75 Jahre seit dem Truckerstreik von Minneapolis

Wir veröffentlichen an dieser Stelle einen Artikel über ein wichtiges Kapitel der amerikanischen Arbeiterbewegung, den Streik der Lastwagenfahrer in Minneapolis im Jahre 1934 und die ihm vorausgegangenen Kämpfe.

1934: Polizei setzt Tränengas gegen einen Aufmarsch Arbeitsloser vor der Stadthalle in Minneapolis (Minnesota) ein. 1934: Polizei setzt Tränengas gegen einen Aufmarsch Arbeitsloser vor der Stadthalle in Minneapolis (Minnesota) ein.

Am Morgen des 7. Februar 1934 verbreiteten die Arbeiter, die in Minneapolis Wohnungen und Geschäfte mit Kohlen versorgten, in der ganzen Stadt vervielfältigte Streikaufrufe und Pläne zur Stilllegung der 67 die Stadt mit Wärme versorgenden Unternehmen.

Ende Januar herrschte im für seine harten Winter bekannten oberen Mittelwesten außergewöhnlich warmes Wetter und die Nachfrage nach Kohle war daher gering. Am ersten Februar jedoch fielen die Temperaturen plötzlich unter Null. Am Tag darauf berief die Gruppe der Arbeiter, die den Kampf für bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und die Anerkennung ihrer Gewerkschaft leitete, eine Versammlung ein. Die verarmten, unorganisierten und von der Großen Depression am schärfsten betroffenen Kohlefahrer stimmten für den Streik.

Die Vorbereitungen für diesen Augenblick hatten in aller Stille bereits drei Jahre zuvor begonnen. Und jetzt hatten etwa 600 Arbeiter, LKW-Fahrer, ihre Helfer und die Arbeiter aus den Kohlehöfen, binnen dreier Stunden 65 Unternehmen zum Stillstand gebracht. Während einzelne LKW-Fahrer mit Hilfe der Polizei versuchten, die Streikpostenkette zu durchbrechen, behinderten die Streikenden mit "cruising pickets", d.h. kreuz und quer fahrenden Autos, die LKWs um sie anzuhalten.

Ein Streikfahrzeug musste dabei an den streikbrechenden Lastwagen so dicht heranfahren, dass ein Streikender auf das Trittbrett des attackierten LKW springen und versuchen konnte, die Handbremse im Fahrerhaus zu ziehen. Ein anderer Streikposten musste den Kipphebel umlegen, wodurch die Kohleladung auf die Straße fiel.

Der Streik traf die herrschenden Kreise in Minneapolis völlig unerwartet. Einer ihrer Vertreter sagte gegenüber dem regionalen Ausschuss für Arbeitsbeziehungen (RLB), dass es in "unserer Stadt einen unerwarteten Notfall" gebe, der "Leben und Sicherheit der Bevölkerung bedroht."

Die Kohlelager leerten sich zusehends und die Polizei sah sich nicht in der Lage, die Streikenden zu bezwingen. Noch zwei Monate zuvor hatte die Bürgerallianz - die Organisation der Unternehmer in Minneapolis - den Versuch der vereinigten Textilarbeiter (ACW), einen Streik zu organisieren, ohne Probleme vereitelt und anschließend einen Streik in sieben Möbelfabriken zerschlagen. [1]

Die Bürgerallianz stimmte in der Hoffnung, so den Kohlestreik zu verhindern, einer Lohnerhöhung zu. Zu Beginn des Streiks schlug die RLB vor, den Streik mit der Zusage der Wiedereinstellung aller Streikenden und der Wahl einer Vertretung zu beenden.

Die Gewerkschaft akzeptierte den Vorschlag der RLB und stimmte nach drei Streiktagen zu, an die Arbeit zurückzukehren. Sie ließ alle ihre Forderungen fallen, außer der, dass der Ortsverband der Gewerkschaft der Teamsters Local 574 seine Mitglieder in den Verhandlungen mit den Unternehmern vertreten solle. Aus dieser Forderung ergab sich, dass die nicht in der Gewerkschaft organisierten Arbeiter für sich selbst verhandeln konnten.

Seit 30 Jahren gehörte die Bürgerallianz zu den Teilen der amerikanischen herrschenden Klasse, die am entschlossensten gegen das Closed-Shop-System [alle Arbeiter eines Betriebes sind dabei Gewerkschaftsmitglieder] kämpfte. Sie hielt am Prinzip der Beschäftigung ohne Gewerkschaftszugehörigkeit [Open-Shop-System] fest und ging mit der Idee hausieren, jeder Arbeiter solle doch selbst mit seinem Unternehmer verhandeln.

Die Kohlehändler unterschrieben den Vorschlag der RLB und die Bürgerallianz instruierte ihre Mitgliedschaft, dass daraus keinesfalls folge, dass sie Verträge mit der Gewerkschaft unterzeichnen müsse. Man werde nicht vom bisherigen Open-Shop-System abgehen.

Als die RLB-Anstimmung am 14. Februar abgehalten wurde, stimmte kein Arbeiter für individuelle Verhandlungen mit den Kohlehändlern. Stattdessen fuhr Local 574 einen überwältigenden Sieg ein, da 700 Arbeiter dafür stimmten, von der Gewerkschaft vertreten zu werden.

Die Kohlehändler und die Bürgerallianz betrachteten die Entscheidung, den Vorschlag der RLB zu unterzeichnen, als befristet. Die Kohlelieferungen, ihrer Natur nach ein Saisongeschäft, würden im März oder Anfang April enden. Der neue Lohntarif würde die Unternehmen daher nur für kurze Zeit belasten. Die Bürgerallianz hätte viel Zeit, die Streikführer herauszufinden. Mit Wiederaufnahme der Lieferungen sollten diese "Bösewichte" auf Schwarze Listen gesetzt werden, die Löhne aufs frühere Niveau zurückgedrängt und das Open-Shop-System wieder in Kraft gesetzt werden.

Aber darauf warteten die Streikführer des Kohlestreiks nicht. Stattdessen beschleunigten sie die Organisationsbestrebungen im Transportgewerbe, was zu einem noch größeren Ausbruch des Klassenkampfes führte. Die gigantischen Mobilisierung und die unabhängige Initiative der Arbeiterklasse vom Sommer 1934 in Minneapolis waren beispiellos im Vergleich mit jedem davor liegenden Kampf des amerikanischen Proletariats.

Die objektive Ausgangslage dieser Ereignisse war die weltweite, als "Große Depression" bezeichnete Krise des Kapitalismus. 86 Prozent der produzierenden Unternehmen in Minnesota machten im Jahr 1932 Verluste. Zwischen 1929, dem Jahr des Börsenzusammenbruchs an der Wall Street, und 1933, dem Jahr, als Franklin D. Roosevelt die Banken für einen Tag schloss, stellten 25 Prozent der Unternehmen in Minneapolis ihre Geschäftstätigkeit ein und die Einzelhandelspreise der Waren fielen um 45 Prozent. Die Arbeitslosigkeit kletterte 1932 in Minnesota auf 23,4 Prozent und lag damit etwas unter dem nationalen Durchschnittswert. Die Löhne der Arbeiter von Minneapolis fielen um 27 Prozent und 45 Prozent der Arbeiter arbeiteten verkürzt unter 40 Stunden pro Woche. [2]

1934: Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in Minneapolis/Minnesota. Arbeitslose ziehen zum Rathaus, um die Wiedereinstellung von entlassenen Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung zu fordern. 1934: Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in Minneapolis/Minnesota. Arbeitslose ziehen zum Rathaus, um die Wiedereinstellung von entlassenen Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung zu fordern.

Die Arbeiter kamen zur damaligen Zeit nur über die Runden, indem sie die Güter des täglichen Lebens auf Abzahlung kauften. Ratenzahlungskredite wurden die zwanziger Jahre hindurch angeboten. Es wird geschätzt, dass die Höhe der privaten Verschuldung 1929 bei 69 Prozent des Bruttoinlandsproduktes lag. Als nun infolge der Großen Depression die Rückzahlung dieser Kredite durch die Arbeiter unmöglich wurde, implodierte das Schuldengebäude. [3]

Der 1933-1934 einsetzende schwache Aufschwung in Verbindung mit dem New Deal war ein Impuls für die Arbeiter, den Kampf zu beginnen.

Aber der politisch fortgeschrittene Charakter des Streiks von 1934 war nicht nur das Ergebnis dieser wirtschaftlichen Prozesse. In den Jahren 1933 und 1934 gab es eine merkliche Zunahme der Streiks, die aber meist mit Niederlagen endeten.

Dass in Minneapolis 1934 ein derart hohes Niveau des Klassenkampfes erreicht wurde, lag in der vorangegangenen Herausbildung einer revolutionären marxistischen Führung begründet. Und diese Frage war nicht ein rein amerikanische, sondern mit internationalen Prozessen verbunden, in deren Zentrum der prinzipielle Kampf Leo Trotzkis und der Linken Opposition gegen den Verrat der Russischen Revolution von 1917 durch den Stalinismus stand.

Viele Akademiker und "linke" kleinbürgerliche Kommentatoren bemühen sich, dies zu leugnen und schreiben den Erfolg des Streiks von 1934 in Minneapolis den syndikalistischen Traditionen in den USA zu. Sie betrachten die Streikführer einfach als gute Gewerkschafter, Organisatoren und Propagandisten gewerkschaftlicher Militanz.

Auch ein Biograph Franklin D. Roosevelts behauptet, ihre Rolle im Streik habe kaum etwas mit Marxismus zu tun gehabt. Die Führung sei stattdessen "radikal (trotzkistisch), durchsetzungsstark, furchtlos, durch und durch aufrichtig und bemerkenswert fähig" gewesen. Sie sei vor allem um "konkrete Vorteile für die von ihr repräsentierten Arbeiter" bemüht gewesen und "viel weniger um ideologische Reinheit". [4]

Warum hielt es dann aber Roosevelt am Vorabend des Zweiten Weltkrieges für unumgänglich eben diese Arbeiterführer vor Gericht zu stellen und ins Gefängnis zu stecken? Darüber schweigt der Biograph.

Die Führer von Local 574 Die Führer von Local 574 von links nach rechts: Grant Dunne, Bill Brown, Miles Dunne, und Vincent Dunne nach ihrer Entlassung aus dem Militärgewahrsam 1934. Ganz rechts Albert Goldman, der Anwalt der Communist League of America.

Es stimmt, dass die Führer der Kohlearbeiter im Zentrum des Kampfes - Carl Skoglund und die drei Dunne-Brüder (Vincent, Miles und Grant) - im oberen Mittelwesten über große gewerkschaftliche Erfahrungen verfügten. Hatten sie sich doch schon an Organisationen wie den Industrial Workers of the World (IWW) beteiligt. Aber das allein erklärt nicht die Ereignisse von 1934.

Sie hatten als Mitglieder der amerikanischen trotzkistischen Bewegung, der Communist League of America, ein hohes politisches Klassenbewusstsein und somit unerschütterlisches Vertrauen in die Stärke und das revolutionäre Potential der amerikanischen Arbeiterklasse.

Neben den Organisationsproblemen und den täglichen Aufgaben des Streiks von 1934 - die an sich schon enorm waren - bestand das eigentlich Neue für die Arbeiter darin, dass sie mit der Bürgerallianz und dem kapitalistischen Staat in all seinen Formen konfrontiert waren. Regierungsbeamte, Polizei, Nationalgarde, Abgeordnete, Schlichter und die Presse standen ihnen gegenüber. Neu war auch, dass sie mit dem Streikbruch durch die Gewerkschaftsführer der Teamsters und mit den Provokationen der stalinistischen Kommunistischen Partei zurechtkommen mussten.

Und schließlich gab es das Problem, die Unabhängigkeit der Arbeiter gegenüber der Bauern- und Arbeiterpartei Minnesotas (FLP) und dem ihr angehörigen Gouverneur des Bundesstaates, Floyd B. Olson, zu wahren. Viele "Linke" stellen die FLP als eine Kraft dar, die den Sieg im Trucker-Streik ermöglichte. Die Wirklichkeit sah ganz anders aus. Wieder und wieder warnten die trotzkistischen Führer, die Arbeiter von Minneapolis könnten sich nicht auf Olson verlassen, sondern nur auf ihre eigene Stärke, ihre Macht als Klasse.

Die Bürgerallianz

Das nahe der Einmündung des Minnesota in den Mississippi gelegene Minneapolis begann im 19. Jahrhundert von der Holzindustrie des Staates zu profitieren. Sägemühlen wurden mit der Wasserkraft der St.-Anthony-Fälle betrieben und später waren es gigantische Getreidespeicher, mit denen die Vermögen gemacht wurden, die mit Namen wie Pillsbury verknüpft sind. Als die Bahnstrecken des Eisenbahnbarons James J. Hill von Minneapolis und St. Paul bis zum Pazifik führten, wuchs die Stadt weiter, weil der gesamte Handel des Nordwestens der USA durch die Großmärkte, Fabriken und Mühlen der Stadt gebündelt wurde.

Die Mühlenbesitzer der Stadt behaupteten durch die Kontrolle über Hunderte Getreidespeicher in der Region eine Monopolstellung. Auf den lokalen Getreidemärkten schröpften sie mit Preisdiktaten und umfangreichen Betrügereien die Farmer Minnesotas und Dakotas. Verträge zur Versorgung der Zentren der industriellen Revolution in England und Europa machten die Stadt zum Zentrum der Getreidemühlenindustrie der Welt.

Das Wachsen des Kapitals führte aber auch zum Wachsen der Arbeiterschaft. Von 1901 bis 1902 verdoppelte sich die Zahl der von der American Federation of Labor (AFL) organisierten Streiks. 1903 wurden die Getreidemühlen der Stadt einen Monat lang bestreikt. Die AFL Minnesotas verlangte den Achtstundentag, die Nationalisierung der Energieversorger, Eisenbahnen und Bergwerke und "das gemeinsame Eigentum der Menschen an allen Mitteln der Produktion und Verteilung..." [5]

David Parry, Präsident der National Association of Manufacturers (NAM), einem amerikanischen Unternehmerverband, hielt 1903 eine Ansprache vor der versammelten Elite von Minneapolis. Er sagte, das Closed-Shop-System sei "eine Theorie der Machtausübung, zu der jene, die die amerikanische Freiheit und die amerikanische Zivilisation verstehen und zu schätzen wissen, niemals freiwillig ihre Zustimmung geben werden... Ich glaube, wir sollten gegen die Wurzel des Problems vorzugehen, d.h. die weit verbreiteten sozialistischen Stimmungen in bestimmten Klassen des Volkes." [6]

Da waren die Kapitalisten in Minneapolis bereits aktiv geworden. Im selben Jahr hatten sie eine Dachorganisation gegründet, die Bürgerallianz, deren ausdrücklicher Zweck es war, das Closed-Shop-System zu verhindern. Die Bürgerallianz war das Zentrum, um das in den nächsten 30 Jahren zur Durchführung der verschiedensten Aufgaben zahllose untergeordnete Organisationen gruppiert wurden.

Die Bürgerallianz setzte Detektivbüros ein, um die Arbeiter zu beobachten und auszuspionieren. Ein zentralisiertes Büro für Arbeit erfasste in umfangreichen Dateien die Arbeitsplatzwechsel der Arbeiter und war dadurch in der Lage, eine effektive Schwarze Liste zu erstellen. Es gab Fälle, dass Arbeiter nur einen Job bekamen, wenn sie zustimmten, als Informant zu arbeiten. Wenn Kämpfe ausbrachen, standen der Bürgerallianz private Schlägertrupps, die Polizei, gerichtliche Verfügungen und die Gefängnisse zur Verfügung. Umfangreiche Mittel wurden bereitgestellt, um von Streiks betroffenen Unternehmen zu ermöglichen, diese durchzustehen.

Die Bürgerallianz nutzte ihre wirtschaftliche Macht auch, um jedes Unternehmen zu vernichten, das einen Tarifvertrag unterzeichnete. Zeitungen, die die leiseste liberale Tendenz gegenüber der Arbeiterbewegung erkennen ließen, sahen sich fortan durch ihre Abonnenten boykottiert.

Berufsschulen wurden nicht einfach eingerichtet um die Fähigkeiten der Jugend zu erweitern, sondern zur Bildung eines Reservoirs jederzeit zur Verfügung stehender Streikbrecher. Die Berufsschüler wurden antigewerkschaftlich indoktriniert und zum Respekt gegenüber dem Management erzogen. Im Schulungsmaterial einer solchen Berufsschule konnten die Schüler lesen: "Dein Unternehmer ist Dein Vorgesetzter und ihm steht Dein Respekt mehr zu, als Dir seiner." [7]

Die Streiks von 1916

1914 war die Zahl der Unternehmen mit Gewerkschaftsvertretung in Minneapolis gegenüber 1905 nur um vier gestiegen. Von 1914 bis 1916 bereicherten sich die Unternehmer von Minneapolis am Ersten Weltkrieg, während sie in derselben Zeit nur mit drei Streiks konfrontiert wurden.

Aber im Jahr 1916 kam es zu einer Veränderung. Im Norden des Landes führte die Organisation Industrial Workers of the World (IWW) Streiks von etwa 15.000 Bergarbeitern. Zugleich erhoben sich Tausende Holzfäller. In der mit der IWW verbundenen Landarbeiterorganisation waren etwa 20.000 Landarbeiter organisiert, auf die etwa fünfzig Prozent der einzubringenden Ernte entfielen.

In Minneapolis erkannte die Gewerkschaft der Maschinenbauer die Vergeblichkeit ihres isolierten Kampfes gegen die Bürgerallianz und versuchte daher die Arbeiter der größten Unternehmen, Landwirtschaftsausrüster und Munitionsfabriken, zu organisieren. Sie dehnte den Streik aus, indem sie zeitweilig mit der Tradition der gewerkschaftlichen Organisation nach Berufsgruppen brach und Arbeiter aller anderen Gewerke organisierte.

Unmittelbar auf den Streik der Maschinenbauer folgte das Bemühen der Teamsters, 1200 Transportarbeiter in 150 Unternehmen zu organisieren. Die Bürgerallianz antwortete mit einer Aussperrung, während gleichzeitig Privatdetektive Arbeiter verprügelten und mit Schusswaffen bedrohten. Die Teamsters konterten mit einer Massendemonstration und dem Generalstreik aller Transportarbeiter. Der Bürgermeister setzte auf Geheiß der Bürgerallianz die Polizei ein, um die Aktionen der Arbeiter zu bekämpfen und Festnahmen vorzunehmen.

Der Einsatz der Polizei schockierte breite Schichten der Bevölkerung und diese Stimmung brachte Thomas Van Lear, dem Bürgermeisterkandidaten der Sozialisten und Führer der Gewerkschaft der Maschinenbauer, den Wahlsieg. Aber alle Streiks wurden letztlich niedergeschlagen. Die Bürgerallianz wich Problemen mit dem "sozialistischen" Polizeichef Van Lear aus, indem sie sich auf die Polizeibeamten von Hennepin County stützte. Das reformistische Programm der Sozialistischen Partei wurde von der Mehrheit der Bürgerallianz im Stadtrat blockiert.

Das Jahr 1917

Zwei Ereignisse des Jahres 1917 berührten Minnesota und das ganze Land grundlegend: Die Russische Revolution und der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg. Die Machtergreifung der russischen Arbeiter unter der Führung Lenins und Trotzkis polarisierte die Sozialistische Partei in einen reformistischen und einen revolutionären Flügel, der letztendlich die Kommunistische Partei gründete.

In Minneapolis wurde Van Lear aus der Sozialistischen Partei ausgeschlossen und trat 1918 vergeblich als Kandidat einer neuen, von reformistischen Führern gegründeten Partei, der Non-Partisan - League, an. Diese neue Partei erklärte sich als "hundertprozentig amerikanisch" und unterstützte die Politik Präsident Woodrow Wilsons.

Die Bürgerallianz nutzte das politische Klima der Kriegszeit, um ihre Angriffe auf die Arbeiterschaft und andere Gegner zu verstärken, indem sie die Minnesota Commission of Public Safety [Komitee für öffentliche Sicherheit] bildete. Ihre Ausrichtung wird aus einer ihrer öffentlichen Publikationen erkennbar, in der es heißt: "Unter der Anspannung des Krieges muss die Regierungsform mehr oder weniger autokratisch werden."

Ein Mitglied der Bürgerallianz, das zu den Gründervätern des Komitees gehörte, erklärte, "Landesverrat wird in dieser Stadt kein Thema sein und die Straßenagitatoren, die die Regierung und die Armee anklagen, die Revolution befürworten, vor der Einberufung warnen, werden irgendwo in der Prärie durch die Zäune eines Internierungslagers sehen." [8]

Die Bürgerrechte wurden ausgesetzt. Das Komitee für öffentliche Sicherheit warf zur Einschüchterung jene ins Gefängnis oder aus ihrem Amt, die gegen den Krieg auftraten. Demonstrationen wurden verboten. Die Büros und Zeitungen von Gewerkschaften und Bauernvereinigungen wurden überfallen oder geschlossen. Hunderte Agenten führten Zehntausende nächtliche Razzien und Verhaftungen durch und leiteten Ermittlungsverfahren ein.

1917: Civilian Auxiliary, paramilitärische Miliz, geführt von 1917: Civilian Auxiliary, paramilitärische Miliz, geführt von "men of means"

Der Staat gründete die Minnesota Home Guard (Bürgerwehr), elf von gut situierten Männern geführte und unter Kontrolle des Gouverneurs stehende Bataillone, um sie gegen Arbeiter und Demonstrationen einzusetzen. Die Bürgerallianz nutzte die Gelegenheit, um die Minneapolis Civilian Auxiliary, eine paramilitärische Miliz, zu organisieren. Als es in Minneapolis und St. Paul zu einem Straßenbahnerstreik kam, wurden Home Guard und Civilian Auxiliary zur Niederschlagung der Streikenden eingesetzt.

Die Nachkriegsperiode und die Entstehung der Bauern- und Arbeiterpartei

In der Nachkriegsperiode strebte die Bürgerallianz nachdrücklicher danach, verbündete Gruppen in anderen Städten zu gründen und sich über den ganzen Staat Minnesota auszubreiten. Dies begünstigte ihre Bemühungen, die gesetzgebenden Organe des Staates zur Verabschiedung von Gesetzen zu drängen.

Während der Streikwelle nach dem Krieg war die Bürgerallianz nicht nur entschlossen, in der Frage des Closed-Shop-Systems nicht nachzugeben, sondern sogar offensiv auf die Abschaffung von Arbeitsschutzgesetzen hinzuwirken und die Errungenschaften der AFL zurückzunehmen, darunter auch im Baugewerbe. Bald waren zwei Drittel aller Baustellen in St. Paul nicht mehr gewerkschaftlich organisiert. Die Bürgerallianz schränkte Streikposten mit richterlichem Beschluss nicht nur ein, sondern verbot sie ganz.

Wenn sie auf die Zeit des Kriegsterrors und andere Erfahrungen zurückschauten wurde vielen Arbeitern und Bauern Minnesotas klar, dass das Komitee für öffentliche Sicherheit ein Kind beider Parteien, der Demokraten und Republikaner, war.

Oppositionspolitiker initiierten eine neue Bewegung in Minnesota, den Unabhängigen Bund (NPL, Nonpartisan League). Der NPL hatte seinen Ursprung in Nord-Dakota, wo die Agitation der Sozialistischen Partei unter den Bauern ein Echo fand, die sich von den Eisenbahngesellschaften, Getreidemühlen, Banken und beim Getreidehandel betrogen fühlten.

Die Partei verlieh diesen Bauern einen unabhängigen Status als "Nichtmitglieder". In einem Staat, wo drei Viertel der Bevölkerung auf dem Lande lebten, wuchs diese Fraktion rapide und trat in Konkurrenz zur "orthodoxen" Fraktion.

Aus Furcht vor ihrer zunehmenden Zahl trennte sich die Sozialistische Partei von diesen beitragszahlenden Unabhängigen. Aber die Organisation arbeitete als NPL weiter. Sie verfolgte ein reformistisches Programm, das die Einrichtung staatlicher Speicher und die Schaffung eines landwirtschaftlichen Kreditsystems zur Unterstützung der Farmer beinhaltete. Ihre Taktik bestand darin, Kandidaten in die Vorwahlen der Republikaner zu schicken. Das Ergebnis war 1916 ein erdrutschartiger Wahlsieg im Repräsentantenhaus des Bundesstaates. 1918 übernahm die NPL auch den Senat.

Die NPL dehnte sich nach Minnesota aus, wo sie bei vielen Farmern Anklang fand. Aber Minnesota war sozial vielschichtiger als Dakota. Zwar war ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung Bauern, aber die NPL konnte hier nicht erfolgreich sein, wenn sie die städtische Arbeiterklasse in Minneapolis, St. Paul und Duluth, die Arbeiter in den Eisenbergwerken und andere Arbeiter im ganzen Land ignorierte - wie beispielsweise die der Holzindustrie. Daher bildete die AFL eine eigene unabhängige Organisation und arbeitete mit der NPL zusammen.

Die Republikaner waren aber nicht bereit, der Übernahme ihrer Partei durch die NPL wie in Nord-Dakota zuzusehen. Letzten Endes waren NPL und AFL gezwungen, mit eigenen Kandidaten und dem Slogan "Bauern und Arbeiter" in die Wahlen von 1920 zu gehen, und sie schnitten dabei recht gut ab. 1922 und 1923 eroberten sie die beiden Sitze des Bundesstaates im US-Senat. Aber die Bürgerallianz und die Republikaner dominierten weiterhin die Politik im Bundesstaat. Die Demokraten waren in der Wahl von 1922 auf 10 Prozent Stimmenanteil gefallen und durch die Bauern- und Arbeiterpartei (FLP) verdrängt worden.

Die FLP war, obwohl sie tatsächlich eine treue Anhängerschaft unter Arbeitern und Bauern hinter sich hatte, im Wesen eine reformistische Partei, die von Vertretern der Mittelklasse durchsetzt war, die auch die Funktionäre und den Vorstand stellten. So beispielsweise der ehemalige Bezirksstaatsanwalt Hennepins, Floyd B. Olson, der zunächst versucht hatte, als Demokrat in die Politik zu kommen und ab 1930 erster FLP-Gouverneur war. Elmer Benson, der zweite FLP-Gouverneur Minnesotas, war Banker.

Um 1923 herum kamen Gewerkschaftsführer wie das Mitglied der Sozialistischen Partei, William Mahoney, auf den Gedanken, die Beteiligung einiger Mitglieder der Kommunistischen Partei könne ihr Gewicht in der Bauern- und Arbeiterpartei erhöhen. Andere, wie der Herausgeber des Labor Review der AFL in Minneapolis, Robley Cramer, vertraten folgende Haltung hinsichtlich der Kommunistischen Partei: "Sie sind gute Arbeiter, nicht sehr zahlreich und eine ziemlich dynamische Kraft... sie können Euch sehr helfen, wenn ihr sie bei Euch habt und sie können eine Menge Ärger machen, wenn ihr sie draußen haltet." [9]

Die Kommunistische Partei verfolgte hinsichtlich der Bauern- und Arbeiterpartei eine verheerende opportunistische Politik. Sie verstand nicht die Notwendigkeit der führenden Rolle der Arbeiterklasse, für die die Bolschewiki 1917 in der Oktoberrevolution kämpften, als sie die Bauernschaft hinter der Arbeiterklasse mobilisierten, und für die Bildung einer Arbeiterregierung mobilisierten.

Einigen in der Kommunistischen Partei (KP) wurde die Frage 1928 klar. Das Bündnis der AFL und Teilen der Sozialistischer Partei mit Mitgliedern der KP war nur kurzlebig, da die Reformisten unter schärfere und gezieltere Angriffe des konservativen Flügels der FLP gerieten, die letztlich zum Bruch und zum Ausschluss der KP-Mitglieder führten.

Die Führer des Teamster Ortsverbandes 574, Die Führer des Teamster Ortsverbandes 574, "Local 574", in Minneapolis Vincent R. Dunne (links) und Carl Skoglund

Vincent Dunne und Carl Skoglund lernten sich 1915 in Minneapolis kennen. Der schwedische Immigrant Skoglund war 1914 der Sozialistischen Partei beigetreten. Dunne war zuerst Mitglied der Industrial Workers of the World (IWW), bis Skoglund ihm den Marxismus nahe brachte. Beide waren von der Russischen Revolution begeistert und traten später der Kommunistischen Partei bei. In Minnesota nahmen sie an zahlreichen Streikkämpfen teil.

1924 lernten sie James P. Cannon kennen, ein Führungsmitglied der Kommunistischen Partei, das auf einer Reise für die Internationale Arbeiterhilfe in Minnesota Station machte. Beide Männer waren von Cannon tief beeindruckt und suchten ihn vier Jahre später, 1928, wieder auf, um mit ihm über den Ausschluss Trotzkis und Sinowjews aus der KPdSU zu diskutieren. Wie Dunne und Skoglund war auch Cannon darüber sehr beunruhigt, und er konnte nur antworten: "Wie könnte ich die Führer der Russischen Revolution verdammen." [10]

1922: Max Eastman, James P. Cannon und William Haywood in Moskau 1922: Max Eastman, James P. Cannon und William Haywood in Moskau

Im selben Jahr reiste Cannon zum Sechsten Weltkongress der Kommunistischen Internationale. Dort fiel ihm Trotzkis Dokument "Der Programmentwurf der Kommunistischen Internationale: Kritik der grundlegenden Thesen" in die Hände.

Das Dokument enthüllte die antimarxistische Orientierung der Stalin-Bucharin-Fraktion. Diese ging nicht von den internationalen Widersprüchen des Kapitalismus aus und behauptete zu Unrecht, der Sozialismus könne in den Grenzen der UdSSR aufgebaut werden. Trotzki dagegen bestand darauf, dass die Sowjetunion nur auf Grundlage einer internationalen Perspektive und durch die Weltrevolution verteidigt und zum Sozialismus geführt werden könne.

Trotzkis Dokument zeigte auf, wie die Stalinfraktion die Arbeiterklasse in China, Großbritannien und anderen Ländern nichtproletarischen Kräften untergeordnet hatte. Er befasste sich darin ausführlich mit der opportunistischen Politik der Stalinfraktion, welche die Bauern- und Arbeiter-Partei in den USA als unabhängige revolutionäre Kraft darstellte. Trotzki erklärte, dass die unterdrückten Schichten der Mittelklasse keine unabhängige revolutionäre Rolle spielen könnten. Es sei Aufgabe der Arbeiterklasse, sich mit dem Marxismus zu bewaffnen und die Mittelschichten zu führen.

Cannon kehrte nach New York zurück und begann sofort, eine auf Trotzkis Perspektive basierende Opposition innerhalb der Kommunistischen Partei zu organisieren. Nach kurzer Zeit wurden er und seine Anhänger wegen Unterstützung des Trotzkismus aus der Partei ausgeschlossen. Danach gab die Kommunistische Partei Richtlinien an alle Unterorganisationen der Partei heraus, in denen sie sie aufforderte, dem Ausschluss Cannons blindlings zuzustimmen.

In Minneapolis weigerten sich Skoglund und Dunne, Cannons Ausschluss zu akzeptieren, und verlangten stattdessen mehr Informationen. Sie wurden aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Für beide war es nicht der erste Ausschluss, waren sie doch schon 1926, während der so genannten "roten Säuberungen" der Bürokratie, aus der AFL hinausgeworfen worden. Außerdem war Dunne Anfang 1928 auch aus der Bauern- und Arbeiter-Partei ausgeschlossen worden, für die er kandidiert hatte. In Minneapolis wurden schließlich mehr als zwei Dutzend Mitglieder aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Die meisten schlossen sich der Opposition an, sobald sie Trotzkis Programm zu lesen bekamen.

Unmittelbar darauf gründete die Cannon-Gruppe unter dem Namen Communist League of America (CLA) die Linke Opposition in den Vereinigten Staaten. Zu dieser Zeit versuchten Trotzkis Anhänger, die Kommunistischen Parteien im Kampf gegen ihre stalinistischen Führungen für eine marxistische und internationalistische Perspektive zurückzugewinnen. Diese Periode war für die theoretische Entwicklung der CLA von großer Bedeutung.

Laut Farrel Dobbs, der der CLA im Vorfeld des Streiks von 1934 beitrat, verbrachten sie "viel Zeit damit, die marxistischen Klassiker zu studieren und zu diskutieren, wie sie ihren revolutionären Kurs halten könnten". [11]

Berufsgewerkschaft gegen Industriegewerkschaft

Ein wichtiges Hindernis für die Arbeiterbewegung stellte die AFL-Bürokratie dar. Das Wachstum und die Veränderungen in der Struktur des Kapitalismus, vor allem die durch das Fließbandsystem hervorgebrachte qualitative Weiterentwicklung der Arbeitsteilung, bewirkten, dass sich die Aufteilung der Arbeiter in die Berufsgewerkschaften der AFL zunehmend reaktionär auswirkte.

Der Präsident der Teamsters Union, Daniel Tobin, war der Prototyp des rechtslastigen, konservativen Bürokraten in diesen Berufsgewerkschaften. Er geriet außer sich, als die Trotzkisten im Teamster-Ortsverband 574 neben den LKW-Fahrern auch die übrigen Speditionsangehörigen und Lagerarbeiter in die örtliche Gewerkschaft aufnahmen. Ungelernte Arbeiter oder Nicht-Fahrer waren in Tobins Augen nichts wert. Als die Streiks von 1933 begannen, erklärte Tobin: "Das Gedränge um Aufnahme in die Gewerkschaft ist in vollem Gange... wir wollen die Männer heute nicht, wenn sie morgen zu streiken beginnen." [12]

1934 hatten die Trotzkisten in diesem Ortsverband noch keine offizielle Funktion. Bill Brown, der Vorsitzende, war kein typischer Gewerkschaftsbürokrat; er begrüßte die Zusammenarbeit mit den Trotzkisten. Die meisten Funktionäre standen jedoch hinter Tobin. In den Kohlehöfen gab es am Vorabend des Streiks lediglich 75 Gewerkschaftsmitglieder, und diese Mitgliedschaften waren auch nur durch ein Hinterzimmergeschäft mit einer kleinen Gruppe von Kohlehändlern zustande gekommen, die sich im Gegenzug für das Werben von Kunden durch die Gewerkschaften auf deren Closed-Shop-System einließen.

Auftakt zu den Ereignissen von 1934

1930 wurde der Kandidat der Bauern- und Arbeiterpartei, Floyd B. Olson, zum Gouverneur Minnesotas gewählt. Während seiner Wahlkampagne organisierte er "All-Party-Committees for Olson", also parteiübergreifende Gremien, um Unterstützung unter den Demokraten und Republikanern zu erlangen. Seine Helfer wurden bedacht, nachdem er ins Amt gelangt war.

Minnesota 1931: Gouverneur Floyd B. Olson Minnesota 1931: Gouverneur Floyd B. Olson

Ein Streik der National Farm Holiday Association von 1932-33 war praktisch der erste Kampf im Mittelwesten gewesen. Zwischen 1920 und 1930 fiel der Wert der Farmen. Die Bruttoeinnahmen der Farmen waren von 15,4 Milliarden auf 9,3 Milliarden Dollar gefallen, daher verloren etwa 450.000 Bauern ihre Höfe. Der Wert der Farmen fiel um 20 Milliarden Dollar, und die Pachten stiegen um 200.000 Dollar. [13]

National Farm Holiday Strike 1932; Farmer bewachen eine Zugangsstraße zu den Zwillingsstädten Minneapolis und St Paul, um den Transport landwirtschaftlicher Produkte zu verhindern National Farm Holiday Strike 1932; Farmer bewachen eine Zugangsstraße zu den Zwillingsstädten Minneapolis und St Paul, um den Transport landwirtschaftlicher Produkte zu verhindern

Zehntausende Farmer waren an diesem Streik beteiligt. Die Fernstraßen und Schienenwege in die Städte der großen Agrarmärkte in Iowa, Nebraska, South Dakota und Minnesota wurden blockiert. Die Farmer hofften, durch die Unterbrechung des Transports von Agrarerzeugnissen Knappheit zu erzeugen und die Preise in die Höhe zu treiben. Die Streikenden verhinderten die Zwangsversteigerung von Farmen. Es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, und mehrere Farmer wurden erschossen.

Es ist gut möglich, dass wütende Bauern den LKW-Fahrern, die 1932 landwirtschaftliche Produkte nach Minneapolis brachten, die Ladung abkippten, und dass die Bauern sich 1934 wieder daran erinnerten, als die Fahrer auf die Straße gingen. Die National Farm Holiday Association unterstützte den Local 574 während der Kämpfe von 1934 mit Geld und Lebensmitteln, sie gehörte zu den großen finanziellen Unterstützern des Streiks.

Der junge Verpackungsarbeiter John Winkels stand im Jahr 1932 an den Streikposten der Bauern in Austin, etwa 90 Meilen südlich von Minneapolis, und half, die Agrartransporte zu den lokalen Märkten zu stoppen. Ein Jahr später leitete er selbst dann die Schlachthofbesetzung bei George A. Hormel & Co.

Olson mobilisierte die Nationalgarde und schickte sie nach Austin. Winkels und seine Genossen antworteten darauf, indem sie den Eingang zur Fabrik mit Sandsäcken verbarrikadierten. "Wir gingen los und holten uns Gewehre, Büchsen, Steinschleudern, Munition, was auch immer zu haben war", sagte Winkels. "Wir bekamen sogar ein altes Maschinengewehr. Wir sagten den Leuten, wir seien bereit - sie sollten nur kommen." [14]

Streikende 1933 vor dem Verpackungsbetrieb Hormel. Streikende 1933 vor dem Verpackungsbetrieb Hormel.

Schließlich gelang es Olson, den Kampf in Austin zu entschärfen, eine Übereinkunft zu treffen und zu erreichen, dass Hormel die Gewerkschaft anerkannte. Es war jedoch für den Gouverneur der Bauern- und Arbeiterpartei eine Sache, einen Kapitalisten zum Einlenken zu bewegen, der im Land isoliert dastand; - ein ganz andere dagegen war es, in Minneapolis eine Schlichtung zwischen der Bürgerallianz und den mobilisierten Streikenden zu erzielen.

Als sich die Kämpfe der Farmer und Arbeiter ausweiteten, wich Olson vom ursprünglich konservativen Kurs seiner Regierung ab. 1933 versuchte er, ein Gesetz zur Schaffung einer Arbeitslosenversicherung durchs Parlament zu bringen.

Die Bürgerallianz stellte sich jedoch entschieden gegen dieses Gesetz der "endgültigen sozialistischen Kontrolle des Lebens und der Industrie", wie sie es nannten. Olson versuchte, die Opposition zu überzeugen. Er warnte: "Die Industrie macht sich nur um den Profit Gedanken und sorgt sich kaum um das Wohlergehen ihrer Arbeiter ... Es ist nun Sache des Staates, zu tun, was die Industrie zu tun versäumte ... Dieser Vorschlag ist ein Versuch, ob nun weise oder nicht, das so genannte kapitalistische System zu flicken, um der Sozialisierung der Industrie vorzubeugen ... Wenn die Unternehmer solchen Schritten nicht zustimmen, wird unvermeidlich ein anderes System das jetzige ersetzen." [15]

Mai 1934

Nach dem Streik vom Februar 1934 ruhten sich die Trotzkisten nicht auf ihren Lorbeeren aus. Sie beschlossen, ihre Aktivitäten über die Kohlehöfe hinaus auszudehnen und alle Arbeiter des Transportwesens zu organisieren. Sie begannen bei den Fahrern und ihren Helfern, wandten sich dann an die Hafen- und Verladearbeiter und erreichten schließlich auch die Lagerarbeiter. Sie veröffentlichten ein Flugblatt, das die Arbeiter mit zwei Leitsätzen ansprach:

"WEISST DU, dass Paragraph 7a des National Industrial Recovery Act den Arbeitern nicht nur das Recht gewährt, sich zu organisieren, sondern auch garantiert, dass sie dieses Recht ohne Diskriminierung wahrnehmen können?

WEISST DU, dass die Kohlefahrer von Minneapolis dieses Recht für sich in Anspruch nahmen und durch unsere Organisation 25 Prozent Lohnerhöhung erreichten?"

Das weckte weit verbreitetes Interesse unter den Arbeitern, die nun beim Local 574 an die Tür klopften. Dem Ortsverband der Gewerkschaft strömte eine Flut neuer Mitglieder zu, ehe Tobin, der sich in Indianapolis aufhielt, Zeit zu Gegenmaßnahmen fand.

Entlassene Berg- und Kohlearbeiter wurden als Redner geschult und als Organisatoren gewonnen, um die Kampagne voranzutreiben. Die Diskussionen mit den Arbeitern führten zu speziellen Treffen, zur Vereinheitlichung von Vertragsforderungen und dem besseren Verständnis der Industrie als ganzer.

Am 15. April führte die Gewerkschaft das Ergebnis ihrer Kampagne der Öffentlichkeit in Form einer Massendemonstration vor einem Theater in der Innenstadt vor. Mehr als 3.000 Arbeiter nahmen teil, und die noch Unorganisierten trugen sich als neue Gewerkschaftsmitglieder ein. Es wurde beschlossen, die Popularität Gouverneur Olsons zu nutzen und ihn als Sympathisanten der Streikenden einzuladen. Olson kam nicht, schickte jedoch jemanden, der in seinem Namen einen Brief vorlas. Darin hieß es: "Mein Rat an Euch lautet ... für Eure eigene Sicherheit und Euer Wohlergehen zusammenzuhalten." [16]

Die Gewerkschaft mietete eine riesige Garage als Streikzentrale an. Zur Versorgung der Streikenden wurde eine Küche eingerichtet, wie auch eine Krankenstation, in der ein Arzt und ehrenamtliche Schwestern arbeiteten. Damit war jedem klar, dass die Führung keine Illusionen hegte, der Streik könne kampflos gewonnen werden. Mechaniker wurden herangezogen, denen die Instandhaltung der 450 Autos oblag, die während des Streiks die Streikposten bewegen sollten.

Alle Mitglieder der Communist League in Minneapolis wurden in die Vorbereitungen des Streiks einbezogen. Sie leiteten die Organisation der 30.000 Arbeitslosen der Stadt und banden die Besten von ihnen in den Streik ein, um so die Möglichkeit zu neutralisieren, sie als Streikbrecher nutzen zu können.

Frauen versorgen Streikposten in der Streikzentrale Frauen versorgen Streikposten in der Streikzentrale

Sie organisierten auch die Hilfe der Ehefrauen der Streikenden und Sympathisanten, die im Büro, als ärztliche Helfer oder in der Küche mitarbeiteten. Auf dem Höhepunkt des Streiks aßen etwa 10.000 Arbeiter und ihre Familien pro Tag in den Streikküchen. Als der Streik andauerte, spielten die Helferinnen eine immer größere Rolle. Sie organisierten Demonstrationen von bis zu 700 Frauen zur Stadthalle und konnten Hausbesitzer dazu bewegen, von Wohnungsräumungen bei Streikenden abzusehen, die ihre Miete nicht bezahlen konnten. Sie demonstrierten vor den Büros bürgerlicher Zeitungen gegen unternehmerfreundliche Lügen und Verleumdungen der Arbeiter.

Die Streikenden waren in Einheiten aufgeteilt, und die fähigsten Arbeiter wurden als Streikpostenleiter eingesetzt. Die besten Kämpfer der Gewerkschaft wurden in besonderen Gruppen in Reserve gehalten, um im kritischen Moment bereitzustehen. Motorradkuriere hielten die Verbindung zwischen den weit verstreuten Punkten des Streikkampfs, und Autos patrouillierten durch die Wohngebiete und benachrichtigten die Streikhauptquartiere über LKW-Fahrer, die sich als Streikbrecher betätigten.

Am Streikbeginn

Die Transportunternehmer wiesen die gewerkschaftlichen Forderungen ab, und so beschloss der Local 574 am 15. März einstimmig den Streikbeginn für den kommenden Tag.

In den ersten Tagen verhinderten fliegende Streikposten die Lastwagentransporte, während zugleich mehr und mehr Beschäftigte der Transportunternehmen der Gewerkschaft beitraten, deren Mitgliederzahl auf 6.000 wuchs. Die Polizei schritt ein und nahm in den ersten vier Streiktagen 169 Arbeiter fest. Die Geldbußen beliefen sich auf mindestens fünfzig Dollar pro Arbeiter und einige wurden per Gerichtsbeschluss zwischen 10 und 45 Tagen ins Arbeitshaus gesperrt.

Am fünften Streiktag warnte die Minneapolis Tribune : "Die Nahrungsmittelversorgung der Stadt beginnt unter dem Streik zu leiden..., man schätzt, dass die allgemeine Stilllegung von Bäckereien unmittelbar bevorsteht. Für Lebensmittelgeschäfte gibt es ähnliche Befürchtungen...." [17]

Polizei geht mit Trucks gegen unbewaffnete Streikposten vor Polizei geht mit Trucks gegen unbewaffnete Streikposten vor

Am 19. Mai wurde ein großes Polizeiaufgebot mobilisiert, um den LKW- Verkehr der Streikbrecher zu gewährleisten. Die Streikenden gingen mit bloßen Händen in diesen ersten ernsten Konflikt. Am Abend dieses Tages schickte ein Spion der Unternehmer, dem es gelungen war, sich in die Streikführung zu integrieren, drei mit Streikposten besetzte LKWs zu einem vorab vereinbarten Ort, an dem Polizei und Leute der Bürgerallianz warteten. Er überzeugte eine Gruppe Frauen davon, die Streikenden zu begleiten.

Alle Streikposten, die in diese Falle tappten, wurden erbarmungslos verprügelt. Carl Skoglund beschrieb den Vorfall: "Ich erinnere mich an den Abend. Sie brachten die Frauen und die Andern herein ... und legten sie nebeneinander im Hauptquartier ab. Alle Frauen waren verletzt und blutüberströmt, zwei oder drei hatten gebrochene Beine, einige blieben für Stunden bewusstlos. Eisenstangen und Totschläger wurden gegen Männer und Frauen eingesetzt." [18]

In der Vergangenheit hatten Polizisten und Schläger streikende Arbeiter mit derartigen Gewaltmethoden erfolgreich eingeschüchtert. Dieses Mal jedoch stärkte der Vorfall die Entschlossenheit der Streikenden, die sich nun mit allen erdenklichen Schlaginstrumenten bewaffneten. Die Bühne war bereit für die gewaltigen Auseinandersetzungen vom 21. und 22. Mai, die in die Geschichte als "Deputies Run" eingehen sollten.

Auf der einen Seite sammelten sich auf dem Marktplatz Hunderte Polizisten und bezahlte Schläger der Bürgerallianz, die vor allem aus Geschäftsleuten bestand. Der Streik verursachte ihnen allein im Mai Kosten in Höhe von 75.000 bis 100.000 Dollar.

Die Gewerkschaft setzte etwa 500 Streikende ein und hielt 900 Arbeiter in den Streikhauptquartieren in Reserve. Über den Abend hinweg hatten sich weitere 600 Streikende in Dreiergruppen unauffällig ins AFL-Hauptquartier nahe dem Lagerhausviertel, begeben. Mit der ersten Bewegung der Trucks traten die geheimen Gewerkschaftskräfte in Aktion, und das Handgemenge begann. Als die Schlacht heftiger wurde, flohen die Helfer der Bürgerallianz und überließen es den Polizisten, mit dem Angriff fertig zu werden. Anschließend mussten sich dreißig Polizisten im Krankenhaus behandeln lassen.

Am nächsten Tag rief der Polizeichef von Minneapolis, Michael Johannes, die Amerikanische Legion dazu auf, 1.500 Mann zu stellen, und ließ die Gefängnisse nach potentiellen Schlägern durchkämmen, die man anwerben könnte. Die Bürgerallianz stellte weitere Helfer auf.

Auf der anderen Seite traten Elektriker und Arbeiter des Baugewerbes in einen Sympathiestreik und schlossen sich den Streikenden des Local 574 an. Etwa 20.000 bis 30.000 Menschen, einschließlich der Schaulustigen, füllten das innerstädtische Geschäftsviertel und warteten auf den Kampfbeginn. Ein lokaler Radiosender war vor Ort, um aktuell über die Ereignisse berichten zu können. Wieder entzündete sich der Kampf am ersten Versuch, Waren abzutransportieren.

Der Historiker William Millikan verfasste, gestützt auf ausgewählte Berichte von Mitgliedern der Bürgerallianz, eine Darstellung des Tages:

"Ihrem Schlachtplan folgend wichen einige tausend aufgebrachte Streikende auf der First Avenue nach Süden zur Seventh Street aus, wo sie nach Westen schwenkten und in Richtung der Bahngleise marschierten. Verstärkt durch drei LKW mit bewaffneten Streikenden stießen sie an der Ecke der Seventh Street ... mit einer kleinen Polizeiabsperrung zusammen... Während die 23 Polizisten den Marsch kurz aufhielten, waren die Kräfte der Bürgerallianz an der nordöstlichen Ecke der Kreuzung gut beraten, in den Markt zu fliehen. Ohne Führer und zahlenmäßig mit fünfzig zu eins unterlegen, verschwanden sie vom Kampfplatz. Einer von ihnen hörte zufällig, wie ein Streikender bemerkte: ‚Wir haben die Ratten im Loch, genau da, wo wir sie haben wollten‘.

Streikende gehen am 21. Mai gegen die Hilfskräfte der Bürgerallianz vor Streikende gehen am 21. Mai gegen die Hilfskräfte der Bürgerallianz vor

Drei Trupps beobachteten von der Gasse gegenüber der Gamble Robinson Company unruhig, wie der Mob ‚losbrach und wie ein Rudel Hyänen die Third Avenue herunterkam‘. Sie wichen vor den Anstürmenden in die Gasse zurück. Binnen Minuten wurden vor der Ryan Kartoffelgesellschaft in der Third und Sixth Street Rufe wie ‚Da kommen sie!‘ laut. Arthur Lyman, Chef der Bürgerallianz, rief mehrere Trupps zusammen und führte sie zur Verteidigung der Straßenecke. Als die Menge die Third Avenue herunterfegte ‚ schien sie völlig außer Kontrolle zu sein und kochte vor Wut.‘ Die eigentliche Schlacht um das Geschäftsviertel hatte begonnen. In den nächsten zehn Minuten strömten einige tausend wütende Streikende in die Sixth Street, füllten die Straße und sogar die dem Markt zugewandte Seite der Straße. Die Trupps der Bürgerallianz wichen unter einem Hagel aus Flaschen, Obstkisten, Steinen, Kanthölzern und Eisenstangen zurück. Verletzte oder bewusstlose Polizisten wurden von der Straße getragen, als die Streikenden das zurückweichende Heer einholten.

Straßenkampf im Lagerhausbezirk Straßenkampf im Lagerhausbezirk

Im verbissenen Handgemenge wurden weitere Polizisten mit Bleirohren, Baseballschlägern und Eisenhaken zu Boden geprügelt. Zog ein verwundeter Polizist seine Dienstmarke, wurde er bewusstlos geschlagen. Blutende Polizisten wurden geschleppt oder krochen zu den Gebäuden entlang der Sixth Street oder sie rollten sich in der verzweifelten Hoffnung unter Autos, der Raserei der Streikenden zu entkommen. Ein Polizist bemerkte, dass die LKW-Fahrer auf uns fluchten und voller Groll gegen uns waren.

Als die Streikenden gegen ihn vorgingen, überschrie einer der Polizisten den Lärm und wandte sich an einen Polizisten in der Nähe: ‚Um Gottes Willen, greifen Sie zum Gewehr. Sonst werden sie uns töten!‘"

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21. Mai: Arbeiter schlagen beim Zurückweichen der Bürgerallianztruppen in der Sixth Street einen Helfer der Bürgerallianz zusammen. Der Chef der Bürgerallianz, Arthur Lyman, sammelt zwanzig Mann, um ihm zu helfen. ‚Gebt den armen Kerlen eine Chance‘, rief er. Innerhalb von Minuten war Lyman von schwingenden Keulen umgeben. Ein kleiner, blasser Mann in einem schmutzigen Overall schlug ihn auf den Kopf. Der benommene Lyman wurde über ein Auto geworfen und mit Knüppeln und Fäusten traktiert. Sein bewusstloser Körper fiel zu Boden und lag dort in der Straße, bis eine improvisierte Ambulanz ihn mitnahm...

Isoliert, ohne jede Führung, weit unterlegen und gnadenlos von den Streikenden überwältigt, begannen die demoralisierten Helfer zu fliehen, um sich selbst zu retten." [19]

Die Polizei wie auch die Helfer der Bürgerallianz verschwanden aus dem Bezirk, und die Streikposten begannen, den Verkehr zu regeln. Es war ein Sieg auf der ganzen Linie, und das Ereignis elektrisierte die Arbeiter im ganzen Land.

"Die Wochenschauen, die damals noch zu jeder Kinovorstellung gehörten, zeigten Kampfszenen, die während der Kämpfe jenes Dienstags aufgenommen worden waren. Überall reagierten die Arbeiter auf diese Nachrichten mit Begeisterung. Kinobesucher brachen in Beifallsrufe aus, wenn gezeigt wurde, wie Streikende Polizisten schlugen. Gewöhnlich war es andersherum die Regel." [20]

Die Bedeutung der Kämpfe vom 21. und 22. Mai im Vergleich mit anderen großen Streiks der Autoarbeiter in Toledo und Ohio und der Hafenarbeiter von San Francisco fasste James P. Cannon zusammen:

20.000 bis 30.000 Menschen drängen in das Speicherviertel 20.000 bis 30.000 Menschen drängen in das Speicherviertel

"Das messianische Vertrauen in die Roosevelt-Regierung, das für die Streikbewegung des Vorjahres typisch war, und das bis zu einem gewissen Grade der Bewegung ihren ursprünglichen Impuls gab, ist weitgehend verschwunden und hat skeptischem Argwohn Platz gemacht... Die streikenden Arbeiter verlassen sich nun vor allem auf ihre eigene Organisation und Kampfkraft und erwarten wenig oder gar nichts von der Seite, von der sie noch ein knappes Jahr zuvor alles erhofft hatten ... Es hat eine wirkliche Wendung gegeben, weg von der Zuversicht in den NRA [Roosevelts National Industrial Recovery Act] hin zum Vertrauen in die eigene Stärke." [21]

Wegen dieser Entwicklungen waren die AFL-Funktionäre in Minneapolis besonders beunruhigt. Sie wollten nicht, dass die unabhängige Bewegung der Arbeiter den Streik entschied, und versuchten ihn unter die Kontrolle Gouverneur Olsons zu bringen. Sie trafen sich mit Beamten der Stadtbehörden, um zu versuchen, die Straßenkämpfe zu beenden und den Gouverneur der Arbeiter- und Bauern-Partei ins Spiel zu bringen. Der republikanische Bürgermeister Bainbridge forderte Olson auf, die Nationalgarde zu mobilisieren. Olson kam der Aufforderung nach, doch die Einheiten verblieben zunächst außerhalb der Stadt. Local 574 prangerte sofort den Aufruf zum Einsatz der Nationalgarde an und organisierte eine Massendemonstration der Arbeiter in der Stadt.

Es kam zu stürmischen Verhandlungen, in denen 166 Unternehmen gezwungen wurden, die Gewerkschaft anzuerkennen. Allen Arbeitern wurde die Rückkehr an ihren Arbeitsplatz erlaubt, einschließlich derer, die die Unternehmer während des Streiks noch wegen "Verbrechen" anklagen wollten. Auch wurde das Prinzip der Seniority [bevorzugte Behandlung Älterer] anerkannt, wie auch die Tarifansprüche der Verlade- und Lagerarbeiter, die in einer Erklärung festgehalten wurden. Die zukünftigen Löhne jedoch sollten einem Schlichtungsverfahren unterworfen sein.

Dennoch glaubten die Streikführer, mit dieser Übereinkunft eine Grundlage für die Durchsetzung zukünftiger Ziele geschaffen zu haben, und empfahlen der Mitgliedschaft die Zustimmung. Am 31. Mai wurde die Übereinkunft unterzeichnet, und kurz darauf kehrten die Arbeiter an die Arbeit zurück.

Bis dahin hatten Cannon und die Führung der Communist League in New York den Streik telefonisch unterstützt. Cannon erkannte nun die Notwendigkeit, die ganze Partei hinter die Kämpfe in Minneapolis zu stellen. Er reiste nach Minneapolis. Bald darauf folgten andere erfahrene Parteimitglieder, um die politische und praktische Organisation des Kampfs auszuweiten. Unter jenen, die nach Minneapolis kamen, waren auch Max Shachtman und der Rechtsanwalt der Partei, Albert Goldman.

Innerhalb von zwei Wochen nach Vertragsschluss stabilisierte sich die Bürgerallianz und begann, die Erfolge des Maistreiks zu untergraben. Das Schlichtungsverfahren scheiterte, und die Verhandlungen über die Zugehörigkeit der Verlade- und Lagerarbeiter, der so genannten "inside workers", wurden sabotiert.

Gouverneur Olson, der sich bisher für die Einbeziehung der "inside workers" ausgesprochen hatte, ruderte zurück und sagte, ein Schiedsrichter müsse die Sache entscheiden. Die Arbeitsbehörde unterstützte die Bürgerallianz und lehnte die Vertretung der "inside workers" durch die Gewerkschaften ab.

Die Unternehmer nahmen die Lohnerhöhungen zurück, die die Arbeiter im Abkommen vom Februar erreicht hatten, und warfen etliche Arbeiter auf die Straße. Anderen Arbeitern gewährten sie Lohnerhöhungen, um die Bewegung zu spalten. Local 574 berichtete von 700 Beschwerden in dieser relativ kurzen Zeit. Ein neuer Streik wurde vorbereitet.

Der Juli-August- Streik

Am 5. Juli veranstaltete die Gewerkschaft eine große Demonstration mit anschließender Kundgebung, um die Arbeiter auf den kommenden Kampf vorzubereiten. Auch Führer der AFL und Funktionäre der FLP waren als offizielle Unterstützer des nächsten Streiks eingeladen.

Die Mai- Ereignisse hatten breite Teile der Bevölkerung auf die Seite von Local 574 gezogen. Ein Ergebnis dessen war der beträchtliche Zufluss von Informationen über die Unternehmer und die Bürgerallianz. Sekretärinnen belauschten die Telefongespräche ihrer Chefs und zogen Kopien von wichtigen Briefen oder Schriftstücken, Hausmeister holten Briefe aus Papierkörben und all dies gelang zur Analyse in die Streikleitungen.

Cruising Pickets des Ortsverbandes Local 574 kontrollieren einen Fahrer. Cruising Pickets des Ortsverbandes Local 574 kontrollieren einen Fahrer.

Während des Mai-Streiks kam es gelegentlich zu Spannungen zwischen den Streikposten und einzelnen Bauern, die ihre Produkte in die Stadt zu bringen versuchten. Die Gewerkschaft reagierte darauf, indem sie Bauernvereinigungen wie die National Farm Holiday Association aufforderte, Streikposten an den nach Minneapolis führenden Hauptstraßen zu platzieren. In die Stadt durften nur Farmer fahren, die Mitglieder dieser Vereinigungen waren, und sie konnten auf speziell für sie errichteten Märkten ihre Produkte verkaufen. Den Vereinigungen strömten daraufhin viele neue, Beitrag zahlende Mitglieder zu.

Der wichtigste Zugewinn für die Gewerkschaft war die Tageszeitung The Organizer, die gegen die Lügen der Bürgerallianz und der bürgerlichen Presse kämpfte und gegen den Verrat der Schlichter und der FLP- Regierung. Die Zeitung richtete den Blick der Arbeiterbewegung auf ihre wichtigsten Aufgaben. Cannon bezeichnete sie als die "Glanzleistung" des Streiks und schrieb, "ohne den Organizer wäre der Streik nicht siegreich gewesen." [22]

Die Bürgerallianz bereitete sich ebenfalls vor. Charles Rumford Walker schrieb: "Der Polizeichef Johannes erbat eine Verdopplung seines Polizeibudgets. Das Budget müsse die Kosten für 400 zusätzliche Männer und die Unterhaltung einer Polizeischule decken - er wollte 7.500 Dollar für die Schule und 33.200 Dollar für Ausrüstung. ‚Die Polizei‘ sagte Johannes, ‚muss wie eine Armee zur Aufstandsbekämpfung ausgebildet sein.‘ Das Budget umfasste 1.000 Dollar für Maschinengewehre, Mittel für 800 Gewehre mit Bajonetten, 800 Stahlhelme, 800 Gummiknüppel und 26 zusätzliche Motorräder." [23]

Im Mai hatte die Bürgerallianz einen großen Teil ihrer Propaganda gegen das Closed-Shop- System gerichtet, während die Gewerkschaft vor allem das forderte, was die Bundesregierung bereits verabschiedet hatte - das Recht der Arbeiter auf Organisation und Wahl einer eigenen Führung. Die Taktik der durch die Bürgerallianz vertretenen Unternehmer ließ sie in weiten Teilen der Öffentlichkeit als starrsinnig erscheinen.

Jetzt richtete sich die Bürgerallianz viel stärker gegen die kommunistische Führung des Local 574. Sie hoffte, schlecht informierte Arbeiter zu verwirren und die AFL-Bürokratie zu nötigen, den Kampf zu unterbinden. Der Minneapolis Star fragte, ob die Kommunisten heimlich die zumeist doch "ehrenhaften und patriotischen" Gewerkschaften übernommen hätten, um die "Russifizierung der Amerikaner" voranzutreiben. [24]

Teamster-Präsident Tobin half der Bürgerallianz mit einem öffentlichen Angriff auf Local 574 im Gewerkschaftsblatt. "Wir lesen in den Zeitungen, dass die berüchtigten Dunne-Brüder ... im Streik von Minneapolis bei Local 574 eine herausragende Rolle spielten. ...Alles was wir unseren Leuten sagen können ist, dass sie sich vor diesen Wölfen in Schafspelzen in Acht nehmen sollen ... die Gewerkschaft wird Euch helfen, wo sie kann ... um unsere Leute vor diesen Schlangen mit menschlichem Antlitz zu schützen." [25]

Ein von der Gewerkschaftsbasis angenommener Artikel des Organizer antwortete darauf:

"Mit größter Empörung müssen wir feststellen, dass D. J. Tobin, der Präsident unserer Organisation, sich dem teuflischen Spiel der Bosse anschließt, indem er in unserem Magazin einen verleumderischen Angriff vorträgt. Die Tatsache, dass dieser Angriff zum Bestandteil der ‘Munition‘ in der Kampagne der Bosse zur Zerstörung unserer Gewerkschaft wurde, ist für jeden intelligenten Arbeiter ausreichend, um ihren Zweck zu verstehen. Wir möchten D. J. Tobin deutlich sagen: ‚Wenn Sie nicht wie ein Gewerkschafter handeln und uns, statt den Bossen, helfen können, dann sollten Sie den Anstand haben zur Seite zu treten und uns unseren Kampf allein führen lassen...Unsere Führung und unsere Ausrichtung kommt aus unseren eigenen örtlichen Spitzen und nur von dort. Wir setzen unser Vertrauen in sie und werden unter keinen Umständen irgendwelche Angriffe auf sie dulden.‘" [26]

Die trotzkistischen Führer des Streiks hatten weiterhin keine Posten in der Gewerkschaft. Um der Bedrohung durch die konservativen örtlichen Funktionäre der Teamsters begegnen zu können, wählten die Arbeiter ein "Komitee der 100" aus den besten Vertretern der Gewerkschaft. Die Turbulenzen des bevorstehenden Kampfes würden rasche Entscheidungen ohne die Möglichkeit der vorherigen Befragung der gesamten Mitgliedschaft erfordern. Der konservative Vorstand der Gewerkschaft war damit in ein Streikkomitee eingebunden, das ihn kontrollieren und überstimmen konnte.

Die Führer von Local 574 sahen sich auch mit Provokationen der stalinistischen Kommunistischen Partei konfrontiert. 1934 setzten die kommunistischen Parteien international die ultralinke Politik der so genannten "Dritten Periode" um. Diese Politik zeitigte in Deutschland ihre zerstörerischsten Resultate, als die Führung der KPD unter Stalins Diktat die Sozialdemokraten als "Sozialfaschisten" abstempelte und Trotzkis Aufruf für die Taktik der Einheitsfront von Kommunisten und Sozialdemokraten und für die Zusammenarbeit mit Sozialdemokraten und Gewerkschaften zum Schutz der Arbeiterorganisationen gegen Hitler und seine Braunhemden zurückwies. Die ultralinke Politik der Stalinisten, im Wesen das Gegenteil des vorherigen opportunistischen Kurses, stieß die sozialdemokratischen Arbeiter zurück und ließ die reformistische Arbeiterbürokratie "aus der Klemme" und vertiefte die Spaltung der Arbeiterklasse, wodurch der Weg für Hitlers Machteroberung im Januar 1933 geebnet wurde.

In den USA rief die Kommunistische Partei zum Aufbau separater "roter" Gewerkschaften auf und stellte sich gegen den politischen Kampf zur Entlarvung und Ablösung der rechten AFL-Führung. In Minneapolis versuchte die KP in Opposition zu Local 574 und der AFL eine konkurrierende Arbeitslosengewerkschaft aufzubauen.

Eine der bizarren Taktiken der KP war auch das Stören der Streikposten von Local 574 mit der Forderung, statt LKW aufzuhalten das Rathaus zu besetzen. Die Stalinisten gaben auch eine Erklärung heraus, in der gefordert wurde, KP-Mitglieder ins Verhandlungskomitee von Local 574 aufzunehmen. Sie erklärte die National Farm Holiday Association der Farmer zu einer sozialfaschistischen Bewegung.

Während des Mai-Streiks wurde deutlich, dass die KP nicht in der Lage war, eine wirklich marxistische Taktik in Bezug auf Gouverneur Olson und die Farmer-Labor-Party anzuwenden. Sie forderte, Local 574 solle zu einem direkt gegen Olson gerichteten Generalstreik aufrufen. Dies geschah zu der Zeit, als Olson selbst verbal und mit einer Spende von 500 Dollar den Streik von Local 574 unterstützte. Die überwiegende Mehrheit der Arbeiter hegte die Illusion, Olson unterstütze den Kampf von Local 574. Die trotzkistischen Führer bewerteten diese "Unterstützung" richtigerweise als eine, die im Verlauf des Kampfes erst auf den Prüfstand kommen müsse, bevor die Arbeiter ihre Illusionen in den Gouverneur verlören.

Während die Arbeiter im Verlauf der Juli- und Augustkämpfe tatsächlich begannen Olson in einem anderen Licht zu sehen, verwarfen die Stalinisten flugs ihre Sozialfaschismus-Rhetorik und bewegten sich, als der Kreml 1935 die Politik der "Volksfront" ausrief, in die entgegengesetzte Richtung. Der Inhalt der Volksfront-Politik bestand in der Unterordnung der Arbeiterklasse unter die Organisationen der liberalen Bourgeoisie. Die KP machte kehrt und unterstützte nun die FLP in Minneapolis und Roosevelt und die Demokratische Partei auf nationaler Ebene.

Polizei setzt Tränengas ein Polizei setzt Tränengas ein

Am 16. Juli begann ein neuer Streik und "fliegende Streikposten" beherrschten die Straßen von Minneapolis. Die Streikenden begannen den Streik ohne die Schlagstöcke, die sie zum Ende des Maistreiks eingesetzt hatten. Dahinter stand der Versuch, der Polizei jede Rechtfertigung für gewaltsames Vorgehen zu nehmen oder Gouverneur Olson einen Vorwand für den Einsatz der Nationalgarde zu liefern. Bürgermeister Bainbridge forderte dennoch von Olson die Mobilisierung der Nationalgarde. Der Gouverneur veranlasste daraufhin die Mobilisierung der Einheiten und stellte ein provisorisches Bataillon im Zeughaus der Stadt auf.

Von Roosevelt eingesetzte Schlichter sprachen mit beiden Seiten, aber die Bürgerallianz lehnte einen Vertrag mit der Gewerkschaft ab. Am Abend des 18. Juli traf die Bürgerallianz Polizeichef Johannes und drängte ihn zu handeln. Ein Plan des direkten und gewaltsamen Vorgehens gegen die Gewerkschaft wurde in der Hoffnung ausgeheckt, dadurch den Streik zu zerschmettern. Der Minneapolis Star veröffentlichte die am 19. Juli gegenüber den versammelten Beamten erteilten Befehle des Polizeichefs.

"Wir werden damit beginnen Waren zu transportieren ... Lasst Euch nicht verprügeln ... Ihr habt Schusswaffen und wisst, wie man sie einsetzt. Wenn wir mit diesem Konvoi fertig sind, wird es weitere Waren zu bewegen geben ... Nun los, tut Eure Pflicht." [27]

Die Gewerkschaft wich der Provokation an diesem Tag aus. Doch am Tag darauf, dem 20. Juli, kam ein einzelner Lastwagen mit Lebensmitteln von den Verladerampen aus dem Geschäftsviertel. Etwa 100 bewaffnete Polizisten in Funkstreifenwagen, begleitet von weiteren 50 Polizisten zu Fuß, eskortierten den LKW. Als ein LKW mit neun Streikposten den Weg versperren wollte, richteten die Polizisten ihre Waffen auf ihn und feuerten.

Blutiger Freitag, 20. Juli. Polizisten eröffnen das Feuer auf Streikposten. Henry Ness von Local 574 und der arbeitslose John Belorvon werden getötet. Blutiger Freitag, 20. Juli. Polizisten eröffnen das Feuer auf Streikposten. Henry Ness von Local 574 und der arbeitslose John Belorvon werden getötet.

"Innerhalb von Sekunden lagen zwei der Streikposten regungslos auf dem Boden des von Kugeln durchlöcherten LKW. Andere fielen entweder verwundet auf die Straße oder versuchten kriechend der tödlichen Falle zu entkommen, als das Feuer wieder einsetzte. Aus allen Himmelsrichtungen eilten Streikende mit heldenhaftem Mut trotz des Gewehrfeuers zu dem LKW um zu helfen. Viele wurden niedergeschossen, als sie stehenblieben, um verwundete Kameraden aufzuheben. Die Polizisten verloren nun jede Beherrschung. Sie schossen in alle Richtungen, trafen die meisten ihrer Opfer in den Rücken, als diese zu fliehen versuchten. Oft schlugen sie mit Knüppeln auf Verwundete ein, die bereits am Boden lagen." [28]

Insgesamt wurden 50 Streikposten und 17 Unbeteiligte verwundet. Henry Ness von Local 574 und der arbeitslose John Belor starben. Der Organizer klagte die Bürgerallianz und Johannes an: "Ihr glaubtet Local 574 ins Vergessen schießen zu können. Erreicht habt Ihr aber nur, dass Local 574 in Minneapolis für jeden Arbeiter und jede Arbeiterin mit Selbstachtung zu einem Kampfruf wurde." [29]

In jener Nacht marschierten 15.000 Arbeiter zum Streikhauptquartier. Am 23. Juli streikten alle Transportarbeiter der Stadt. Mehr als ein Dutzend Mitglieder des Zentralrats der Arbeiter von Minneapolis, die die in New-Deal-Projekten beschäftigten Arbeitslosen vertraten, wurden aus dem Hinterhalt beschossen und alle 5.000 Mitglieder des Central Council of Workers traten in den Streik.

100.000 nahmen am Begräbnis des Märtyrers Henry Ness von Local 574 teil 100.000 nahmen am Begräbnis des Märtyrers Henry Ness von Local 574 teil

Am 24. Juli säumten 100.000 Menschen die Straßen und nahmen am Massenaufmarsch zur Beerdigung von Henry Ness durch Minneapolis teil. Die Polizei verschwand von den Straßen und die Streikenden übernahmen die Regulierung des Verkehrs.

Die Wut in der Arbeiterschaft wie auch in Teilen der Mittelschichten stieg enorm. Forderungen nach dem Rücktritt des Polizeichefs und der Amtsenthebung des Bürgermeisters wurden erhoben. Viele Arbeiter kamen mit Gewehren bewaffnet zu den Streikleitungen. Aber den Streikführern war klar, dass es der Bürgerallianz in die Hände spielen würde, die Bewaffnung zu erlauben.

Der Streik in Minneapolis blieb trotz bundesweiter Unterstützung eine weitgehend isolierte Bewegung. Den Bürgerkrieg zu entfesseln hätte Olson und Roosevelt den Vorwand für die militärische Zerschlagung des Streiks geliefert. Das Ziel des Kampfes blieben weiterhin die Anerkennung der Gewerkschaft und ein Tarifvertrag. Die trotzkistische Führung entwaffnete die Arbeiter, was der Streikführer Farrell Dobbs als "das Schlimmste, was ich in meinem Leben zu tun hatte" bezeichnete. [30]

Als der Streik fortgesetzt wurde, stellte Polizeichef Johannes vierzig Streifenwagen mit bewaffneten Polizisten zur Begleitung der langsam fahrenden LKW- Konvois ab. Gleichzeitig begleiteten Unmengen unbewaffneter "fliegender Streikposten" diese Konvois. Wenn so auch landwirtschaftliche Erzeugnisse geliefert werden konnten, hatte die Polizei nicht die Kräfte, um allen 166 Unternehmen Schutz zu gewähren.

Es entstand eine äußerst komplexe Situation. FLP-Gouverneur Olson verlor in den Wahlumfragen und ihm wurde klar, dass sein Unvermögen den Streik zu beenden, seine Zukunft untergraben könnte. Ein Historiker drückte es so aus, dass "der Streik Gemäßigten die Schwäche dritter Parteien demonstrierte und die Vorteile, ja, die Notwendigkeit deutlich machte, mit einer nationalen Demokratischen Regierung zusammenzuarbeiten."

Roosevelt rechnete damit, dass er durch ein erfolgreiches bundesstaatliches Eingreifen zur Beendigung des Streiks die FLP sicher unter die Fittiche der Demokratischen Partei bringen könne. James Cannon erläuterte später einmal die Haltung der Communist League of America gegenüber Olson:

"Der Streik gab dem Gouverneur der Farmer-Labor-Party, Floyd Olson, eine harte Nuss zu knacken. Uns waren die Widersprüche, in denen er steckte, bewusst. Auf der einen Seite war er angeblich ein Repräsentant der Arbeiter; auf der anderen Seite war er Gouverneur eines bürgerlichen Staates und fürchtete als solcher die öffentliche Meinung und die Unternehmer. Er steckte in der Zwickmühle, etwas für die Arbeiter tun zu müssen, oder besser gesagt, den Anschein zu erwecken, etwas für sie zu tun, und der Gefahr, dass der Streik aus dem Ruder laufen könnte. Unser Vorgehen bestand darin, diese Widersprüche auszunutzen, indem wir an ihn, den Gouverneur der FLP, täglich neue Forderungen richteten, um herauszuholen, was möglich war. Andererseits griffen wir ihn für jeden falschen Schritt an und ließen uns nicht im Geringsten auf seine Theorie ein, dass die Streikenden sich einfach auf ihn verlassen sollten." [32]

Zusammen mit Roosevelt-Schlichtern entwickelte Olson eine Vereinbarung, die die Weiterbeschäftigung aller Streikenden zusicherte, Gewerkschaftswahlen zustimmte, und Mindestlöhne und ein Schiedsverfahren zur Festlegung zukünftiger Löhne beinhaltete. Für die Vertretung der Verlader beschränkte sich die Vereinbarung auf nur 22 Unternehmen. Der Vorschlag wurde veröffentlicht und Olson drohte mit der Verhängung des Kriegsrechts, sollten die beiden Parteien ihr nicht zustimmen. Durch diese Drohung hoffte Olson einzelne Unternehmen von der Bürgerallianz zu lösen und zum Unterzeichnen zu bewegen. Nur unterzeichnenden Firmen sollte fortan militärischer Schutz beim Warentransport gewährt werden.

Trotz ihrer grundsätzlichen Ablehnung von Schiedsverfahren und der eingeschränkten Vertretung der Verlader, sahen die Führer von Local 574 in dem Angebot eine Grundlage zur Sicherung zukünftiger Vorteile. Durch Wahlsiege in den Firmen, wo dem Vorschlag der Schlichter zufolge die Verlader ausgeschlossen waren, wäre man zukünftig dennoch in der Lage, das Recht zu beanspruchen, auch für sie zu verhandeln. Der Vorschlag wurde der Basis zur Annahme empfohlen und erhielt eine große Mehrheit. Die Bürgerallianz antwortete, sie könne "unter den gegebenen Umständen nicht mit dieser kommunistischen Führung verhandeln" und lehnte die Unterzeichnung ab. [33]

Am 26. Juli verhängte Olson das Kriegsrecht und 4.000 Nationalgardisten besetzten das Geschäftsviertel von Minneapolis. Streikposten und Ansammlungen im Freien wurden verboten. Binnen Stunden wurden die Führer der Communist League of America, Cannon und Max Shachtman, inhaftiert und später aus der Stadt ausgewiesen. Sie stimmten dem zu und richteten sich dann in St. Paul ein, von wo sie fortfuhren den Streik zu führen.

In Minneapolis eingesetzte Nationalgarde In Minneapolis eingesetzte Nationalgarde

Anfänglich unterzeichneten nur kleine Firmen den Vorschlag der Schlichter, während die großen Unternehmen sich an die Linie der Bürgerallianz hielten. Olson gab dem enormen Druck nach und wich von seinen ursprünglichen Vorgaben ab. Innerhalb weniger Tage wurde 7.500 LKW militärischer Schutz gewährt, auch den Firmen, die den Vorschlag abgelehnt hatten. Um die Bürgerallianz zur Annahme des Vorschlags zu bewegen, zog Olson auch seine Forderung nach Anerkennung der Gewerkschaft durch die Unternehmer zurück.

Am 31. Juli veranstaltete Local 574 eine Demonstration von 25.000 Arbeitern. Olson wurde entschieden verurteilt und die Gewerkschaft erklärte, am folgenden Tag würden die Streikposten trotz des Kriegsrechts wieder aufgenommen.

Die Festnahme von Vincent R. Dunne am 1. August während einer Razzia der Nationalgarde in den Büros von Local 574 Die Festnahme von Vincent R. Dunne am 1. August während einer Razzia der Nationalgarde in den Büros von Local 574

Am 1. August um vier Uhr in der Frühe besetzten 1.000 Nationalgardisten die Gewerkschaftsbüros und schlossen sie. Zusammen mit Bill Brown und dem Gewerkschaftsarzt wurden Vincent und Miles Dunne in Militärgewahrsam genommen. Die im Gewerkschaftshospital liegenden verwundeten Arbeiter wurden in eine Militäreinrichtung verlegt. Auch im Hauptbüro der AFL führte die Nationalgarde auf Olsons Anweisung hin eine Razzia durch.

Grant Dunne und Farrell Dobbs entkamen der Fahndung und trafen sich mit Mitgliedern des Komitees der 100. Es wurde beschlossen, das Handeln der Gewerkschaft in der Stadt zu dezentralisieren. Die Streikführer tauchten in der Basis unter, was nur geringe Nachteile mit sich brachte. Abseits der Kontrolle durch Polizei und Nationalgarde wurden die Hinterhöfe der Stadt praktisch zum Feld eines Guerillakrieges.

"Etliche Kontrollpunkte wurden in der ganzen Stadt errichtet, hauptsächlich an sympathisierenden Tankstellen, die von den Streifen der Streikenden aufgesucht und verlassen werden konnten, ohne Verdacht zu erregen. Kuriere, die Wohngebiete beobachteten, und Münztelefone in den Tankstellen halfen, um LKW mit Streikbrechern an die Einsatzleitungen der Streikposten zu melden. Die Streikposten fuhren daraufhin zu den gemeldeten Orten, um das Notwendige zu tun und schnell wieder zu verschwinden. Mit Erlaubnis des Militärs arbeitende LKW wurden in der ganzen Stadt bald außer Betrieb genommen.

Die Nationalgarde sichert Streikbrecher Die Nationalgarde sichert Streikbrecher

"Über 500 Anrufe gingen innerhalb weniger Stunden in den Hauptstützpunkten des Militärs ein. Soldaten in Streifenwagen reagierten auf diese Anrufe und stießen üblicherweise auf verprügelte Streikbrecher, nicht aber auf Streikposten." [34]

Ein Versuch Gouverneur Olsons, die Streikführer zu Verhandlungen zu zwingen um den Streik zu beenden, scheiterte kläglich. Die Streikenden antworteten ihm mit der Forderung nach Freilassung ihrer Führer. Unterdessen kam der Organizer mit Schlagzeilen heraus, wie:

"Antwortet auf die militärische Tyrannei mit einem allgemeinen Proteststreik! - Olson und das Militär haben Flagge gezeigt! - Gewerkschafter, nun seid ihr an der Reihe! - Unsere Streikbüros wurden angegriffen! Unsere Führer wurden ins Gefängnis geworfen! 574 kämpft weiter!"

Nationalgarde bei einer Razzia im Hauptbüro der AFL Nationalgarde bei einer Razzia im Hauptbüro der AFL

Im Maistreik hatte sich die stalinistische Kommunistische Partei für einen Generalstreik eingesetzt. Die Trotzkisten begrenzten weitere Aufrufe zur Ausdehnung des Streiks nur auf die hinter ihnen stehenden Transportarbeiter, da ihnen bewusst war, dass der Generalstreik kein Allheilmittel für die Arbeiterbewegung war. Der Aufruf für einen Generalstreik hätte es den AFL-Bürokraten ermöglicht, Sitze in einem Generalstreikkomitee zu erlangen, aus dem heraus sie dann mit ihrer Mehrheit jedes von Olson erdachte Abkommen zu Lasten der Arbeiter unterstützt hätten.

Im August war Olson allerdings vollständig als Streikbrecher in Verruf geraten und der Ruf nach einem Generalstreik entfachte im Namen von Local 574 in der ganzen Stadt eine Bewegung der Arbeiter und verhinderte das Untergraben des Kampfes durch die AFL. In dieser neu entstandenen Situation sah Olson sich zu einem Rückzieher gezwungen, entließ die von ihm Inhaftierten und gab den Gewerkschaften ihre Büros zurück.

Am 5. August hob Olson bis auf wenige Ausnahmen alle Transportgenehmigungen auf, ausgenommen einiger für eine begrenzte Anzahl von Waren. Die Bürgerallianz schäumte vor Wut und forderte die Aussetzung des Kriegsrechtes. Am Tag darauf erschien Olson als Gegenspieler des Rechtsanwalts der Bürgerallianz vor dem Bezirksgericht in Hennepin, um die Sache entscheiden zu lassen. Das Gericht stellte sich auf Olsons Seite und bestätigte, dass ihm die Kontrolle über die Garde und die Transportgenehmigungen zufalle. "Die Herrschaft des Militärs ist der Herrschaft des Mobs unter allen Umständen vorzuziehen." [35]

Mit Einführung des Kriegsrechts wurden die Nebenstraßen von Minneapolis faktisch zum Gebiet eines Guerillakrieges Mit Einführung des Kriegsrechts wurden die Nebenstraßen von Minneapolis faktisch zum Gebiet eines Guerillakrieges

Man geht davon aus, dass die Bürgerallianz mit ihrem Antrag zur Aufhebung des Kriegsrechts die Absicht verfolgte, die Lage bis hin zu wahllosem Erschießen von Arbeitern in den Straßen eskalieren zu lassen. Pfarrer Francis Harris, einer von Roosevelts Schlichtern während der Ereignisse in Minneapolis, schrieb einem Freund, er denke "mit Grauen an die Gewalt und das bevorstehende Blutvergießen." [36]

Während des ganzen Monats August stand Local 574 vor ernsten Schwierigkeiten. Die Kosten zur Aufrechterhaltung der gewerkschaftlichen Aktionen beliefen sich auf 1.000 Dollar pro Tag. Die Führungsschicht war erschöpft und 130 Mitglieder waren durch die Nationalgarde in Haft genommen worden.

Die örtlichen Teamster-Bürokraten versuchten den Streik mit der Forderung zu untergraben, Taxifahrer und Tankstellenbedienstete sollten als besondere Gewerke von Local 574 abgetrennt werden. Einige vom mühsamen Kampf entmutigte Arbeiter wichen zurück und gingen wieder zur Arbeit. Aber die Gewerkschaft erhielt weiter Unterstützung aus der Arbeiterklasse und kämpfte weiter. Sie war sich auch der Probleme des gegnerischen Lagers bewusst.

Am 8. August reiste Olson zu einem privaten Treffen mit Präsident Roosevelt, der gerade eine Klinik in Rochester, Minnesota, besuchte. Olson bat Roosevelt eindringlich, mit der Reconstruction Finance Corporation (RFC) Druck auf die Unternehmen in Minneapolis, besonders jedoch auf die Northwest Bancorporation, auszuüben.

In der Northwest Bancorporation "konzentrierten sich die größten Finanzmittel aller Regionen außerhalb Kaliforniens". Sie war die zentrale Achse der Bürgerallianz, die deren Kredite nutzte, um die zum Open-Shop-System stehenden Unternehmen zu fördern und jene zu bestrafen, die bereit waren, sich mit den Gewerkschaften zu einigen. In der Großen Depression zeigte sich jedoch, dass Teile des großen Bankimperiums nicht in der Lage waren, die Vorgabe des New Deal einzuhalten, dass das Eigenkapital einer Bank zehn Prozent ihrer Einlagen übersteigen müsse. 1933 musste die Northwest Bancorporation sich daher 23 Millionen Dollar aus dem RFC erbitten, um die Bank vor dem Untergang zu bewahren. [37]

Roosevelts Unterhändler, bestrebt die explosiven Klassenspannungen in Minneapolis zu entschärfen, drohten nun damit, diese Finanzmittel zurückzufordern, um die Bürgerallianz auf Linie zu bringen.

Der Streik verschärfte auch die finanzpolitischen Schwierigkeiten der herrschenden Klasse. Der Juli-August-Streik währte insgesamt 36 Tage und kostete die Stadt dem Autor Thomas Blantz zufolge etwa 50.000.000 Dollar. Die Bankeinlagen sanken während des Streiks um 3 Millionen Dollar pro Tag. Etwa 5 Millionen Dollar wurden für Löhne ausgegeben und der Einsatz der Nationalgarde kostete mehr als 300.000 Dollar Steuermittel. [38]

Das geheime Informationsnetzwerk von Local 574 bot dem Ortsverband Einblick in die Verwirrung innerhalb der Unternehmerschaft und der Organizer legte wieder den Finger in diese Wunde:

"Verschiedene Quellen, einschließlich der Äußerungen einzelner Unternehmer selbst, deuten in den letzten Tagen auf eine weitverbreitete Auflehnung der vom Streik betroffenen Firmen hin. Die enormen, in Folge des Streiks aufgelaufenen finanziellen Verluste übersteigen bei weitem die Kosten, die die von der Gewerkschaft geforderten, mäßigen Lohnerhöhungen über einen langen Zeitraum mit sich gebracht hätten ..."

"Die Finanz-Hitler, die jede Gewerkschaft in der Stadt zerschlagen wollen ... konfrontierten diese Unternehmen mit der Alternative der Ruinierung ihres Geschäfts ..."

"Die schlimmste Illusion für uns wäre der Gedanke, die neuen Militärbefehle Gouverneur Olsons zur Beschränkung der LKW-Transporte würden den Streik für uns entscheiden und wir könnten uns abwartend auf diese Unterstützung verlassen. Es waren Olson und sein Militär, die die LKW-Transporte überhaupt erst wieder erzwangen. Es gibt keine Garantie, dass er nicht einen neuen Schwenk vollzieht und dasselbe morgen wieder macht ... Es gibt keine Macht, auf die wir uns verlassen können, außer der unabhängigen Kraft der Gewerkschaft. Vertraut darauf und nur darauf." [39]

Die Local 574 - Präsidiumsmitglieder William Brown, Miles Dunne und Vincent R. Dunne nach ihrer Entlassung aus dem Militärgewahrsam Die Local 574 - Präsidiumsmitglieder William Brown, Miles Dunne und Vincent R. Dunne nach ihrer Entlassung aus dem Militärgewahrsam

Tatsächlich begann Olson eine Kehrtwendung zur Gewährung von Zulassungen zu vollziehen und bald waren tausende LKW auf den Straßen, deren Besitzer nur zu einem Drittel dem Vorschlag der Schlichter zugestimmt hatten. Am 18. August gab die Bürgerallianz jedoch nach und willigte in einen neuerlichen Schlichtungsversuch ein.

Der neue Vorschlag glich dem alten hinsichtlich der Gewerkschaftswahlen, der Vertretung der Inside Worker und dem Ausschluss von Sanktionen. Die Mindestlöhne sollten auf 50 Cent pro Stunde für Fahrer und 40 Cent für andere Arbeiter festgesetzt werden.

Die Wahlen endeten damit, dass Local 574 das Recht auf Vertretung von 61 Prozent der Arbeiter des Transportgewerbes zufielen. Durch Schiedsverfahren wurden die Löhne aller Arbeiter um 2 ½ Cent pro Stunde angehoben. Im zweiten Jahr der Vertragslaufzeit wurden die Löhne nochmals um diesen Satz erhöht.

In den örtlichen Gewerkschaftswahlen wurden die konservativen Elemente der Gewerkschaft abgewählt und durch Vincent Dunne, Grant Dunne und Farrell Dobbs ersetzt.

Die Nachwirkungen

Der Rauch über den Sieg in Minneapolis hatte sich kaum verzogen, als Miles Dunne nach Fargo, Nord-Dakota, geschickt wurde, wo ein Kampf für gewerkschaftliche Organisation und höhere Löhne sich zu einer gewaltgeladenen Konfrontation entwickelte. Streiks von Automechanikern begannen in Minneapolis und griffen zu einem gemeinsamen Kampf von 2.000 Kollegen auf St. Paul über. In beiden Fällen wandten sich die Arbeiter um Hilfe an die Führung von Local 574 und übernahmen ihre Taktik.

Im November 1934 berief Local 574 eine Konferenz linker Gewerkschafter ein, auf der die Northwest Labor Unity Conference gegründet wurde. Ihr Programm enthielt Prinzipien wie gegenseitige Hilfe der Ortsverbände, Solidarität, die Aufnahme Arbeitsloser in die Gewerkschaften, Ausbildung, den Aufbau einer Arbeiterverteidigungsorganisation und Widerstand gegen die Politik der Klassenzusammenarbeit. Sie schuf mit dem Northwest Organizer auch eine Zeitung, die die Funktion des vormaligen The Organizer übernahm.

Die amerikanische herrschende Klasse war sich der mit diesen Entwicklungen verbundenen Gefahren für ihre Klasseninteressen wohl bewusst. Das Eingreifen Roosevelts in den Streik von 1934 hatte nichts mit Sympathie für die Arbeiter zu tun. Er griff mit der Absicht ein, die Bewegung der Arbeiter im Rahmen des kapitalistischen Systems zu halten und die Entstehung sozialistischen Bewusstseins zu blockieren.

Die AFL-Bürokratie, die 1934 entweder passiv am Rande stand oder die Bewegung behinderte, raffte sich nur aus demselben Grund wie Roosevelt und auf sein Zeichen hin dazu auf Arbeiter zu organisieren. Auf dem AFL-Kongress 1935 versuchte der Präsident der Internationalen Druckergewerkschaft, Charles P. Howard, seine Bürokratenkumpane davon zu überzeugen, auch die unorganisierten Arbeiter zu organisieren, um die kapitalistische Ordnung zu verteidigen.

"Lasst Euch sagen, dass die Arbeiter dieses Landes dabei sind sich zu organisieren und dass sie sich unter eine andere Führung begeben, wenn es ihnen verwehrt wird, sich unter dem Banner der American Federation of Labor zu organisieren, ... Ich möchte deutlich machen, dass damit ein weitaus ernsteres Problem für unsere Regierung, für die Menschen unseres Landes und die AFL selbst verbunden wäre, als wenn wir unsere Organisationspolitik so gestalten, dass wir sie aufnehmen und unter die Führung dieser Organisation bringen." (40)

Über diese Frage kam es auf dem Kongress zur Spaltung der AFL. Das daraus hervorgehende Comittee for Industrial Organization startete eine Kampagne, um den unvermeidlichen Ausbruch von Kämpfen unter reformistische, statt revolutionäre Kontrolle zu stellen.

Die Kämpfe dehnen sich aus

1935: Streikposten und streikende Arbeiter in Minneapolis vor der Strutwear Knitting Company. 1935: Streikposten und streikende Arbeiter in Minneapolis vor der Strutwear Knitting Company
1935: Polizisten während des Streiks in der Strutwear Knitting Company 1935: Polizisten während des Streiks in der Strutwear Knitting Company

Die Anziehungskraft, die Local 574 auf mit ihm sympathisierende Gewerkschaften und Arbeiter ausübte, erwies sich in den kommenden zwei Jahren als entscheidend, als die AFL und die International Brotherhood of Teamsters im nationalen Rahmen und die Central Labor Union von Minneapolis und der Teamsters Joint Council im lokalen Rahmen damit begannen, gemeinsam gegen die trotzkistische Führung von Local 574 der Teamsters vorzugehen, um sie zu zerstören. Im April 1935 nahm Daniel Tobin, der Präsident der International Brotherhood of Teamsters (IBT), die Satzung für Local 574 zurück und setzte Schläger ein, um die gewerkschaftlich organisierten Transportarbeiter unter eine neue, ihm ergebene Führung von Local 574 zu bringen.

Im selben Jahr wurde Thomas Latimer als Kandidat der Farmer-Arbeiter-Partei zum Bürgermeister von Minneapolis gewählt. Er erwies sich als erbitterter Feind der Arbeiter. Schon im ersten Monat seiner Amtszeit blockierte er Streikposten durch den Einsatz von Polizeikräften, damit Streikbrecher gegen einen Maschinistenstreik eingesetzt werden konnten. Dann schossen unter seinem Kommando Polizisten auf Arbeiter, wobei zwei getötet und etliche verletzt wurden. Während eines weiteren Streiks wurde der Führer von Local 574, Vincent Dunne, von der Polizei festgenommen, geschlagen und ins Gefängnis geworfen. Ärztliche Hilfe zur Behandlung seiner gebrochenen Rippen wurde ihm verweigert.

1936 nahm die Gewalt nochmals zu, als Latimer im Auftrag der AFL-Bürokratie und der Bürgerallianz den mit Pistolen und Totschlägern bewaffneten Schlägern Tobins grünes Licht zum Verprügeln von Local 574-Mitgliedern gab und auch nichts dagegen unternahm, als diese besonders brutal gegen Vincent Dunne und den Vizepräsidenten von Local 574, George Frosig, vorgingen.

Aber Local 574 hielt stand, weil die Arbeiter von Minneapolis und überall im Bundesstaat zu seiner Verteidigung demonstrierten und fortfuhren sich zu organisieren. Local 574 erhielt auch von einer Minderheitskoalition von fünfzehn Gewerkschaften in der Central Labour Union von Minneapolis Unterstützung.

Um 1936: Eine Menschenmenge drängt sich vor dem Gebäude an der Dritten Straße Nord/Ecke Plymouth Nord, in dem eine Versammlung von Local 544 stattfindet. Um 1936: Eine Menschenmenge drängt sich vor dem Gebäude an der Dritten Straße Nord/Ecke Plymouth Nord, in dem eine Versammlung von Local 544 stattfindet.

Bis Ende 1936 waren die Arbeiter des Transportgewerbes in Minneapolis vollständig gewerkschaftlich organisiert. Vier zur Zerstörung von Local 574 von Tobin an die Spitze gestellte Agenten beendeten die Attacken ihrer Schläger, vermittelten einen Kompromiss und schlossen sich unter der Bezeichnung Local 544 mit einer neuen Gewerkschaftssatzung den Trotzkisten an. Tobin musste für den Moment einlenken und der Northwest Organizer wurde unter der Chefredaktion der Trotzkisten das offizielle Organ des regionalen Gemeinsamen Rates der Teamsters [Teamsters Joint Council]. Tobins politische Linie der Berufsgewerkschaften wurde durch das Prinzip der Industriegewerkschaft ersetzt.

Dieser Übertritt von Funktionären alten Stils mag aus heutiger Sicht seltsam erscheinen und war ganz sicher auch eine Ausnahme. Er war das Resultat der umsichtigen Taktik der Trotzkisten. Jeder Schritt der Agenten Tobins war im Northwest Organizer diskutiert worden und die Arbeiter selbst spielten die entscheidende Rolle bei der Niederschlagung der Kampagne gegen die trotzkistische Führung.

Farrell Dobbs erklärte dazu, dass Tobins Anführer in der Kampagne offenbar "damit gerechnet hatte, dass wir ihnen Mann gegen Mann, Schläger gegen Schläger, Gewehr gegen Gewehr gegenübertreten würden. Er nahm weiterhin an, die Gewerkschaftsbasis würde nur zuschauen und abwarten, wer als Sieger aus diesem Kampf hervorgeht und sich diesem dann zukünftig unterordnen ... Es dauerte nicht lange, bis Murphy eines besseren belehrt wurde." (41)

Unter den vier abtrünnigen Teamster-Funktionären befand sich L.A. Murphy von den Teamsters in Chicago, der zu einem Sympathisanten der Trotzkisten wurde. Patrick Corcoran, der Leiter des gemeinsamen Teamster-Rates, wurde während der Kampagne zur gewerkschaftlichen Organisierung der Trucker in den sechs Bundesstaaten Minnesota, Nord- und Süddakota, Iowa, Wisconsin und Upper Michigan, ein entscheidender Verbündeter der Trotzkisten. Corcorans Frontwechsel wurde ihm offensichtlich von seinen vormaligen Kreisen nicht nachgesehen. 1937 wurde er spätnachts vor seinem Haus erschossen. Das Verbrechen klärten die Behörden niemals auf.

Was diese Funktionäre bewegt hatte, war eine tiefgehende Radikalisierung der Arbeiterklasse und die prinzipielle Führung der Trotzkisten. Im internationalen Maßstab zeigte sich dasselbe politische Phänomen in der Entstehung linker, den Weg zum revolutionären Sozialismus suchender Flügel in vielen Organisationen.

1936 schloss sich die trotzkistische Bewegung der USA der Sozialistischen Partei an. Als der Konflikt mit den Rechten dieser Partei 1938 seinen Höhepunkt erreicht hatte, lösten sich die Trotzkisten, die die linken Elemente der Sozialistischen Partei für sich gewonnen hatten, wieder ab und gründeten die Socialist Workers Party (SWP). Im selben Jahr wurde die Vierte Internationale gegründet, der sich die SWP anschloss.

Der Erfolg der umfangreichen Organisationsarbeit der Teamsters wurde deutlich, als versucht wurde, dem Präsidenten von Local 544, Bill Brown, eine Klage wegen Gewalt während des Streiks anzuhängen und ihm die Verurteilung zu einer 40-jährigen Haftstrafe drohte. Die Teamsters beantworteten diese Drohung mit der Androhung eines Streiks von 20.000 Transportarbeitern in vier Bundesstaaten, woraufhin die Anschuldigungen fallen gelassen wurden.

Farrell Dobbs führte in elf Bundesstaaten eine Kampagne zur Organisation der Trucker Farrell Dobbs führte in elf Bundesstaaten
eine Kampagne zur Organisation der Trucker

In den Jahren 1938 und 1939 wurde die von Truckern selbst getragene Organisationskampagne auf elf Bundesstaaten ausgedehnt, indem sie dort Ausgaben des Northwest Organizer verbreiteten und die Forderung nach industrieüblichen Stundenlöhnen von 70 bis 75 Cent in die nicht-gewerkschaftlichen Hochburgen des Mittelwestens trugen, wo Arbeiter weniger als 30 Cent pro Stunde erhielten. Während dieser Kampagne trugen sich 200.000 neue Mitglieder ein. Hatten die Teamsters 1933 noch 80.000 Mitglieder, waren es - hauptsächlich durch die Arbeit der Trotzkisten - nun 500.000.

Leo Trotzki, der sich zu dieser Zeit im Exil in Mexiko aufhielt, beobachtete die Arbeit seiner Genossen bei den Teamsters mit besonderem Interesse. Er traf sich persönlich mit Local 544-Mitgliedern, um mit ihnen die vor den amerikanischen Arbeitern stehenden Probleme zu diskutieren. Aus seiner Feder stammt eine der gründlichsten marxistischen Analysen über die Gewerkschaften, ihre politischen Grenzen und die Aufgaben der in ihnen organisierten Revolutionäre. Als ein Ergebnis seines Eingreifens wurde der Northwest Organizer ein noch klareres politisches Werkzeug für Local 544, wurde in den Worten Trotzkis "präziser, aggressiver, politischer." (42)

Im antigewerkschaftlichen Bollwerk Omaha, wo 1938 und 1939 einige der gewaltsamsten Kämpfe stattfanden und aufgrund falscher Beschuldigungen Gerichtsverfahren gegen Gewerkschaften konstruiert wurden, lasen die Arbeiter bald nicht nur den Northwest Organizer, sondern darüber hinaus auch den trotzkistischen Socialist Appeal. Letztendlich bildete sich sogar eine Parteigruppe der SWP.

Weiterhin leisteten die Trotzkisten während dieser Zeit unter den Arbeitslosen und den Arbeitern in New-Deal-Programmen Roosevelts wichtige Arbeit, wie beispielsweise dem Programm der Arbeitsbeschaffungsbehörde WPA. Local 544 richtete für diese Arbeiter die Federal Workers Section (FWS) ein, die den Kampf um besseren Lebensstandard organisierte und die Regierung zwang, auch in öffentlichen Projekten die mit den Gewerkschaften ausgehandelten Löhne zu zahlen. Die Arbeitslosen und die Arbeiter in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen waren in dieser Zeit daher mit den gewerkschaftlich organisierten Arbeitern vereint, statt möglicherweise von den Unternehmern als Gewerkschaftsfeinde und Streikbrecher angeheuert werden zu können.

Die FWS traf sich mit Studenten und Professoren der Universität von Minnesota, um auf Grundlage neuester wissenschaftlicher Forschungen neue Ernährungsrichtlinien zu entwickeln. Danach wurde die bis dahin ablehnend eingestellte Stadtverwaltung von Minneapolis durch Demonstrationen zur Gewährung höherer Sozialhilfesätze zugunsten der Arbeitslosen gezwungen.

Arbeiterverteidigung

Nachdem sowohl die AFL-Bürokratie als auch die Bürgerallianz die Trotzkisten nicht besiegen konnten, bildete sich im Jahr 1938 in Minneapolis eine neue Gruppe, die Silver Shirts of America, eine faschistische Organisation nach dem Vorbild von Hitlers Braunhemden. Die Trotzkisten antworteten darauf mit der Gründung der 544 Union Defense Guard, einer 600 Mann starken Kampftruppe zum Schutz der Gewerkschaften gegen Übergriffe.

Die Local 544 Union Defense Guard Die Local 544 Union Defense Guard

Die Organisation richtete eine Aufklärungseinheit zur Beobachtung der Silver Shirts ein, trainierte mit Arbeitern den Gebrauch von Schusswaffen, erteilte Unterricht zu Fragen des Faschismus und der mit ihm verbundenen Gefahren und berichtete im Northwest Organizer über diese Arbeit. Die Union Defense Guard unterstand der Kontrolle der Arbeiter der Gewerkschaft, zu deren Schutz sie jeweils aktuell gerufen wurde.

Die Defense Guard knüpfte Verbindungen zu anderen Gruppen, beispielsweise zu denen jüdischer Organisationen. Bereitschaftsübungen der Arbeiter gegen faschistische Angriffe erschreckten die herrschende Elite der Stadt. Ein Husarenstück der Union Defense Guard war die Schließung einer Versammlung der Silver Shirts. Die Organisation der Guard war derart präzise und eindrucksvoll, dass die Silver Shirts sich aus der Stadt zurückzogen. Mit dem Abklingen der faschistischen Gefahr wurde die Union 544 Defense Guard demobilisiert.

Der Kampf für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse

Die zur Bildung von Industrie-Gewerkschaften führenden Massenkämpfe in Industriezweigen wie beispielsweise der Stahl-, Elektronikindustrie, der Gummi- und der Fleischverarbeitung sowie anderen wurden den Bürokratien von AFL und CIO und der stalinistischen Kommunistischen Partei (KP) letztlich der Demokratischen Partei Roosevelts untergeordnet.

Farrell Dobbs bei einem Treffen mit Leo Trotzki in Mexiko Farrell Dobbs bei einem Treffen mit Leo Trotzki in Mexiko

Die amerikanischen Trotzkisten entwickelten mit Trotzki selbst und in Opposition zu den Führungen der Gewerkschaften und der KP die Forderung, die Gewerkschaften sollten mit den Demokraten brechen und eine eigene, sozialistische Arbeiterpartei aufbauen. Das Ziel dieser Taktik war es, den Weg für einen Kampf um die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse von den bürgerlichen Parteien und Politikern zu ebnen. Da es in Minnesota bereits die reformistische Farmer-Arbeiter-Partei (FLP) gab, strebten die Trotzkisten danach, die Arbeiterklasse in ihr als politische Kraft zur Geltung zu bringen.

Die Stalinisten erlangten in der FLP durch Kultur- und Wohngebietsclubs mit zuweilen weniger als 25 Mitgliedern (oder gar nur fiktiven Mitgliedern) fünf Delegierte, während Local 544 mit 5.000 Mitgliedern es nur auf drei Delegierte brachte. Die auf die Volksfrontpolitik ausgerichtete KP kämpfte dagegen, aus der FLP eine Waffe für die Arbeiter zu machen. Stattdessen kämpfte sie mit den Konservativen und übergetretenen Demokraten darum, die FLP unter Kontrolle der Demokratischen Partei Roosevelts zu bringen.

Das Agieren des rechten Flügels, verbunden mit dem streikbrecherischen Verhalten des FLP-Bürgermeisters Latimer, führte zum Vertrauensverlust der Partei bei den Arbeitern. Bei den Wahlen von 1937 gewannen daher die Republikaner in den Bürgermeisterwahlen die Kontrolle über die Stadtverwaltung zurück. 1938 verlor die FLP bei den Gouverneurswahlen nochmals 250.000 Wähler und wurde haushoch geschlagen.

Unter den fortgeschritteneren Arbeitern gab es aber weiterhin das ausgeprägte Streben danach, die Partei für den eigenen Kampf zu gewinnen. Diese Haltung vertraten auch einige Gewerkschaftsführer, unter ihnen John Boscoe von der Druckergewerkschaft, der die Central Labor Union in Minneapolis führte und ein Bündnis mit dem trotzkistischen Ortsverband Local 544 schmiedete. Boscoe war kein Sozialist, wollte aber durch die FLP die Macht der Gewerkschaften stärken und fühlte sich durch die stalinistische Volksfrontpolitik behindert, die die FLP ihrem rechten Flügel unterordnen wollte.

1937: Streikposten protestieren vor der Stadthalle in Minneapolis gegen den FLP-Bürgermeister Thomas E. Latimer 1937: Streikposten protestieren vor der Stadthalle in Minneapolis gegen den FLP-Bürgermeister Thomas E. Latimer

Von 1938 bis 1939 wurde die Zerrissenheit der FLP offensichtlich, als die Trotzkisten mit einer Reihe von Initiativen die Arbeiter für die 1939 stattfindenden Bürgermeisterwahlen in Minneapolis mobilisieren wollten. Farrell Dobbs schrieb, dass die Wahlplattform der FLP unter dem Einfluss von Local 544 "gegenüber der Zeit von 1936 bis 1938 einen wahrnehmbaren Fortschritt machte. Die Arbeiter-Kandidaten der FLP wandten sich gegen die Stalinisten - ohne sich an die Hetze der Rechten anzupassen -... und brandmarkten die KP als eine reaktionäre Kraft innerhalb der Arbeiterbewegung. Für Roosevelts Demokraten gab es keine Fürsprecher..." (43)

Die Gewerkschaften bezwangen die Stalinisten und stellten den Gewerkschaftssekretär einer Molkerei, T.A. Eide, als ihren Kandidaten auf. Eide unterlag zwar seinem republikanischen Gegenspieler, aber der Stimmenunterschied betrug nur 7.000, was eine teilweise Erholung der FLP von den früheren Niederlagen anzeigte.

Im Wahlkampf zu den Bürgermeisterwahlen 1941 unterlagen die Stalinisten wiederum den Arbeiterkräften in der FLP, die erneut Eide als den FLP-Kandidaten durchsetzten. Eine der Wahlerklärungen stellte die Ablehnung der Partei jeglicher Einmischung in den imperialistischen Krieg heraus. Die Wahlhelferkomitees verbanden sich fest mit der Arbeiterschaft von Minneapolis. Die Wahl stand im Zeichen eines möglichen Sieges, obwohl die Volksfront-Fraktion aus Stalinisten und Liberalen in der FLP eine Unterschriftenaktion zur Untergrabung Eides startete und "reißerische Verschwörungsgeschichten über die Dunne- Brüder" veröffentlichte, die als "terroristische" Arbeiterführer stigmatisiert wurden. (44)

Die Republikaner fielen in dieses Geheul ein, bezeichneten Eide als "Kandidaten der Dunnes und der Unterwelt" und kombinierten das Ganze mit Kommunistenhetze. Die Spannung erreichte kurz vor dem Wahltag ihren Höhepunkt, und Eide kapitulierte unter dem antikommunistischen Sperrfeuer.

In einer Debatte mit den Republikanern sagte er sich von Local 544 los. Die Stimmauszählung vom 9. Juni 1941 ergab, dass er die Wahl mit 5.862 Stimmen verloren hatte. Der Northwest Organizer stellte "Eides politische Feigheit gegenüber der Reaktion" als Ursache der Niederlage heraus.

Der Zweite Weltkrieg und die Verfahren unter dem Smith-Act

Seit 1934 hatten die trotzkistische Bewegung und ihre Anhänger unter den fortgeschrittenen Arbeitern Welle um Welle der Angriffe von Seiten der Bürgerallianz, der Stalinisten, der Gewerkschaftsbürokratie, der Demokraten und Republikaner und der FLP zurückgeschlagen. Als die herrschende Klasse Amerikas Kurs auf den Kriegseintritt nahm, war es ihr unmöglich zu tolerieren, dass innerhalb der Arbeiterklasse eine Führung existierte, welche die Politik der Klassenzusammenarbeit ablehnte.

Mit Kriegsausbruch 1939 traten die amerikanischen Stalinisten mit pazifistischer Propaganda gegen den Krieg hervor. Dies lag ganz auf der außenpolitischen Linie des Kreml, der im Vorfeld des Krieges den berüchtigten Stalin-Hitler-Pakt unterzeichnet hatte.

Am 22. Juni 1941 begann jedoch Hitlers Vormarsch in die Sowjetunion. Die KP ließ sofort allen Pazifismus fallen und befürwortete den Kriegseintritt der USA gegen Deutschland. Die Volksfrontkräfte innerhalb der FLP richteten ihr Feuer nun vom Standpunkt des Patriotismus und Pazifismus gegen die trotzkistische Führung von Local 544 und erklärten sie zu "Naziagenten".

Die trotzkistische Bewegung war nun die einzige konsequente und sozialistische Opposition gegen den Kriegseintritt der USA. Alle ihre alten Feinde bündelten ihre Kräfte für einen konzentrierten Angriff gegen sie und hatten dabei Roosevelt und die Regierung zusätzlich auf ihrer Seite.

Nach den Worten von Farrell Dobbs war aufgrund der Kampagne von Local 544 "die gesamte AFL der Stadt Minneapolis gegen den Eintritt der USA in den imperialistischen Krieg eingestellt." Der Northwest Organizer trat in seinen Leitartikeln ebenfalls gegen den Krieg auf und wurde in breiten Teilen der Arbeiterschaft gelesen und an jeden Ortsverband der IBT im Land verschickt. (46)

Im Juni 1940 bereitete sich die Roosevelt-Regierung ernsthaft auf den Kampf gegen die Trotzkisten vor, als sie den Smith Act in Kraft setzte. Das Gesetz erklärte als illegal: "das bewusste Eintreten für den gewaltsamen Umsturz in den USA; die bewusste Hilfe zum Aufbau oder die Mitgliedschaft in einer diesen Zweck verfolgenden Organisation; und die Verschwörung mit anderen zur Verübung solcher Straftaten." (47)

Die Associated Industries (AI), eine neue, die Bürgerallianz ersetzende Organisation der Kapitalisten in Minneapolis, begann eng mit dem Justizministerium, dem Militärgeheimdienst und dem FBI zusammenzuarbeiten, um sowohl die Socialist Workers Party als auch ihre Vertreter in Local 544 auszuspionieren.

Fünf Agenten wurden bei Local 544 eingeschleust, um einen Kampf zur Zurückdrängung des trotzkistischen Einflusses in der Gewerkschaft auszulösen. Das FBI traf sich am 3. Juni 1941 mit dem IBT-Präsidenten Tobin, unterrichtete ihn über die Überwachung der SWP und über sein Vorgehen in Local 544. Tobin klagte öffentlich über die "Trotzkisten" in Local 544 und erklärte die Mitgliedschaft in der SWP unvereinbar mit der Mitgliedschaft im IBT. Er stellte Local 544 unter Zwangsverwaltung, beschlagnahmte das Vermögen des Ortsverbandes und deckte die Provokationen der Agenten des FBI und der AI.

In der ganzen AFL und zu großen Teilen auch im CIO war die Arbeiterbürokratie eng mit Roosevelt verbunden und darauf ausgerichtet, das Kriegsstreben zu unterstützen. Die Gewerkschaften fügten sich Roosevelts Forderung, die Kosten des Krieges auf die Arbeiterklasse abzuwälzen. Nur eine kleine Gruppe von CIO-Führern um John L. Lewis, den Präsidenten der Bergarbeitergewerkschaft, waren beunruhigt, dass der Krieg zu Lohnkürzungen führen könnte und ihre Kontrolle über die kämpferischsten Teile der Arbeiter in den Bergwerken, der Autoindustrie, der Gummiindustrie und anderen Gewerkschaften in Frage stellen könnte.

Die trotzkistische Führung von Local 544 strebte nun eine bundesweite CIO-Satzung für die Trucker an, um auf diesem Wege die größtmögliche Zahl von Arbeitern gegen die wachsende Reaktion zu mobilisieren. Weil der größte Teil der Mitglieder von Local 544 für den Übergang in die neue Organisation 544-CIO stimmte, werteten die Trotzkisten dies als eine breite Revolte. Mehrere IBT-Verbände in Minneapolis und im Umland folgten dem Schritt des 544-CIO.

Aber D.L. Lewis, Bruder von John L. Lewis und Führer der neuen CIO-Organisation der LKW-Fahrer, war unfähig, tausende Arbeiter schnell und entschlossen zu rekrutieren. Er wollte sich stets nur mit der Erneuerung jeweils eines Ortsverbands beschäftigen, beginnend mit 544-CIO.

Das Ausbleiben einer nationalen Erhebung ermöglichte es Tobin, seinen Angriff auf 544-CIO in Minneapolis zu konzentrieren. Er schickte 300 seiner Schläger in die Stadt, um von den Arbeitern Austrittserklärungen gegenüber der IBT zu fordern. Arbeiter, die während der Arbeit "544-CIO"-Buttons trugen, wurden von ihren Trucks geholt oder von Tobins Leuten in den Docks zusammengeschlagen. In den Fällen, wo die Arbeiter sich zusammenschlossen und gegen Tobins Leute vorgingen, griff die Polizei ein und nahm Arbeiter fest.

Als die Auseinandersetzung in Minneapolis ihrem Höhepunkt zutrieb, griff die Roosevelt-Regierung drei Tage vor den Gewerkschaftswahlen zwischen 544-CIO und Tobins IBT ein. Am 27. Juni 1941 führte das FBI in den SWP-Büros in St.Paul und Minneapolis Razzien durch. Das war der Auftakt für die konstruierten Anklagen gegen James P. Cannon, andere nationale Führer der SWP und die Führer der SWP-Fraktion in Local 544. Die Regierung stützte sich dabei auf den Smith Act und auf ein Gesetz von 1861, das eigentlich die Rebellion der Sklavenstaaten des Südens bekämpfen sollte.

1941: Vierzehn der achtzehn unter dem Smith-Act verurteilten SWP-Mitglieder. In der hinteren Reihe v.l.: Farrell Dobbs, Harry DeBoer, Edward Palmquist, Clarence Hamel, Emil Hansen, Oscar Coover, Jake Cooper. Vorn v.l.: Max Geldmann, Felix Morrow, Albert Goldman, James Cannon, Vincent Dunne, Carl Skoglund, Grace Carlson. 1941: Vierzehn der achtzehn unter dem Smith-Act verurteilten SWP-Mitglieder. In der hinteren Reihe v.l.: Farrell Dobbs, Harry DeBoer, Edward Palmquist, Clarence Hamel, Emil Hansen, Oscar Coover, Jake Cooper. Vorn v.l.: Max Geldmann, Felix Morrow, Albert Goldman, James Cannon, Vincent Dunne, Carl Skoglund, Grace Carlson.

Der Prozess gegen die Mitglieder der SWP in Minneapolis dauerte von Oktober bis Dezember. David North führte in seinem Buch Das Erbe, das wir verteidigen aus, wie Cannon die Anschuldigungen der Regierung zurückwies, "die die SWP mit Illegalisierung bedrohten ... Er vertrat weiterhin die Ablehnung des imperialistischen Krieges durch die Partei und verteidigte das Programm der sozialistischen Revolution." Achtzehn Mitglieder der Partei wurden für schuldig befunden und zu Haftstrafen bis zu achtzehn Monaten verurteilt. (48)

Während des Prozesses und in der Zeit danach zog die Partei eine machtvolle Kampagne auf, um einerseits die achtzehn Beschuldigten zu verteidigen und andererseits der Arbeiterklasse die Prinzipien des Marxismus nahezubringen. Cannons Aussage vor Gericht wurde veröffentlicht und spielte während dieser Kampagne eine zentrale Rolle.

Das Verfahren von Minneapolis war vor und während des Zweiten Weltkrieges das einzige, bei dem der Smith Act zur Anwendung kam. Die Anklagen und Verurteilungen beraubten die LKW-Fahrer ihrer trotzkistischen Führung.

Die Stalinisten, die der Strafverfolgung der Trotzkisten durch Roosevelt Beifall zollten, wurden mit dem Aufkommen des Kalten Krieges unter der Truman-Regierung selbst angegriffen. Ihre Mitglieder wurden ins Gefängnis geworfen und verloren ihren Job, als die herrschende Klasse und die Gewerkschaftsbürokratie versuchten, alle Reste von Opposition gegen den Kapitalismus in der Arbeiterklasse auszumerzen.

Während der Hexenjagd des Kalten Krieges wurden die Stalinisten aus der FLP geworfen und eine antikommunistische Fraktion der FLP, geführt von Hubert H. Humphrey, verschmolz die Partei mit der Demokratischen Partei zur Demokratischen Farmer-Arbeiter-Partei Minnesotas [Minnesota Democratic Farmer-Labor Party], wobei sie fest unter die Kontrolle der herrschenden Klasse geriet.

***

In dem Truckerstreik von 1934 zeigte die Arbeiterklasse ihr revolutionäres Potential. Aber das hohe Niveau von Klassenbewusstsein, das sich im Kampf zeigte - der letztendlich zum Sieg führte - beruhte vor allem auf der Rolle der revolutionären Führung.

Die heutige Krise des kapitalistischen Systems wird das revolutionäre Potential der Arbeiterklasse wieder zum Vorschein bringen - aber mit einem Unterschied. Das heutige Amerika hat nicht die wirtschaftlichen Reserven der Zeit Roosevelts, die es damals ermöglichten, eine reformistische Politik einzuleiten. Heute liegt die einzige vorwärtsweisende Möglichkeit im Kampf für den internationalen Zusammenschluss der Arbeiterklasse und im Sozialismus. Die Lehren von 1934 und die der gesamten Geschichte der internationalen trotzkistischen Bewegung müssen verstanden werden, um die Führung der kommenden Kämpfe vorzubereiten.

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Anmerkungen:

1. William Millikan, A Union Against Unions: The Minneapolis Citizens Alliance and Its Fight Against Organized Labor, 1903-1947 (Minnesota Historical Society Press, 2001), S. 268.

2. Millikan, S. 249-50.

3. Everett Luoma, The Farmer Takes a Holiday: The Story of the National Farmers’ Holiday Association and the Farmers’ Strike of 1932-1933 (Exposition Press, 1967) S. 25.

4. Kenneth Davis, FDR: The New Deal Years 1933-1937 (Random House, 1986), S. 326-27.

5. Millikan, S. 5-6.

6. Millikan, S. 30

7. Millikan, S. 69

8. Millikan, S. 103

9. Millard Gieske, Minnesota Farmer-Laborism: The Third-Party Alternative (University of Minnesota Press, 1979), S. 83-84.

10. James P. Cannon, The History of American Trotskyism (Pathfinder, 1972), S. 47.

11. Farell Dobbs, Teamster Rebellion (Anchor Foundation, Inc., 1972) S. 34.

12. Art Preis, Labor’s Giant Step: Twenty Years of the CIO (Pioneer Publishers, 1964) S. 41.

13. Luoma, S. 16-17.

14. Interview with Pioneer Packinghouse Organizer: How Sitdown Won First Hormel Strike (Bulletin, September 10, 1985) S. 8.

15. Millikan, S. 256-57.

16. Dobbs, S. 65.

17. Charles Rumford Walker, American City: A Rank-and-File History (Farrar & Rinehart, New York) S. 105.

18. Walker, S. 108.

19. Millikan, S. xxix-xxx.

20. Dobbs, S. 92.

21. James P. Cannon, The Communist League of America 1932-34 (Anchor Foundation, Inc., 1985) S. 334-35.

22. Cannon, The History of American Trotskyism, p. 160.

23. Walker, p. 158.

24. Millikan, p. 278.

25. Dobbs, p. 112.

26. James P. Cannon, Notebook of an Agitator (Pathfinder Press, Inc., 1973), pp. 76-77.

27. Walker, p. 165.

28. Dobbs, p. 127.

29. Dobbs, pp. 129-30.

30. Dobbs, p. 137.

31. Gieske, p. 196.

32. Cannon, The History of American Trotskyism, p. 161.

33. Millikan, p. 280.

34. Dobbs, p. 154.

35. Millikan, p. 283.

36. Thomas Blantz, Father Haas and the Minneapolis Truckers’ Strike of 1934 (Minnesota History, Vol. 42, No. 1, Spring, 1970), p. 12.

37. Millikan, pp. 235, 242.

38. Blantz, p. 14.

39. Cannon, Notebook of an Agitator, pp. 81-84.

40. Art Preis, Labor’s Giant Step: Twenty Years of the CIO (Pioneer Publishers, 1964), p. 41-42.

41. Farrell Dobbs, Teamster Power (Anchor Foundation, Inc., 1973), p. 115.

42. David North, The Heritage We Defend: A Contribution to the History of the Fourth International (Labor Publications, 1985), p. 39.

43. Farrell Dobbs, Teamster Politics (Anchor Foundation, Inc., 1975), p. 172.

44. John Earl Haynes, Dubious Alliance: The Making of Minnesota’s DFL Party (University of Minnesota, 1984), p. 80.

45. Farrell Dobbs, Teamster Politics, p. 172.

46. Farrell Dobbs, Teamster Bureaucracy (Anchor Foundation, Inc., 1977), p. 113.

47. Millikan, p. 338.

48. North, p. 55, 56.

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