PSG-Veranstaltung in Leipzig

Zwanzig Jahre seit dem Mauerfall

Vom Stalinismus zum Kapitalismus

Kaum ein anderes Ereignis der jüngeren Geschichte ist derart mystifiziert worden, wie der Fall der Mauer vor zwanzig Jahren. Er leitete das Ende der SED-Diktatur ein, doch an ihre Stelle trat nicht die Demokratie, sondern eine andere Diktatur: Die Diktatur des Kapitals.

Das Leben der ostdeutschen Bevölkerung änderte sich dramatisch, ohne dass sie danach gefragt worden wäre. Die Treuhand privatisierte oder schloss 14.000 volkseigene Betriebe. Innerhalb von drei Jahren verloren oder wechselten 71 Prozent aller Beschäftigten ihren Arbeitsplatz. Die Folgen sind bis heute zu spüren: In den neuen Bundesländern liegt die Arbeitslosenzahl weit über, das Lohnniveau dagegen weit unter dem Bundesdurchschnitt. Jeder Zweite verdient weniger als 9,20 Euro brutto die Stunde.

Vor dem Mauerfall waren in der DDR Hunderttausende auf die Straße gegangen, um gegen die herrschende Bürokratie und die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage zu protestieren. Die Anliegen der Demonstrationen waren berechtigt, aber sie hatten kein klar umrissenes Ziel und kein Verständnis der gesellschaftlichen Aufgaben, vor denen sie standen. Deshalb konnten sie leicht manipuliert und missbraucht werden.

Die SED behielt die Initiative und stellte selbst die Weichen zur Einführung des Kapitalismus. Hans Modrow, der letzte SED-Ministerpräsident der DDR, schrieb später in seinen Erinnerungen, er habe den "Weg zur Einheit für unumgänglich notwendig" gehalten und "mit Entschlossenheit beschritten". Er wurde dabei von der Bürgerrechtsbewegung unterstützt, die sich am Runden Tisch mit ihm zusammensetzte und schließlich in seine Regierung eintrat.

Die SED war keine sozialistische, sondern eine stalinistische Partei. Sie verdankte ihre Macht nicht den Arbeitern, sondern der privilegierten Kaste, die in den 1920er Jahren in der Sowjetunion die Macht an sich gerissen, Stalin zu ihrem Führer erkoren und die marxistische Opposition unterdrückt und ermordet hatte. Die stalinistische Bürokratie stützte ihre Herrschaft zwar auf gesellschaftliches Eigentum, aber sie tat das als Parasit, der seinen Wirt aussaugt und letztlich zerstört.

Nur der Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA), die heutige Partei für Soziale Gleichheit, warnte 1989 vor der Einführung des Kapitalismus. Er vertrat als einzige politische Strömung ein Programm, das die Opposition gegen den Stalinismus mit einer internationalen sozialistischen Perspektive verband. Als deutsche Sektion der Vierten Internationale stützte er sich auf die Tradition der trotzkistischen Bewegung, die den Stalinismus seit 1923 vom marxistischen Standpunkt aus bekämpft hat.

Die damalige Warnung des BSA, die Einführung des Kapitalismus in der DDR, Osteuropa und der Sowjetunion werde in eine soziale Katastrophe führen und eine neue Periode imperialistischer Kriege nach sich ziehen, ist voll bestätigt worden. Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall ist die Welt von wachsenden Konflikten zwischen den Großmächten, eskalierenden Kriegen im Irak und in Afghanistan, pausenlosen Angriffen auf die sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse und der Arroganz und Geldgier der Finanzelite geprägt.

Diese Widersprüche werden unweigerlich zum Ausbruch heftiger sozialer Konflikte und revolutionärer Kämpfe führen, die politisch vorbereitet werden müssen. Die Lehren aus den Ereignissen von 1989 spielen dabei eine wichtige Rolle.

Die PSG lädt am 29. November zu einer öffentlichen Veranstaltung in Leipzig ein, um diese Lehren zu diskutieren. Peter Schwarz, der Sekretär des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, wird den einleitenden Beitrag halten.

Zwanzig Jahre seit dem Mauerfall
Vom Stalinismus zum Kapitalismus

Sonntag, 29. November 1009, 15:00 Uhr

Alte Nikolaischule (Aula)
Nikolaikirchhof 2, 04109 Leipzig
(gegenüber der Nikolaikirche)

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