Nach der Unterhauswahl: Wohin geht Großbritannien?

In ihrem Wahlaufruf charakterisierte die Socialist Equality Party die gestrige Wahl in Großbritannien als einen politischen Betrug.

Die SEP erklärte: "Gleichgültig, wie sich die nächste Regierung zusammensetzt, ihr Programm steht jetzt schon fest. Die internationalen Finanzhäuser, die großen Konzerne und alle offiziellen Parteien wollen, dass die arbeitende Bevölkerung für die Wirtschaftskrise bezahlt, obwohl sie nicht die geringste Verantwortung dafür trägt."

Wie das Manifest betonte, sind die brutalen Kürzungsmaßnahmen in Griechenland ein Fanal für ähnliche Entwicklungen in Großbritannien und überall in Europa. Wir schrieben, dass die Arbeiterklasse vor der Notwendigkeit stehe, politisch mit der Labour Party zu brechen. Diese sei "nicht weniger eine Partei der Wirtschaft als die Konservativen".

Die letzten vier Wochen haben diese Prognose mehr als bestätigt.

Unsere Einschätzung der Labour-Party wird von Millionen Arbeitern geteilt, die die Partei von Tony Blair und Gordon Brown mit Recht verachten. Das ist die Belohnung für dreizehn Regierungsjahre, in denen Labour die größte Umverteilung von Reichtum der Geschichte, von der arbeitenden Bevölkerung hin zu den Reichen, organisiert hat. Außerdem hat die Labour-Regierung an Aggressionskriegen in Afghanistan und im Irak teilgenommen und demokratische Rechte im Namen des "Kriegs gegen den Terror" eingeschränkt.

Ihre noch verbliebenen Wählerstimmen verdankt Labour allein der tiefen Feindschaft vieler Arbeiter gegen das, was eine Regierung der Konservativen tun würde, und nicht einer Zustimmung zu ihrer eigenen Politik oder politischen Bilanz. Labour trägt in Wirklichkeit die direkte Verantwortung für eine mögliche Regierungsübernahme durch die Tories und für die wachsende Beliebtheit der Liberaldemokraten.

Besonders nach der Rettung der Banken und der Superreichen mit einer Billion Pfund Steuergeldern wird Labour einer Umfrage der Financial Times zufolge "nicht mehr als Partei für gleiche Rechte und Anstand gesehen".

Genauso bezeichnend ist, dass die zunehmende soziale Ungleichheit von den Befragten als das größte Problem angesehen wird. Mehr als achtzig Prozent stimmten zu, "dass der Unterschied zwischen Reich und Arm größer wird", während 75 Prozent erklärten, "die nächste Regierung sollte in erster Linie diesen Abstand verringern".

Diese Erkenntnisse sind Ausdruck einer verbreiteten linken Stimmung in der Arbeiterklasse, die in der offiziellen Politik keinen Ausdruck findet.

Hinter ihren Parolen von "Stabilität", "Veränderung" oder "Fairness" haben alle drei Parteien ein striktes Schweigen über die grundlegenden Fragen bewahrt, die für Arbeiter und Jugendliche wichtig sind. Sie alle befürworten die weitere Besetzung Afghanistans und die militaristische Agenda der Labour-Regierung. Sie alle werden Arbeitsplätze streichen und Löhne und Staatsausgaben in einem Ausmaß kürzen, wie es das seit der Großen Depression der 1930er Jahre nicht mehr gegeben hat.

Deswegen wurden die globale Rezession und die beabsichtigten Kürzungen im Wahlkampf praktisch aus der offiziellen Debatte ausgeblendet. Das ging so weit, das Teile der herrschenden Klasse besorgt warnten, keine Regierung, die auf der Grundlage eines solchen offensichtlichen Betrugs zustande komme, werde ein Mandat haben, um die Diktate der Wirtschaft durchzusetzen.

Die Financial Times hat besonders vor dieser Gefahr gewarnt. In ihrem Leitartikel vom 30. April beklagte sie, dass keine Partei ihre haushaltspolitischen Pläne enthüllt habe, weil die Details "zu unverdaulich" seien. Aber "welche Partei die Wahl auch gewinnt, sie wird nicht darum herum kommen, öffentliche Bedienstete zu entlassen, ihre Löhne zu senken, Sozialleistungen zu senken, Renten zu senken und Sozialdienste zu beschneiden."

Sie erklärte: "Auf die Wähler wartet der Schock ihres Lebens, und sie werden mit Empörung reagieren, wenn sie die Wahrheit erfahren. Ihr Zorn wird sich zudem nicht gegen Banker und Bürokraten richten, sondern gegen die Politiker, die ihre Pläne verheimlicht haben."

Die Medien stellen eine mögliche Beteiligung der Liberaldemokraten an der Regierung in den Mittelpunkt. Damit bezwecken sie, zu legitimieren, was sonst als völlig illegitim erscheinen würde. Der Führer der Liberaldemokraten, Nick Clegg, machte klar, dass ein Abkommen über die Einführung eines Verhältniswahlrechts keine Vorbedingung für die Zusammenarbeit mit den Konservativen sei. Aber er warnte Tory-Führer David Cameron, dass der Versuch eines Alleingangs dem "Rezept für enorme politische und soziale Spannungen" gleichkomme.

In Wirklichkeit befinden sich die Liberaldemokraten in einer äußerst schwachen Position, um einen solchen Deckmantel abgeben zu können. Sie werden von den Medien groß geredet, um in einem Parlament ohne klare Mehrheit mäßigend zu wirken. In Wirklichkeit stimmen sie vollständig mit der Notwendigkeit überein, die Staatsausgaben zu senken. Ob sie sich mit den Konservativen oder mit Labour zusammentun, Clegg hat die Liberaldemokraten auf eine Koalition mit dem Versprechen vorbereitet, "brutale Kürzungen" durchzuführen.

Die arbeitende Bevölkerung muss nun wichtige Schlussfolgerungen ziehen. Jede Regierung, die aus diesen Wahlen hervorgeht, wird die Hüllen fallen lassen und einen wirtschaftlichen und sozialen Krieg gegen die Arbeiterklasse führen.

Das wird nur eine Facette der explosiven Wiederbelebung des Klassenkampfs sein, die durch die kapitalistische Weltkrise angeheizt wird. Hinzu kommen wird eine soziale und politische Massenbewegung von Arbeitern und Jugendlichen, die gegen die Kürzungs-, Militär- und Kriegspolitik der Bourgeoisie und ihrer Parteien kämpfen werden. Der Widerstand der griechischen Arbeiterklasse gegen die Kürzungen der PASOK-Regierung auf Befehl der Europäischen Union, des IWF und der Finanzspekulanten ist der Vorläufer einer ähnlichen Entwicklung in ganz Europa.

Diese Bewegung entwickelt sich unter Bedingungen, in denen sich die alten Parteien und Gewerkschaften für die arbeitende Bevölkerung als zunehmend nutzlos erweisen. Die Ereignisse haben das volle Ausmaß der jahrzehntelangen Degeneration und des Zerfalls aller Organisationen, die früher einmal die offizielle Arbeiterbewegung bildeten, und ihre Verwandlung in unverhüllte Instrumente der Finanzoligarchie offen gelegt.

Der Weg ist frei für den Wiederaufstieg der Arbeiterklasse als unabhängige Kraft im politischen Leben. Die entscheidende Aufgabe ist der Aufbau neuer Organisationen, mit denen eine Gegenoffensive gegen das Kapital geführt werden kann, d.h. vor allem einer neuen sozialistischen und internationalistischen Partei.

Diese Partei ist die Socialist Equality Party (SEP). Unser Wahlkampf in der Unterhauswahl zielte darauf ab, die Grundlage für eine solche politisch bewusste, revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse zu legen. Wir fordern alle Arbeiter und Jugendlichen, die mit unserem Wahlprogramm übereinstimmen, auf, Mitglied der SEP zu werden.

Siehe auch:
Wahlmanifest der Socialist Equality Party zu den britischen Parlamentswahlen 2010
(10. April 2010)
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