Wachsende Opposition gegen den Krieg in Afghanistan

Mehrere Umfragen belegen, dass die Bevölkerung von ganz Europa den Krieg der USA und der Nato in Afghanistan immer stärker ablehnt.

Eine neue Umfrage kommt zum Schluss, dass 85 Prozent der deutschen Bevölkerung mit der Präsenz der Bundeswehr in Afghanistan nicht einverstanden sind. Die jüngste Umfrage in Frankreich ergibt 55 Prozent gegen den Krieg und für den sofortigen Abzug der französischen Soldaten.

In Großbritannien fand das Institut ComRes heraus, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung (52 Prozent) für einen sofortigen Abzug ist, und 64 Prozent einen Abzug "so schnell wie möglich" befürworten.

Der frühere britische Außenstaatssekretär Kim Howells warnte kürzlich, die Stimmung wende sich definitiv gegen den Krieg. "Ich glaube die Öffentlichkeit schluckt das nicht mehr", sagte er der BBC.

Ähnlich äußerte sich US-Verteidigungsminister Robert Gates vergangenen Monat in einem Interview: "Nach der Irak-Erfahrung ist niemand mehr bereit, eine lange Hängepartie zu akzeptieren, bei der kein Fortschritt zu erkennen ist. Die Truppen sind ausgelaugt, und die amerikanische Bevölkerung ist erst recht ausgelaugt."

Die weit verbreitete Antikriegsstimmung schlägt sich weder in der Politik der Regierungen, noch auch der Oppositionsparteien des bürgerlichen Establishments nieder.

Die amerikanische und die europäischen Regierungen machen klar, dass ihre militärische Intervention in diesem vom Krieg verwüsteten Land zeitlich nicht begrenzt ist. Wenn die offiziellen politischen Kreise oder die Medien sie kritisieren, dann nur deshalb, weil sie den Krieg angeblich nicht rücksichtslos genug führen.

Nur wenige Tage nach seiner offiziellen Amtseinführung als neuer Nato-Generalsekretär besuchte Anders Fogh Rasmussen, ehemaliger dänischer Ministerpräsident, überraschend Afghanistan. Dabei trat Rasmussen gemeinsam mit dem verachteten afghanischen Präsidenten Hamit Karzai vor die Presse und erklärte: "Wir werden bleiben und Sie solange unterstützen, wie es notwendig ist." Im vergangenen Monat hatte Verteidigungsminister Gates gesagt, der Sieg in Afghanistan sei "nur langfristig realisierbar".

Die offizielle Politik ist völlig unsensibel, was den Willen der Bevölkerung angeht. Darin zeigt sich, wie weit der Zerfall der bürgerlichen Demokratie schon fortgeschritten ist. Die breite Masse der Wähler ist praktisch rechtlos.

Der Krieg in Afghanistan dauert jetzt schon zwei Jahre länger als der amerikanische Krieg gegen den Irak. Er zeigt sich immer offener als schäbiger und brutaler Versuch der Großmächte, ein Land zu unterwerfen, dass im Öl reichen Zentralasien eine strategische Lage einnimmt.

Der Krieg in Afghanistan hatte nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 begonnen und wurde zuerst als Schlag gegen Osama bin Laden und al-Qaida dargestellt, die für die Angriffe auf New York und Washington verantwortlich gemacht wurden. Das Taliban-Regime sollte gestürzt werden, weil es ein Ultimatum der USA zurückgewiesen hatte, bin Laden und seine wichtigsten Unterführer auszuliefern.

Tatsächlich lagen die fertigen Pläne für die Invasion schon längst in den Schubladen. Das Ziel dieser Pläne war die Herstellung amerikanischer Vorherrschaft in Afghanistan. Der 11. September war nur ein willkommener Vorwand. Der Krieg ist der Höhepunkt amerikanischer Ränke, die dreißig Jahre zurückreichen und mit der Finanzierung der anti-sowjetischen Mudschaheddin durch die CIA begannen. Bin Laden gehörte damals noch zu den "Guten".

Washington und seine Nato-Verbündeten haben schon längst aufgehört, den Krieg als Jagd auf bin Laden darzustellen. Er wird, genau wie al-Qaida, kaum noch erwähnt. Stattdessen sind "die Taliban" jetzt der Feind für alle Zwecke. Der Name gilt als Sammelbezeichnung für alle und jeden in Afghanistan, die sich gegen die ausländische Intervention wehren.

Zudem hat die Obama-Regierung auch noch die Behauptung der Bush-Ära stillschweigend fallen gelassen, der Krieg sei ein Kreuzzug für Demokratie in Afghanistan. Nur eine Woche nach Obamas Amtseinführung erklärte Gates im Senat zynisch, dass die USA nicht versuchten, in dem besetzten Land "ein zentralasiatisches Walhalla" zu errichten.

Das Marionettenregime in Kabul wird von einem Präsidenten geführt, dessen Name zu einem Synonym für Vetternwirtschaft und Korruption geworden ist.

Ein weiteres Argument, das "linke" Befürworter des Kriegs, wie die deutschen Grünen, ins Spiel brachten, war die Befreiung der afghanischen Frauen von der Tyrannei der Taliban. Tatsache ist aber, dass sich die Lage der afghanischen Frauen unter der Besatzung verschlechtert hat.

In einer Erklärung vom Mai schrieb die afghanische Frauenorganisation RAWA: "Die so genannte ‘neue’ Strategie der Obama-Regierung hat nur mehr Tote und noch schlimmere Unterdrückung gebracht. Sie hat sich als noch kriegslüsterner erwiesen als unter Bush."

Nachdem die juristischen und ideologischen Vorwände für den Krieg wegfallen, bleibt der Obama-Regierung nur der Rückgriff auf reine Angstmacherei. Würde Afghanistan und Pakistan nicht von Terroristen gesäubert, dann würden diese Regionen wieder zu Ausgangsbasen für neue Anschläge auf amerikanischen Boden werden. In Wirklichkeit sind es in erster Linie die Verbrechen der Vereinigten Staaten und der Nato gegen die Völker Afghanistans und Pakistans, die terroristische Vergeltungsschläge auf Amerikaner und Europäer wahrscheinlicher machen.

Übrig bleibt die schmutzige Realität eines Quasi-Kolonialkriegs zur Unterdrückung des Volkswiderstands gegen imperialistische Vorherrschaft, Armut und Tyrannei.

Das politische Establishment lässt sich von der Opposition der Bevölkerung gegen den Krieg nicht beeindrucken. Dabei wird es von den kleinbürgerlichen "linken" Gruppen und Publikationen unterstützt, die die Antikriegsproteste gegen Bush organisiert hatten, ihre Antikriegsaktivitäten unter Obama aber eingestellt haben.

Obama hat zwar noch 140.000 Soldaten im Irak stehen, und er beabsichtigt, Zehntausende dauerhaft dort zu belassen. Auch verstärkt er noch die militärische Gewalt in Afghanistan und Pakistan - und das gegen die Opposition breiter Bevölkerungsschichten in den USA und Europa. Dennoch findet die Antikriegsstimmung so gut wie keinen organisierten Ausdruck. Die sozialen Schichten, die bisher die kleinbürgerliche Protestpolitik angeführt haben, nutzen die Wahl Obamas, um endgültig ins Lager des US-Imperialismus überzugehen. Sie unterstützen Obamas Aggressionskrieg stillschweigend, und in einigen Fällen sogar offen.

Wer gegen imperialistischen Krieg kämpfen und ihn beenden will, muss wichtige politische Lehren ziehen. Im Februar 2003 gingen Millionen in aller Welt auf die Straße, um gegen die bevorstehende Invasion im Irak zu protestieren. Es war der größte, internationale Antikriegsprotest der Geschichte.

Diese Massenopposition wurde von den Protestführern aber in das Fahrwasser verschiedener bürgerlicher Parteien gelenkt, die behaupteten gegen den Krieg zu sein, oder die "Antikriegsfraktionen" unterhielten. In den USA wurde die Massenopposition gegen den Krieg benutzt, um Demokratische Kandidaten in den Kongress und ins Weiße Haus zu wählen.

In Europa versuchten pazifistische Organisationen, linke Gruppen, Attac und die PDS (die Vorläuferin der Linkspartei), Illusionen in sozialdemokratische Parteien und die Grünen zu schüren, die in Deutschland und anderen europäischen Ländern Zweifel am Krieg gegen den Irak angemeldet hatten.

Die Antikriegsbewegung scheiterte, weil sie kapitalistischen Parteien und Politikern untergeordnet wurde. Ihre damaligen Führer sind mittlerweile im Großen und Ganzen ins imperialistische Lager umgeschwenkt.

Welche Schlussfolgerungen müssen gezogen werden? Erstens: Die Flucht der kleinbürgerlichen opportunistischen Gruppen bedeutet, dass die Arbeiterklasse immer direkter und offener als führende gesellschaftliche Kraft gegen imperialistischen Krieg hervortreten wird. Zweitens: Der Kampf gegen Krieg kann nur auf der Grundlage der unabhängigen politischen Mobilisierung der Arbeiterklasse geführt werden. Sie muss sich gegen alle Fraktionen der herrschenden Elite und das kapitalistische System selbst wenden, das die eigentliche Ursache für Krieg ist. Wir erleben zurzeit die tiefste kapitalistische Krise seit der Großen Depression. Der Zusammenhang zwischen dem Kampf gegen Krieg und dem Kampf gegen Kapitalismus wird immer deutlicher zutage treten, je mehr die Arbeiterklasse den Kampf gegen die Folgen dieser Wirtschaftskrise aufnimmt.

Siehe auch:
Ein kolonialer Eroberungskrieg in Afghanistan
(11. Juli 2009)
Obamas Krieg
( 18. Juli 2009)
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