Grußbotschaft und politischer Bericht der Socialist Equality Party (USA) an Versammlungen in Australien

Der Niedergang des Amerikanischen Kapitalismus und die Aufgaben der Arbeiterklasse

Jerry White, führendes Mitglied der Socialist Equality Party in den USA und Mitglied des Nationalen Komitees, überbrachte der Konferenz zum Thema „Die Weltwirtschaftskrise, das Versagen des Kapitalismus und die Notwendigkeit des Sozialismus“ die folgende Grußbotschaft und gab diesen politischen Bericht. Die Versammlung wurde von der SEP und den International Students for Social Equality einberufen und fand am 4. Juli 2010 in Sydney und am 11. Juli 2010 in Melbourne statt.

 

1. Im Namen der Socialist Equality Party der USA möchte ich Eurer Konferenz die wärmsten revolutionären Grüße überbringen. Die Ereignisse der vergangenen zwei Wochen in Australien zeigen, dass wir uns in einer Periode beispielloser und tiefer politischer Umbrüche in jedem Land befinden. Der Sinn dieser Konferenz ist es, den aktuellen Stand der Weltwirtschaftskrise zu analysieren, ihre Auswirkungen zu begreifen und den fortschrittlichsten Teil der Arbeiterklasse auf eine neue Periode des Klassenkampfes vorzubereiten.

2. Es ist nun beinahe drei Jahre her seit Bekanntwerden der Hypothekenkrise in den USA, welche den Kollaps des Wall Street-Bank Lehman Brothers im Sommer 2008 zur Folge hatte und zur schwersten Krise des Weltkapitalismus seit der Großen Depression der dreißiger Jahre führte.

Damals warnte die Socialist Equality Party der USA davor, die „ökonomische Restabilisierung könne auf kapitalistischer Basis nur durch eine katastrophale Senkung des Lebensstandards der Arbeiterklasse“ erreicht werden. Dabei beharrten wir darauf, dass die „improvisierten Antworten der amerikanischen herrschenden Klasse auf die ökonomischen Umbrüche“ keine Lösung bringen werden.

3. Trotz der enormen Erleichterung in der Weltbevölkerung über die Abwahl der Bush-Administration und der Hoffnungen und Illusionen, die von den Medien und den kleinbürgerlichen„Linken“ in Barack Obamas Wahl geweckt worden waren, betonten wir, dass der neue Mann im Weißen Haus nur eine solche Lösung für die Krise suchen werde, die „das Fundament des Kapitalismus und die Interessen der Finanzelite“ nicht antastet.

Diese Prognose hat sich im höchsten Maße bewahrheitet. Seit er im Amt ist, waltet Obama als unverfrorener Diener der Wall Street-Banker und Spekulanten und weitete die von seinem Republikanischen Vorgänger begonnenen Angriffe auf die amerikanische Arbeiterklasse aus. Niemand wurde für die kriminellen und halb-kriminellen Aktivitäten der Finanzelite zur Rechenschaft gezogen, welche die amerikanische und weltweite Wirtschaft an den Rand des Kollapses brachten. Die einzige Ausnahme war Bernie Madoff, dessen Schneeballsystem einige einigermaßen prominente Vertreter der herrschenden Klasse viel Geld kostete.

4. Unter Missachtung der mehrheitlichen Meinung der Amerikaner übergab Obama die Schlüssel zur amerikanischen Staatskasse den mächtigsten Finanzinteressen. Billionen Dollar aus öffentlichen Mitteln wurden für die Rettungsaktionen der Banken benutzt und dafür, das persönliche Vermögen von Milliardären und Millionären zu sichern. Anstatt die Spekulationstätigkeiten der Banken zu untersuchen, geschweige denn die massiven Saläre ihrer Direktionen zu beschneiden, stärkten Obamas Maßnahmen zur „Finanzmarktregulierung“ das Monopol der vier größten Banken – Bank of America, JPMorganChase, Wells Fargo und Citibank- und führten zur Wiederaufnahme des Spekulationskasinos. Während Millionen unter Arbeitslosigkeit leiden und mehr für ihre Häuser abbezahlen als sie je dafür bekommen werden, belohnen sich die Top-Banker, Direktoren und Händler einmal mehr mit millionenschweren Salären und Boni.

Nach einem Rückgang um 21 Prozent 2008 stieg die Anzahl amerikanischer Haushalte mit mindestens einer Million Dollar Bankguthaben in 2009 um fünfzehn Prozent und erreichte 4,7 Millionen. „Es war eine Rezession, in der alle einen schweren Schlag bekamen, doch die Schwächsten bekamen den schwersten Schlag“ sagte Timothy Smeeding, Wirtschaftsprofessor an der Universität Wisconsin. Er fügte hinzu: „Die Wohlhabenden kamen schnell wieder auf die Beine.“

5. An der internationalen Front wurde schnell klar, wovor wir gewarnt hatten: nämlich dass Obama ausgewählt wurde, dem US-Imperialismus ein neues Gesicht zu geben, während er die kriminellen Methoden der Bush-Administration ausweitet. Dies beinhaltet auch die illegale Besetzung des Iraks und Afghanistans, verstärkte Drohungen gegen den Iran, die Fortsetzung der Folterpolitik, außerordentlicher Überstellungen und geheimer Gefängnisse. Trotz wachsender militärischer Verluste intensiviert Obama den „guten“ Krieg in Afghanistan – nun der längste der amerikanischen Geschichte –und weitet ihn nach Pakistan aus. Zur selben Zeit fuhr er damit fort, Israels Kriegsverbrechen zu unterstützen und ihnen Vorschub zu leisten.

Der erzwungene Rücktritt von General McChrystal letzten Monat war nicht eine Machtdemonstration der zivilen Behörden gegenüber aggressiven Elementen im Militär, wie Obamas Verteidiger behaupteten. Es war eine Umbesetzung im Kommando des Pentagon mit dem Ziel die blutige Unterdrückung des afghanischen Volkes noch zu verstärken. Der Rücktritt war begleitet von einer Medienkampagne, angeführt insbesondere vom Sprachrohr des amerikanischen Liberalismus, der New York Times, mit der Klage, dass die Einschränkungen der Luftschläge zum Schutz afghanischer Zivilisten die US-Streitkräfte schwächen würden und zu einem Anstieg amerikanischer Gefallener führten. Die Militärführung will die Mandatsbedingungen ändern, um mit maximaler Gewalt den breiten Widerstand gegen die Besatzung zu zerschlagen.

General David Petraeus, der Architekt des amerikanischen Blutbades im Irak, wurde zu McChrystals Nachfolger bestimmt. Petraeus' Position im Zentralkommando wiederum wird neu mit General James Mattis besetzt, der bei den US-Marines als „Mad Dog“ Mattis bekannt war. Er unterstützte die Führung bei den Invasionen im Irak und in Afghanistan und kommandierte die blutige Belagerung und Zerstörung von Fallujah 2004. 2005 sagte Mattis auf einer öffentlichen Veranstaltung: „Wenn du nach Afghanistan gehst, siehst du Kerle, die ihre Frauen die letzten fünf Jahre geschlagen haben, weil sie keinen Schleier trugen. Wissen sie, solche Typen haben sowieso nicht viel Männlichkeit übrig. Darum ist es ein Höllenspaß sie zu erschießen.“

Der „Krieg ohne Ende“ führt zu einer Demoralisierung beim Militär, zunehmenden Todesopfern und verbreiteter Opposition. Dies mündete in den USA und anderswo in eine Krise und gegenseitige Schuldzuweisungen. In Australien legte letzte Woche Verteidigungsminister John Faulkner inmitten wachsender Zweifel am Krieg sein Amt nieder.

Eine Niederlage in Afghanistan kann vom herrschenden amerikanischen Establishment nicht toleriert werden, da es seine Anstrengungen unterminieren würde, das rohstoffreiche Zentralasien zu dominieren. Konkurrenten in der Region wie Russland und China würden ermuntert und unabsehbare politische Konsequenzen in den USA wären die Folge. Es sei daran erinnert, dass die UdSSR zwei Jahre nach der militärischen Niederlage in demselben Land von der Landkarte verschwand.

6. In der Wirtschafts- und Militärpolitik ist die Obama-Administration bestrebt, sich mit dem tiefen historischen Niedergang der globalen Position des amerikanischen Kapitalismus und dem Aufstieg neuer ökonomischer und politischer Rivalen, insbesondere Chinas, auseinanderzusetzen. Die USA sind nicht mehr die Hegemonialmacht, die sie nach dem Zweiten Weltkrieg waren. Damals lagen Europa und Japan in Trümmern, die amerikanische Industrie dominierte den Globus und amerikanische Banken finanzierten nach einer Periode von zwei Weltkriegen und der Großen Depression die Nachkriegsstabilisierung des Weltkapitalismus.

Im Gegensatz dazu sind die USA heute die höchst verschuldete Nation der Welt; ihr industrielles Fundament und die Infrastruktur wurden in den vergangenen drei Jahrzehnten dezimiert. Die Wirtschaft wird immer mehr von einer herrschenden Elite dominiert, die mit der parasitärsten Form der Finanzspekulation und der Anhäufung von riesigen, von der Produktion separierten Gewinnen beschäftigt ist. Dies resultierte in einer katastrophalen Finanzblase nach der anderen.

In seiner Blütezeit wurde der amerikanische Kapitalismus mit ökonomischer Stabilität gleichgesetzt und mit Unternehmen wie General Motors, United States Steel, General Electric und weiteren Industriegiganten assoziiert. Diese Firmen exportierten Autos und andere Erzeugnisse in die ganze Welt. General Motors, einst der größte private Arbeitgeber der Welt – nur noch übertroffen von der Sowjet-Regierung in der Anzahl seiner Arbeiter – meldete letztes Jahr Bankrott an. Heute sind die größten amerikanischen Exporte kreditgesicherte Schuldbriefe, Kreditderivate und Finanzkatastrophen.

Vielleicht das deutlichste Beispiel dieses historischen Niedergangs ist Detroit – einst das Symbol der amerikanischen Industriemacht. 1950 wurden vier von fünf Autos der Welt in der Motor City hergestellt. Auf Grund der Kämpfe der Autoarbeiter konnte sie sich der höchsten Rate von Hauseigentümern und des besten Lebensstandards rühmen. Heute ist Detroit eine der ärmsten Großstädte des Landes, übersät von leerstehenden Fabriken, ausgebrannten Häusern und leeren, mit Gras überwachsenen Grundstücken. Die wahre Arbeitslosenrate der Stadt liegt bei 50 Prozent und jedes Jahr wird hunderttausenden Familien Gas und Elektrizität wegen Zahlungsversäumnissen abgestellt. Der millionenschwere Bürgermeister bereitet die Stilllegung ganzer Bezirke vor, die als zu arm gelten, um die Dienste der Feuerwehr, der Polizei, der Elektrizität, der Kanalisation und der Schulen aufrecht zu erhalten.

7. Das politische System Amerikas wird von einer Finanzaristokratie kontrolliert, die beide politischen Parteien finanziert und die Politik bestimmt. In Australien wurde die Macht der transnationalen Bergbaugiganten durch ihre Kampagne zur Absetzung von Premierminister Kevin Rudd demonstriert. Die neueingesetzte Premierministerin Julia Gillard zog als erstes die geplante Steuer auf die„Super Profite“ der Rohstoffkonzerne zurück. Nirgends zeigt sich die Unterordnung der amerikanischen Regierung und der Obama-Administration unter die Forderungen der Unternehmenselite so deutlich wie bei der Katastrophe im Golf von Mexiko.

Das Desaster, das sich im April mit der Explosion der Bohrinsel Deepwater Horizon ereignete und elf Arbeiter tötete, kam nicht aus heiterem Himmel. Es war das unausweichliche Resultat von Jahrzehnten der Deregulierung, der Übertragung von Kontrollen an die Ölkonzerne selbst und der Kontrolle der Wirtschaft über beide Parteien.

8. Der freie kapitalistische Markt sandte erst einen Schwarm von schädlichen finanziellen Abfällen in alle Ecken der Welt. Nun sendet das Profitsystem einen giftigen Mix aus hunderten Millionen Gallonen Öl und chemischen Detergenzien aus. Die Mischung aus Teerklumpen und Öl erreicht die Strände und Feuchtbiotope entlang der Küste, zerstört die Fauna und radiert Jobs von hunderten von Leuten aus, die von der örtlichen Fischerei- und Tourismusindustrie abhängig sind. Die Obama-Administration befreite BP und andere Ölgiganten von Umwelterlassen, blockierte gerichtliche Anordnungen gegen Tiefseebohrungen und ignorierte Warnungen vor dem bevorstehenden Desaster. Dann bestand sie darauf, den Aufräum- und Reinigungsprozess in den Händen von BP zu belassen.

Das Weiße Haus handelte einen Deal über einen 20 Milliarden Dollar Treuhandfond aus, der über mehrere Jahre ausbezahlt werden soll. Dieser Fond wird die Kosten der Betroffenen nur geringfügig decken geschweige denn die massive Zerstörung des Golfs, wo mit jahrzehntelangen Auswirkungen zu rechnen sein wird, wie die Exxon Valdez Katastrophe 1989 bewies. Darüber hinaus war das Ziel des Treuhandfonds, die Profite und die Solvenz des Unternehmens zu sichern. Kenneth Feinberg, der Verwalter des Treuhandfonds, sagte auf CNBC: „BP-Investoren sollten wissen, dass es keine Alternative zum gegenwärtigen Streitregelungssystem gibt. Ich denke, dies ist ein nützliches Zeichen für die Investoren.“

Anfang des Monats erteilte das Weiße Haus die Anweisung, dass sich die Medien und andere von der Küstenwache unautorisierte Personen mindestens 20 Meter von den Reinigungsarbeiten entfernt halten müssen. Das Ziel des Verbots ist es, dass die Öffentlichkeit nicht die Bilder der von BP verschuldeten Zerstörung und der miserablen Arbeitsbedingungen und Gesundheitsrisiken derer zu Gesicht bekommt, die von BP fürs Aufräumen angestellt wurden. Journalisten, die die Order des Weißen Hauses „vorsätzlich“ umgehen, können dafür belangt werden wie für eine Straftat von der Schwere einer Körperverletzung und mit fünf Jahren Gefängnis und 40.000 Dollar Buße belegt werden.

Die Verbindungen zwischen der Obama-Administration, BP und Big Oil sind vergleichbar mit jenen der australischen Labour Party mit den Bergbauinteressen, wie die WSWS detailliert berichtete. Rachel Polish, Mitglied der US-Küstenwache und Spezialistin für Öffentlichkeitsarbeit in der Deepwater Horizon-Affäre, ist auch bei einer Werbefirma von BP angestellt. Präsident Obama erhielt im Wahlkampf von BP 77.051 Dollar. Sein Stabschef Rahm Emanuel lebte während seiner Zeit im Repräsentantenhaus fünf Jahre lang mietfrei im Appartement von Stanley Greenberg, dessen Unternehmen stark in eine Werbekampagne von BP zur Neugestaltung der Firmenmarke involviert war.

Sylvia Baca, Staatssekretärin im Innenministerium, war früher leitende Angestellte bei BP. Steven E. Koonin, der von Obama als Staatssekretär für Energie und Wissenschaft im Energieministerium angestellt wurde, arbeitete vorher als leitender Wissenschaftler bei BP.

9. Diesen Monat feiern wir den 4. Juli, der an den Unabhängigkeitskampf Amerikas gegen das Britische Empire erinnert. Diese Revolution stand für die Ideale von Demokratie und Gleichheit, welche der Menschheit eine neue Ära eröffneten. Sie inspirierte die französische Revolution und mündete in einer Unabhängigkeitserklärung, die der Bevölkerung das Recht gab, jede Regierung zu stürzen, die diese Prinzipien verrät.

Das heutige Amerika ist von einem noch nie dagewesenen Niveau sozialer Ungleichheit und der unbestrittenen Macht einer Finanzaristokratie geprägt, die Mitgliedern des Ancien Régime in Frankreich die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte. Dies kann nicht in Einklang mit traditionellen demokratischen Formen gebracht werden. Regierungen können weder für Krieg noch für das Aufbürden der Kosten der Bankenrettungspakete auf die Arbeiterklasse Mehrheiten erhalten. Um eine solche Politik durchzusetzen, werden mehr und mehr autoritäre Formen des Regierens notwendig. Darin liegt die Bedeutung der Absetzung von Rudd und des jahrzehntelangen Niedergangs der bürgerlichen Demokratie in den USA.

Das letzte Jahrzehnt endete mit dem Versuch zur Amtsenthebung Präsident Bill Clintons und das neue begann mit der gestohlenen Präsidentenwahl von 2000, den immer noch ungeklärten Ereignisse vom 19. September 2001 und den Lügen vor dem Irakkrieg 2003. Die erste Dekade des 21. Jahrhunderts schloss mit einer massiven Rettungsaktion für die Wall Street, die von der Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit abgelehnt wurde, und dem monumentalen Schwindel des Obama-Wahlkampfs. Der Präsident und seine Geldgeber und politischen Hintermänner versuchten, die breite Ablehnung Bushs, die Opposition gegen den Krieg und die Ablehnung des Ausverkaufs der Regierung an die großen Unternehmen für sich zu nutzen. Das Ergebnis war ein Präsident, der die rechte Agenda seines republikanischen Vorgängers weiterführte und noch verschärfte.

10. Ausschlaggebend für die Verrottung der Demokratie ist die beispiellose soziale Polarisierung, die auch in den eineinhalb Jahren seit Obamas Amtsantritt weiter zunahm. Laut dem neuesten globalen Wohlstandsbericht von Merrill Lynch-Capgemini ließ die Erholung der Aktienmärkte die Zahl der Millionäre um siebzehn Prozent auf zehn Millionen ansteigen. Während ihr kollektives Vermögen um neunzehn Prozent auf 39 Billionen Dollar anstieg, haben sie fast alle Verluste aus der Finanzkrise wieder ausgeglichen.

Ein Report des „Center on Budget and Policy Priorities“, der auf den neuesten amerikanischen Steuerdaten aus 2007 beruht – bevor die Wirtschaftskrise ihre volle Wirkung entfaltete – zeigte, dass der Anteil des Gewinns nach Steuern sein höchstes Niveau seit 1979 erreichte (17,1 Prozent). Doch der Anteil, der an das mittlere Fünftel der Amerikaner ging, schrumpfte in dieser Zeit auf sein bisher niedrigstes Niveau (14,1 Prozent). Von 1979 bis 2007 stieg der durchschnittliche nachsteuerliche Gewinn für das wohlhabendste Prozent nach dem Inflationsausgleich um 281 Prozent an – ein Anstieg von 973.000 Dollar pro Haushalt – im Gegensatz zu einem Anstieg um 25 Prozent (11.200 pro Haushalt) für das mittlere Fünftel und 16 Prozent (2.400 Dollar pro Haushalt) für das unterste Fünftel.

11. Die Medien und die verschiedenen pseudo-linken kleinbürgerlichen Parteien, die tief in Identitätssuche und Lifestyle-Politik verwickelt sind, begrüßten die Wahl des ersten afroamerikanischen Präsidenten als „transformativen Moment“, der „Jahrzehnte der konservativen Herrschaft beendet“. In Wahrheit wurde die Obama-Administration an die Macht gebracht, um Angriffe auf die Arbeiterklasse durchzuführen, wozu ein Republikanischer Präsident nie in der Lage gewesen wäre.

In einem Interview im Oval Office am 27. Juli 2009 mit der Zeitschrift BusinessWeek nach sechs Monaten seiner Präsidentschaft, formulierte der Kandidat des „Change“ seine Agenda gegen die Arbeiterklasse und bekräftigte seine Nähe zur Wirtschaft. Er führte aus: „Bei meinem letzten Essen waren die CEO's von Xerox, AT&T, Honeywell und Coca Cola dabei. Wir sprachen darüber, dass in den 1980ern, als alle Angst hatten, Japan wolle unser Stück vom Kuchen haben, und dass eine Menge Unternehmen eine Kehrtwende, bei der Qualitätsverbesserung, der Effizienz und der Steigerung der Produktivität machten. Es gab einen Wandel in der Geschäftskultur, welcher die Unternehmensproduktivität maßgeblich und nachhaltig steigerte und mitverantwortlich für den Boom der 1990er Jahre war. Sie machten darauf aufmerksam, dass einige Sektoren sich demgegenüber resistent gezeigt hatten: die Gesundheitsvorsorge, die Erziehung, die Energiewirtschaft und die Regierung.“

Mit dem „Wandel in der Geschäftskultur“, der für den Boom der 1990er Jahre mitverantwortlich war, war auch ein Krieg gegen die Arbeiterklasse in den USA gemeint. Er begann mit der Chrysler-Rettungsaktion von 1979/80 und der Zerschlagung der Fluglotsengewerkschaft durch Reagan. Dann kam die Welle der gewalttätigen Zerschlagung von Gewerkschaften mittels der Nationalgarde, privaten bewaffneten Schlägern und den Morden an den Streikposten der Bergarbeiter. Mit der Hilfe der AFL-CIO (American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations) und anderen Gewerkschaften – die im Namen von korporatistischen Vereinbarungen und wirtschaftlichem Nationalismus alle Kämpfe der Arbeiter unterdrückten – war die amerikanische herrschende Elite in der Lage, eine drastische und permanente Verschlechterung des Lebensstandards der Arbeiterklasse durchzusetzen sowie eine Verschärfung der Ausbeutung der Arbeiter.

Während er diese Errungenschaften preist, sagt Obama, es gebe noch viel Arbeit zu tun. Was hat er wohl im Sinn?

Die „Reform“ des Gesundheitssystems diente nicht dem Zweck, mehr Nichtversicherte einzubeziehen, sondern die Kosten für die amerikanischen Unternehmen zu senken, indem der Zugang zu medizinischen Behandlungen beschnitten wird, die für gewöhnliche Leute zu teuer sind, und grundlegende Programme wie Medicare und Medicaid einzuschränken.

Weit davon entfernt, Bushs reaktionäre No Child Left Behind-Politik zu beenden, erhöhte die Obama-Administration die Anstrengungen, die Lehrer als Prügelknaben hinzustellen und die öffentliche Bildung zu privatisieren. Er bejubelte auch die Massenentlassung von Lehrern in Rhode Island.

Was steht es mit der Energiepolitik? Hier ist eine kontinuierliche Deregulierung der Energiegiganten zu sehen, die zu dem Desaster im Golf von Mexiko führte und dem Tod der Kohlearbeiter in der Massey-Mine in West Virginia und in anderen unsicheren Kohlebergwerken.

Schließlich ist da die „Regierungsreform“. Sie führt zu einem faktischen Bankrott der Staatsregierungen und Kommunalverwaltungen und zu massiven Kündigungen, Privatisierungen und Einschnitten bei den Sozialleistungen. Nicht weniger als eine Million öffentlicher Angestellter, Lehrer, Feuerwehrmänner und Sozialarbeiter sehen sich in den kommenden Wochen Stellenkürzungen gegenüber. So wie das Steuerjahr 2011 beginnt, kürzen die Staaten Milliarden bei öffentlichen Schulen, der Gesundheitsversorgung für die Armen und Alten und anderen lebenswichtigen Programmen. Die Einschnitte sind so schwerwiegend, dass eine Reihe von Großstädten und Orten ihre Feuerwerke für die Feiern zum 4. Juli absagen mussten.

Zur selben Zeit ging der Kongress in die einwöchigen Ferien zum 4. Juli, ohne die Gelder für die Arbeitslosen zu verlängern – sie betragen schäbige 335 Dollar die Woche im Mittel und sind in vielen Staaten weit tiefer. Etwa 3,3 Millionen Arbeitslose werden Ende des Monats kein Einkommen haben.

Während Millionen Menschen katastrophale Bedingungen durchleben, preisen die amerikanischen Medien und das Weiße Haus unter Obama die sogenannte wirtschaftliche Erholung. Dabei beziehen sie sich auf steigende Unternehmensgewinne – die im ersten Quartal auf das höchste Niveau aller Zeiten anstiegen – und die Erholung der Aktienmärkte. Dies unterstreicht nur die tiefe Kluft in der amerikanischen Gesellschaft.

Zweieinhalb Jahre nach dem offiziellen Beginn der Rezession im Dezember 2007 sind nun 15,2 Millionen Arbeiter arbeitslos und weitere zehn Millionen unterbeschäftigt. Etwa 6,8 Millionen sind seit mehr als sechs Monaten arbeitslos. Die Bedingungen für junge Arbeiter sind am schwierigsten. Laut einem kürzlich erschienen Bericht des Economic Policy Institute (EPI) ist die Arbeitslosenrate bei Schulabgängern und jungen Ungelernten fast doppelt so hoch wie 2007, was bedeutet, dass ein Schulabschluss in den USA nicht mehr länger finanzielle Sicherheit gewährleistet.

2007 waren 5,4 Prozent der College-Abgänger unter 25 Jahren arbeitslos; die offizielle Rate liegt nun bei neun Prozent. Die Zahl von arbeitslosen High School-Abgängern sprang von zwölf Prozent 2007 auf 22,5 Prozent. „Für die Abschlussklassen 2010“ sagt der Report weiter, „wird es eines der schlimmsten Abschlussjahre vom College oder der High School seit mindestens dem Jahr 1983 sein und vielleicht das schlimmste seit Ende des 2. Weltkriegs.“

Nach Jahrzehnten, in denen jungen Leuten und Arbeitern gesagt wurde, ein Schulabschluss sei der einzige Weg einer Zukunft mit niedrigen Löhnen und wirtschaftlicher Unsicherheit zu entkommen, zeichnet sich in den Medien eine neue Kampagne ab, wonach nicht jeder fürs College gemacht sei. Dies deckt sich mit staatlichen Budgetkürzungen, welche die Anzahl Studenten an staatlichen Universitäten beschränken sollen.

13. Dies ist die Situation im Zentrum des weltweiten Kapitalismus fast zwei Jahrzehnte nach dem Kollaps der Sowjetunion und den offiziellen Erklärungen, dass mit dem Triumph des Profitsystems die Menschheit ihre höchste Entwicklungsstufe erreicht habe.

Seit langem wird in offiziellen und akademischen Kreisen argumentiert, dass Amerika gegenüber dem Sozialismus immun sei. Ganze Laufbahnen von „linken“ Akademikern basierten auf dem ständigen Beweisen des amerikanischen „Exzeptionalismus“. Das Argument war, dass die amerikanische Arbeiterklasse zu stark nach Nation und Hautfarbe gespalten sei, und dass sie dank großen Häusern, großen Autos und anderen Konsumgütern zu zufrieden sei, als dass sie sich mit Sozialismus und der Revolution befassen würde.

Solche Ansichten waren schon immer oberflächlich und beruhten auf subjektiven Eindrücken. Sie ignorieren die Geschichte explosiver und gewalttätiger Kämpfe, welche die amerikanische Geschichte dominierten. Vom Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und der „Zweiten Revolution“ - dem Bürgerkrieg –, welcher die Abschaffung der Sklaverei und die größte Enteignung in der Geschichte bis dato zur Folge hatte, bis zu den sozialen Erhebungen des 19. und 20. Jahrhunderts für das Recht, Gewerkschaften zu bilden, für die Abschaffung der Kinderarbeit und die Gewinnung von Bürgerrechten gegen die sogenannte „Jim Crow-Apartheid“. In diesen Auseinandersetzungen trug die Arbeiterklasse wiederholt die entschlossensten Kämpfe gegen gewalttätige Arbeitgeber und den Staat aus.

Wenn man vom amerikanischen „Exzeptionalismus“ spricht, kann man nur von den „exzeptionellen“ letzten zwei Jahrzehnten der amerikanischen Geschichte sprechen, in denen keine explosiven Klassenkämpfe stattfanden. Der Hauptgrund dafür war die Rolle der Gewerkschaften, deren Hauptaufgabe in den letzten dreißig Jahren die Unterdrückung jedes Arbeiterkampfes war, der gegen Angriffe der Regierung und der Unternehmen auf Jobs, den Lebensstandard und die soziale Position der amerikanischen Arbeiterklasse gerichtet war.

In den letzten dreißig Jahren haben sich diese Organisationen in direkte Gehilfen der Unternehmen verwandelt. Ihre finanziellen Interessen stehen jenen der Arbeiter, die sie angeblich vertreten und von denen sie mittels Gewerkschaftsabgaben ihren Tribut einfordern, diametral gegenüber. Als Dank für die Zerstörung der Löhne und Leistungen ihrer Mitglieder – was auch die Reduzierung der Löhne Neueingestellter auf Armutsniveau beinhaltet – erhielt die Autoarbeitergewerkschaft United Auto Workers (UAW) Millionen in Aktien und beträchtliche Eigentumsanteile an Chrysler, General Motors und Ford.

Das ist das unausweichliche Produkt der nationalistischen und pro-kapitalistischen Politik der UAW und anderer Gewerkschaften. Obwohl die großen Industriegewerkschaften von Sozialisten und linken Militanten in den 1930er Jahren gegründet worden waren, haben die Führer der CIO (Congress of Industrial Organizations), wie zum Beispiel Walter Reuther, Ende der 1940er Jahre eine antikommunistische Säuberung durchgeführt und die Gewerkschaften als Basis des amerikanischen Kapitalismus und der Demokratischen Partei konsolidiert. Reuther behauptete, die Arbeiter bräuchten keine Arbeiterpartei, da es keine scharf umrissenen Klassenunterschiede gebe wie in Europa. Basierend auf der dubiosen Hoffnung, dass der amerikanische Kapitalismus die Weltwirtschaft für immer dominieren werde, schloss Reuther 1950 den Vertrag von Detroit ab. Im Austausch für garantierte jährliche Lohnerhöhungen und andere Verbesserungen verpflichtete sich die UAW die Eigentumsrechte und andere Vorrechte der Unternehmerklasse nicht anzugreifen und jeden Kampf für Wirtschaftsdemokratie oder breite soziale Reformen zu unterdrücken.

In den spätern 1970ern und 80ern führte diese Perspektive die Arbeiterklasse in eine Sackgasse, während der amerikanische Kapitalismus weltweit und auf dem Heimatmarkt durch die neuerstarkte asiatische und europäische Wirtschaft herausgefordert wurde. Als Antwort darauf unterbanden die UAW und andere Gewerkschaften jeden Widerstand der Arbeiter. In Namen der Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Unternehmen unterdrückten sie Klassenkämpfe und kollaborierten bei der Zerstörung des Lebensstandards der Arbeiterklasse. 2009 gab es nur fünf Streiks und Aussperrungen, die 1.000 oder mehr Arbeiter umfassten. Das ist die niedrigste Zahl seit Beginn der Erhebung durch das Büro für Arbeitsstatistik. Im Gegensatz dazu gab es in den 1970ern jährlich durchschnittlich 289 große Streiks, 1974 sogar 424.

14. Trotz des Verrats des Gewerkschaftsapparats ist letztlich das größte Bollwerk gegen den Sozialismus in den USA der enorme Reichtum des amerikanischen Kapitalismus, welcher der Bourgeoisie von 1940 bis Anfang der 1980er Jahre erlaubte, eine Politik des Klassenkompromisses zu betreiben.

Und sogar nach dieser Periode, als Arbeiter eine stetige Erosion ihres Lebensstandards hinnehmen mussten, waren die vollen Auswirkungen immer noch durch verschiedene Mechanismen versteckt, wie etwa Überstunden, der Eintritt der Frauen ins Arbeitsleben und die Explosion der Kreditkarten- und Privatverschuldung. Keiner dieser Schutzmechanismen funktioniert heute noch.

Wie es auch in den 1930ern der Fall war, ist „Kapitalismus“ heute wieder zunehmend zu einem schmutzigen und verrufenen Wort geworden. Erst setzte das Profitsystem ein noch nie dagewesenes Finanzdesaster mit Auswirkungen auf Europa und die ganze Welt frei. Nun produziert es das schlimmste ökologische Desaster in der Geschichte der USA und vielleicht der Weltgeschichte mit unkalkulierbaren Folgen für den Planeten. Global verfolgen Regierungen – die Billionen in die Tresore der Banken der Welt geschaufelt haben – einen Sparkurs und sagen, es gebe kein Geld für Schulen, Renten, anständige Löhne, bezahlbare Wohnungen und die Gesundheitsvorsorge.

Sogar in den USA, wo Antikommunismus die halboffizielle Staatsreligion des politischen Establishments, der Medien, der Hochschulen und Gewerkschaften ist, zeigen Umfragen, dass ein steigender Prozentsatz der Bevölkerung den „Sozialismus“ dem Kapitalismus vorzieht. Laut einer kürzlichen Umfrage des Pew Research Center sehen 43 Prozent der jungen Leute unter dreißig den Sozialismus als vorteilhafter an.

15. Wie lautet unsere Prognose? Wir erwarten, dass die tiefen Veränderungen – inklusive dem Versuch, die Kosten des Niedergangs des amerikanischen Kapitalismus der Arbeiterklasse aufzubürden – massive Unruhen provozieren werden.

Diese Kämpfe finden keinen authentischen Ausdruck durch die Gewerkschaften oder die kapitalistischen Parteien. Neue Formen unabhängiger Arbeiterkämpfe werden in Amerika aufkommen, ebenso wie die chinesischen Arbeiter jüngst ihre eigenen Führer gewählt haben und ihre Kämpfe in Opposition zum staatlich kontrollierten Gewerkschaftsverband gestellt haben. Die AFL-CIO und die australischen Gewerkschaften unterscheiden sich nicht fundamental von den stalinistischen Gewerkschaften in China.

Wenn die kommenden Kämpfe nicht unterdrückt werden sollen, müssen sie gegen die zwei kapitalistischen Parteien und all jene organisiert werden, die versuchen die Arbeiterklasse weiterhin an das kapitalistische System zu binden. Damit sind auch die kleinbürgerlichen „linken“ Organisationen gemeint, wie die International Socialist Organization, die darauf bestehen, dass die Gewerkschaften die einzigen legitimen Repräsentanten der Arbeiterklasse seien und die Lüge verbreiten, Obama und die Demokraten könnten gedrängt werden, den Krieg zu beenden und mit der Arbeiterklasse zusammen Partei gegen die Großunternehmen zu ergreifen.

16. Die Socialist Equality Party hat an der Wahl 2008 teilgenommen und der Arbeiterklasse die Wahrheit über Obama gesagt. Wir waren überzeugt, dass sich das Gerede über den „Mut zum Wandel“ und das „Zusammenbringen von Wall Street und dem einfachen Mann(Main Street)“ als Schwindel erweisen werde und dass die Arbeiterklasse in einen politischen Kampf gegen diese Administration gezwungen werden würde. In unserer Kampagne gegen die Abschaltung der Energieversorgung in Detroit haben wir die Arbeiter über den Charakter des Profitsystems aufgeklärt und beide großen Parteien entlarvt. Die Verteidigung der elementarsten Rechte der arbeitenden Bevölkerung – auf einen sicheren und gutbezahlten Job, eine Gesundheitsvorsorge, auf Bildung, anständige Wohnungen, Elektrizität, Wärme im Winter und andere Notwendigkeiten – erfordert, dass die Arbeiterklasse ihre Interessen unabhängig geltend macht und einen politischen Kampf initiiert, um die Macht selbst in die Hände zu nehmen.

Dies erfordert den Aufbau einer politischen Massenbewegung der Arbeiterklasse, die den globalen Charakter der kapitalistischen Krise und den Klassenkampf als Ausgangspunkt nimmt. In den USA, wie in Australien, muss sie die Behauptung zurückweisen, dass das Problem die Immigranten seien, und die Lüge widerlegen, es gäbe nicht genug Raum und Ressourcen auf diesem Planeten, um in Frieden leben zu können. Die zentrale Frage ist, wer die gesellschaftlichen Ressourcen kontrolliert, nach wessen Interessen sie eingesetzt werden und wer diese Entscheidungen trifft. Das kapitalistische System und die Finanzoligarchie haben bewiesen, dass sie nur Katastrophen produzieren. Die einzige Alternative dazu ist die internationale Einheit der Arbeiterklasse und der Kampf, das ökonomische Leben im Interesse der ganzen Menschheit zu reorganisieren. Das ist unser Programm in den USA, Australien und international.

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