattform", einem Zusammenschluss alter und neuer Stalinisten innerhalb der Linken, spielt sie eine Schlüsselrolle, um die pro-kapitalistische Politik der Linkspartei mit linken Phrasen abzudecken.

Ihr Auftritt in Bielefeld machte deutlich, dass sich ihre Linie allenfalls in Nuancen und in der Wortwahl von der Linie der Linken-Führung unterscheidet. Nach kurzen einleitenden Worten der Vorsitzenden der Linken-Ratsgruppe, Barbara Schmidt, die die Auswirkungen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise auf Bielefeld aufzählte, ergriff Wagenknecht das Wort.

In hohem Tempo skizzierte sie die Entwicklung der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise, prangerte die soziale Umverteilung durch die Regierenden und Neoliberalen - in Deutschland - an und sagte, dass die Gewinner des vergangenen Aufschwungs, die Unternehmen und Reichen, auch jetzt in der Krise die Gewinner seien. Die Verlierer des Aufschwungs seien dementsprechend die gleichen wie die Verlierer der Krise, nämlich die Beschäftigten, Rentner und vor allem Arbeitslosen, deren Lebensverhältnisse sich verschlechtert hätten.

Sie prangerte das 500-Miliarden-Euro-Rettungspaket für die Banken an: "Früher erzählte man uns immer, es sei kein Geld für Soziales übrig." Der PDS oder Linken hätten die Regierenden immer vorgeworfen, sie würde Dinge fordern, die nicht bezahlbar seien. "Dabei haben wir uns niemals getraut, ein 500-Milliarden-Paket für Bildung und Soziales zu fordern." Dass der Vorsitzende ihrer Partei, Oskar Lafontaine, das Bankenrettungsprogramm ausdrücklich unterstützte, und die Parlamentsfraktion der Linkspartei einem Eilverfahren im Bundestag zustimmte, erwähnte Wagenknecht nicht.

Stattdessen forderte sie, die Profiteure der Gesellschaft sollten in der jetzigen Krise ihren Beitrag leisten. Dazu schlug sie einzelne Maßnahmen vor, zum Beispiel die Erhebung einer Millionärssteuer und einer Steuer auf Börsengeschäfte, wie sie derzeit auch die SPD fordert, sowie die Erhöhung der Unternehmens- und Erbschaftssteuer. Pleitebanken müssten "in öffentliche Hand überführt werden". Es blieb alles im Rahmen eines sozialreformistischen Konzepts.

"Das Bankensystem muss auf das ursprüngliche Geschäft der Kreditvergabe zurückgeführt werden", erklärte sie noch. "Investmentbanking, Handel mit Derivaten und Schrottpapieren muss verboten werden." Denn das Investmentbanking habe "keinen wirtschaftlichen Sinn und Nutzen".

Obwohl Wagenknecht behauptete, die Linke sei antikapitalistisch und strebe eine andere Wirtschaftsordnung an, sagte sie nicht, welche Wirtschaftsordnung gemeint sei. Sie versteckte ihre Haltung hinter der vieldeutigen Formulierung: "Wir müssen prinzipiell nachdenken über Alternativen zum Kapitalismus." Die Worte "Sozialismus" oder "sozialistisch" nahm Wagenknecht nicht in den Mund, und das nicht ohne Grund. Als Alternative schwebt ihr die Humanisierung des Kapitalismus vor - Profitwirtschaft mit menschlichem Antlitz.

Dies unterscheidet sich nicht von der Linie Lafontaines mit seinen sozialreformerischen, keynesianischen Vorstellungen. Wagenknechts Auffassungen ähneln auch stark denen der "Neuen Antikapitalistischen Partei" (NPA) der Ligue Communiste Revolutionaire (LCR) unter Olivier Besancenot in Frankreich. Man nennt sich "antikapitalistisch", aber was dies eigentlich bedeutet, bleibt schwammig, so dass alle möglichen Strömungen Platz in der Partei haben, nur keine wirklich sozialistischen, also konsequent antikapitalistischen.

Noch in einer anderen Frage wurde die Ablehnung einer sozialistischen Perspektive sehr deutlich. Wagenknecht sprach über den Zusammenhang von parlamentarischem und außerparlamentarischem Kampf. Wahlen seien wichtig, aber: "Noch wichtiger ist, was außerhalb des Parlaments passiert. Wir müssen den Widerstand auf die Straße bringen." Der Erfolg im Parlament sei davon abhängig, dass es draußen Druck und Widerstand gäbe. Daher müssten Demonstrationen organisiert werden, um Druck auf das Parlament auszuüben.

Mit anderen Worten: Sie beschränkt jede Art von Mobilisierung darauf, im Rahmen der bestehenden Verhältnisse Druck auf die Organe bürgerlicher Macht auszuüben. Doch der Wesenskern einer sozialistischen Perspektive besteht gerade darin, die Arbeiterklasse als unabhängige politische Kraft zu mobilisieren. Marxisten haben immer betont, dass die Zukunft der Gesellschaft nicht durch linke Mehrheiten in Parlamenten, sondern im lebendigen Kampf gesellschaftlicher Klassen entschieden wird. Dabei ist der bewusste politische Bruch der Arbeiterklasse mit allen sozialreformistischen Parteien und Gewerkschaften von entscheidender Bedeutung.

In dieser Frage wird die stalinistische Tradition der "Kommunistischen Plattform" deutlich, deren Sprecherin Sahra Wagenknecht ist. Die Rolle der SED, deren Mitglied sie vor zwanzig Jahren wurde, bestand als Staatspartei der DDR darin, jede selbstständige Regung der Arbeiterklasse und jede wirklich sozialistische Entwicklung zu verhindern.

Berliner Lehren

Der Autor dieser Zeilen meldete sich in der Diskussion zu Wort und stellte den politischen Absichtserklärungen von Wagenknecht die politische Realität der Linkspartei in Berlin gegenüber.

"Dort sitzen Linke und SPD seit fast acht Jahren in der Landesregierung und praktizieren genau die Politik, gegen die sie hier polemisieren. Die erste Amtshandlung der PDS bestand 2001 darin, dem so genannten,Risikoabschirmungsgesetz’ zuzustimmen. Mit diesem Gesetz wurde die Berliner Bankgesellschaft durch eine Landesbürgschaft in Höhe von 21,6 Milliarden Euro gerettet.

Noch in der Koalitionsvereinbarung unterschrieb die PDS die Streichung von 15.000 Stellen im öffentlichen Dienst. Das Land Berlin ist im Januar 2003 aus dem kommunalen Arbeitgeberverband ausgetreten, um Lohn- und Gehaltskürzungen von bis zu 12 Prozent, bei gleichzeitiger Verlängerung der Arbeitszeiten, durchzusetzen. Während sie hier gegen die Kürzungen von Arbeitslosengeld auftreten, sind in Berlin 35.000 1-Euro-Jobs geschaffen worden. Folgendes sind nur stichpunktartig die Sozial- und Bildungskürzungen des rot-roten Senats in Berlin: die Schließung von Stadtteilbibliotheken, Sport- und Freizeitanlagen, die Erhöhung der Hort- und Kita-Gebühren, die Kürzung der Hilfen zur Erziehung, die Abschaffung der Lehrmittelfreiheit, usw."

Man hätte noch hinzufügen können, dass in Berlin die Berliner Wasserbetriebe privatisiert worden sind, oder dass in Dresden mit den Stimmen der Linken die städtische Wohnungsbaugesellschaft an den Investor Fortress verkauft wurde, der in Bielefeld die Wohnungsbaugesellschaft Gagfah besitzt.

Im Vertrauen darauf, dass ihre Antwort von den meisten der übrigen Anwesenden nicht in Frage gestellt werde, erklärte Wagenknecht: "Ich will gar nicht sagen, was alles in Berlin in den letzten Jahren gut gemacht worden ist, wie die Abschaffung der berittenen Polizei oder so. Denn in der Quintessenz muss man sagen: In Berlin ist neoliberale Politik gemacht worden, und das darf eine Linke nicht machen." Dann verstieg sie sich zur Behauptung, das habe aber auch nicht die Linke gemacht, "sondern das war die PDS, aus der ich zwar komme", aber sie habe schon immer "Probleme" mit der Politik in Berlin gehabt.

Kein Wort darüber, dass Berlin kein Einzelfall ist, sondern die Linkspartei überall, wo sie Regierungsverantwortung ausübt, genau die unsozialen und undemokratischen Maßnahmen durchsetzt, die sie in ihren Wahlprogrammen kritisiert. Stattdessen Beschwichtigungen: "Wir haben jetzt Mindestbedingungen für linke Regierungsbeteiligungen formuliert", sagte sie.

Der Abend mit Sahra Wagenknecht verdeutlichte den wirklichen Zweck der Linken. Er besteht darin, die Linksentwicklung der Massen zu blockieren und neue Illusionen in Reformen des Kapitalismus zu schüren. Das Ziel der Linken ist nicht der Aufbau einer sozialistischen, sondern die Reparatur der kapitalistischen Gesellschaft. Sie versteht sich als Auffangbecken für enttäuschte Sozialdemokraten, Stalinisten, Gewerkschafter, Kleinbürger und ehemalige Radikale - gegen die Bestrebungen der arbeitenden Bevölkerung. Sahra Wagenknecht spielt dabei die "linke" Begleitmusik zu dieser rechten Politik und Perspektive.

Siehe auch:
Das Milliardengeschenk an die Banken und die Rolle der Linkspartei
(14. Oktober 2008)
Frankreich: Was stellt die Neue Antikapitalistische Partei der LCR dar?
( 17. Februar 2009)
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