Türkei: Kurdenfrage rückt ins politische Zentrum

Seit ein paar Wochen geht die türkische AKP-Regierung (Regierung der Gerechtigkeits- und Entwicklungs-Partei) die Kurdenfrage eher mit friedlichen anstelle kriegerischer Mittel an. Das wird inzwischen als "demokratischer Prozess" bezeichnet. Damit ist die Kurdenfrage wieder ins Zentrum des politischen Lebens in dem Land gerückt, das auf eine lange Tradition der Unterdrückung der bevölkerungsreichen kurdischen Minorität zurückblickt.

Die Geschichte nahm in den letzten 25 Jahren eine neue blutige Wendung, als die PKK (Kurdische Arbeiterpartei) 1984 einen nationalistisch und separatistisch ausgerichteten Guerillakrieg gegen den türkischen Staat aufnahm. Nach Schätzungen hatte das ca. 40.000 Tote und über eine Million Flüchtlinge innerhalb und außerhalb des Landes zufolge.

Der derzeitige Schritt der AKP ist von sehr großer Bedeutung, trägt jedoch auch befremdliche Züge, da parallel dazu dieselbe AKP-Regierung seit Monaten ihr gewaltsames Vorgehen gegen Mitglieder und Parlamentarier der kurdischen DTP (Partei für eine Demokratische Gesellschaft) verschärft. Hier ein kurzer Abriss der Angriffe auf die DTP allein im Juni:

* 25. Juni: Als Teil einer Operation im Distrikt Tunceli wurden 15 der 23 DTP-Abgeordneten wegen "Unterstützung und Begünstigung einer terroristischen Organisation" inhaftiert.

* 23. Juni: Verhaftung des Vorsitzenden der DTP im Distrikt Saniurfa Suruc, Ahmet Yenilmez, wegen "Förderung von Kriminalität und von Kriminellen".

* 18. Juni: 21 DTP-Mitglieder erhielten im Distrikt Bingol wegen "Unterstützung und Begünstigung einer terroristischen Organisation" Gefängnisstrafen.

* 13. Juni: 30 DTP-Mitglieder wurden in Bingol vor Gericht gestellt, nachdem sie zwei Tage zuvor bei Aktionen in den Distrikten Bingol, Elazig, Bitlis und Sanliurfa verhaftet worden waren.

* 3. Juni: Verhaftung des DTP-Vorsitzenden im Distrikt Ergani, Abdurrhman Bakir, wegen "Verbreitens der Propaganda einer terroristischen Organisation".

Im April und Mai fanden ähnliche Angriffe statt, bei denen die Verfolgung von DTP-Mitgliedern mit angeblichen Verbindungen zur PKK begründet wurde. Obwohl die DTP eine versöhnlerische Haltung signalisiert, behandelt die AKP ihre angeblich mangelnde Distanzierung von der als terroristisch eingestuften PKK als Straftatbestand.

Die DTP ist eine Koalition aus kurdischen Gruppierungen - oder besser gesagt: Sie stellt ein Konglomerat aus den Resten einer fünf Mal verbotenen Partei dar. Die DTP ist - bei allen Antagonismen und all ihrer gelegentlichen linken Phraseologie - eine bürgerliche Partei. Das trifft auch auf ihre Hauptströmungen, die "Falken" und die "Tauben" zu. Deswegen weigert sie sich zwar, die PKK als Terrororganisation zu verurteilen, unterstützt aber eine vereinte demokratische Türkei.

Die ständigen Angriffe sind jetzt abrupt eingestellt worden. Der Innenminister organisierte am 1. August in der Polizeiakademie einen Workshop mit dem provokanten Titel "Lösung der Kurdenfrage: für ein türkisches Modell". Die Leitung übernahm Innenminister Besir Atalay persönlich. Auf dem Treffen sagte er: "Würde dieses Problem gelöst, der Türkei würden Flügel wachsen, die sie in neue Höhen tragen würden." Die Workshop-Teilnehmer waren bekannte Journalisten verschiedener liberaler Zeitungen. Trotz Einladung nahmen keine Mitglieder von Oppositionsparteien teil.

Am 5. August ließ Premierminister Recep Tayyip Erdogan seine alte Vorbedingung fallen, dass die DTP die PKK als Terrororganisation verurteilen müsse, und traf sich mit dem Parteivorsitzenden Ahmet Türk. Das Treffen fand große mediale Beachtung. Die Los Angeles Times sah darin ein "Fortschrittssignal".

Die neue Linie zeichnete sich schon Anfang des Jahres ab. Im März begann Präsident Abdullah Gül in Pressegesprächen über "günstige Entwicklungen" in der Kurdenfrage und "historische Möglichkeiten" zu reden. Im selben Monat traf er sich mit DTP-Abgeordneten und erteilte ihnen öffentlich Ratschläge über Möglichkeiten für eine friedliche Lösung.

Im Mai behauptete er: "Im Lande sprechen alle offen darüber. Wenn ich sage alle, denke ich an Soldaten, Zivilisten, Intellektuelle. Ich mache mich zu ihrem Sprecher. Unter solchen Bedingungen kann Gutes passieren." Gleichzeitig liefen die Angriffe auf die DTP auf vollen Touren.

Gründe für die Kehrtwendung in der Kurdenpolitik der AKP sind innenpolitische und internationale Faktoren. Innenpolitisch wurde die AKP bei den letzten Kommunalwahlen beschädigt, als sie sieben Prozent weniger als bei den Parlamentswahlen 2007 erhielt. In der überwiegend von Kurden bewohnten Südosttürkei gingen viele Stimmen an die DTP. Die Enttäuschung darüber könnte eine Erklärung für die Vergeltungsaktionen der vergangenen Monate gegen die DTP sein. So jedenfalls die Erklärung der DTP.

Das brachte jedoch kaum politischen Erfolg und enthüllte nur den tatsächlichen Charakter der AKP als einer bürgerlichen Partei, unfähig zur Verteidigung auch nur der grundlegendsten demokratischen Interessen der unterdrückten Massen. Im Zusammenhang mit den scharfen Veränderungen in der internationalen Situation macht die AKP jetzt einen Schwenk Richtung "Demokratie"; um durch einen populistischen Kompromiss mit der DTP wieder ein paar der verlorenen Stimmen zurückzuerobern.

Innenpolitisch kalkuliert die AKP zusätzlich mit einer beträchtlichen Schwächung der Armee in Folge der Lösung der Kurdenfrage. Sie würde dem wichtigsten Argument der Armee für ihre herausragende Rolle in der türkischen Gesellschaft den Boden entziehen

Seit dem erstmaligen Regierungsantritt der AKP 2002 steht sie mit ihren kemalistischen Rivalen - bei denen die Armee führend ist - in einer verbissenen Auseinandersetzung über ökonomische, politische und weltanschauliche Fragen. Vor nicht langer Zeit, vor den Wahlen von 2007, versuchte die Armee die AKP niederzuringen, indem sie ein Ultimatum stellte und sie zu vorzeitigen Neuwahlen zwang. Ein landesweiter Wahlsieg verschaffte der AKP wieder Oberhand, worauf sich die Armee widerwillig von der politischen Bühne zurückzog. Es gibt jedoch keine Garantie, dass sie nicht von neuem ihre Position zurückverlangt.

Es geht jedoch nicht einfach darum, wer Punkte gutmacht. Hinter den sichtbaren Ereignissen sind mächtige internationale Entwicklungen am Werk.

Gegenwärtig unternimmt die AKP-Regierung einiges, um die Türkei als Regionalmacht zu etablieren. Sie hat in den vergangenen Jahren mit wechselndem Erfolg versucht, die Rolle eines regionalen Vermittlers in der Region zu übernehmen, insbesondere zwischen Israel und dessen Widersachern.

Es wäre angesichts blutiger Kämpfe im eigenen Land für jede türkische Regierung schwierig, diese Rolle erfolgreich zu spielen. Nach 25 Jahren suchen Teile der türkischen Bourgeoisie anscheinend Alternativen.

Die USA stehen hinter dieser neuen Linie. Entsprechend Washingtons Wunsch nach einer Verwandlung der Türkei in einen militärischen und diplomatischen Hebel der amerikanischen Außenpolitik, reiste Obama nach seiner Amtsübernahme als erstes Land in die Türkei. Beim Versuch, den militärischen Schwerpunkt vom Irak nach Afghanistan zu verlagern, sucht die Regierung Obama nach einem Weg für den Rückzug aus dem Irak, der den strategischen Interessen der USA nicht schadet.

Der Irak ist durch allgegenwärtige sektiererische Zerwürfnisse geplagt. Die ernsten Spannungen zwischen Kurden im Nordirak und der irakischen Zentralregierung sind ein offenes Geheimnis. Seit 2007 versucht die Regierung Maliki unverhohlen, ein paar der Gebietsgewinne der Kurdischen Regionalregierung (KRR) im Norden wieder rückgängig zu machen.

Im Juli diesen Jahres berichtete die Internationale Krisen Gruppe (IKG) mit Sitz in Brüssel: "Kurdenführer sind sich einig, dass der Rückzug der USA für den Irak und ebenso die kurdischen Gebiete katastrophal wäre. Der Peschmerga-Minister der KRR sagte, ‚wenn die amerikanischen Truppen abziehen, ist das die totale Katastrophe für den Irak.’"

Die IKG zitierte auch Fouad Hussein, Stabschef des Präsidenten der irakischen Kurden, Masoud Barzani: "Falls sich die Schiiten für den Iran, und die Sunniten für die arabische Welt entscheiden, müssen sich die Kurden mit der Türkei verbünden."

Wie die IKG berichtete, begann sich die KRR schon 2007, beim erdrutschartigen Wahlsieg der AKP-Regierung, mit der Notwendigkeit einer Einigung mit der Türkei zu befassen. Wie die IKG berichtet, sagte ein namentlich nicht genannter Minister, der günstigste Weg für "die Kurdenregion sei, sich der Türkei als Teil eines neuen Mosul vilayet anzuschließen, und für die türkischen Kurden wäre es das Beste, wenn sich die Türkei der EU anschließen würde."

("Mosul vilayet " ist die ehemalige Provinz Mosul im Irak, auf welche die post-osmanische Türkei Anspruch erhob)

Wie die IKG erklärte, hatten Vertreter Ankaras klargestellt, dass für die Türkei der formelle Anschluss einer zusätzlichen kurdischen Bevölkerungsgruppe unerwünscht und politisch nicht denkbar sei, während ein Wirtschaftsabkommen keinesfalls außer Frage stände.

Die Frage stellt sich, weshalb die Türkei nicht einfach versucht, die Zwangslage der irakischen Kurden auszunutzen, anstatt eine Schwächung der eigenen militärischen Position zuzulassen. Für ihre eigenen regionalen Interessen benötigt die türkische Bourgeoisie jedoch einen stabilen Nahen Osten.

Aus diesem Grund zeigte sich die türkische Bourgeoisie während der amerikanischen Invasion des Irak äußerst gereizt, da sie eine Destabilisierung der Region und eine Stärkung der Kurden im Irak fürchtete. Auch die eigene kurdische Bevölkerung hätte dadurch radikalisiert werden können. Derzeit sieht die Türkei die Möglichkeit, bei der Neugestaltung und Stabilisierung der Region eine wichtige Rolle zu spielen.

Auch die EU hat Interesse an einer friedlichen Einigung. Das gilt insbesondere für Deutschland, wo es eine große Gruppe kurdischer Immigranten türkischen und kurdischen Ursprungs gibt. Seit langem besteht die EU als Voraussetzung für die EU-Mitgliedschaft auf einer Lösung der Kurdenfrage.

Auch die Aussicht auf Zugang zu den Energiereserven Nordiraks und Zentralasiens via Türkei ist ein guter Grund für die europäische Bourgeoisie, die Türkei zu einer Lösung zu drängen. Damit wäre die Diversifikation der gegenwärtig stark von Russland abhängigen europäischen Energiemärkte erreichbar.

Daher die deutlich pro-imperialistischen Züge der kurdischen "Wende" der AKP.

Gleichzeitig ist das Problem tief in der Geschichte des Landes verwurzelt, sodass der Versuch einer friedlichen Lösung auf Widerstand stoßen wird. Beachtliche politische Strömungen haben sich lange Zeit von der nationalistischen Politik im Zusammenhang mit der Kurdenfrage genährt.

Außerdem gibt es auf Seiten der kurdischen Führer in der Türkei keine eindeutige politische Orientierung. Dies gilt auch für die PKK, die den Prozess sabotieren könnte, bevor er überhaupt beginnt. Die türkische Presse wartet dagegen immer noch gespannt auf eine "road-map" aus der Zelle des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan auf der türkischen Insel Imrali.

Öcalan gab am 15. August kund, eine solche "Road Map" erstellt zu haben. Anscheinend wurde ihre Veröffentlichung durch die AKP-Regierung auf unbestimmte Dauer verschoben. Vorwand war, sie müsse vor ihrer Bekanntgabe noch überarbeitet werden. Doch sickerten Informationen über ihre Konturen an die Presse durch.

In dem Dokument appelliert Öcalan an drei Hauptbeteiligte. Er spricht wohlwollend über Mustafa Kemal (Atatürk), den Gründer der türkischen Republik, und wendet sich so den Kemalisten zu. Weiter spricht er freundschaftlich über Fettulah Gülen, Vorsitzender einer mit der AKP-Regierung sympathisierenden islamistischen Sekte. Und er wendet sich an den US-Imperialismus, den er den kurdischen Massen als fortschrittliche Kraft vorführt.

2007 sei ein Wendepunkt der amerikanischen Politik gewesen. Öcalan zufolge begannen die USA damals, nach Kompromissen mit den Kurden zu suchen und stoppten ihre Unterstützung für die rechtswidrig Ermordung von Kurden in der Türkei.

Tatsächlich war es genau umgekehrt. Die USA verstärkten 2007 ihre Unterstützung für das türkische Militär und erlaubten der Türkei nicht nur eine zeitweise Invasion des Nordirak, sondern versorgten die türkische Armee auch mit Geheimdienstinformationen über Stellungen der PKK. Öcalans Lüge ist nichts als ein konsequenter Schritt in der weiteren Rechtsentwicklung der PKK. Es ist ein Versuch, die PKK in die Position eines Juniorpartners der türkischen Bourgeoisie zu hieven.

Öcalan vermeidet, konkrete Schritte auch nur anzusprechen, betont aber seine Ablehnung eines unabhängigen kurdischen Staats. Dafür wirbt er für einen "kulturellen" kurdischen Nationalismus. Eine Amnestierung der PKK-Mitglieder in türkischen Gefängnissen findet nicht einmal Erwähnung.

Für die AKP ist das heikel, da ihre Regierung der "Unterstützung und Begünstigung einer Terrororganisation" beschuldigt werden könnte, falls sie eine Amnestie zuließe. Scheitert der "demokratische Prozess", wäre für die AKP auch ein Rückgriff auf eine militärische Lösung schwierig.

Präsident Abdullah Gül wies Öcalans "Road Map" öffentlich als irrelevant zurück, obwohl jeder weiß, dass die kurdische Bevölkerung Öcalan folgt. Deshalb drängt die DTP die Regierung auch, die PKK als Partner in den Prozess mit einzubeziehen. Aller Wahrscheinlichkeit nach verfolgt die Regierung die Taktik, die Beteiligung der PKK hinauszuzögern bis der Prozess in Schwung kommt.

Bis jetzt vermeidet die AKP jegliches substanzielles Zugeständnis an die Kurden. Mit diesem vorsichtigen Herantasten sollen die ersten Reaktionen der Oppositionsparteien im Parlament getestet werden. Die wichtigste oppositionelle Partei, die CHP (Republikanische Volkspartei) reagierte anfänglich ablehnend auf die Schritte der AKP, hat sich jetzt aber auf eine beobachtende und abwartende Haltung eingerichtet.

Allen Beteiligten ist klar, dass die überwältigende Bevölkerungsmehrheit für eine friedliche Lösung der Kurdenfrage ist. Also kann die Initiative für jede der beteiligten Parteien sowohl den politischen Sieg als auch den politischen Untergang bedeuten.

Für die Armee erklärte der einflussreiche Rat für Nationale Sicherheit am 21. August seine Unterstützung für den "demokratischen Prozess". Trotz ihrer erbitterten politischen Auseinandersetzungen mit der AKP-Regierung zog die Armee die islamistisch geprägte Durchsetzungskraft der AKP stets dem kurdischen Nationalismus und dem wachsenden Einfluss der DTP vor.

Die Armee ist in Folge der durch die AKP-Regierung betriebenen Ergenekon-Prozesse politisch geschwächt ist. In den Gerichtsverhandlungen wurde aufgedeckt, dass geheim operierende Armeeeinheiten mit Elementen aus der Unterwelt in der ultranationalistischen Formation Ergenekon zusammenarbeiteten. Erwähnenswert ist auch, dass der Pensionsfond der Armee - die OYAK-Gruppe, Besitzerin des drittgrößten Kapitalfonds des Landes- als wichtigste türkische Gesellschaft am Wiederaufbau des Nordirak beteiligt ist. Sie würde von einem stabilen Nordirak unter türkischem Einfluss profitieren.

Als die AKP ihre Initiative bekannt gab, reagierte Devlet Bahceli, der Vorsitzende der drittgrößten türkischen Partei MHP (Partei der Nationalen Bewegung) hysterisch und bezichtigte die Regierung des Verrats. Er gab auch nicht klein bei, als er keine offene Unterstützung aus den Reihen der Bourgeoisie erhielt. Es sieht so aus, als seien die Ultranationalisten völlig unvorbereitet auf die sich verändernde internationale politische Landschaft gewesen.

Mustafa Kumlu, Präsident des größten Gewerkschaftsverbands Türk-Is traf am 14. August mit Innenminister Atalay zusammen und erklärte seine Unterstützung für den Prozess. Ebenso Salim Uslu, Präsident der Hak-Is, die zu den größten Gewerkschaften zählt.

Ihre Unterstützung hat jedoch mit einer Anhebung des Wohlstands kurdischer Arbeiter- der am schärfsten ausgebeuteten Volksgruppe der Türkei - ganz und gar nichts zu tun. Diese Gewerkschaften rechnen vor allem mit eigenen Vorteilen, wenn sie der herrschenden Klasse anbieten, die Aktivitäten eines äußerst militanten Teils der Arbeiterklasse unter Kontrolle zu halten.

Die so genannte "radikale Linke" hüllte sich ihrerseits weitgehend in Schweigen. Ihre Vorgeschichte lässt auf eine Unterstützung für Öcalans "Road Map" schließen. Diese Gruppen ignorieren den Klassencharakter der DTP und der PKK vollständig.

Die DTP repräsentiert die kurdische Bourgeoisie, die PKK dagegen kleinbürgerliche Schichten. Die "linken" Gruppen möchten die Arbeiterklasse glauben machen, dass derart korrupte, mit den Interessen der türkischen herrschenden Klasse und den imperialistischen Begierden der Großmächte verquickte Politiker, irgendwie doch eine demokratische Lösung der Probleme hinbekommen. Die ÖDP (Partei für Freiheit und Solidarität) ist die größte dieser "linken" Gruppen.

Bei allem Gerede um den "demokratischen Prozess" ist die türkische Bourgeoisie zu einer demokratischen Lösung der kurdischen Frage organisch unfähig. Dazu ist eine Regierung der Arbeiterklasse notwendig. Während Erdogan von einer demokratischen Lösung spricht, hat er die Abgeordneten seiner Partei angewiesen, öffentliche Diskussionen darüber zu unterlassen. Alle wichtigen Entscheidungen sollen seiner engeren Umgebung vorbehalten bleiben.

Wie die zwischen AKP, DTP und der PKK ausgehandelte Lösung auch ausfallen wird, der kurdischen Arbeiterklasse wird sie die lang ersehnten demokratischen Rechte nicht bringen. Sie wird den Interessen der türkischen herrschenden Klasse entsprechen. Diese wiederum ordnet sich den Interessen der Großmächte unter.

Die radikalste, von der DTP vorgeschlagene Lösung - die jetzt von der maroden PKK akzeptiert wird - beinhaltet den Aufbau einer föderalen Struktur, mit eingeschränkter Teilautonomie für die Kurden. Von den anderen am "demokratischen Prozess" Beteiligten wird dies rundweg abgelehnt.

Aber selbst wenn sie irgendwann akzeptiert würde, die tiefe Armut im Südosten der Türkei würde sie nicht lindern. Im Gegenteil, damit hätte die türkische Bourgeoisie einen Vorwand, der Region selbst die derzeit schon kärglichen Mittel zu entziehen. Auf lange Sicht könnte die Region im Chaos versinken, da Forderungen nach einem vereinten kurdischen Staat lauter würden und Syrien, der Iran und der Irak - mit ihren großen kurdischen Bevölkerungsanteilen - mit der Türkei in Konflikte um die regionale Führung geraten könnten.

Die Kehrtwende der AKP in der Kurdenfrage lässt die fragile Lage im Nahen Osten deutlich zu Tage treten. Nach seinen kolossalen Verbrechen an der irakischen Bevölkerung will der US-Imperialismus den Nahen Osten auf diese Weise stabilisieren. Zur weiteren Unterwerfung der Völker des Nahen Ostens braucht er die türkische Bourgeoisie als Wachposten für die Region.

Die dürftigen Schritte der AKP in der kurdischen Frage haben mit einer wirklichen demokratischen Lösung im Interesse der türkischen und kurdischen Massen ganz und gar nichts zu tun. Genauso wenig mit den Interessen der Massen des gesamten Nahen Ostens.

Mit Hilfe von Öcalans "Road Map" trägt sich die PKK der türkischen Bourgeoisie als Juniorpartner an, als Exekutor, der der Opposition der kurdischen Massen die Spitze bricht und bei der Ausbeutung und Unterdrückung der kurdischen Arbeiter und Bauern zur Hand geht.

Der einzige Weg vorwärts f�r die kurdischen Arbeiter ist der Zusammenschluss mit ihren türkischen Kolleginnen und Kollegen im Kampf f�r die sozialistische Umgestaltung des gesamten Nahen Ostens.

Siehe auch:
Türkei: Nach zwölf Jahren droht erneut ein Staatsstreich des Militärs
(10. März 2009)
Türkei: Verfassungsgericht lehnt Verbot von türkischer Regierungspartei AKP ab
Loading