Weltweite Proteste gegen Verhaftung des Regisseurs Roman Polanski

Die Verhaftung des Regisseurs und Oskarpreisträgers Roman Polanski am Samstagabend löst weltweit Zorn und Empörung aus. Der 76-jährige Regisseur wurde am Flughafen Zürich von der Schweizer Polizei festgenommen. Von Polanski stammen Filme wie Rosemaries Baby, Chinatown und Der Pianist (2002), für den er den Academy Award erhielt. Polanski war in die Schweiz gereist, um auf dem Zurich Film Festival einen Preis für sein Lebenswerk entgegenzunehmen. Die Schweizer Behörden verhafteten ihn auf Antrag des amerikanischen Justizministeriums.

Die Veranstalter des Filmfestivals äußerten sich über Polanskis Verhaftung "äußerst bestürzt und schockiert". Der Verband der Schweizer Regisseure sagte, dies sei "nicht nur eine groteske Justizposse, sondern auch ein ungeheurer Kulturskandal". Der Verband Filmregie und Drehbuch nannte die Maßnahme "Ohrfeige ins Gesicht aller Kulturschaffenden in der Schweiz".

"Ich denke, dass ist schrecklich und völlig ungerechtfertigt", sagte der französische Kulturminister Frederic Mitterand zu Reportern. "Es gibt ein großzügiges Amerika, das wir mögen", fügte er hinzu. "Aber es gibt auch ein Amerika, das Angst macht, und dieses Amerika hat wieder einmal sein Gesicht gezeigt."

Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski sagte, er überlege, US-Präsident Obama um Gnade für Polanski zu bitten. Der französische Außenminister Bernard Kouchner bat nach eigenen Angaben seine schweizerische Amtskollegin, dafür zu sorgen, dass Polanskis Rechte voll gewahrt blieben und schnell eine "akzeptable Lösung" gefunden werde.

Forderungen nach Polanskis Freilassung mischten sich mit Äußerungen des Zorns über die amerikanische Regierung und über die Willfährigkeit der Schweizer Regierung gegenüber der amerikanischen Forderung.

Vertreter der Schweiz verheimlichen, wo Polanski festgehalten wird. Sie geben an, dass er sich in "vorläufigem Gewahrsam" befindet, und dass ein Auslieferungsverfahren in die USA gegen ihn läuft. Polanskis Anwalt sagte am Sonntag, er werde das Auslieferungsbegehren der USA anfechten.

Die USA verlangen Polanskis Auslieferung auf der Grundlage eines 31 Jahre alten Haftbefehls. Der Haftbefehl wurde 1978 erlassen, nachdem Polanski aus den USA geflohen war, um einer Gefängnisstrafe wegen einer sexuellen Begegnung mit einem 13-jährigen Mädchen zu entgehen.

Polanski stritt ab, gewusst zu haben, dass das Mädchen minderjährig war, erklärte sich aber im Rahmen einer Absprache "des ungesetzlichen sexuellen Kontakts mit einer Minderjährigen" für schuldig. Er verließ das Land vor der Urteilsverkündung, weil er fürchtete, dass der Richter sich nicht an die Absprache halten und ihn zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilen werde. Seitdem lebt er als französischer Staatsbürger in Frankreich, er ist verheiratet und hat zwei Kinder groß gezogen.

Der Staatsanwalt von Los Angeles County ist Polanski mit Rückendeckung des US-Justizministeriums seit langem auf den Fersen. Deshalb musste Polanski Länder wie Großbritannien meiden, die weitgehende Auslieferungsabkommen mit den USA haben. 2005 erließen die USA einen internationalen Haftbefehl für Polanski, der offenbar die juristische Grundlage für das Vorgehen der Schweizer Regierung ist.

Im vergangenen Jahr haben Polanskis Anwälte versucht, den Fall gegen ihn wegen Verfahrensfehlern beim Prozess von 1978 niederschlagen zu lassen. In einem Dokumentarstreifen mit den Titel "Roman Polanski: Gesucht und erwünscht" wurde ein Interview mit einem Staatsanwalt aus Los Angeles gezeigt, der aussagte, er habe den Richter im Prozess gegen Polanski beeinflusst. Anfang des Jahres erkannte ein amerikanischer Richter, dass es "solide" Beweise für Fehlverhalten der Behörden gebe. Aber er wollte nur dann einen Beschluss verkünden, wenn Polanski in die USA zurückkehre und sich dem Gericht stelle.

Im gleichen Monat beantragte Samantha Geimer, die Vorwürfe gegen Polanski fallen zu lassen. Samantha ist die Frau, die Polanski 1977 missbraucht haben soll. Sie ist heute 44 Jahre alt und verheiratet und hat drei Kinder. Sie sagte, die jahrzehntelange Publizität und die Konzentration der Strafverfolgungsbehörden auf sensationslüsterne Details des Falls traumatisiere sie und ihre Familie immer aufs Neue. Sie hat dem Regisseur öffentlich vergeben und die amerikanische Regierung aufgefordert, die Vendetta gegen ihn einzustellen.

Die Verhaftung Polanskis ist umso bizarrer und willkürlicher, als er schon häufig in die Schweiz gereist ist und dort eine Wohnung besitzt. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft von Los Angeles teilte mit, dass die Behörde von Polanskis Reiseplänen nach Zürich erfahren habe. Sie habe dann einen provisorischen Haftbefehl an das US-Justizministerium geschickt, das ihn an die Schweizer Behörden weitergeleitet habe.

Polanskis Verhaftung ist die jüngste Episode in einem Leben, das von Tragödien geprägt ist. Er wurde in Frankreich mit polnisch-jüdischer Abstammung geboren. 1936 zog er mit seiner Familie nach Krakau um. Nach der Besetzung Polens durch die Nazis wurden er und seine Familie gezwungen, in das Krakauer Ghetto zu ziehen. Seine Mutter und sein Vater wurden in die Todeslager der Nazis deportiert. Seine Mutter starb in Auschwitz, und sein Vater überlebte das Konzentrationslager Mauthausen-Gusen. Er selbst floh 1943 aus dem Krakauer Ghetto und überlebte den Krieg mithilfe katholischer polnischer Familien.

Seine persönlichen Erfahrungen fanden starken Niederschlag in dem Film Der Pianist, der den quälenden Kampf eines jüdisch-polnischen Konzertpianisten ums Überleben im Holocaust zeigt.

1969 wurde seine schwangere Frau, die Schauspielerin Sharon Tate, brutal von Mitgliedern der Charles Manson "Familie" ermordet, die in Polanskis Mietwohnung in Hollywood einbrach. Polanski hielt sich damals in London auf.

Diese tragischen persönlichen Umstände können die Gnadenlosigkeit nicht mildern, mit der die amerikanischen Behörden den Regisseur verfolgen.

Seit seiner Flucht aus den USA lebt Polanski in Frankreich. Er hat häufig Polen, Deutschland und andere Länder besucht, wo er glaubte, vor der Auslieferung in die USA sicher zu sein. Er hat weiterhin Filme gedreht, unter anderem den Film The Ghost, den er im Frühjahr in Babelsberg drehte. Ganz in der Nähe hatte er auch Der Pianist gedreht.

Der New York Times zufolge ist der Film "ein Thriller über einen Ghostwriter, dessen Leben in Gefahr gerät, als er bei der Arbeit an den Memoiren eines ehemaligen britischen Premierministers Geheimnisse entdeckt". Polanskis Verhaftung könnte die Aufführung des Films verhindern.

Der britische Romanautor Robert Harris, der in den letzten Jahren mit Polanski zusammengearbeitet und zwei Drehbücher für ihn geschrieben hat, äußerte sich empört über die Verhaftung des Regisseurs. "Ich bin schockiert", ließ er verlauten, "dass ein 76-Jähriger, berühmt oder nicht, so behandelt wird." Er fügte hinzu: "Es ist kaum zu glauben, dass dieses massive Vorgehen nicht einen politischen Hintergrund hat."

Siehe auch:
Ein Überlebender des Warschauer Ghettos: Roman Polanskis "Der Pianist"
(26. Februar 2003)
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