Scottish National Party will Ausgaben drastisch kürzen

Die Minderheitsregierung der Scottish National Party in Edinburgh bereitet als Folge der Wirtschaftskrise tiefe Einschnitte bei den Ausgaben vor. Der Haushaltsentwurf der SNP beinhaltet Kürzungen der Mittel für die Kommunen, die Streichung von Investitionsprogrammen und eine Reduzierung der Haushaltsmittel für den Wohnungsbau.

Eine geplante Bahnverbindung zum Flughafen Glasgow wurde gestrichen, was wahrscheinlich 1.300 Arbeitsplätze kosten wird. Finanzminister John Swinney erklärte, diese Entscheidung sei notwendig, um eine Kürzung des Parlaments in London über 219 Millionen Pfund für den National Health Service Schottlands wettzumachen. Das heißt aber nicht, dass es in den nächsten Jahren in Schottland keine Kürzungen im Gesundheitswesen geben wird. Wie Swinney bestätigte, werden Haushaltskürzungen in den nächsten Jahren unvermeidlich sein.

Die Ausgaben für den Wohnungsbau werden um ein Drittel oder 250 Millionen Pfund gekürzt. Der Bildungsetat wird um 50 Millionen Pfund reduziert, was vor allem die Lehrerausbildung beeinträchtigt.

Swinney behauptete, der Haushalt werde lebenswichtige Dienstleistungen schützen. Dabei bezog er sich vor allem darauf, dass die Ausgaben für Gesundheit nächstes Jahr leicht ansteigen werden. Auch werden die Verschreibungsgebühren für Rezepte abgeschafft, und ältere Menschen werden den öffentlichen Nahverkehr kostenlos nutzen können. Die schottische Regierung kann sich diese bescheidenen Maßnahmen leisten, weil Schottland von der Barnett-Formel profitiert. Die Formel legt fest, wie die den britischen Regionen zustehenden Mittel aufgeteilt werden. Schottland erhält pro Kopf der Bevölkerung ungefähr eineinhalb Mal soviel wie die übrigen britischen Regionen.

Dennoch werden die drohenden Kürzungen dadurch nicht verhindert. Die kommunalen Ausgaben werden eingefroren, und das wird sich empfindlich auf öffentliche Dienstleistungen wie Bildung, Sozialarbeit und Müllabfuhr auswirken. Der Stadtrat von Edinburgh wird seine Ausgaben für Dienstleistungen generell um vier Prozent senken. Ohne Arbeitsplatzabbau wären es acht Prozent, wie der Ratsvorsitzende der Zeitung Scotsman sagte. In der Stadtverwaltung von Glasgow werden schon Arbeitsplatzanalysen geschrieben, und Gewerkschafter befürchten einen Abbau von zehn Prozent, d.h. von bis zu 2.000 Arbeitsplätzen. Der Stadtrat von Renfrewshire erwartet bis 2013 Ausgabenkürzungen von fünfzehn Prozent. Gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit.

Die aufgeführten Kürzungen sind nur der erste Schritt eines umfassenden Angriffs auf die Staatsausgaben in der nächsten Zeit. Kurz vor der Veröffentlichung des Haushaltsentwurfs sagte Fergus Ewing, ein führendes SNP-Mitglied, vor dem Schottischen Parlament in Holyrood: "Wir stehen vor Kürzungen der Staatsausgaben wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Alle Bereiche der öffentlichen Hand werden weniger Geld zum Ausgeben haben. Und das nicht nur nächstes Jahr, sondern wahrscheinlich mehrere Jahre lang."

In einem Bericht des Centre for Public Policy for Regions hieß es vor kurzem, dass in den nächsten vier Jahren Ausgabenkürzungen im Umfang von zweieinhalb Milliarden Pfund erforderlich seien. Das wären ca. acht Prozent des schottischen Haushalts. Der Thinktank schlug einen sofortigen Lohnstopp für den öffentlichen Dienst, die Privatisierung der schottischen Wasserwerke und weitere Kürzungen bei den Schulen vor.

In dem Bericht ist zu lesen: "Ein neues Zeitalter der Sparpolitik zieht herauf, und es bleibt wenig Zeit, sich darauf vorzubereiten. Auf vielen Gebieten, in denen deutliche Sparpotentiale zu erreichen sind, wirken die Maßnahmen erst längerfristig. Deshalb sind sofort einige radikale Ideen gefragt."

Und weiter: "Ausgaben und Ideen, die früher Tabu waren, werden es nicht mehr sein. Eine detaillierte Analyse aller Haushaltsposten wird notwendig sein, um die Auswirkungen der Kürzungen vor Ort zu vermindern."

Die SNP unter Führung ihres Ersten Ministers, Alex Salmond, versucht, die Schuld für Haushaltskürzungen auf die Labour-Regierung in London abzuschieben. Im schottischen Parlament wird gerade die gesetzliche Grundlage für das Unabhängigkeitsreferendum diskutiert. Um das Referendum zu stärken, behauptet die SNP, Labour habe die Haushaltsmittel für Schottland für das kommende Jahr um fünfhundert Millionen Pfund gekürzt. Labour-Politiker kontern, dafür sei die SNP verantwortlich, denn sie habe Investitionen über mehr als dreihundert Millionen Pfund, die für das Haushaltsjahr 2010-11 vorgesehen waren, schon letztes Jahr ausgegeben.

Die SNP schiebt die Schuld für die Kürzungen auf London ab und versucht, ihre Forderung nach Unabhängigkeit als einziges Mittel hinzustellen, wie öffentliche Ausgaben vor Kürzungen geschützt werden könnten.

In diesem Zusammenhang sind Enthüllungen des Scotsman interessant, die sich auf die Vorbereitung auf die Unabhängigkeit Schottlands beziehen. Anfang des Monats veröffentlichte die Zeitung einen Bericht über ein Treffen führender Staatsbeamter von Anfang des Jahres in Edinburgh. Dort wurden praktische Schritte für den öffentlichen Dienst erörtert, die in der Vorbereitung auf die Lostrennung von England schon umgesetzt werden.

Aus dem Protokoll geht hervor, welcher Art die geplanten Beziehung zwischen einem unabhängigen Schottland und dem britischen Staat sein werden. Die Teilnehmer sprachen darüber, dass Beamte bereits die Möglichkeit untersucht hatten, wie die Sozialsysteme von Edinburgh aus organisiert werden könnten. In dem Protokoll wird Angiolina Foster, die schottische Regierungsdirektorin für strategische Fragen, mit den Worten zitiert: "Wir müssen sicherstellen, dass die Maßnahmen, die wir treffen, das Wirtschaftswachstum ankurbeln, dass wir Mittel dafür umlenken, dass sie den Zielen der schottischen Regierung dienen und dem Kriterium gerecht werden, Schottland nachhaltig auf eine unabhängige Existenz vorzubereiten."

Seit ihrer Amtsübernahme 2007 hat die SNP-Minderheitsregierung bis zu vierzehn Teams von Beamten damit beschäftigt, diese Pläne auszuarbeiten. Salmond hält an seiner Forderung nach einem Unabhängigkeitsreferendum Ende 2010 fest, obwohl die drei Oppositionsparteien Widerstand leisten.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise, die 2008 ausbrach, war ein schwerer Schlag für die Perspektive der SNP für ein unabhängiges Schottland. Sie brachte die beiden wichtigsten Finanzinstitutionen des Landes an den Rand des Zusammenbruchs. Die jüngsten Pläne zeigen jedoch, dass die Gefahr eines Auseinanderbrechens des Vereinigten Königreichs immer noch besteht. Angesichts andauernder wirtschaftlicher Instabilität wird dieser Prozess zu immer schärferen Konflikten führen. Im Protokoll des Treffens steht, dass jede künftige Beziehung zwischen London und einem unabhängigen Schottland hauptsächlich von "Konfrontation und Konflikt" geprägt wäre.

Diese Aussicht scheint die Anwesenden nicht beunruhigt zu haben. Das Protokoll vermerkt lediglich, dass ein unabhängiges Schottland in den Beziehungen zu London "auf vier Modi zurückgreifen wird: Konfrontation und Konflikt, Wettbewerb, Koexistenz und Zusammenarbeit. Wir müssen mit einer Mischung aus diesen Strategien arbeiten, um das beste Ergebnis für Schottland zu erreichen."

Das Programm der SNP ist weit davon entfernt, "das beste Ergebnis für Schottland" darzustellen. Es drückt die Meinung der lokalen Wirtschaftselite aus, die die Loslösung Schottlands vom Vereinigten Königreich als Mittel für ihre eigene Bereicherung auf Kosten der Arbeiterklasse sieht. Das wurde vor dem Finanzkollaps im letzten Jahr immer deutlicher. Damals beschworen die Journalisten die Hoffnung, dass Edinburghs starker Finanzsektor, die Einnahmen aus dem Nordseeöl und Senkungen der Unternehmenssteuern die Grundlage für eine lebensfähige Zukunft der schottischen Wirtschaft abgeben könnten. Ein unabhängiges Schottland könnte sich in den "Bogen des Wohlstands" einreihen, der damals von Irland über Island bis Norwegen reichte.

Alle diese Hoffnungen sind jetzt zerplatzt, und das Gerede über die Chance Schottlands, zu einem wohlhabenden Land zu werden, ist praktisch verstummt. Stattdessen fordert die Wirtschaftselite ungeschminkt, der Arbeiterklasse die Last der Wirtschaftskrise durch Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen aufzubürden.

Der jüngste Haushaltsentwurf ist nur ein Beispiel für diesen neuen Kurs der SNP. Sie betont jetzt noch stärker ihre Forderung nach eigener Steuergesetzgebung für Holyrood, um die Unternehmenssteuern auf 12,5 Prozent senken zu können. Damit soll Schottland zu einer Billiglohnplattform und einem Paradies für das Finanzkapital gemacht werden. Die Folgen einer solchen Strategie sind heute schon in Irland deutlich zu sehen, wo die Regierung brutale Ausgabenkürzungen auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung durchführt.

Siehe auch:
Die Scottish National Party veröffentlicht ein Unabhängigkeitspapier
(4. September 2007)
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