Recht demonstrieren in Washington gegen Obamas Gesundheitsreform

Am Samstag organisierten rechte Gruppen in Washington eine Demonstration gegen die Obama-Regierung. Insbesondere richtete sie sich gegen die Gesundheitsreformpläne des Präsidenten, die er in seiner Rede am Mittwoch vor dem Kongress vorgestellt hatte.

Die von der Gruppe FreedomWorks des ehemaligen republikanischen Mehrheitsführers im Repräsentantenhaus, Dick Armey, organisierte Demonstration zog extrem verwirrte soziale Schichten an, die niedrigere Steuern und geringere Staatsausgaben forderten und das mit fanatischer Ablehnung von Abtreibungen und feindlichen Forderungen gegen Einwanderer verbanden. Der Einfluss faschistoider Talk-Show-Kommentatoren spiegelte sich in den lächerlichen Vorwürfen, Obama versuche den "Sozialismus" in Amerika einzuführen, während andere ihn mit Hitler verglichen und seine amerikanische Staatsbürgerschaft in Frage stellten.

Das unmittelbare politische Anliegen der Organisatoren war die Verurteilung dessen, was sie "ObamaCare" nannten. Auf der Web Site von FreedomWorks wurde dies als die "Übernahme der Gesundheitsversorgung durch den Staat" bezeichnet. Besonders die so genannte "Public Option" machten sie zur Zielscheibe. Dabei handelt es sich um eine sehr beschränkte öffentlich-rechtliche Krankenkasse, die mit den privaten Versicherungskonzernen auf dem umstrukturierten Gesundheitsmarkt in Wettbewerb träte.

In seiner Rede vom Mittwoch hatte Obama klargemacht, dass er bereit sei die "Public Option" fallen zu lassen, um der Versicherungsindustrie, den republikanischen Kritikern seiner Gesundheitsreform und "moderaten" Demokraten entgegenzukommen, die sich ebenfalls gegen diese bescheidene Rolle des Staates auf dem Gesundheitsmarkt stemmen.

Außer Armey sprachen auf der Kundgebung u.a. weitere führende republikanische Abgeordnete und Senatoren.

Die Beteiligung war nicht übermäßig groß. Medienberichte sprachen von 15.000 bis 30.000 Teilnehmenden. Jedenfalls war der Protest viel kleiner als die riesigen Antikriegsdemonstrationen vor der Invasion im Irak in 2003, aber die Berichterstattung in den Medien und besonders auf den Kabelsendern überstieg die Bedeutung des Ereignisses bei weitem. Man kann diese Demonstration kaum als einen Volksaufstand mit massenhafter Beteiligung bezeichnen, wie es von den Organisatoren und vielen Medien hingestellt wird.

Trotzdem beinhaltet diese Mobilisierung die Gefahr, dass extreme rechte Kräfte stärker werden. Diese Gefahr liegt nicht darin begründet, dass es heute in den Vereinigten Staaten eine Massenbasis für rechte und faschistische Politik gäbe. In Wirklichkeit unterstützt die Mehrheit der Bevölkerung eine allgemeine Krankenversicherung, höhere Steuern für die Reichen und andere Schritte hin zu mehr sozialer Gleichheit.

Die Gefahr kommt vielmehr daher, dass die Arbeiterklasse der Demokratischen Partei und der Obama-Regierung, und damit der herrschenden Klasse untergeordnet wird. Die politische Entmündigung der Arbeiterklasse findet durch das Zwei-Parteien-System statt, das ein politisches Monopol ausübt.

Obamas Pläne sind alles andere als eine "Übernahme der Gesundheitsversorgung durch den Staat", sondern vielmehr der Versuch, die Ausgaben des Staates und die Aufwendungen der Wirtschaft für die Gesundheitsversorgung zu senken.

In seiner Rede am Mittwoch erklärte Obama: "Unser Gesundheitsproblem ist unser Defizitproblem." Seine Rede hat die Diskussion innerhalb des politischen Establishment noch mehr in die Rechtung gedrängt, nach Wegen zur Kostensenkung zu suchen. Er verlangt von Einzelpersonen, eine Basispolice von privaten Versicherungen zu kaufen, Das läuft am Ende darauf hinaus, die Krankenversicherungen, die Arbeitgeber ihren Beschäftigten finanzieren, auslaufen zu lassen, und den Unternehmen dadurch Milliarden zu sparen. Die Kosten für die staatlichen Programme Medicare und Medicaid sollen ebenso deutlich sinken.

Die Besorgnis breiter Schichten der Bevölkerung über die Zukunft ihrer Gesundheitsversorgung ist vollkommen gerechtfertigt. Rentner und andere sind zurecht besorgt, dass die Kostensenkungsmaßnahmen zur Einschränkung von Leistungen führen werden, und dass Obamas Reform insgesamt zu einer enormen Zunahme der Macht der Versicherungsindustrie im amerikanischen Gesundheitssystem führen wird.

Aber diese Sorgen der Bevölkerung werden an keiner Stelle vom politischen Establishment oder den beiden Parteien aufgegriffen. Die Unterordnung der Arbeiterklasse unter Obama und die Demokraten verhindert die Entwicklung einer fortschrittlichen Alternative. Die Republikanische Rechte versucht das politische Vakuum auf der Linken - so wie es sich der breiten Masse darstellt - für sich zu nutzen.

Hier ist die Rolle der pseudo-fortschrittlichen und kleinbürgerlich-radikalen Organisationen wichtig. Indem sie die Obama unterstützen und seine rechte Politik verschleiern, verhindern sie den organisierten Ausdruck der Interessen und der Sorgen der Masse der arbeitenden Bevölkerung. Das trifft auf die Innenpolitik - auf die Gesundheitsreform, die Angriffe auf die Autoarbeiter, die Rettung der Wall Street, die Fortsetzung der Polizeistaatsmaßnahmen der Bush-Regierung - genauso zu, wie auf die Außenpolitik.

Diese Gruppen behindern jeden wirklichen Kampf gegen die Kriege in Afghanistan und im Irak. Einige von ihnen planen jetzt "Antikregs"-Demonstrationen, um die wachsende Antikriegsstimmung zu desorientieren und in andere Bahnen zu lenken. Die meisten schlagen effektivere Strategien für die Durchsetzung imperialistischer Ziele in Zentralasien vor.

Diese Organisationen und ihre publizistischen Organe, wie das Magazin Nation, sind besessen von Identitäts- und Life-Style-Themen, die die Sorgen der privilegierteren und selbstzufriedenen sozialen Schichten widerspiegeln, deren Sprachrohr sie sind. Sie interessieren sich nicht für die Sorgen der breiten Masse der Bevölkerung um Arbeitsplätze, Löhne, Lebensstandard, Zwangsversteigerungen usw., die Ängste der Leute, die von der Krise und der Politik der Obama-Regierung hart getroffen werden.

In einem neueren Artikel in der Nation ("Ihre Verrücktheit hat Methode") wird die Politik der Rechten diskutiert und erklärt, dass die ihre Stärke aus dem "Mangel an Führung" ziehe. Es ist entlarvend, wenn der Artikel feststellt, dass weniger als ein Drittel der Bevölkerung glaubt, Obama erkläre seine Gesundheitsreform deutlich genug... Einer Umfrage von CNN zufolge glauben nur zwanzig Prozent, dass es sie von der Gesundheitsreform profitieren werden, und vierzig Prozent sind von den Plänen verwirrt."

Dann fordert der Artikel Obama auf, diese "Führung" zu geben, und sich für die "Public Option" in die Bresche zu werfen. Er wärmt erneut die Lüge auf, dass das Ziel der Reform eine "Krankenversicherung für alle" sei.

In Wirklichkeit sind die Verwirrung und das Misstrauen gegenüber der Gesundheitsreform eine Reaktion auf die Doppelzüngigkeit der Obama-Regierung, die eine Konterrevolution in der Gesundheitsversorgung als Sozialreform ausgeben will. Gruppen wie die Nation arbeiten bewusst daran, diesen Betrug zu verschleiern. Bei kommenden Wahlen werden sie zweifellos wieder darauf hinweisen, dass nicht für die Demokraten zu stimmen, die Republikaner begünstige.

Da sie kein Verständnis für die historische und politische Bedeutung der gegenwärtigen Krise haben, sind sie unfähig, die Logik ihrer eigenen Politik zu erkennen. Irgendwann wird ein Teil der rechten Elemente, die die Demonstration vom Sonntag organisiert haben, sich populistischer Demagogie bedienen und soziale Probleme aufgreifen. Daraus könnte sich das Gespenst einer wirklich faschistischen Bewegung entwickeln.

Für Arbeiter und Jugendliche ist es wichtig, den reaktionären Charakter der Politik dieser kleinbürgerlich-radikalen Gruppierungen zu verstehen, ihre falsche Perspektive abzulehnen und den Kampf für einen Bruch mit den Demokraten und gegen die Obama-Regierung aufzunehmen. Die Arbeiterklasse muss für ihre politische Unabhängigkeit und ein sozialistisches und internationalistisches Programm kämpfen. Wenn Arbeiter in Kämpfe gegen Massenarbeitslosigkeit, Armut und Krieg geworfen werden, wird diese Perspektive wachsende Unterstützung gewinnen.

Siehe auch:
Obama beruhigt Krankenkassen und Republikaner mit seiner Rede zur Gesundheitsreform
(12. September 2009)
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