Die New York Times hat jetzt alle eventuell noch vorhandenen Unklarheiten beseitigt: Der Krieg in Afghanistan ist ein imperialistischer Raubkrieg. Das ist die unausweichliche Schlussfolgerung aus dem gestrigen Leitartikel, "USA entdecken reiche Bodenschätze in Afghanistan". Darin geht es um Pläne des Pentagon, die afghanischen Bodenschätze an große Bergwerksgesellschaften und Finanzfirmen zu übergeben.
Die New York Times berief sich auf Aussagen "hoher amerikanischer Vertreter", dass amerikanische Geologen-Teams in Afghanistan "unerschlossene Bodenschätze im Wert von fast einer Billion Dollar" gefunden hätten. Zu aktuellen Marktpreisen handelt es sich dabei um Eisenerz im Wert von 421 Milliarden Dollar, Kupfer für 274 Milliarden Dollar, Niobium für 81 Milliarden Dollar (ein Metall, dass zur Herstellung von supraleitendem Stahl verwendet wird), Kobalt für 51 Milliarden Dollar, Gold für 25 Milliarden Dollar, Molybdän für 24 Mrd. Dollar und seltene Erden für 7,4 Milliarden Dollar. Die Times erwähnte nicht die umfangreichen Vorkommen an Edelsteinen und Erdgas.
Die Zeitung kam zu dem Schluss, dass Afghanistan "zu einem der wichtigsten Bergwerkszentren der Welt werden könnte".
Diese Reichtümer befinden sich in den sicheren Händen des amerikanischen Militärs und großer transnationaler Konzerne, erklärte die Times. "Internationale Unternehmensberatungen" stünden mit dem afghanischen Bergbauministerium in Verhandlung, um die "Übergabe technischer Daten an multinationale Bergwerksgesellschaften und andere potentielle ausländische Investoren" vorzubereiten. Es werden berichtet, dass "das Pentagon afghanische Vertreter dabei unterstützt, die Vergabe von Schürfrechten bis zum Herbst vorzubereiten".
Verteidigungsstaatssekretär Paul Brinkley sagte der Times : "Das Bergbauministerium ist nicht in der Lage, das zu organisieren. Wir versuchen, ihnen zur Hand zu gehen."
Die Behauptung, das Pentagon gehe dem Bergbauministerium "zur Hand", ist eine glatte Lüge. Tatsächlich scheint es so zu sein, dass das Bergbauministerium über die Ergebnisse der Nachforschungen im Dunkeln gelassen wird. Als Bloomberg News das Ministerium gestern kontaktierte, um eine Stellungnahme zu dem Bericht der Times zu erbitten, erklärte der stellvertretende Minister Abdul Qudus Hamidi, das Ministerium könne sich erst äußern, "wenn es eine Kopie des Berichts erhalten hat".
Das Pentagon ist vor allem daran interessiert, dem Bergbauministerium "zur Hand zu gehen", wenn es um die Entscheidung geht, wem die afghanischen Reichtümer zugesprochen werden. Amerikanische Vertreter und die Times machten klar, dass chinesische Bergbaufirmen keine akzeptablen Käufer seien.
Die Times schrieb: "Im vergangenen Jahr wurde der afghanische Bergbauminister [Muhammad Ibrahim Adel] von amerikanischen Vertretern beschuldigt, für ein Schmiergeld von 30 Millionen Dollar China das Recht zugesprochen zu haben, die Kupfermine von Aynak auszubauen. Der Minister wurde seitdem ersetzt. ... Amerikanische Vertreter befürchten, dass das rohstoffhungrige China versucht, die Ausbeutung der afghanischen Bodenschätze zu dominieren. Das würde den Unwillen der Vereinigten Staaten erregen."
Solche Erklärungen weisen auf die allgemeineren geopolitischen Interessen Washingtons bei der Besetzung Afghanistans hin. Im Kampf um die Kontrolle der afghanischen Bodenschätze und dem Bestreben, sie seinen Rivalen wegzuschnappen, will die Washingtoner Regierung ihren wichtigsten Vorteil voll ausspielen, der darin besteht, dass die USA mehr Truppen vor Ort haben als ihre Rivalen.
Nachdem Adel im Februar wegen der Aynak-Lizenz aus dem Amt gedrängt worden war, sagte Kabul den Bieterwettbewerb für das riesige Eisenerzfeld Hajigak ab. Business Week schrieb: "Indische und chinesische Firmen, die dringend Bodenschätze für die beiden am schnellsten wachsenden großen Volkswirtschaften suchen, hatten versucht, sich die Vorkommen von Hajigak zu sichern ... China hatte sich mit den weltgrößten Eisenerzlieferanten - Brasiliens Vale SA, dem Londoner Rio Tinto Kozern und Australiens BHP Billiton Ltd. - einen Wettkampf geliefert, um die steigenden Weltmarktpreise zu umgehen.
Die Preise für Eisenerz schießen in den Himmel, weil BHP Billiton, Rio Tinto und Vale die Preise in den letzten Jahren hochtreiben konnten. Der wichtigste Importeur für Eisenerz, China, ist vollkommen auf ihre Lieferungen angewiesen. Sie forderten dieses Frühjahr Preiserhöhungen von 90 bis 100 Prozent. Auch in den letzten Jahren gab es Preissteigerungen in ähnlicher Größenordnung. Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, dass chinesische Stahlhersteller 110 bis 120 Dollar pro Tonne importierten Eisenerzes bezahlten, gegenüber 62 Dollar pro Tonne im letzten Jahr.
Der Eisenerzmarkt wird nicht der einzige sein, für den die Kontrolle der afghanischen Bodenschätze von großer Bedeutung ist. In dem Artikel der Times von gestern hieß es, dass allein die Lithium-Schätze der afghanischen Provinz Ghazni denen Boliviens gleichkommen könnten, wo gegenwärtig die weltgrößten bekannten Vorkommen liegen. Lithium ist ein unverzichtbares Material für Laptop- und Handybatterien. Die Times zitierte aus einem internen Pentagon-Memo, in dem Afghanistan als das Saudi-Arabien für Lithium bezeichnet wird, d.h. heißt als ein Land, dessen Produktion den Weltmarktpreis bestimmen werde.
Würde die Öffentlichkeit darüber informiert, auf welche Weise amerikanische Kriege parasitären Wirtschafts- und Finanzinteressen dienen, dann würde das in den USA und international eine riesige Empörung provozieren. Deswegen stellt die Times das Interesse Washingtons an den afghanischen Bodenschätzen so hin, als handle es sich um das beiläufige Resultat der Arbeit einiger amerikanischer Geologen, die 2004 zufällig nach Afghanistan kamen - eine lächerliche Vorstellung.
Sie seien in afghanischen Bibliotheken "über äußerst interessante alte Karten gestolpert" und hätten dann "ein altes Orion P-3 Flugzeug der Navy" zur Verfügung gehabt, das - womöglich versehentlich - "mit hochentwickelten Geräten zur Gravitations- und Magnetfeldmessung ausgestattet war". Nachdem sie 70 Prozent des Landes überflogen hatten, stellten sie in einem Bericht dar, dass sie "erstaunliche" Bodenschätze entdeckt hätten. 2007 kehrten sie mit einem noch stärker spezialisierten britischen Flugzeug zurück, um weitere Untersuchungen vorzunehmen. Danach "verstaubte" ihre Arbeit laut Times für zwei Jahre in irgendwelchen amerikanischen Schubladen.
In Wirklichkeit wusste die amerikanische Regierung, als sie Afghanistan überfiel, ganz genau, dass es ein Land mit reichen Bodenschätzen war. Trotz der verschleiernden Darstellung der Times zeigt der Bericht, dass die amerikanischen und Nato-Vertreter diese Bodenschätze sorgfältig studierten und dokumentierten, während der Krieg seinen Lauf nahm. Entgegen der absurden Darstellung der Times enthüllen amerikanische Dokumente, dass die Regierung in Washington seit langem von Afghanistans Reichtümern wusste.
Unter der Rubrik "Bodenschätze" listet das erste Kapitel der Länderstudie der US-Regierung von 1986 folgendes auf: "Zahlreiche Bodenschätze - Erdgas, Kohle, Kupfer, Eisenerz, Barium, Chrom und Lapislazuli. Es wird über Erdöl und Uranerzfunde berichtet."
2002 zitierte die WSWS aus einem Bericht des Außenministeriums: "Afghanistan ist reich an Bodenschätzen, zu denen umfangreiche Vorkommen an Erdgas, Erdöl, Kohle, Kupfer, Chrom, Magnesium, Barium, Schwefel, Blei, Zink, Eisenerz, Salz, Edelsteinen und Halbedelsteinen gehören."
Das wirft die Frage auf, warum die amerikanische Regierung und die Times erst jetzt über diese Entdeckungen berichten. Was sind die Gründe für die Bekanntgabe zum jetzigen Zeitpunkt?
Die Times schreibt: Vertreter der USA und Afghanistans sind übereingekommen, die Entdeckung der Bodenschätze in einem schwierigen Moment des Kriegs bekanntzugeben." Sie weist auf das Scheitern der Nato-Truppen hin, den Widerstand in der Stadt Marja zu unterdrücken, und fügt hinzu: "Die Obama-Regierung braucht dringend positive Nachrichten aus Afghanistan." Mit anderen Worten sind diese "guten Nachrichten" der Versuch, die Bevölkerungen mit diesem unpopulären Krieg zu versöhnen.
Gleichzeitig macht die Times klar, dass sie hofft, diese Information werde dazu führen, dass gegen besatzungsfeindliche Kräfte mit noch größerer Gewalt vorgegangen werde.
Diese Haltung legte sie ihrem Leitartikel von gestern dar, in dem sie eine aggressivere Politik in Afghanistan forderte. Sie zeigte sich enttäuscht über die Verhandlungen des afghanischen Präsidenten Hamid Karzai mit den Taliban und über die Entscheidung General McChrystals, die Offensive gegen Kandahar auf den Herbst zu verschieben. Sie schrieb: "Wir wissen nicht, ob die Taliban-Führer jemals zu Kompromissen bereit sein werden. Aber wir sind sicher, dass sie allerhöchstens dazu bereit sein werden, wenn sie stark unter Druck stehen. General McChrystal muss in Kandahar einen viel besseren Job machen. Karzai muss seine Illusionen aufgeben und sich entschieden hinter den Kampf stellen."
Um die Kämpfe zwischen Karzais Truppen und den Taliban zu intensivieren, könnten die Bodenschätze ebenfalls hilfreich sein. Die Times erklärt: "Neu entdeckte Bodenschätze könnten die Entschlossenheit der Taliban weiter stärken, das Land wieder unter ihre Kontrolle zu bekommen." Kurz gesagt, die Neuigkeiten führen vielleicht zu mehr Blutvergießen, was im Sinne der Times ist, und könnten dazu beitragen, Karzai mit dem Versprechen auf Linie zu halten, dass ihm im Falle eines Siegs ein Teil des Bergbaugeldes zukommen werde.
Diese Ereignisse bestätigen die Kritik der World Socialist Web Site vor dem 11. September 2001 an der Rolle, die der amerikanische Militarismus für die Gesellschaft spielt.
Nach dem amerikanischen Krieg von 1999 gegen Serbien gingen wir in der Erklärung "Nach der Schlächterei: Politische Lehren aus dem Balkankrieg" auf die damaligen inter-imperialistischen Konflikte ein. Darin wurden die Ursachen des Ersten und Zweiten Weltkriegs genannt, als einen Kampf "der imperialistischen Länder um Märkte, Rohstoffe und damit zusammenhängende strategische Interessen".
"Die zunehmende Häufigkeit militärischer Ausbrüche während der neunziger Jahre ist ein objektives Anzeichen für den kommenden weltweiten Zusammenstoß. Sowohl dem Ersten als auch dem Zweiten Weltkrieg ging eine Reihe lokaler oder regionaler Konflikte voraus. Während die wichtigen imperialistischen Mächte bemüht sind, ihren Einfluss auf die Regionen auszuweiten, die mit dem Zusammenbruch der UdSSR für das kapitalistische Eindringen offenstehen, nimmt die Wahrscheinlichkeit von Konflikten zwischen ihnen zu. Die größeren Auseinandersetzungen - die sich beispielsweise zwangsläufig aus der Verteilung der Öl-Ausbeute des kaspischen und kaukasischen Raumes ergeben müssen - werden um weltweite Machtpositionen ausgetragen werden, die über Leben oder Untergang entscheiden. Solche Fragen lassen sich naturgemäß keiner friedlichen Lösung zuführen. Die Grundtendenz des Imperialismus führt unerbittlich in Richtung eines neuen Weltkriegs."
Der jüngste Times -Artikel zeigt, dass die gleichen Gegensätze heute erneut wieder aufbrechen. Der Unterschied ist, wie die WSWS aufzeigte, dass ein direkter Konflikt zwischen den Großmächten heute noch unmittelbarer bevorsteht. Die USA und andere Nato-Staaten liegen mit den aufsteigenden Mächten Asiens weltweit im Wettbewerb um den Zugang zu Rohstoffen, Arbeitskräften und Märkten. Zusätzlich sind die internationalen Beziehungen durch die Weltwirtschaftskrise, die US-Besatzung des Iraks und Afghanistans und die gesamte Lage im Nahen Osten aufs Äußerste angespannt.