Porsche-Piëch-Clan plündert VW-Kasse

Gewerkschaft und Betriebsrat geben grünes Licht

Mit Bekanntwerden der Zahlen steht fest, was die Übernahme Porsches durch VW bedeutet. Die Milliardärsfamilien Porsche und Piëch werden aus ihrer gigantischen Fehlspekulation freigekauft und als Zugabe mit dem größten Anteil an Volkswagen belohnt. Der spektakulärste Übernahmecoup in der deutschen Nachkriegsgeschichte endet mit der maßlosen Bereicherung eines kleinen Familienclans - mit stillschweigender Unterstützung von Gewerkschaften und Politik.

In seiner Septemberausgabe berichtet das Managermagazin, dass Volkswagen für die Übernahme von Porsche knapp 16 Mrd. Euro hinblättern wird: 7 Mrd. für die Übernahme, 5 Mrd. an Schulden und 3,55 Mrd. für die Salzburger Porsche Holding. Im Gegenzug werden die Familien Porsche-Piëch 35-40 Prozent der Aktien des Volkswagen-Konzerns erhalten. Wenn auch nicht ganz wie gewünscht, ist den Familien letztendlich damit gelungen, was sie angestrebt hatten: mit der Plünderung der VW-Kasse, in der sich 12 Mrd. Euro befinden, eine Mehrheit an Volkswagen zu sichern.

Der seit 2005 insgeheim verfolgte Plan sah vor, dass der wesentlich kleinere Sportwagenhersteller Porsche mit seinen 2008 gut 100.000 verkauften Autos und ca. November 500 Mitarbeitern den Weltkonzern Volkswagen mit über 6 Mio. verkauften Autos und über 320.000 Mitarbeitern übernimmt. Mit einem sogenannten Gewinn- und Beherrschungsvertrag, der ab einer Beteiligung von 75 Prozent möglich geworden wäre, wollte Porsche an die prall gefüllte VW-Kasse, um sich die Übernahme in bester Hedgefond-Manier vom Übernahmeopfer später bezahlen zu lassen. Dies scheiterte nicht nur an der Finanzkrise, in deren Folge die Autoverkäufe von Porsche um ein Viertel einbrachen, sondern vor allem am VW-Gesetz, das von der EU-Kommission entgegen ihrer eigenen Ankündigung nicht gekippt wurde. Damit behielt das Land Niedersachsen mit seinem Anteil von 20 Prozent an VW sein aus der Nachkriegszeit stammendes Vetorecht (nach europäischem Aktienrecht wären dafür sonst 25 Prozent nötig), und Porsche blieb der unmittelbare Zugriff auf die VW-Kasse verwehrt.

Es kam jedoch anders. Porsche stand unmittelbar vor der Pleite, und die Familien Piëch-Porsche, denen Porsche zu 100 Prozent gehört, drohten alles zu verlieren. Porsche hatte mit dem Aufkauf von über 51 Prozent der VW-Aktien und Optionen auf weitere 25 Prozent zu immer höheren Kursen einen Schuldenberg von über 14 Mrd. Euro angehäuft.

Die Lösung, die nach monatelangen Verhandlungen hinter den Kulissen durchgesetzt wurde, ist von grundlegender politischer Bedeutung. Sie zeigt, wie weit sich die bundesdeutsche herrschende Klasse und die Gewerkschaften vom sozialstaatlichen Nachkriegskonsens entfernt haben und bereit sind, hemmungslos die Interessen einer Wirtschaftsoligarchie zulasten der Mehrheit der Bevölkerung durchzusetzen.

Die Gewerkschaften und das Land Niedersachsen, das wegen der öffentlichen Finanzen und der regionalen Bedeutung von VW als Arbeitgeber ein besonderes Interesse am Schicksal von VW haben müsste, stimmten beide ohne jeden Protest diesem Freikauf zu! Ohne besonderen Zynismus kann man sagen, dass von einer CDU-geführten Landesregierung kaum etwas anderes zu erwarten war. Die Zustimmung der IG-Metall bedarf jedoch einer besonderen Erklärung. Sie zeigt die weit fortgeschrittene Fäulnis der Gewerkschaften und macht deutlich, dass die "Sozialpartnerschaft" und von den Betriebsräten gepriesene "Mitbestimmung" dazu dient die Profitinteressen gegen die Beschäftigten durchzusetzen.

Wie kaum ein anderes Unternehmen steht Volkswagen für den bundesdeutschen Klassenkompromiss der Nachkriegszeit. Die Löhne der Beschäftigten liegen etwa 20 Prozent über dem Durchschnitt, und ganze Regionen z. B. der Raum Wolfsburg/Braunschweig oder das Emsland hängen vom Wohlergehen des Konzerns ab. 98 Prozent der Beschäftigten sind gewerkschaftlich organisiert, und Volkswagen gilt als Musterbeispiel für die Mitbestimmung. Das Land Niedersachsen hat mit seinem 20 Prozent-Anteil ein europaweit einmaliges Vetorecht im Konzern und finanziert seinen Haushalt in beträchtlichem Maße mit VW-Dividenden. Mehr noch, in den 60er Jahren trennte sich der Bund von seinem Anteil, indem er diesen streng kleinteilig als "Volksaktien" an einzelne Bürger verkaufte.

Mit der ausdrücklichen Zustimmung des Landes Niedersachsen und der Gewerkschaften im Aufsichtsrat, die dort zusammen die Mehrheit bilden, soll VW für die Spekulationsverluste von Porsche aufkommen, ohne dass jemand für diese grandiose Verschwendung von Milliarden zur Verantwortung gezogen wird.

Anstatt der in eigenen Gutachten vom Frühjahr veranschlagten maximal 8 Mrd. sollen für Porsche 12,4 Mrd. (ohne die Salzburger Holding) bezahlt werden, ein Betrag, der - wie es das Managermagazin vergleicht - dem Wert von 37 Prozent der Daimler AG entspricht. Nach dieser Ankündigung stürzten die Kurse der VW-Aktie von 240 Euro, der Preis, den Porsche zuletzt wohl noch bezahlte, auf 120 Euro ab. Das Emirat Katar, das als Notlösung ebenfalls mit 20 Prozent beteiligt wird, zahlt nur 80 Euro pro Aktie, offenbar den wahren Wert der Volkswagen-Aktie. Verluste aus weiteren Optionen über 3 Prozent der VW-Aktien wurden noch nicht bekannt gegeben, werden aber ebenfalls von VW übernommen. Sie sollen die höchsten pro Aktie sein.

Gerade am Beispiel VW ist diese Entscheidung der Gewerkschaftsvertreter im VW-Aufsichtsrat keine Überraschung, sondern ein neuer, noch krasserer Höhepunkt ihrer Degeneration. Der vor 2 Jahren vor Strafgerichten ausgetragene VW-Skandal um Lustreisen und Prostituierte für VW-Betriebsratsmitglieder auf Firmenkosten hatte die Beschränktheit und Käuflichkeit der Betriebsratsmitglieder ans Tageslicht gebracht und ahnen lassen, dass sie für noch Größeres gebraucht werden.

Seit Ferdinand Piëch 1993 Vorstandsvorsitzender und Peter Hartz Personalvorstand von VW wurde, entwickelten sich Betriebsrat und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zum regelrechten Co-Management. Die erste große Probe galt es 1993-1995 zu bestehen, als das bisherige Tarifsystem von VW aufgeweicht und eine 20 Prozentige Arbeitszeitverkürzung mit einer nur um weniges geringer ausfallenden Lohnkürzung durchgesetzt wurde. Im Januar 2007 wurde die Arbeitszeitverkürzung wieder rückgängig gemacht, allerdings mit nur symbolischem Lohnausgleich.

Ein weiterer Meilenstein war im Jahr 2001 die Gründung der Auto 5000 GmbH, mit der der Tarifvertrag ein weiteres Mal unterlaufen wurde. Im Namen der Schaffung neuer Arbeitsplätze wurde die Personalaufstockung von 4200 Arbeitern bis 2007 mit wesentlich geringeren Löhnen zugelassen. Seit der Auflösung der Auto 5000 GmbH Anfang 2009 gelten diese nur geringfügig kaschiert als neue Einstiegslöhne bei VW.

Um diese Ziele mit den Gewerkschaften durchzusetzen, wurde der Betriebsrat in für deutsche Verhältnisse bisher unbekanntem Ausmaß korrumpiert und hat sich korrumpieren lassen. Vor Gericht wurde bekannt, dass sich die offiziellen Bezüge allein von Klaus Volkert, Betriebsratsvorsitzender von 1990-2005, schon 1998 auf 440.000 Euro gesteigert hatten. Personalvorstand Peter Hartz, der unmittelbar für die Wohltaten gegenüber den Betriebsräten zuständig war, wurde 2007 wegen Untreue und Begünstigung des Betriebsrats zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einer Geldbuße von 576.000 Euro verurteilt. Er hatte Volkert von 1995-2005 jährliche "Sonderboni" in Höhe von 1,96 Mio. Euro zusätzlich und unversteuert gezahlt und dessen brasilianischer Geliebten weitere 400.000 Euro.

In einem weiteren Prozess gegen einen Untergebenen von Hartz, der in der Personalabteilung für den Betriebsrat zuständig war, kam an die Öffentlichkeit, dass Betriebsratsmitglieder jahrelang quasi unbegrenzten Zugriff auf ein Vorstandskonto hatten und Lustreisen und Bordellbesuche organisiert wurden. Während Hartz’ Strafe auf Bewährung ausgesetzt wurde, musste der ebenfalls verurteilte Volkert für 2 Jahre und 9 Monate ins Gefängnis.

Dass das nur die Spitze des Eisbergs war, zeigte die Geschwindigkeit, in der die Prozesse abgehandelt wurden (vor allem im Fall von Hartz in einem Prozess von nur 2 Tagen mit einem Geständnis und einer Urteilsabsprache hinter den Kulissen, so dass keine weiteren Zeugen mehr befragt werden mussten) und wie wenig kritischen Fragen weiter nachgegangen wurde. Dass der VW-Vorstand das Verhalten von Hartz und Volkert - im Gegensatz zum Gericht - ohnehin nicht als Veruntreuung des Betriebsvermögens ansieht, sondern als gut angelegtes Geld, zeigt sich schon darin, dass beide bis heute nicht zivilrechtlich auf Schadensersatz verklagt wurden.

Trotz dieser Enthüllungen hat sich an der Nibelungentreue des Betriebsrats gegenüber dem seit 2002 als Aufsichtsratsvorsitzenden fungierenden Ferdinand Piëch absolut nichts geändert. Im Gegenteil, mit der Zustimmung zur Plünderung der VW-Kasse wurde eine neue Qualität in der Handlangertätigkeit für diesen Oligarchenclan erreicht. Sie ist zu einer unmittelbaren Gefahr für das Unternehmen insgesamt geworden.

Das Managermagazin fragt mit nicht zu überhörender Sorge: "Zahlt Volkswagen einen zu hohen Solidarbeitrag? Infiziert der Porsche-Bazillus, Folge überspannter Ziele, nun womöglich VW?", und berichtet, dass Volkswagen, das sich in der Wirtschaftskrise im Vergleich zur Konkurrenz noch relativ gut schlagen konnte, schon jetzt mit etlichen Wirtschaftlichkeitsproblemen zu kämpfen hat. VW habe viel zu viele Beschäftigte, und der seit langem geplante massive Ausbau des Entwicklungsbereichs wurde abrupt gestoppt. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulf (CDU), der das Bundesland im Aufsichtsrat vertritt und der Übernahme zustimmte, sah sich bereits zu einem öffentlichen Dementi über bevorstehende Entlassungen gezwungen.

Die Porsche-Übernahme bedeutet ein Vabanquespiel, deren Konsequenzen noch nicht absehbar sind. Schon jetzt werden hinter verschlossenen Türen Szenarien für den allseits erwarteten Einbruch der Verkaufszahlen nach dem Ende der Abwrackprämie ausgearbeitet. Von Betriebsrat und Gewerkschaft werden die Beschäftigten nur eins zu erwarten haben: weiterhin unverbrüchliche Treue zu den Milliardärsfamilien!

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