Die Bedeutung des Aufrufs der Socialist Workers Party für eine neue "linke Alternative"

Dieser Artikel ist eine Antwort auf einen Offenen Brief der britischen Socialist Workers Party (SWP).

Die britische Socialist Workers Party hat unter dem Titel "Die Linke muss sich vereinigen, um eine Alternative zu schaffen", einen Offenen Brief veröffentlicht. Er erschien am 9. Juni - zwei Tage nach den Europawahlen und den Kommunalwahlen in England.

Die Wahlen unterstrichen in der Tat nochmals die Notwendigkeit der Schaffung einer alternativen politischen Führung der Arbeiterklasse. Die Stimmen für die Labour Party brachen bei der Europawahl auf ein Allzeittief ein und die Partei rangierte nur noch hinter den Konservativen und der rechtsgerichteten, nationalistischen United Kingdom Independence Party. Erstmalig konnte die rechtsradikale British National Party (BNP) zwei Kandidaten in das Europaparlament bringen, nachdem sie mehr als sechs Prozent der abgegebenen Stimmen erreicht hatte.

Die notwendige Antwort darauf besteht in der Schaffung einer neuen sozialistischen und internationalistischen, von den Bürokratien der Gewerkschaften und der Labour Party unabhängigen Partei, deren Grundlage das theoretische und programmatische Erbe der marxistischen Bewegung ist.

Diese Perspektive lehnt die SWP entschieden ab. Ihr Ziel ist es stattdessen, die Krise der Labour Party für ihre seit langem angestrebte Umgruppierung der linken Tendenzen Großbritanniens in eine neue, von der Gewerkschaftsbürokratie und enttäuschten Labour Parlamentariern beherrschten Wahlplattform zu nutzen. Sie hofft mit überspitzten Hinweisen auf die von der BNP ausgehende Gefahr, ihr Projekt fördern zu können, und Teile der Bürokratie von der Existenz eines politischen Vakuums zu überzeugen, das sonst von anderen Kräften gefüllt werden könnte. Dazu gehört auch, von ihren "linken" Konkurrenten zu fordern, alles zu tun, um für die umworbene Bürokratie akzeptabel zu erscheinen.

"Niemals zuvor haben Faschisten in England solch einen Erfolg erzielt" heißt es bei der SWP. "Die Geschichte lehrt uns, dass der Faschismus bekämpft und aufgehalten werden kann, allerdings nur, wenn wir uns ihm geschlossen entgegenstellen."

An wen sich die SWP mit ihrem Aufruf richtet wird daran erkennbar, wie sie sich in ihrem Offenen Brief die Antwort auf das Wahlresultat vorstellt. "Eine Antwort auf das Problem wäre es, alles zu schlucken und sogar mitzutragen was New Labour getan hat, um David Cameron [den Führer der Konservativen] und die BNP draußen zu halten."

Wer - abgesehen von der Bürokratie selbst - würde so argumentieren? Tatsächlich ist die wichtigste durch die Europawahlen ans Licht gebrachte Entwicklung der generelle Ansehensverlust der Sozialdemokratie. Dass rechtsgerichtete konservative und sogar faschistische Parteien einen gewissen Erfolg hatten, ist kein Beweis für einen Rechtsruck, sondern ein Hinweis darauf, dass Millionen Arbeiter ihren alten Parteien den Rücken gekehrt haben, weil sie jeden Glauben daran verloren haben, dass diese sich in irgendeiner Weise von den Parteien der Kapitalisten unterscheiden. Sie gingen daher überwiegend erst gar nicht wählen.

In Europa haben die Sozialdemokraten und sozialistischen Parteien im Durchschnitt nur 22 Prozent der Wählerstimmen bekommen und das bei einem Negativrekord von durchschnittlich nur 43 Prozent Wahlbeteiligung.

Die Wahlergebnisse in England drücken diesen Prozess am schärfsten aus. Schritt für Schritt machte sich Labour Thatchers Wirtschaftspolitik der Privatisierungen und Steuersenkungen für Reiche zu Eigen, führte die von der Bevölkerung abgelehnten Kriege in Afghanistan und im Irak und ging ununterbrochen gegen demokratische Rechte vor. Die Hoffnung, dass die Ablehnung von Premierminister Tony Blair durch Gordon Brown der Partei neues Leben einhauchen würde, hat sich verflüchtigt. Stattdessen bedrohen Fraktionskämpfe und Skandale um die Spesenabrechnung von Abgeordneten die Partei mit dem Zerfall.

Labour hat sich von seiner früheren Basis, der Arbeiterklasse, gelöst und ist nun damit konfrontiert, bei Wahlen an den Rand gedrängt zu werden. Die Partei gewann nur 16 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 34,5 Prozent. Dass nur fünf Prozent der Wahlberechtigten für Labour stimmten, liegt daran, dass die Partei nicht mehr als Alternative zu den Tories wahrgenommen wird. Labour hat in London ein Viertel der Stimmen verloren, ein Drittel im Nordwesten und ungefähr die Hälfte in Yorkshire und im Nordosten.

Aus diesem Grund warnt die SWP: "Es müsste ein Wunder geschehen, wenn Gordon Brown wieder in die Downing Street gewählt würde. Die Gefahr besteht darin, von New Labour mit in die Tiefe gezogen zu werden, wenn wir uns daran festklammern."

Der BNP gelang es nur deshalb ihre beiden Kandidaten unter dem Verhältniswahlrecht über die Hürden zu bringen, weil die Unterstützung für Labour enorm zurückging und es eine hohe Wahlenthaltung gab. In den Regionen Nordwest, Yorkshire und Humber hat Labour mit die höchsten Verluste erlitten und gab es die höchste Wahlenthaltung. Die Wahlbeteiligung sank hier gegenüber 2004 um zehn Prozent auf 31,9 bzw. 32,51 Prozent. Landesweit stieg der Stimmenanteil der BNP seit 2004 um nur 1,3 Prozent und die Zahl der für sie abgegebenen Stimmen von 808.200 auf 943.598.

Die SWP hofft seit vielen Jahren, dass der Rechtskurs der Labour-Regierung zu einer Abspaltung von der Labour Party und den Gewerkschaften führt, der sie sich dann als "linker" Ratgeber andienen könnte. Aber der Versuch mit dieser Perspektive eine neue Partei zu schaffen, hat mit einem krachenden Misserfolg geendet, weil bisher kein nennenswerter Teil der Bürokratie mit Labour gebrochen hat.

Das von der SWP unterstützte Respect-Bündnis wurde geschaffen, um dem früheren Labour Abgeordneten George Galloway gefällig zu sein. Galloway hatte keine eigene politische Basis, als er wegen seiner ablehnenden Haltung zum Irakkrieg im Oktober 2003 aus der Labour Party ausgeschlossen worden war. Die SWP akzeptierte Galloways Führungsrolle in dem Bündnis, passte sich seiner opportunistischen Orientierung auf muslimische Geschäftsleute, islamische Gruppen und Regimes im Nahen Osten an und versuchte auf diese Weise, ihr eigenes politisches Profil aufzuwerten. Das Projekt fiel nur dadurch in sich zusammen, weil es Galloway selbst auffiel, dass die Verbindung zu den "Trotzkisten" der SWP schlecht mit der antikommunistischen Haltung seiner politischen Hintermänner harmonierte, und er daher entschied, auf ihre Dienste zu verzichten.

Die SWP hofft darauf, die Krise der Labour Party werde ihr die bisher verschlossenen Türen zur Bürokratie öffnen, und sie versucht, den Erfolg der BNP zur Legitimierung dieses politischen Projekts auszunutzen. Im Endeffekt ist sie bereit dafür jeden politischen Kompromiss zu akzeptieren und wird nicht zulassen, dass das Beharren auf sozialistischen oder revolutionären Phrasen ihr Ansehen in den Augen der Bürokratie untergräbt.

Die NPA in Frankreich

Die SWP ist mit ihren "linken" Umgruppierungsbemühungen nicht allein. Durch das Scheitern von "Respect" steht sie allerdings schlechter da als die französische, zum pablistischen Vereinigten Sekretariat gehörende Ligue Communiste Revolutionnaire, die in diesem Jahr die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) gegründet hat.

Die Pablisten argumentierten, es sei notwendig eine rhetorische Distanz zu den Sozialdemokraten aufrecht zu erhalten und das linke Image der NPA zu betonen. Zu diesem Ergebnis kamen sie nicht nur durch das Scheitern von Respect und der Scottish Socialist Party, sondern auch wegen des politischen Schadens, den sie erlitten, weil sie "kritische" stalinistische und reformistische Tendenzen unterstützten und sich an Rifondazione Communista (PRC) in Italien beteiligten.

Im Rahmen der 2006 gebildeten Regierung Romano Prodis wurde der Vorsitzende von Rifondazione, Fausto Bertinotti, zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses gewählt. Die PRC blieb weiter in der Regierung, als diese Sparmaßnahmen durchsetzte und stimmte für die Fortführung des italienischen Militäreinsatzes in Afghanistan und die Entsendung von Soldaten in den Libanon.

Die italienischen in der PRC arbeitenden Pablisten waren direkt an diesem politischen Verrat beteiligt. Zu denen, die Prodi 2007 in einem Vertrauensvotum unterstützten, dessen zwölf Punkte auch die Zustimmung zur Militärintervention in Afghanistan und die "Reform" der italienischen Rentenversicherung beinhalteten, gehörte auch Senator Franco Turigliatto von der pablistischen Sinistra Critica (Kritische Linke).

Im theoretischen Journal der SWP, International Socialism, polemisierte Alex Callinicos am 31. März 2009 gegen die NPA. Unter dem Titel "Revolutionäre Wege: Eine Antwort an Panos Garganas und François Sabado" stellte er sich gegen die ablehnende Haltung der Pablisten hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten.

"Wir in der Socialist Workers Party (SWP) sind begeistert von der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA)" erklärte Callinicos und fuhr fort: "Manchmal gibt es Fälle, in denen der wichtigste Bruch von Kräften vollzogen wurde, die den Sozialliberalismus zurückweisen, aber nicht mit dem Reformismus selbst gebrochen haben. Beispiele sind DIE LINKE in Deutschland, Rifondazione Communista in Italien unter ihrer alten und neuen Führung, Synaspismos in Griechenland und einige Elemente des Linken Blocks in Portugal."

Die Entstehung der Partei DIE LINKE in Deutschland sei gerade deshalb von solch "historischer Bedeutung" weil die Sozialdemokratie in England und Deutschland so tief verankert sei. Erstmalig seit Jahrzehnten habe der Niedergang der Sozialdemokratie zu einer "ernstzunehmenden Abspaltung nach links" geführt. "Natürlich ist die Politik von DIE LINKE linker Reformismus: Was sonst könnte es aber bei dem Kräfteverhältnis in Deutschland sein?"

DIE LINKE wurde im Juni 2007 als Zusammenschluss aus den Ex-Stalinisten der PDS, Gewerkschaftsbürokraten und vom ehemaligen Finanzminister Oskar Lafontaine geführten Abtrünnigen der SPD im Westen gegründet. Die politischen Freunde der SWP sind Mitglied von DIE LINKE, weil sie das von Lafontaine diktierte reformistische Programm akzeptieren.

Callinicos sieht darin das maximal Erreichbare und geht so weit zu behaupten, dass die Entwicklung des Klassenkampfes keinerlei Möglichkeit biete, die Arbeiterklasse für eine revolutionäre Perspektive zu gewinnen. Stattdessen werde "das Hereinziehen neuer Schichten von Arbeitern in klassenbewusste Aktivitäten bewirken, dass sich die Grundlage für reformistische Politik erweitert."

Die Erfahrung der SWP sei, dass "uns der anhaltende Einfluss des Reformismus auf verschiedene Weise behindert." Respect sei letztlich daran gescheitert, dass es dem Bündnis nicht gelungen sei, "eine bedeutende Spaltung der Labour Party herbeizuführen." Eine radikale linke Partei ähnele einer "klassischen Einheitsfront, die heterogene Kräfte zusammenbringt." Dies sei teilweise eine Konsequenz des "relativ offenen Charakters der Programme solcher Parteien, die generell die Alternative Reform oder Revolution nicht ansprechen."

Die Lehren des Respect-Projekts bestehen für Callinicos darin, dass die linken Gruppen tun müssen, was die Labour und Gewerkschaftsbürokratie von ihnen erwartet. In einem späteren Artikel mit dem Titel "Labours Zusammenbruch, der Sieg der BNP — ein politischer Crash" warnt er im Juli 2009 seine "linken" Freunde: "Wenn wir unsere eigenen Stärken und Schwächen schonungslos ehrlich einschätzen, dann müssen wir zugeben, dass die radikale Linke in ziemlich schlechter Verfassung ist."

Wenn die BNP und andere weit rechts stehende Parteien vom Zusammenbruch Labours nicht profitieren sollen, dann "müssen wir unsere Kräfte bei Wahlen bündeln. Das bedeutet für die verschiedenen Fragmente der radikalen Linken, ihr kollektives Versagen einzugestehen ... so lange jeder für sich die Illusion hegt, allein den Durchbruch zu schaffen, scheitern wir alle."

Der politische Zynismus der SWP ist grenzenlos. Während sie ihre potentiellen Bündnispartner bei Wahlen mit dem Gespenst der extremen Rechten erschreckt, erkennt Callinicos im selben Beitrag an, dass es wichtig sei, "diese Gefahr nicht überzubewerten." "Die BNP war tatsächlich nur in zwei Wahlbezirken erfolgreich. Die Nazis hatten dort aufgrund der Wahlenthaltung der Labour-Wähler Erfolg" und "es gibt in der britischen Gesellschaft kaum Anzeichen für einen generellen Rechtsruck wie vor dreißig Jahren, als Thatcher die Regierung übernahm."

Mit anderen Worten fühlt sich die SWP zur Veröffentlichung ihres "Offenen Briefes" nicht aus echter Sorge vor der Gefahr des Faschismus veranlasst - ihre Polemik wäre weitgehend dieselbe, wenn die BNP gescheitert wäre. Ihre wirkliche politische Motivation ist die Ächtung jeder tatsächlich sozialistischen Opposition gegen Labour und die Gewerkschaftsbürokratie.

Callinicos bedauert sogar die "chronische historische Schwäche der Labour-"Linken" in England und behauptet dann, dass darin eigentlich kein Problem bestünde, wenn "ihre Ideen nicht noch bei Millionen Menschen Unterstützung fänden (wie sich an der enormen Popularität des über achtzigjährigen Tony Benn zeigt)."

Es sollte an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass Benn, der heutzutage kaum als bedeutende politische Figur anzusehen ist, wiederholt erklärte, dass er so sterben werde, wie er gelebt habe, als treues Mitglied der Labour Party.

Auch heute hat die Socialist Workers Party wenig Argumente in der Hand, die ihre Behauptung stützen könnten, dass die Zukunft im Bruch eines Teils der Bürokratie mit der Labour Party läge. In den letzten zwölf Jahren ermöglichten gerade die Gewerkschaften der Labour-Regierung, ihre Politik des freien Marktes umzusetzen, indem sie jeden Widerstand der Arbeiterklasse isolierten.

Die Gewerkschaft Rail Maritime and Transport Union (RMT) stellte auf der Liste des Bündnisses No2EU Kandidaten gegen Labour für die Europawahl auf. Zu diesem Bündnis gehörten auch die Kommunistische Partei Großbritanniens und die Socialist Party. Dieses Bündnis, das die RMT bei Unterhauswahlen allerdings nicht wieder auflegen will, war so rechtslastig und nationalistisch, dass die SWP zögerte, es zu unterstützen. Sollte bei den Parlamentswahlen im nächsten Jahr die Ablösung der Labour Regierung durch die Tories drohen, und sollte es in dem Zusammenhang tatsächlich zu einer Abspaltung von der Labour Party kommen, dann würde sie auf einer ähnlichen Perspektive erfolgen, wie sie die No2EU vertreten hat.

Das einzige, was die SWP derzeit vorweisen kann, ist ein Zitat von Mark Serwotka, dem Generalsekretär der Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes (PCS). Er schlägt vor, dass "Gewerkschaften Kandidaten aufstellen sollten". Die SWP schlägt "einen einfachen Schritt" vor, nämlich die Einberufung einer Konferenz all jener, die "zur nächsten Wahl Kandidaten aufstellen wollen, die Arbeiterinteressen vertreten". Auf solch einer schwammigen Grundlage würde nicht nur der Unterschied zwischen Reform und Revolution "nicht angesprochen", sondern die SWP und andere würden auch gerade jenen Kräften einen neuen Namen verschaffen, die die Arbeiterklasse verraten haben.

Die Einheitsfront

Callinicos und die SWP beschreiben das von ihnen angestrebte Wahlbündnis, das von den Gewerkschaften dominiert würde, üblicherweise als "Einheitsfront besonderer Art". Hierbei handelt es sich um den leicht durchschaubaren Versuch, ihr Manöver mit Formulierungen von Leo Trotzki zu tarnen. Dieser hatte sie in den 1930er Jahren benutzt, als der Faschismus in Deutschland eine unmittelbare und tödliche Gefahr darstellte und die Arbeiterklasse dagegen mobilisiert werden musste.

Trotzki forderte im Unterschied zur Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) eine Taktik der Einheitsfront. Die KPD, die der stalinistischen Führung der Kommunistischen Internationale untergeordnet war, lehnte das gemeinsame Handeln mit den Sozialdemokraten ab, die sie als "Sozialfaschisten" angeprangerte.

Trotzki kämpfte für eine Einheitsfront der KPD mit der SPD, um gemeinsam gegen die Nazis vorzugehen und die Arbeiterorganisationen zu verteidigen. Auf diese Weise hätte die KPD die Führung bei der Vereinigung der Arbeiterklasse übernehmen können und entweder aufgedeckt, dass die Führung der SPD die gemeinsame Verteidigung gegen den Klassenfeind ablehnt, oder die Überlegenheit der Führung der revolutionären Partei in solchen Massenkämpfen der Arbeiterklasse bewiesen.

Trotzki betonte jedoch, dass es absolut unzulässig sei, die Revolutionäre einer Einheitsfront unter der Führung der reformistischen Bürokratie unterzuordnen oder programmatische Differenzen zu vertuschen. Jedes Wahlbündnis, jede politische Vereinigung mit den Reformisten, oder gar die Bildung einer gemeinsamen Partei, die, um Callinicos zu zitieren, "die Alternative, Reform oder Revolution, nicht anspricht" ist das genaue Gegenteil einer Einheitsfront.

Der welthistorische Verrat der stalinistischen Führung ermöglichte es Hitler, an die Macht zu kommen. Die Weigerung der Dritten Internationale, diesen Verrat zu analysieren, veranlasste Trotzki, zum Aufbau der Vierten Internationale aufzurufen. Die Stalinisten gingen von der ultralinken Politik, die in die Katastrophe geführt hatte, zur rechtsopportunistischen Volksfrontpolitik über. Ihre Grundlage war die Behauptung, die Arbeiterklasse müsse sich im Kampf gegen die größere Gefahr des Faschismus mit den bürgerlich-demokratischen Parteien und Regierungen verbünden und sich ihrer Führung unterordnen.

Tatsächlich war diese Politik jedoch konterrevolutionär. Sie bedeutete den Verzicht auf jede revolutionäre oder sozialistische Forderung und den Verzicht auf die Arbeitermacht. Die "Volksfront" führte in Spanien, Frankreich und im restlichen Europa zu einer Katastrophe nach der anderen - und bereitete dem Zweiten Weltkrieg den Weg.

Die SWP-Politik eines Wahlbündnisses oder gar einer gemeinsamen Partei mit der Bürokratie steht in der Tradition dieser stalinistischen Politik und nicht in der Trotzkis.

Es ist nicht das erste Mal, dass die SWP die Frage des Faschismus als Mechanismus benutzt, um jeden Kampf gegen Labour und die Gewerkschaftsbürokratie zu unterbinden. Im Jahr 1977 gründete sie mit Unterstützung einiger Gewerkschaften und dem Wohlwollen des vormaligen Führers der Jungen Liberalen, Peter Hain, die Anti-Nazi League (ANL). Hain ist heute unter Premier Gordon Brown Minister für Wales und war damals in der Postgewerkschaft Leiter der Öffentlichkeitsarbeit. Auch der stellvertretende Generalsekretär der Metallarbeitergewerkschaft AUEW, Ernest Roberts, und Neil Kinnock, der spätere Vorsitzende der Labour Party, unterstützten die Gründung der Anti-Nazi League.

Die ANL versuchte, die Bestrebungen überwiegend junger Menschen auf den vermeintlich "gemeinsamen Kampf" gegen die National Front, den Vorläufer der heutigen British National Party (BNP) zu richten. Dies geschah zu einer Zeit, als die Arbeiterklasse in direktem Konflikt mit der Labour Regierung unter James Callaghan stand. Callaghan versuchte, die vom Internationalen Währungsfonds diktierten Kürzungsmaßnahmen umzusetzen. Dieser Konflikt fand 1979 seinen Höhepunkt im so genannten Winter of Discontent (Winter der Unzufriedenheit) und dem darauf folgenden Wahlsieg der Konservativen unter Führung von Margaret Thatcher.

Es gibt heute gegenüber den Siebzigern allerdings einen bedeutsamen Unterschied. Während die SWP 1977 lediglich mit dem Segen der Linken in der Labour Party und den Gewerkschaften agierte, spricht sie heute als offizieller Vertreter des Gewerkschaftsverbandes selbst.

Die SWP hat sich über Jahrzehnte hinweg in die obersten Ränge der Gewerkschaftsbürokratie integriert, führende Positionen in mehreren Gewerkschaften übernommen, und damit ihre Nischen-Existenz im akademischen Leben ergänzt. Sie tritt heute nicht mehr nur als Verteidigerin der Bürokratie auf, sondern gilt als offiziell anerkannte Sprecherin ihres linken Flügels.

Parallel zur Herausbildung von Respect wandelte die SWP die ANL 2003 in Unite Against Fascism (UAF) um. Sie schloss dafür ein Bündnis mit der National Assembly Against Racism (NAAR), die politisch von der Gruppe der Farbigen in der Labour Party geführt wird. Das einzige Ziel von UAF ist eine taktisch kluge Stimmabgabe, um zu verhindern, dass "die BNP bei Wahlen in diesem Land Fuß fasst".

Die UAF wird vom TUC unterstützt und von den Gewerkschaften finanziert, und sie arbeitet in Büros, die von der Gewerkschaft PCS gestellt werden. Die PCS wird von dem früheren Respect-Mitglied Mark Serwotka geführt. Vorsitzender der UAF ist der vormalige Bürgermeister von London, Ken Livingstone. Co-Vorsitzender ist Weymann Bennett von der SWP, und der nationale Sekretär der SWP, Martin Smith, sitzt im Präsidium.

Die SWP wurde mit diesen Positionen betraut, weil sie inzwischen allgemein Partei angesehen wird, die gänzlich in die Strukturen der offiziellen Politik eingebunden ist. Die radikale Rhetorik und ihr Einsatz für gewerkschaftliche Kämpfe und für Sozialreformen erwiesen sich nicht als Hindernis für die Aufnahme ins Establishment, sondern in den Augen der politischen Elite sogar als Vorzug, weil die Partei so als nützliches Ventil eingesetzt werden kann.

Im Oktober 2008 machte die World Socialist Web Site auf die Ernennung des SWP- Mitglieds Sabiha Iqbal zur Beraterin der 22-köpfigen Young Muslim Advisory Group (YMAG) aufmerksam (Siehe auch: "Britain: Socialist Workers Party member becomes government adviser"). Die YMAG wurde von der Regierung Brown ins Leben gerufen, die sich damit im Kampf gegen den Einfluss des islamischen Extremismus beraten lassen wollte und Wege erarbeitete, "wie junge Muslime besser am öffentlichen Leben teilnehmen können".

Die damalige Staatssekretärin für Nachbarschaftsfragen, Hazel Blears, sagte über die politische Orientierung Sabiha Iqbals: "Wenn du mit siebzehn nicht die Welt verändern willst, ist es eine Schande." Iqbal gehöre "zur nächsten Führungsgeneration der muslimischen Gemeinschaft".

Offene Verteidigung des Staates

Der Offene Brief der SWP und ihre Rolle in der UAF verdeutlichen, dass sie sich von ihrer einstigen Rolle als linker Deckmantel des Gewerkschaftsapparates heute zu einem offenen Verteidiger des gesamten bürgerlichen parlamentarischen Systems fortentwickelt hat.

Unmittelbar nach den Europawahlen wurde Martin Smith als Sprecher der UAF von Channel 4 und BBC Newsnight interviewt. Statt die Möglichkeit zu nutzen, das gesamte politische Establishment, seine immigrantenfeindliche Politik und die Angriffe auf die Lebensgrundlagen der Arbeiter für das Wachstum der BNP verantwortlich zu machen, rief er alle Parlamentarier dazu auf, die von der BNP ausgehende Bedrohung gemeinsam abzuwenden.

"Das größte Problem" bestehe darin, dass die BNP "einen respektablen Anstrich" erhalte, sagte Smith. Smith erklärte weiter, jede Partei habe das Recht, ihre Meinung zu vertreten, außer der BNP, die "keine legitime demokratische Struktur [sic] verfolgt. Sie hat völlig andere Anschauungen, eine wirklich revolutionäre faschistische Anschauung. Sie wird das Parlament nutzen, um ihre Ansichten zu verbreiten."

Das ist eine interessante Äußerung. Die BNP wird dafür kritisiert, dass sie "revolutionär" sei und das Parlament für eine Politik nutzen wolle, die nicht in die "legitimen demokratischen Strukturen" passt.

In einer Erklärung für Beschäftigte der Medienwirtschaft warnt die UAF in ähnlichem Ton: "Wenn zugelassen wird, dass sich faschistische Parteien in das politische und das Medienestablishment einschleichen... dann nutzen sie die Plattform, die ihnen zugestanden wird, um sich im politischen Mainstream zu konsolidieren. Sie machen ihre rassistischen Argumente hoffähig, drücken das politische Spektrum nach rechts und bauen ihre Organisation vor Ort auf. In dem Maße, wie sie wachsen, wächst auch der Druck auf die Menschen, vor ihnen zu kapitulieren. Die Gefahr heute ist, dass die BNP aus ihrer Isolation ausbricht und zu einer festen Größe in unseren Medien wird" (Hervorhebung hinzugefügt).

Wenn solche Forderungen nach Zensur und dem Verbot faschistischer Tendenzen und ihrer Aktivitäten vom Establishment tatsächlich aufgegriffen werden sollten, dann werden sie unfehlbar in erster Linie gegen die Arbeiterbewegung und die Linke eingesetzt. Man muss sich nur daran erinnern, dass das Gesetz zur öffentlichen Ordnung (Public Order Act) 1936 ursprünglich unter dem Vorwand eingeführt wurde, Oswald Mosleys Faschisten zu bekämpfen. In seiner Originalform und in späteren Variationen wurde es zur Verhinderung politischer Demonstrationen benutzt. Besonders im Bergarbeiterstreik von 1984-85 wurde es immer wieder eingesetzt. Es verbietet jeden "Zusammenschluss von Personen", die versuchen, "sich Funktionen der Polizei oder der Armee der Krone" anzueignen, und verbietet die Anwendung von "physischer Gewalt zur Erreichung jeglicher politischer Ziele".

Die SWP hat für solche prinzipiellen Überlegungen nichts übrig. Die offene Verteidigung des bürgerlichen Parlamentarismus und ihre Verurteilung der BNP, weil diese nicht Teil der "legitimen demokratischen Struktur" sei, ist bei ihr ein durchgängiges Thema. Der Socialist Worker erscheint regelmäßig mit Schlagzeilen wie "Wie sich die BNP als respektable Partei zu geben versucht" oder "Der Schleier der ‚Respektabilität‘ der BNP fällt".

Das spricht Bände über die politische Ausrichtung der SWP. Sie selber sucht die Anerkennung als Teil der bürgerlichen Respektabilität. In Wirklichkeit ist es gerade umgekehrt: Ein Grund für die wachsende Unterstützung für die BNP ist, dass sie sich als Außenseiter und Gegner des politischen Establishments gibt.

Ein Faktor, der dazu beiträgt, dass solche rechtsextremen Tendenzen weiter wachsen, besteht darin, dass Parteien wie die SWP das Parlament verherrlichen und Lobeshymnen auf die Gewerkschaften und die Labour-Linken singen. Aber die führende Rolle der SWP in der UAF zeigt, dass sie kein Problem damit hat, sich sogar mit bürgerlichen Tendenzen zusammen zu tun, die noch über die Gewerkschaften und die Labour-Bürokratie hinausgehen. Die UAF richtet sich mit ihrem Aufruf, einen "cordon sanitaire" um die BNP zu ziehen, nicht nur an Dutzende Labour-Abgeordnete und "unsere Medien" (der Daily Mirror gehört zu den Unterzeichnern), sondern an alle großen Parteien.

In diesem Licht ist es noch auffälliger, dass sich der offene Brief der SWP erst nach einer langatmigen Warnung vor der Gefahr der BNP der "zweiten Lehre aus der Europawahl zuwendet: der Notwendigkeit eines vereinten Kampfs zur Verteidigung von Arbeitsplätzen und Sozialleistungen". Wenn David Cameron von der Konservativen Partei gewählt würde, schreibt die SWP, "wird er versuchen eine Stabilitätspolitik auf Kosten der großen Mehrheit der britischen Bevölkerung durchzuführen".

Selbst dann schildert die SWP die Gefahr, die von den Tories ausgeht, als geringer, als die, die von der BNP ausgeht. Weil die Tories Stimmen verloren hätten, "sind sie sich unsicher, ob sie die Angriffe durchsetzen sollen".

Die SWP schreibt dies in ihrer eigenen Zeitung während sie sich gleichzeitig in einem politischen Bündnis mit Cameron und den Konservativen befindet - weil "wir doch alle Demokraten und alle gemeinsam Gegner der BNP sind".

Cameron und andere führende Konservative, wie Sir Teddy Taylor, Edward Garnier und Anthony Stehen, haben ihre Unterschrift unter die Charta der UAF gesetzt. Wenn Cameron 2010 an die Regierung kommt, dann nicht zuletzt deshalb, weil die SWP die Konservativen als "legitime" demokratische Kraft hinstellt, und nicht als Partei des Großkapitals, und weil sie die Gefahr herunterspielt, dass eine Tory-Regierung die volle Macht des Staates gegen die Arbeiterklasse in Stellung bringt.

Siehe auch:
"Konvention der Linken": Rechtsruck der britischen kleinbürgerlich-radikalen Gruppen (22. Oktober 2008)

Die britische Socialist Workers Party und die Verteidigung des Nationalreformismus ( 6. August 2004)

Das Wahlbündnis "Respect" und die Politik des Opportunismus ( 2. März 2004)

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