Frankreich: Arbeiter von Total in Dünkirchen setzen Streik fort

Die Raffinerie von Total in Dünkirchen Die Raffinerie von Total in Dünkirchen

Am Mittwoch vergangener Woche setzte die von der Kommunistischen Partei dominierte Gewerkschaft CGT einen Streik in ganz Frankreich gegen die Schließung der Dünkirchener Total-Raffinerie Les Flandres aus. Alle sechs Raffinerien des französischen Ölgiganten waren zuvor bestreikt worden.

Trotz des Verrats der CGT genau an dem Tag, als der eintägige Generalstreik in Griechenland gegen die Sparmaßnahmen der dortigen Regierung stattfand, stimmten die Arbeiter in Dünkirchen am Donnerstag für die Fortsetzung ihres Ausstandes. Zu dem Zeitpunkt fanden in ganz Europa zahlreiche weitere Streiks statt.

In Frankreich ließen Fluglotsen auch an ihrem letzten Streiktag Flüge ausfallen und Piloten bei Air-France begannen mit einem eigenen viertägigen Ausstand.

Die stalinistische CGT blies den landesweiten Streik gegen Total am sechsten Tag ab, als der Streik gerade begann, die Ölfirma lahm zu legen. Bei etwa zehn Prozent der Tankstellen von Total war das Benzin ausgegangen.

Das Vorgehen der CGT erregte die Total-Arbeiter. Am Donnerstag sagte einer der Arbeiter zur World Socialist Web Site: "Wir hätten weitermachen müssen. Wir hätten [den französischen Präsidenten] Sarkozy zum Rücktritt zwingen müssen."

Die CGT stellte den landesweiten Streik ein, um die Regierung Sarkozy zu stützen und einer breiteren Bewegung der französischen und europäischen Arbeiterklasse zuvorzukommen. Die Gewerkschaft ließ sich auf ein Dreierabkommen mit Total und der Regierung ein, das beinhaltet, die Raffinerie in Dünkirchen zu opfern, wenn die Firma im Gegenzug die völlig unverbindliche Zusicherung abgibt, die Produktion nicht einzuschränken, und während der nächsten fünf Jahre keine ihrer anderen Raffinerien zu schließen oder zu verkaufen.

In einigen der Betriebe von Total widersetzten sich die Arbeiter der Anweisung der CGT, an die Arbeit zurück zu gehen. Associated Press berichtete: "In Goufreville hatte eine Belegschaftsversammlung die Fortsetzung des Streiks beschlossen. Nach der Bekanntgabe der Entscheidung zur Wiederaufnahme der Arbeit, wurde noch einmal abgestimmt und der Streik wurde schließlich nach Angaben der CGT ‚mit sehr knapper Mehrheit’ ausgesetzt."

Im Betrieb Les Flandres in Dünkirchen stimmten die Arbeiter für die Fortsetzung ihres Streiks und für eine Betriebsbesetzung bis zum Treffen des nationalen Arbeitskomitees des Konzerns, das am 8. März in der Zentrale von Total in Paris zusammentreten soll. Die Arbeiter von Dünkirchen streiken seit dem 12. Januar.

Das Gewerkschaftskomitee des Gesamtkonzerns hatte einen Solidaritätsaufruf veröffentlicht, in dem zu "einer Massendemonstration am 8. März in Paris" aufgerufen wird. In dem Aufruf wird mehrmals betont, Ziel des Streiks sei "ein Neuanfang im Unternehmen zum Erhalt aller Arbeitsplätze, sowohl bei der Raffinerie Les Flandres, als auch in den Subunternehmen."

Das Gesamtkonzernkomitee besteht aus der Gewerkschaft SUD (Solidarität-Einheit-Demokratie), die Verbindungen zu so genannten "linken" Organisationen, wie der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) pflegt, der CGT und der Gewerkschaft Force Ouvrière. Vor zwei Jahren verdrängte SUD die CGT in der Dünkirchener Raffinerie als Mehrheitsgewerkschaft.

Der Aufruf des Dünkirchener Gewerkschaftskomitees enthielt man sich jeder Kritik an dem Ausverkauf durch die CGT und stellte lediglich fest: "Der landesweite Streik bei der Total-Gruppe war in der Angelegenheit, um die es seit dem 12. Januar ging, ergebnislos."

Zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehörten unter anderen: Pascale Montel, Nummer eins der NPA-Liste für die Kommunalwahlen, Christian Mahieux, nationaler Vorsitzender der SUD-Gewerkschaft Solidaires und Jean-Pierre Delannoy, Vorsitzender der regionalen CGT-Metallergewerkschaft.

Die NPA gab eine auf den 23. Februar datierte Erklärung zum Streik bei Total heraus, die jede Erwähnung des Ausverkaufs durch die CGT vermied.

Bei einer öffentlichen, von SUD organisierten Versammlung am Donnerstagabend, gab es von Seiten der offiziellen Redner ebenfalls keine Kritik an der CGT, die einen betrieblichen Delegierten auf dem Podium sitzen hatte.

Auf dem Treffen bezeichneten Mathieux und weitere Redner von SUD und NPA den Kampf der Continental-Arbeiter gegen die Schließung des Betriebs in Clairoix im vergangenen Jahr als erfolgreich und vorbildlich. In Wirklichkeit hatten sich die Gewerkschaften jedoch ihre Zustimmung zur Schließung der Fabrik abhandeln lassen.

Berichterstatter der WSWS nahmen am Donnerstagnachmittag an einer Belegschaftsversammlung von streikenden Betriebsangehörigen von Les Flandres teil. Auf dieser Versammlung war keine Kritik von Vertretern von SUD an der CGT zu hören, stattdessen ermöglichten sie dem CGT-Vorsitzenden der Raffinerie, Marc Pigeon, die "Suspendierung" des landesweiten Streiks lang und breit zu rechtfertigen.

Unterstützer des WSWS verteilten Flugblätter mit dem Artikel "Frankreich: Gewerkschaften empfehlen Ende des Streiks bei Total" (WSWS deutsch, vom 25. Februar) Bei der öffentlichen Versammlung am Abend versuchte Pigeon vergeblich, die Unterstützer des WSWS am Betreten des Saales zu hindern.

Pigeons Beitrag auf dem Podium bestand zu weiten Teilen aus einer Beschimpfung der WSWS, die er als "Schmierenblatt" bezeichnete. Ein Unterstützer der WSWS sprach aus dem Publikum und erklärte, dass die Arbeiter auf Grund der Zusammenarbeit der Gewerkschaften mit den Unternehmensleitungen und mit der Regierung, neue, von den Gewerkschaften unabhängige, Organisationen aufbauen müssen.

Er sagte: "Regierung und Gewerkschaften nahmen am 15. Februar Gespräche auf, wie Staatsschulden und Haushaltsdefizit durch Kürzungen bei Renten, Sozialleistungen und sozialen Diensten reduziert werden können, ohne dadurch soziale Unruhen auszulösen. Das Vorgehen der Gewerkschaften beim Total-Streik ist eine praktisches Lehrstück, wie sie das umsetzen wollen." Einige Zuhörer, die zuvor ihre Verärgerung über den Streikabbruch deutlich ausgedrückt hatten, begrüßten seinen Redebetrag.

Reporter der WSWS sprachen nach der Versammlung mit Arbeitern:

Aldo Tavani Aldo Tavani

Aldo Tavani ist stellvertretender Schichtführer. Er arbeitet seit 31 Jahre in der Raffinerie. Er war Mitglied der CGT und hat nach und nach alle in sie gesetzten Hoffnungen verloren.

Er sagte: "Man kann schon sagen, dass wir wegen des abgeblasenen Streiks wütend sind. Wir hätten versuchen sollen, unsere Ziele zu erreichen. Die Versprechungen, die man uns gemacht hat, sind nichts wert. Was haben die Gewerkschaften rausgeholt? Bei zwei weiteren Betrieben ist eine Verlagerung nach Saudi Arabien vorgesehen. Sarkozy versprach, das Stahlwerk von Arcelor in Gadrange zu retten, aber es ist verschwunden. Sie können die Produktion nach Indien oder Brasilien verlagern wie sie wollen. Fünf Jahre, was soll das?! Wir erleben einen Rückschritt um 50 Jahre und verlieren alle unsere sozialen Errungenschaften."

Aldo stimmte zu, dass der Kampf europaweit stattfinden muss. "Wir brauchen jemanden, der ihn organisieren kann. In jedem Land brauchen wir eine Partei. Sie muss aufgebaut werden. Wir fangen wieder ganz von vorne an."

David Lenget David Lenget

David Lenget ist Mitglied bei SUD. Er arbeitet seit neun Jahren in Les Flandres. Er sagte der WSWS : "Die CGT lässt uns im Stich. Zwei oder drei Tage mehr, und die Vorräte wären aufgebraucht gewesen. Jetzt müssen wir es alleine durchstehen. Sehr viele Arbeiter hätten sich uns angeschlossen. Es hätte sich zu einer Lawine entwickelt. Meine Freundin ist Krankenschwester. Unter den Beschäftigten in den Krankenhäusern ist die Unzufriedenheit groß. Wir sollten auf ein neues 1968 hinarbeiten."

"Ich kann es nicht hinnehmen, dass unsere Produktion nach Saudi Arabien verlagert wird. Uns wurde versprochen, dass allen Arbeitern Arbeitsplätze im Konzern angeboten werden. Einige werden umziehen müssen. Das ist nicht einfach - Ich bin familiär gebunden und habe Verpflichtungen. Ich kann nicht einfach weggehen. Die Arbeitsplätze müssten in Frankreich bleiben. Ich sage nicht, die Arbeiter in Saudi Arabien seien unsere Feinde. Die Schuld muss bei Total gesucht werden."

"Sechs Wochen lang haben wir gestreikt. Bis vor einer Woche kam kein Politiker zu uns. Heute waren ein paar da. Die wollen aber nur unsere Stimmen bei den Regionalwahlen.

Siehe auch:
Frankreich: Gewerkschaften empfehlen Ende des Streiks bei Total
(25. Februar 2010)
Frankreich: Gewerkschaftstag der CGT segnet Orientierung auf Sarkozy ab
( 14. Januar 2010)
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