Der Oberste Gerichtshof und der Einfluss des Geldes auf die Politik

Das Urteil des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten vom Donnerstag ist ein weitreichender Angriff auf demokratische Rechte. Es hebt seit langem gültige Beschränkungen der Finanzierung von Wahlkämpfen durch die Wirtschaft auf. Die 5 zu 4 Entscheidung hat zur Folge, dass das politische System der USA noch direkter und vollständiger von der Finanzelite kontrolliert wird.

Das Urteil ist ein unverhüllter Ausdruck der Interessen der amerikanischen Finanzelite. Es legt die reale Klassenherrschaft bloß, die hinter den Insignien der Demokratie in Amerika wirkt.

Die Entscheidung im Fall Citizens United versus Federal Election Commission, die mehr als 100 Jahre Rechtssprechung auf den Kopf stellt, stärkt die Kontrolle der Wirtschaft über den politischen Prozess. Sie legalisiert das Kaufen von Politikern und Ämtern auf jeder Ebene des Staates, um die Gebote der Reichen zu erfüllen.

Die Entscheidung versucht, diesen Angriff auf die demokratischen Rechte als Verteidigung der Meinungsfreiheit zu verkaufen. Ihre Grundannahme, dass Konzerne das gleiche Recht auf Meinungsäußerung und Interessenvertretung haben wie jeder einzelne Bürger ist einfach absurd.. Das spricht den Prinzipien von Demokratie und Aufklärung Hohn, von denen die Revolutionäre erfüllt waren, die den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg führten und die Verfassung entwarfen. Jefferson zum Beispiel hielt den Einfluss des Geldes auf die Politik für "gefährlicher für unsere Freiheitsrechte, als eine stehende Armee."

Der Richterspruch ist das Ergebnis von Jahrzehnten politischer Reaktion, immer größerer Konzentration des Reichtums in den Händen einer schmalen Elite und zunehmender Angriffe auf die soziale Lage der Bevölkerung.

Sie ist der Höhepunkt von jahrelangen antidemokratischen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs. Seit drei Jahrzehnten fällt das hohe Gericht Entscheidungen gegen die Bürgerrechte und beschneidet die Möglichkeit der Bürger, sich gegen kriminelle Machenschaften der Wirtschaft zu wehren. In den letzten Jahren hat es das Recht der Exekutive gestärkt, Krieg zu führen, sich in das Privatleben der Bürger einzumischen und Personen festzunehmen und ohne Prozess einzusperren, die der Präsident zu Feinden erklärt hat. Der Oberste Gerichtshof hat konsequent gegen Parteien, besonders gegen linke, entschieden, die gegen die beiden etablierten Parteien, Demokraten und Republikaner, bei Wahlen antreten wollten.

Vor kaum zehn Jahren stoppte die gleiche Institution mit einer politisch motivierten 5 zu 4 Entscheidung die Neuauszählung von Stimmen in Florida, um den Diebstahl der Präsidentschaftswahl 2000 zu besiegeln und den Republikanischen Kandidaten George W. Bush im Präsidentenamt zu installieren, obwohl der nicht die Mehrheit der Stimmen erhalten hatte.

Die Demokratische Partei ist in die Angriffe auf demokratische Rechte ebenfalls verwickelt. Sie akzeptierte unterwürfig die Inthronisierung Bushs durch den Obersten Gerichtshof, unterstützte die Kriege in Irak und Afghanistan und weigerte sich feige, die Bestätigung von Bushs Kandidaten für den Obersten Gerichtshof, Samuel Alito und John Roberts konsequent zu blockieren.

Roberts war die treibende Kraft, den Fall Citizens United v. Federal Election Commission, einen Fall von relativ begrenzter Bedeutung, dazu zu nutzen, alle Beschränkungen für die Wahlkampffinanzierung durch Industrie und Wirtschaft über den Haufen zu werfen.

Schon jetzt manipuliert Geld aus der Wirtschaft die Wahlen, kauft Politiker und diktiert die Politik der Regierung. Richter John Stevens erklärte in seinem Minderheitsvotum: "Zweifellos ist die amerikanische Demokratie nicht perfekt, aber nur wenige außerhalb der Mehrheit dieses Gerichts hätten einen Mangel an Geld der Wirtschaft in der Politik zu diesen Mängeln gezählt."

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs widerspiegelt das Verlangen der amerikanischen Finanzoligarchie auch noch die letzten Beschränkungen für ihre politische Vorherrschaft abzuschütteln.

Die Gegner dieser Entscheidung aus dem Establishment befürchten vor allem, dass sie das Ansehen des Obersten Gerichtshofs und aller offiziellen Institutionen in den Augen der Öffentlichkeit weiter untergräbt. Diese Entscheidung "wird, so fürchte ich, dieser Institution Schaden zufügen", schrieb Stevens.

Das Urteil zeigt in der Tat, dass die arbeitende Bevölkerung, d.h. die große Mehrheit, ihre Interessen nicht im Rahmen der bestehenden politischen Ordnung durchsetzen kann. Der Oberste Gerichtshof, der Kongress, das Präsidentenamt und beide großen Parteien werden von der Finanzelite kontrolliert.

Immer mehr Menschen begreifen diese grundlegende Tatsache. Das liegt vor allem an den gebrochenen Versprechen und der rechten Politik der Obama-Regierung, die durch zynische Appelle an den Hass in der Bevölkerung auf die Bush-Regierung und ihre Politik von Krieg, Unterdrückung und sozialer Reaktion vor einem Jahr ins Amt kam.

Noch grundlegender beweist dieser Urteilsspruch, dass die sozialökonomische Struktur der kapitalistischen Gesellschaft der USA unvereinbar ist mit Demokratie. Die demokratischen Formen verkommen zu reinen Deckmänteln für die Herrschaft der Plutokratie und müssen in einer Gesellschaft mit solch ungeheuren Vermögensunterschieden, wie in den Vereinigten Saaten, letztendlich verschwinden.

Die Antwort auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs und auf alle Angriffe auf demokratische Rechte ist der Kampf für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse und für eine Arbeiterregierung. Demokratische Rechte können nur im Kampf für den Sozialismus verteidigt werden, d.h. durch die Einführung demokratischer Kontrolle über das Wirtschaftsleben durch die Arbeiterklasse, damit die Interessen der Gesellschaft die Wirtschaft bestimmen und nicht die Akkumulation von Profit und persönlichem Reichtum durch die herrschende Elite.

Siehe auch:
Der amerikanische Liberalismus und die Wall Street
(20. Januar 2010)
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