Brandenburg: Linkspartei übernimmt Verantwortung für massiven Stellenabbau

Im Eiltempo haben sich SPD und Linkspartei vier Wochen nach der Landtagswahl auf einen Koalitionsvertrag für die erste rot-rote Landesregierung in Brandenburg geeinigt. Die Linkspartei ist in nahezu allen Punkten den SPD-Forderungen nachgekommen.

Dies ist nicht besonders überraschend, da beide Parteien ohnehin in hohem Maße programmatisch übereinstimmen. Und in den beiden strittigen Fragen - massiver Abbau von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst und Braunkohleverstromung - hat die Linkspartei auf ganzer Linie kapituliert.

Die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst soll nun, wie von der SPD gefordert, in den nächsten Jahren von jetzt 51.000 auf 40.000 zurückgehen. Die Linke, die sich gerne als Verfechterin des Sozialstaats gebärdet, übernimmt damit selbst die Verantwortung, jeden fünften Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst zu zerstören.

Belohnt wird sie dafür unter anderem mit vier Ministerposten. Passenderweise übernimmt die Linke das Finanzministerium, das für die Haushaltskürzungen zuständig ist. Außerdem stellt sie die Minister für Justiz, für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz sowie für Wirtschaft und Europa.

Die Tatsache, dass die Linke sämtliche Schlüsselressorts außer dem des Inneren erhält, hat für einige Verwunderung gesorgt. Dass die SPD von Ministerpräsident Matthias Platzeck auf diese entscheidenden Regierungsposten verzichtet und die Linkspartei ihrerseits breit ist, sie zu übernehmen, hat größere politische Bedeutung.

Zwei Dinge lassen sich daraus ablesen: Erstens ist die Linkspartei fest entschlossen, bundesweit Regierungsverantwortung zu übernehmen. Angesichts einer tiefen Krise der kapitalistischen Wirtschaft und dem anhaltenden Zerfall der SPD bietet sie sich als verlässliche Stütze der bürgerlichen Ordnung an.

Und zweitens halten es nicht Wenige in der SPD - wie Platzeck, der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles - angesichts des Niedergangs der SPD für erforderlich, vermehrt Bündnisse mit der Linkspartei einzugehen. Sie verhelfen ihr zu höchsten Regierungsämtern, um ihren Rechtsruck zu unterstützen. Brandenburg verspricht daher eine Art Feuertaufe für die Linkspartei zu werden. Wie schon in Berlin wird sie jetzt auch in Brandenburg beweisen dürfen, dass sie gemeinsam mit der SPD Sozialabbau und Sparmaßnahmen effektiver durchführen kann, als andere Landesregierungen.

Die Entscheidung der Linkspartei, in Brandenburg höchste Regierungsämter zu übernehmen, ist von der Parteispitze um Lafontaine und Gysi mit Sicherheit nach Kräften gefördert worden. Sie hatten auch im Saarland und in Thüringen Regierungsbeteiligungen angestrebt. Obwohl es in beiden Bundesländern entsprechende Mehrheiten gab, hatten sich die SPD in Thüringen und die Grünen im Saarland aber für Koalitionen mit der CDU entschieden.

Alle, die behauptet haben, die rot-rote Regierung in Berlin mit ihrer zutiefst unsozialen und arbeiterfeindlichen Politik sei eine Ausnahme, bekommen jetzt eine schallende Ohrfeige. Nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags in Brandenburg sollte man sich hüten zu sagen, die Linkspartei stünde links von der SPD. Wer hier die treibende Kraft bei Kürzungen und Sozialabbau sein wird, wird sich noch zeigen. Vieles im Koalitionsvertrag wurde bewusst schwammig formuliert, um zukünftig weitere Sparmaßnahmen damit begründen zu können, man sei der Schuldenbremse verpflichtet.

Um an die Regierung zu gelangen, war die Linkspartei sogar bereit, ihre Wähler unmittelbar vor den Kopf zu stoßen. Bis zu den Wahlen hatte sie die Proteste der Lausitzer Bevölkerung gegen die Weiternutzung der Braunkohle unterstützt. Diese wehrt sich gegen die Abbaggerungen von Dörfern und gegen die umweltschädigende Verpressung von Kohlendioxid.

Auffallend ist auch, dass der beschlossene rot-rote Koalitionsvertrag durchaus auf Wohlwollen in den Medien stößt. Mit einigem Erstaunen wird konstatiert, wie harmonisch SPD und Linkspartei miteinander umgehen und von der Wirtschafts- bis hin zur Bildungspolitik alles fortführen wollen, was vorher rot-schwarze Politik ausmachte. Ein Kommentator der Berliner Zeitung sprach bereits von der Aussicht auf ein "bundesdeutsches Vorzeigeprojekt".

Um nur einiges herauszugreifen: Umbau der Schulstruktur in Richtung Gesamtschule - Fehlanzeige. Umweltverträglichere Energiepolitik - Fehlanzeige. Selbst die "Erfolge", die die Linkspartei für sich reklamiert, sind bei genauerer Betrachtung eine Mogelpackung. Bis 2014 sollen 1.250 zusätzliche Lehrer eingestellt werden. Das entspricht nur einem Bruchteil des wirklichen Bedarfs. Selbst die Linkspartei hatte noch im Wahlkampf mindestens 2.500 neue Pädagogen gefordert. Die neuen Lehrerstellen werden außerdem durch den Abbau zusätzlicher Stellen im öffentlichen Dienst kompensiert.

Auch das Beschäftigungsprogramm, mit dem 8.000 gemeinwohlorientierte Jobs geschaffen werden sollen, entpuppt sich als Maßnahme, Langzeitarbeitlose zu Billiglöhnen Parks reinigen zu lassen. Die Finanzierung wird im Übrigen davon abhängig gemacht, ob der Bund dafür aufkommt. Selbst die scharfen brandenburgischen Polizeigesetze, die seinerzeit die SPD-CDU-Koalition mit ihrem rechten Innenminister Jörg Schönbohm eingeführt hatte, sollen bestenfalls "überprüft" und nicht abgeschafft werden. Sie beinhalten u.a. die PKW-Kennzeichenfahndung und Handy-Ortung.

Selbst in der Frage der EU hat sich die Linkspartei verpflichtet, alles mit zu tragen, was im Lissabonvertrag vereinbart ist. Im Koalitionsvertrag heißt es, Brandenburg bekenne sich ausdrücklich zum Vertrag von Lissabon.

Zu den Aufgaben der neuen Regierung, insbesondere zum Stellenabbau im öffentlichen Dienst, hat der jetzige und zukünftige Ministerpräsident Platzeck (SPD) in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung bemerkt: "Wir hatten schon bei den Sondierungen ein konstruktives Klima. die Gespräche sind an der Sache orientiert, und beiden Seiten ist klar, dass harte Jahre bevorstehen. Das hat mit der Wirtschaftskrise zu tun, mit einbrechenden Steuereinnahmen und damit, dass es schwieriger wird, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu organisieren."

Und auf die Frage derselben Zeitung: "Brandenburg steht ein massiver Stellenabbau im öffentlichen Dienst bevor. Trägt die Linkspartei ihn mit?", erwiderte Platzeck: "Ich mache hier keinen Unterschied zwischen Linkspartei und SPD. Wenn schwierige, durch den Haushalt determinierte Beschlüsse zu fassen sind, ist das für jede Partei ein Problem. Dafür erntet man nie Beifall, aber oft Protest.... Im Landeshaushalt fehlen bald 1,5 Milliarden Euro. Da gibt es keine Reserven für neue Wohltaten."

Am Mittwoch sollen nun ein Landesparteitag der SPD und ein Sonderparteitag der Linkspartei den Vertrag über eine rot-rote Regierungskoalition absegnen. Mit nennenswertem Widerstand dagegen rechnen beide Parteien nicht. Der Landeschef der Linkspartei, Thomas Nord, frohlockte am Dienstag in Potsdam, die Mitglieder des Landesvorstandes und des Landesausschusses hätten dem Text bereits per E-Mail zugestimmt.

Entsprechend der bürokratischen Tradition von Stalinismus und Sozialdemokratie haben Linkspartei und SPD bereits im Vorfeld dafür gesorgt, dass ihre Mitglieder weder angehört noch in die Entscheidung eingebunden werden. Es zeigt sich von neuem, dass in diesen Parteien nicht ein Funken von innerer Demokratie existiert.

Matthias Platzeck (SPD), der aller Voraussicht nach am 6. November wieder zum Ministerpräsident gewählt wird, hatte sich nach zehn Jahren großer Koalition entschieden, das Bündnis mit der CDU aufzukündigen und eine Regierung mit der Linkspartei zu bilden. Dafür hatte er großes Unverständnis sowie heftige Kritik von der CDU und aus den eigenen Reihen geerntet. Wer jetzt den Koalitionsvertrag und die Zusammensetzung der neuen Regierungsmannschaft betrachtet, kann erkennen, was Platzeck dazu getrieben hat. Um die geplanten Eingriffe gegen die arbeitende Bevölkerung durchzusetzen, hält er die Linkspartei für weitaus geeigneter als die CDU. Schon zu Beginn der Koalitionsverhandlungen hatte er seine Entscheidung für Rot-Rot damit begründet, dass er von den Linken eine größere Verlässlichkeit für die anstehenden schwierigen Entscheidungen im Land erwarten könne.

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