Srilankischer Präsident erfindet "internationale Verschwörung"

Im Mai eroberte die srilankische Armee die letzten Gebiete, die von den separatistischen Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) gehalten wurden. Dabei liquidierte die Armee fast alle leitenden LTTE-Führer. Seither haben die Kämpfe aufgehört, doch nicht eins der Probleme, die dem Konflikt zugrunde lagen, wurde gelöst. 26 Jahre lang haben sämtliche Regierungen in Colombo den anti-tamilischen Krieg benutzt, um den Unmut der arbeitenden Bevölkerung über ihre miese Lage abzulenken, zu spalten und unter Kontrolle zu halten.

Jetzt, wo der Krieg vorbei ist, hat Präsident Rajapakse eine "internationale Verschwörung" erfunden, um die ideologische Lücke zu füllen. Mit Unterstützung der Medien in Colombo lässt sich die Regierung ständig über ausländische Mächte aus, die sie jedoch nicht beim Namen nennt, und über Mitverschwörer im Inland. Sie würden angeblich den Namen der srilankischen Armee in den Dreck ziehen und deren "Sieg" über die "Tiger Terroristen" untergraben. Die Verschwörungstheorie hängt eng mit dem übersteigerten Nationalismus der Regierung zusammen. Sie dient als Rechtfertigung, um alle Kritiker ihrer Kriegsverbrechen und ihrer demokratiefeindlichen Methoden mundtot zu machen.

Am letzten Samstag fand die Wahl zum Provinzrat des Südens statt, und das Thema spielte im Wahlkampf eine zentrale Rolle. Am 7. Oktober sagte Regierungschef Rajapakse auf einer Wahlkundgebung: "Ein Teil der internationalen Gemeinschaft konspiriert mit einigen Einheimischen, die ihre eigenen Interessen verfolgen. Sie schädigen den Ruf des Landes und beschmutzen den Namen seiner Kriegshelden mit falschen und verleumderischen Anschuldigungen ... Obwohl wir starke und freundschaftliche Beziehungen zu anderen Ländern unterhalten, sind wir nicht bereit, uns der Ungerechtigkeit und ungerechtfertigten Bedingungen zu beugen. Wir würden niemals die Ehre unseres Mutterlandes verraten. Sie steht über allem."

Die "Verschwörung", um die es hier geht, begann im Mai, als mehrere europäische Mächte mit der Unterstützung der USA versuchten, im UN-Menschenrechtsrat eine Resolution zu verabschieden. Darin wurde eine Untersuchung von Kriegsverbrechen in Sri Lanka und besseren Zugang zu den Internierungslagern gefordert, in denen mehr als 250.000 tamilische Zivilisten eingepfercht sind. In den letzten Kriegswochen war die Armee für den Tod Tausender Zivilisten verantwortlich, die starben, als das Restgebiet der LTTE willkürlich bombardiert wurde.

Angesichts der mörderischen Kriege der USA und ihrer Verbündeten in Afghanistan und im Irak war die Resolution vollkommen heuchlerisch. Die USA und die Europäer wollten damit Druck auf die Rajapakse-Regierung ausüben, um den Einfluss Washingtons in Colombo zu stärken und den seiner Rivalen, besonders China, zu schwächen. Die srilankische Regierung blockierte diese Resolution mit Unterstützung Chinas, Russlands und Indiens und ließ eine zynische Gegenresolution verabschieden, die ihren Sieg im "Krieg gegen den Terror" lobte.

Anhaltender Druck der USA und der europäischen Mächte auf Sri Lanka hat die "Verschwörungstheorie" am Leben erhalten. Nach ihrem Scheitern im UN-Menschenrechtsrat hielten die USA einen dringend benötigten Kredit des IWF monatelang zurück, während die srilankische Wirtschaft immer tiefer in die Rezession abglitt. Die Europäische Kommission hat gedroht, ihr allgemeines Präferenzsystem für srilankische Exporte zu stoppen, wenn nicht eine Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen durchgeführt wird. Dieser Verlust der Begünstigung von Textil- und anderen Exporten würde für Sri Lanka den Verlust von ca. 150 Millionen Dollar bedeuten.

Als amerikanische und europäische Vertreter verhalten Kritik übten, gossen sie weiter Öl ins Feuer. Am 30. September erklärte Außenministerin Hillary Clinton im UN-Sicherheitsrat: "Wir haben Vergewaltigung als Mittel des Kriegs zuvor schon in Bosnien, Burma, Sri Lanka und anderswo erlebt." Diese Bemerkungen riefen in den Medien in Colombo einen Sturm der Entrüstung und Kritik von Seiten der srilankischen Regierung hervor. Eine Sprecherin des US-Außenministeriums erklärte, zwar gebe es keine Berichte, dass das srilankische Militär Vergewaltigungen als Waffe eingesetzt habe, doch müsse sich Colombo jetzt "auf die Zukunft konzentrieren und auf Frieden und die Verteidigung der Menschenrechte hinarbeiten".

Es ist absurd, wenn sich Rajapakse jetzt als Gegner der Großmächte aufspielt. Er kann die "westlichen Verschwörer" nicht mal beim Namen nennen, weil seine Regierung verzweifelt versucht, die Differenzen mit den USA und Europa zu bereinigen. Der Präsident hat seinen Bruder und Berater Basil Rajapakse nach Europa geschickt, um den Standpunkt der srilankischen Regierung zu erläutern und sich für den Erhalt der Handelsbegünstigung einzusetzen. Doch eine Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen lehnt er nach wie vor ab.

Trotzdem klammert sich Rajapakse wie ein Ertrinkender an seine "westliche Verschwörungstheorie". Seine Regierung hat zwar mehrere Wahlen zu Provinzräten locker gewonnen, aber die Ergebnisse sind trügerisch. Die Hauptoppositionsparteien, United National Party (UNP) und Janatha Vimukthi Peramuna (JVP), bieten der arbeitenden Bevölkerung keine Alternative. Sie haben den Krieg unterstützt und bei den triumphalen Siegesfeiern mitgemacht. Heute bestreiten sie energisch, in irgendeiner Weise das Ansehen des Landes zu beschmutzen. Keine dieser Parteien hat eine Lösung für die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Arbeiter und Bauern.

Unzufriedenheit und Zorn nehmen in der Bevölkerung aber zu. Fünf Monate nach Ende des Krieges verlieren Rajapakses Beteuerungen, der Sieg werde in eine neue Ära von Frieden und Wohlstand münden, ihren Glanz. Die Regierung hat durch ihre gewaltigen Militärausgaben eine tiefe Wirtschaftskrise hervorgerufen, die durch die globale Rezession noch verschärft wird. Die Arbeitslosigkeit ist im zweiten Quartal auf 6,3 Prozent hochgeschnellt, von 5,2 Prozent im ersten Quartal. Laut staatlicher Statistik sind im zweiten Quartal 2009 155.000 Industriearbeitsplätze verloren gegangen. Die Regierung hat den IWF-Kredit schließlich doch noch erhalten und bereitet jetzt brutale Kürzungen der Sozialausgaben und der Preissubventionen vor. Sie will die Privatisierung beschleunigen und die Löhne niedrig halten.

Aus Furcht vor dem Ausbruch sozialer Unzufriedenheit hält die Regierung an dem riesigen Sicherheitsapparat fest. Im Laufe des Kriegs hat sie einen regelrechten Polizeistaat aufgebaut. Mit Zustimmung der Oppositionsparteien verlängert das Parlament die Notstandsbestimmungen, die dem Präsidenten weitgehende undemokratische Vollmachten verleihen. Anstatt die Armee zu demobilisieren, wird sie weiter ausgebaut. Die permanente Besetzung des Nordens und Ostens der Insel wird vorbereitet. Im ganzen Land sind weiterhin Straßensperren und Kontrollpunkte errichtet, an denen bis an die Zähne bewaffnete Polizisten und Soldaten stehen. Sicherheitsrazzien in Wohngebieten, willkürliche Verhaftungen ohne Prozess und das "Verschwinden" von Regierungsgegnern sind immer noch an der Tagesordnung.

Die Regierung sieht sich gezwungen, Rechtfertigungen für diese drakonischen Maßnahmen zu erfinden. Neben der Theorie einer "internationalen Verschwörung" nimmt die Regierung auch zur Sprache des Militarismus Zuflucht. Kurz nach der Liederlage der LTTE kündigte Rajapakse einen "Wirtschaftskrieg" zum Aufbau der Nation an. Er dient als Vorwand, um im Interesse der Profite erneut Opfer von der arbeitenden Bevölkerung zu verlangen. Rajapakse hat außerdem "der Unterwelt den Krieg erklärt", um die außergerichtliche Ermordung von angeblichen Verbrechern zu rechtfertigen.

Gleichzeitig verbreiten Verteidigungsministerium, Militär und Polizei ständig Horrorgeschichten, um die vergiftete Atmosphäre zwischen den Volksgruppen am Leben zu erhalten. Täglich werden die Verhaftung von LTTE-"Terroristen", die Entdeckung von Sprengstoffgürteln und riesige Waffen- und Munitionsfunde gemeldet. Die Medien in Colombo erwecken den Eindruck, als sei der Krieg noch gar nicht beendet.

Einige Überschriften der letzten Zeit vermitteln einen Eindruck von der Atmosphäre: "Dreißig Kilo Sprengstoff in Puthukkudiyiruppu gefunden"; "Arzt verhaftet, der Tiger unterstützt hat"; und "Lieferwagen mit Tiger-Sprenstoff entdeckt - er sollte nach Colombo geschmuggelt werden". Letzte Woche beantragte Premierminister Ratnasiri Wickremanayake die Verlängerung der Notstandsmaßnahmen und begründete sie damit, dass "die Terroristen zwar besiegt" seien, aber immer noch Gefahren drohten.

Die wirkliche Verschwörung gegen die arbeitende Bevölkerung geht von der Regierung und dem gesamten politischen Establishment in Colombo aus. Sie sind völlig unfähig, das Verlangen der Arbeiter und Armen nach demokratischen Rechten und einem anständigen Lebensstandard zu befriedigen. Deshalb halten sie an anti-tamilischem Rassismus, Verschwörungstheorien, Halbwahrheiten und Lügen fest. Sie bereiten Polizeistaatsmaßnahmen für den Fall vor, dass sich die Arbeiterklasse gegen die Angriffe auf Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen und den Lebensstandard zur Wehr setzt.

Siehe auch:
Srilankischer Präsident schiebt "politische Lösung" mit tamilischer Elite auf
(4. August 2009)
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