Massendemonstration in Washington fordert Rechte für Einwanderer

Demonstration auf der Washington Mall Demonstration auf der Washington Mall

Auf einer der zweifellos größten Demonstrationen in den Vereinigten Staaten seit der Wahl Obamas im November 2008 demonstrierten Zehntausende eingewanderte Arbeiter und ihre Unterstützer am Sonntag durch Washington, um eine Beendigung der gegen Einwanderer gerichteten Unterdrückung und einen Rechtsstatus für die Millionen von illegalen Arbeitern zu fordern, die in den USA leben.

Die Organisatoren schätzten die Teilnehmerzahl der Demonstration auf 200.000. Die Menge füllte die Washington Mall aus. Die große Mehrheit der Demonstranten waren lateinamerikanische Arbeiter und Jugendliche, viele davon aus Mexiko und Mittelamerika, aber es waren auch zahlreiche Immigranten aus Afrika und Asien darunter. Busse brachten Demonstranten aus entfernten Gegenden wie Texas, Florida und Kalifornien heran.

Es war außerdem die größte Demonstration zur Einwanderungsfrage seit 2006. Damals erfassten Massenproteste und Demonstrationen die Städte im ganzen Land, nachdem die Mehrheit der Republikanern im Repräsentantenhaus ein Gesetz verabschiedet hatte, mit dem ein Verstoß gegen die Einwanderungsgesetze zu einer Straftat gemacht worden wäre; im wesentlichen wären damit über Nacht fast zwölf Millionen illegal eingewanderte Arbeiter in den USA zu Kriminellen gemacht worden.

Die von der Wirtschaft kontrollierten Medien schenkten der gewaltigen Demonstration auf der Mall am Sonntag wenig Beachtung. Gleichzeitig behandelten sie eine Handvoll rechter Demonstranten, die vor dem Capitol gegen Obamas Kosten senkende Gesundheitsreform protestierten, als stellten sie eine echte Massenbewegung dar.

Unter vielen eingewanderten Arbeitern wächst die Wut, weil die Regierung Obamas Versprechen nicht erfüllt hat, im ersten Jahr seiner Amtszeit eine umfassende Reform der Einwanderungsgesetze vorzulegen.

Stattdessen mussten sie mit ansehen, dass die Anti-Einwanderungspolitik der Bush-Regierung fortgesetzt und verschärft, sowie die Zahl der Abschiebungen erhöht wurde.

Im ersten Amtsjahr Obamas hat die Einwanderungsbehörde zirka 388.000 Menschen abgeschoben, die höchste je da gewesene Zahl. Im Jahr 2009 wurden mehr als doppelt so viele Menschen abgeschoben wie 2001, im ersten Jahr der Amtszeit George W. Bushs als Präsident. Die Zahl der Immigranten, die oft unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert sind, ist von 20.000 im Jahr 2001 auf mehr als 33.000 im ersten Jahr von Obamas Amtszeit im Weißen Haus gestiegen.

Die Kriminalisierung der eingewanderten Bevölkerung ist unvermindert weitergegangen. Nicht-US-Bürger stellen bis zu 30 Prozent der Insassen in den staatlichen Gefängnissen; die Mehrheit von ihnen befindet sich dort wegen Verstößen gegen Einwanderungsgesetze. Im Verlauf der letzten zwei Jahre hat sich die Zahl der Menschen, die wegen derartiger Vergehen inhaftiert wurden, um 45 Prozent erhöht.

Die Obama-Regierung hat Dutzende Millionen Dollar zur Verfügung gestellt, um noch mehr Gefängniszellen für Immigranten zu finanzieren, während sie gleichzeitig das so genannte 287(g)-Programm ausgeweitet hat, das Geld der Regierung bereitstellt, um die örtliche Polizei in die Lage zu versetzen, die Einwanderungsgesetze des Bundes zu vollstrecken.

Die Razzien gegen Einwanderer sind unvermindert weitergegangen. Kürzlich meldete die US-Einwanderungsbehörde [US Immigration and Customs Enforcement agency (ICE)] Verhaftungen von Arbeitern ohne Aufenthaltserlaubnis in einer Fabrik für Fleischverarbeitung in Nebraska und einer Restaurant-Kette in Maryland. Ein Sprecher der ICE betonte, dies seien keine "Razzien", sondern vielmehr "Vollstreckungsmaßnahmen".

Ein weiteres Programm, das unter der Bush-Regierung eingeführt wurde - "Sichere Gemeinden" - wurde unter Obama ausgeweitet. Es beauftragt die Behörden, die Insassen von örtlichen Gefängnissen selbst bei geringsten Vergehen zu überprüfen, ob sie legale Einwanderer sind.

Jetzt, vor den Halbzeitwahlen von 2010, hat das Weiße Haus erneut erklärt, es stehe zu seiner Zusage, die Einwanderungspolitik zu überarbeiten. Zwei Drittel der Hispano-Amerikaner haben 2008 für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten gestimmt. In der Führung der Demokratischen Partei wächst die Sorge, dass viele dieser Wähler sich aus Empörung über die Politik der Regierung der Stimme enthalten könnten.

Die so genannte Einwanderungsreform, die Obama plant, wird jedoch nichts bewirken, um die Angriffe auf Immigranten zu vermindern.

Letzte Woche hat der Präsident seine Unterstützung für einen Gesetzentwurf erklärt, den der demokratische Senator Charles Schumer aus New York und die republikanische Senatorin Lindsey Graham aus South Carolina vorgelegt haben. In einer Stellungnahme in der Washington Post haben Schumer und Graham ihren überparteilichen Vorschlag skizziert, aber die Details nicht erläutert.

Die zwei Senatoren beginnen mit der Forderung nach härterem Durchgreifen gegen Immigranten ohne Papiere. Sie loben die verstärkte Vollstreckung der Einwanderungsgesetze und beklagen gleichzeitig, dass "zu viele Menschen, die illegal einreisen, damit durchkommen".

Als Reaktion darauf verfechten Schumer und Graham die weitere Militarisierung der Grenze zwischen den USA und Mexiko und den Einsatz von mehr Mitteln, um reale und "virtuelle" Absperrungen zu errichten und die Zahl der Grenzschützer zu erhöhen, die Immigranten festnehmen sollen, die die Grenze überqueren.

"Es wird dann sofort mehr Personal an der Grenze eingesetzt, um die fehlenden Kapazitäten für Festnahmen zu füllen", versprachen sie.

Sie forderten außerdem eine stärkere Integration von Einwanderungsbehörden, lokaler Polizei und Gefängnissen, um "diejenigen besser verhaften und deportieren zu können, die Verbrechen begehen". Sie machten keinen Unterschied zwischen massiven Verbrechen, die angeblich sowohl die Bush- als auch die Obama-Regierung im Visier hatten, und geringfügigen, gewaltlosen Delikten, die in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle benutzt werden, um die Einwanderer ohne Papiere abzuschieben.

Der Gesetzentwurf plant auch, Informationen über Menschen, die legal in die USA kommen und ihr Visum überziehen, in die Polizeidatenbanken für gesuchte Kriminelle aufzunehmen.

Einer der umstrittenen Punkte des Gesetzentwurfs - und zwar einer, der auch weit reichende Konsequenzen für die demokratischen Rechte von US-Bürgern hat - ist die Einführung von biometrischen Sozialversicherungskarten "auf höchstem technischen Stand und fälschungssicher", ohne die niemand in den USA einen Arbeitsplatz bekommen würde.

Die Behauptung von Schumer und Graham, die Informationen auf diesen Karten würden nicht in die Datenbanken der Regierung aufgenommen, ist kaum glaubhaft. Was hier vorgeschlagen wird, ist die Einführung eines nationalen Ausweises, der der Polizei und den Geheimdiensten mit einer umfangreichen neuen Infrastruktur für eine umfassende Überwachung und politische Kontrolle dienen kann.

Neben diesen Vollstreckungsmaßnahmen besteht der zweite Schwerpunkt des Schumer-Graham-Plans darin, "ein rationales, legales Einwanderungssystem zu entwickeln, [das] unentbehrlich ist, um Amerikas zukünftigen wirtschaftlichen Wohlstand sicherzustellen" - d. h. das Einwanderungsgesetz auf die Profitinteressen der US-Unternehmen und der Finanzelite zuzuschneiden.

Ihr Entwurf würde die Ausgabe von Visa an "die Besten und Intelligentesten dieser Welt" ausweiten - also an diejenigen, die am ehesten hohe Einkommen erzielen - während ein "vernünftiges System für die Aufnahme von weniger qualifizierten Arbeitern" eingeführt würde.

Dieses "vernünftige System" bedeutet eine zeitlich begrenzte Arbeitserlaubnis - ähnlich dem berüchtigten Bracero-Programm [Bracero = illegaler mexikanischer Hilfsarbeiter], das die Landwirtschaftsbetriebe vor einem halben Jahrhundert benutzt haben. Die Senatoren behaupten, dass dies die "gewünschte Migrationszirkulation" erleichtern würde, d.h. die einwandernden Arbeiter "kommen hierher, um Geld zu verdienen, und gehen dann wieder nach Hause." Der Plan würde eine neue Gattung ausgebeuteter Arbeiter schaffen, die praktisch keine Rechte hätten und den Unternehmern wie der Regierung völlig ausgeliefert wären.

Was die fast zwölf Millionen Arbeiter ohne Papiere angeht, die sich schon im Land befinden, schlagen Schumer und Graham "einen harten, aber fairen Weg" vor, der für die große Mehrheit keinen Ausweg aus der Unterdrückung und Diskriminierung bedeutet, die diesem Teil der Arbeiterklasse aufgebürdet wurde.

Erstens "soll" von diesen Arbeitern "verlangt werden, dass sie zugeben, das Gesetz gebrochen zu haben, und dass sie ihre Schulden an die Gesellschaft durch Ableistung von Sozialdiensten und Zahlung von Bußgeldern und rückwirkende Steuern zurückzahlen." Wieder einmal soll eine ganze Bevölkerungsgruppe kriminalisiert werden, während die Bußgelder und Steuern, die eine Bedingung für ihre "Legalisierung" sind, für Millionen illegaler Arbeiter unerschwinglich sind; denn sie gehören zu den am schlechtesten bezahlten, und sie leiden überproportional unter der Massenarbeitslosigkeit, die in den USA herrscht.

Zusätzlich müssen diejenigen, die eine Aufenthaltsgenehmigung anstreben, "eine Überprüfung ihrer Herkunft bestehen und Englisch beherrschen". Am Ende dieses gesamten Prozesses, erklären Schumer und Graham, werden sie aufgefordert "sich wieder hinten am Ende der Schlange der zukünftigen Einwanderer anzustellen, um die Gelegenheit zu bekommen, sich für einen legalen permanenten Aufenthalt zu bewerben."

Die volle Bedeutung des Begriffs, "ans Ende der Schlange" zu gehen, wird nicht deutlich erklärt. In früheren gescheiterten Vorschlägen zur Einwanderung bedeutete dies, dass die Immigranten gezwungen wären, in ihre Heimatländer zurückzukehren und dort darauf zu warten, wieder in die USA einreisen zu können, wodurch Familien auseinander gerissen würden.

Die Erklärung von Schumer und Graham enthält nicht ein Wort darüber, die unmenschliche Praxis zu beenden, mit der Kinder durch Abschiebungen von ihren Eltern getrennt werden; kein Wort darüber, das profitorientierte Internierungssystem abzuschaffen, das täglich Zehntausende entsetzlichen Bedingungen aussetzt, und grundlegende Menschenrechte verletzt; kein Wort darüber, den Terror der Razzien der ICE abzuschaffen, bei denen nach Art eines Polizeistaats ganze Siedlungen überfallen werden.

Obama nannte diesen reaktionären Vorschlag einen "viel versprechenden, überparteilichen Rahmen", der "die Grundlage sein kann und sein sollte, um uns voranzubringen."

Falls dieses Gesetz durchkommt, dann wird es sicher noch reaktionärer werden, da sich die Obama-Regierung und die demokratische Führung im Kongress der rechten chauvinistischen Kampagne der Republikaner beugen werden, die den Demokraten vorwirft, "Amnestie" zu gewähren.

Letzten Endes ist das wahrscheinlichste Ergebnis, dass das Gesetz durch den Kongress verworfen wird, genauso wie ein ähnlich reaktionärer Vorschlag 2007 versenkt wurde, als die politische Rechte versuchte, die Einwanderer zum Sündenbock für die wachsende soziale Krise zu machen.

Für die gewaltigen Menschenmassen, die am Sonntag in Washington auf die Straße gingen und die Millionen eingewanderter Arbeiter, die sie repräsentieren, bieten die Obama-Regierung und das gesamte Zwei-Parteien-System nur verschärfte Unterdrückung und Ausbeutung. Eine wirkliche Lösung der Krise, mit der eingewanderte Arbeiter konfrontiert sind, liegt nur in der Vereinigung der Arbeiterklasse in einem gemeinsamen Kampf für ein sozialistisches Programm, das das Recht der Arbeiter jeder Nationalität beinhaltet, in dem Land ihrer Wahl zu leben und zu arbeiten mit vollen und gleichen Rechten.

Siehe auch:
Demonstration Zehntausender gegen Einwanderer-Razzien in USA
(13. Mai 2008)
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