Die Grünen im Saarland setzen auf Schwarz-Gelb-Grün

Die Rechtsentwicklung der Grünen hat mit ihrer Entscheidung, im Saarland eine so genannte Jamaika-Koalition zu bilden, einen neuen Höhepunkt erreicht.

Die Grünen haben sich letzten Sonntag auf ihrem Parteitag in Saarlouis mit einer satten Mehrheit von 78 Prozent dafür ausgesprochen, eine Koalition mit CDU und FDP einzugehen, und damit ein zunächst erwogenes Bündnis mit SPD und Linkspartei verworfen.

Selbst für viele Anhänger der Grünen, die bisher jede Rechtsverschiebung ihrer Partei mitgetragen haben, kam dies unerwartet. Dass die Grünen den gerade abgewählten CDU-Ministerpräsidenten Peter Müller an der Macht halten wollen, stieß auch in den Medien auf einige Verwunderung.

In den Sondierungsgesprächen, die die Grünen zunächst mit SPD und Linkspartei und dann mit CDU und FDP geführt hatten, war deutlich geworden, dass alle fünf Parteien in den wesentlichen politischen Fragen übereinstimmen. Die Vizefraktionschefin der Grünen, Willger-Lambert, betonte, man habe bei beiden Sondierungsgesprächen die "grünen Essentials" jeweils voll durchgesetzt. Von den möglichen Partnern seien "zwei fast gleichwertige" Angebote an ihre Partei gekommen.

Den Ausschlag dafür, dass sich die Grünen dann für eine Koalition mit CDU und FDP entschieden, gab schließlich die Bundespolitik. Die CDU wollte im Saarland unter allen Umständen an der Macht bleiben, um die neue schwarz-gelbe Bundesregierung zu stärken. Damit die Union und die FDP ihre Mehrheit im Bundesrat behalten und - wie Bundeskanzlerin Merkel sich auszudrücken pflegt - "durchregieren" können, durfte das Saarland nicht verloren gehen.

Aus diesem Grund kamen CDU und FDP den Grünen in Personalfragen weit entgegen. Obwohl sie mit einem Stimmenanteil von 5,9% im Landtag nur drei Abgeordnete stellen, sollen die Grünen in der neuen Regierung zwei Ministerposten erhalten - das Bildungsressort und ein neues Ministerium für Umwelt, Energie und Infrastruktur.

Nach der Wahl hatte zuerst alles nach einem Regierungswechsel an der Saar ausgesehen. Die Linke war sich schnell mit der SPD einig, und auch die Grünen sprachen sich zunächst für eine rot-rot-grüne Regierung aus. Der amtierende Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) war regelrecht abgewählt worden. Mit einem Ergebnis von 34,5% verfügte die bisher allein regierende CDU auch mit der FDP (9,2%) über keine Mehrheit mehr. Auch die SPD (24,5%) hatte deutlich eingebüßt, während die Linkspartei mit ihrem Vorsitzenden Oskar Lafontaine an der Spitze auf 21,3% kam. Lafontaine war früher jahrelang SPD-Ministerpräsident an der Saar gewesen.

Dennoch ist das grüne Bündnis mit FDP und CDU nicht so überraschend, wie es manche darzustellen versuchen. Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir strebt seit langem schwarz-grüne Regierungsbildungen an. Er begrüßte daher auch die Entscheidung der Saarland-Grünen als großen Sieg. Sie sei eine logische Konsequenz inhaltlicher Übereinstimmung. Gegenüber dem Deutschlandfunk sagte er: "Ich habe ja schon so manche Koalitionsvereinbarung erlebt und gesehen. Aber das, was uns da versprochen wurde, das gab es bislang nirgendwo."

Auch Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke stellte sich offen hinter den saarländischen Grünen-Chef Hubert Ulrich. Sie sagte der Süddeutschen Zeitung : "Das ist eine mutige Entscheidung, die es verdient, den Praxistest zu durchlaufen, bevor man den Stab über ihr bricht."

Andere Bundesvorstandsmitglieder äußerten sich vorsichtiger. So sagte die Fraktionsvorsitzende Renate Künast : "Das hat Experimentalcharakter für das Saarland. Sonst nichts." Und ausgerechnet Daniel Cohn-Bendit, der in Frankreich für ein Bündnis der Grünen mit der Sozialistischen Partei und der FDP-nahen MoDem François Bayrous wirbt, verglich den saarländischen Landeschef Hubert Ulrich in der taz mit einem "Mafioso".

Auch im Saarland hatten sich gewichtige Teile der Grünen, die dort nur über 1.000 Mitglieder verfügen, schon früh für eine Jamaika-Koalition ausgesprochen. In einer Stellungnahme der Homburger Grünen hieß es kurz nach der Wahl: "CDU, FDP und auch die Grünen im Land sind nun gefordert, eine Koalition der Mitte zu schmieden." Linksparteichef Oskar Lafontaine "links liegen zu lassen" sei im Wahlkampf eine der Botschaften der Grünen gewesen.

Man kann also getrost davon ausgehen, dass die Option der Grünen für eine Jamaika-Koalition im Saarland mit höchsten Grünen-Stellen abgesprochen war. Die grüne Führungselite signalisiert damit auch ihre Bereitschaft, auf Bundesebene jederzeit für schwarz-grüne oder schwarz-gelb-grüne Regierungskoalitionen zur Verfügung zu stehen.

Im Stadtstaat Hamburg regieren die Grünen seit Februar 2008 mit der CDU und tragen Dinge mit, die sie vor kurzem noch verteufelt hatten. Auf kommunaler Ebene haben die Grünen, alleine in Nordrhein-Westfalen Dutzende Bündnisse mit der CDU gebildet.

Auf dem Erfurter Parteitag im Herbst 2008 hatte Cem Özdemir, der zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde, die Grünen bereits auf weitere schwarz-grüne Regierungen eingestimmt. Nach seiner Wahl hatte er gesagt: "Es kann im Einzelfall durchaus sein, dass man grüne Inhalte besser mit Schwarz als mit Rot umsetzen kann." Aber auch für die rot-grüne Regierungszeit müsse sich die Partei nicht schämen. Er nahm damit ausdrücklich die Agenda 2010 und den Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan in Schutz.

Letztlich zeigen die Ereignisse an der Saar, dass es keine grundlegenden Unterschiede mehr zwischen den konservativen Parteien CDU/CSU und FDP und den fälschlicherweise immer noch als "links" bezeichneten Parteien SPD, Linke und Grüne gibt. Angesichts der Wirtschaftskrise rücken alle Bundestagsparteien nach rechts und orientieren sich an den Forderungen der Banken und der Wirtschaftsverbände. Es handelt sich bei allen um staatstragende Parteien, die sich das Ziel setzen, die kapitalistische Ordnung gegen die sozialen Interessen der breiten Bevölkerung zu verteidigen.

Darüber waren sich auch die Parteien im Saarland völlig einig. Im Mittelpunkt der "gleichwertigen Angebote", die sowohl CDU und FDP als auch SPD und Linkspartei den Grünen unterbreiteten, stand ein strikter Sparkurs. Alle stimmten überein, dass sich die zukünftige Regierung an die Schuldenbremse hält, d.h. dass sie bei den Sozialausgaben noch mehr einspart und Arbeitsplätze (u. a. im Bergbau) streicht.

So sprach sich die Linkspartei ausdrücklich für die Schließung des Kohlebergbaus aus, ohne jede Bedingung für die Schaffung neuer adäquater Arbeitsplätze. Damit kam sie den Grünen und der FDP entgegen, die mit dem Argument "umweltschädlich" bzw. "marktbereinigend" am liebsten auch Konzerne wie Opel platt machen würden.

In den Sondierungsgesprächen mit der SPD hatte Linken-Chef Lafontaine die "verheerende" Haushaltssituation im Saarland beschworen. Zentraler Punkt des Gesprächs sei die schwierige finanzielle Situation des Landeshaushalts gewesen, die aufgrund der Einnahmeausfälle der öffentlichen Hand noch schwieriger werde, sagte er. SPD-Landeschef Heiko Maas, der sich schon als zukünftiger Ministerpräsident wähnte, sagte nach dem Treffen: "Wir sind uns in den inhaltlichen Fragen, die wir angesprochen haben, weitestgehend einig."

Auch die inhaltlichen Zugeständnisse, die die saarländische CDU und FDP den Grünen machten, bedeuten alles andere als einen Politikwechsel. Was ist z.B. von Versprechungen der saarländischen CDU zu halten, sie denke über einen Atomausstieg nach, während sie im Bund gerade mit der FDP über eine Verlängerung der Laufzeiten für Atommeiler verhandelt. Und ob die CDU die von ihr eingeführten Studiengebühren wieder zurücknehmen wird, ist angesichts der Schuldenbremse mehr als fraglich. Und selbst wenn sie es tun sollte, wird sie die fehlenden Millionen woanders einsparen.

Auf Bundesebene wird es mit den kosmetischen Zugeständnissen, die Union und FDP in den Koalitionsverhandlungen angekündigt haben, bald vorbei sein. Sobald die neue Regierung damit beginnt, die ganze Last der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Masse der Bevölkerung abzuwälzen, wird sie sich auf stabile Mehrheiten in Bund und Ländern stützen können. Die Grünen im Saarland, aber auch die SPD in Thüringen, die sich - ebenfalls überraschend - für eine Koalition mit der CDU entschieden hat, haben ihren Teil dazu beigesteuert.

Die zukünftige Bundesregierung kann sich aber auch auf die SPD und die Linkspartei stützen, um ihre Angriffe gegen die Bevölkerung durchzusetzen. Das zeigt die Entwicklung in Brandenburg. Dort hat sich die SPD von Ministerpräsident Matthias Platzeck nach zehn Jahren großer Koalition entschieden, das Bündnis mit der CDU aufzukündigen und eine Regierung mit der Linkspartei zu bilden.

Platzecks Begründung ist höchst aufschlussreich. Er hatte die Zusammenarbeit mit der CDU noch im Wahlkampf als "sehr erfolgreich und vertrauensvoll" gelobt und in den Sondierungsgesprächen mit der CDU Übereinstimmung erzielt. Zur Empörung der CDU entscheid er sich dann aber trotzdem zu einem Koalitionswechsel, was ihm von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) den Vorwurf des "Verrats" eintrug.

Platzeck kalkulierte anders. Er war sich zwar mit seinen CDU-Kollegen einig darüber, dass eine harte Runde von Sparmaßnahmen und Sozialabbau unumgänglich sei. Doch um diese gegen die arbeitende Bevölkerung durchzusetzen, hält er die Linkspartei für weit geeigneter. Ohne einen Hehl daraus zu machen, begründete er seine Entscheidungen für Rot-Rot damit, dass er von den Linken eine größere Verlässlichkeit für die anstehenden schwierigen Entscheidungen im Land erwarten könne.

Der Berliner Morgenpost vom 16. Oktober zufolge haben sich SPD und Linke grundsätzlich auf einen umfangreichen Personalabbau in den nächsten fünf Jahren geeinigt. Die SPD will demnach bis 2019 in der Landesverwaltung 10.000 Arbeitsplätze streichen, also jede fünfte der derzeit 50.000 Stellen. Auch in anderen Bereichen hat Platzeck für die künftige rot-rote Regierung einen drastischen Sparkurs angekündigt.

Platzeck, auch bekannt für sein Festhalten an Hartz IV und Schröders Agenda 2010, beruft sich zu Recht auf die Verlässlichkeit, die die Linkspartei in der Berliner Landesregierung bewiesen hat. Was SPD und Linkspartei in ihrer achtjährigen Berliner Regierungszeit an sozialen Angriffen gegen die Bevölkerung durchgesetzt haben, ist bundesweit ohne Beispiel. Selbst in unionsregierten Bundesländern gab es nicht einen derartigen systematischen sozialen Kahlschlag.

Es ist kein Zufall, dass Thilo Sarrazin (SPD) jahrelang als Finanzsenator die Sparmaßnahmen des Berliner Senats diktierte und nun, nach seinem Wechsel in die Chefetage der Bundesbank, rassistische Attacken verbreitet. Seine rechtsradikalen Provokationen sagen mehr über die Geisteshaltung der Koalition von SPD und Linkspartei, als sämtliche Programme der Linkspartei zusammen.

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