Perspektive

Stellvertretende britische Premierminister bestätigt: Irakkrieg war illegal

Aus dem Eingeständnis des stellvertretenden britischen Premierministers, Nick Clegg, der Irakkrieg sei “illegal” gewesen, geht eine Schlussfolgerung unmittelbar hervor: Ex-Premierminister Tony Blair und viele andere müssen sofort wegen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt werden.

Am Dienstag vertrat Clegg Premierminister David Cameron im Parlament, und seine Bemerkung war denn auch eine der wenigen wahrhaften Erklärungen, die von Regierungsseite bisher zu hören waren.

Clegg antwortete auf Fragen von Jack Straw, dem Labour-Außenminister zur Zeit der Invasion im Irak, und sagte: “Vielleicht müssen wir auf seine Memoiren warten, aber vielleicht wird er sich eines Tages für seine katastrophalste Entscheidung rechtfertigen: die illegale Invasion im Irak.“

Sein Vorwurf wurde sofort von Labour-Ministern und hohen Armeechefs zurückgewiesen – und das aus gutem Grund. Der Jura-Professor am University-College London, Phillipe Sands, wies darauf hin, dass die „öffentliche Erklärung eines Regierungsmitglieds im Parlament zur juristischen Lage“ die Basis für eine Anklage gegen britische Vertreter vor einem internationalen Gericht sein könnte.

Das war natürlich nicht Cleggs Absicht. Beinahe stehenden Fußes zog er seine Bemerkungen zurück und bezeichnete sie als seine „persönliche Meinung“. Ein Sprecher sagte: „Die Koalitionsregierung hat sich nicht zur Frage der Legalität des Irakkonflikts geäußert. Aber das heißt nicht, dass einzelne Regierungsmitglieder nicht ihre persönliche Meinung äußern. Der stellvertretende Premierminister vertritt schon seit langem diese Auffassung.

Die Irak-Untersuchungskommission untersucht gegenwärtig viele Fragen im Zusammenhang mit dem Eingreifen Großbritanniens im Irak, darunter auch die juristische Grundlage des Kriegs. Die Regierung wartet die Ergebnisse dieser Untersuchung ab.“

Die Erwähnung der Irak-Untersuchung dient der Ablenkung. Der Auftrag der Untersuchungskommission unter Leitung von Sir John Chilcot schließt ausdrücklich ein Urteil über die Legalität des Kriegs aus. Die Kommission gab ihre eigene Erklärung heraus und bekräftigte: „Diese Untersuchung ist kein Gericht, und niemand wird hier angeklagt.“

Die Liberaldemokraten haben sich ihre Kritik an der Invasion des Irak immer wieder zu Gute gehalten. Sie hatten den Krieg unter Führung der USA anfänglich auf der Grundlage der Verteidigung der Vereinten Nationen abgelehnt. Aber sobald er begonnen hatte, hatten sie sich auf den Zug aufgeschwungen und „unsere Jungs“ unterstützt. Sie hatten eine umfassende und öffentliche Untersuchung des Kriegs gefordert, den Clegg als „den größten außenpolitischen Fehler dieses Landes… seit Suez“ bezeichnete (gemeint ist die britisch-französische Invasion Ägyptens 1956).

Öffentliche Erklärungen in dieser Richtung waren ein nicht unbedeutender Grund für die hohe Stimmenzahl der Liberaldemokraten bei der Unterhauswahl Anfang des Jahres.

Cleggs jüngstes Vorgehen unterstreicht den betrügerischen Charakter der Anti-Kriegs-Haltung seiner Partei. Der stellvertretende Regierungschef glaubte offenbar, sein politisches Schattenboxen gegen Labour fortsetzen zu können, ohne dass das Folgen hätte. Aber die Liberalen sind jetzt Teil einer Regierung, die immer noch 400 Soldaten im Irak stehen hat und eine Schlüsselrolle bei der Unterdrückung Afghanistans spielt. Seine konservativen Koalitionspartner haben für die Irakinvasion gestimmt und sie bis zum letzten verteidigt.

Die Tories pflichteten Clegg bei, als er betonte, sein Urteil über den Irakkrieg sei lediglich seine persönliche Meinung. Außenminister William Hague, der für den Krieg gestimmt hatte, sagte: „Der stellvertretende Regierungschef hat in dieser Frage eine andere Geschichte als ich.“

Aber die Legalität des Irakkriegs ist keine Frage “persönlicher” Meinung oder individueller historischer Interpretation. Dem Präzedenzfall der Nürnberger Prozesse von 1946 folgend, sind die Führer der Vereinigten Staaten und Großbritanniens nach internationalem Recht, genau wie die Nazis, des Kriegsverbrechens schuldig, einen Aggressionskrieg angezettelt zu haben.

Im Urteil des Nürnberger Prozesses heißt es: “Krieg ist grundsätzlich ein Übel. Seine Folgen betreffen nicht nur die kriegführenden Staaten, sondern die ganze Welt. Einen Aggressionskrieg zu beginnen ist daher nicht nur ein internationales Verbrechen; es ist das schwerste internationale Verbrechen, das sich von den anderen Kriegsverbrechen darin unterscheidet, dass es alles Übel des Ganzen in sich beinhaltet.“

Es besteht kein Zweifel, dass die Vereinigten Staaten und Großbritannien einen Aggressionskrieg gegen den Irak entfesselt haben, um ihre strategischen geopolitischen Interessen im Nahen Osten zu fördern.

Es steht fest, dass der damalige britische Generalstaatsanwalt Lord Goldsmith Premierminister Tony Blair am 30. Januar 2003 darüber informiert hatte, dass die Anwendung militärischer Gewalt gegen den Irak ohne Zustimmung der Sicherheitsrats der Vereinten Nationen illegal sei. Nur zwei Monate später änderte Goldsmith nach einem Besuch in Washington seine Meinung und bezeichnete eine Invasion als legal, obwohl immer noch kein Beschluss des Sicherheitsrats vorlag.

Letzte Woche trat Carne Ross vor die Chilcot-Kommission, um auszusagen. Ross war von 1997 bis 2002 Erster Sekretär Großbritanniens bei den UN; er hielt den Kontakt mit den UN-Waffeninspektoren im Irak. Seine Aussage machte klar, dass der Irak keine Bedrohung für die USA und Großbritannien darstellte, keine „Massenvernichtungswaffen“ besaß und keine Kontakte zu al-Qaida unterhielt. Weiter erklärte er, dass die „Übertreibungen“ und „in die Irre führenden Erklärungen“ über die angebliche Bedrohung durch den Irak „in der Summe Lügen waren“.

Ross sagte: “Nach der Theorie des gerechten Krieges und nach internationalem Recht muss jedes Land sämtliche nicht-gewaltsamen Alternativen ausschöpfen, bevor es zur Gewalt greift. Es ist klar, dass die britische Regierung nicht-militärische Alternativen zur Invasion von 2003 nicht ausreichend geprüft oder gar verfolgt hat.“

Die Invasion im Irak zerstörte ein ganzes Land und kostete mehr als eine Million Menschen das Leben. Mit einem präventiven Angriff stürzten Washington und London ein Regime, das sie als Hindernis für ihre Interessen betrachteten, richteten seine Führer hin und warfen jeden ins Gefängnis oder töteten ihn, der ihnen in die Quere kam. Die Besatzung zerstört heute immer noch Leben, wie an den rekordverdächtigen Krebs-, Leukämie-, Säuglingssterblichkeits- und Missbildungsraten in Falludschah zu sehen ist.

Zusätzlich war der Irakkrieg noch von einer ganzen Reihe von Maßnahmen begleitet, die sich im Namen des „Kriegs gegen den Terror“ in den USA und in Großbritannien gegen demokratische Rechte richteten. Außerordentliche Überstellungen, die Inhaftierung von „verdächtigten“ Terroristen ohne Gerichtsurteil, Einschränkung der Meinungsfreiheit und in Großbritannien selbst die kaltblütige Ermordung von Jean Charles de Menezes sind nur einige Beispiele.

Clegg weiß genau, dass Blair und seine führenden Minister Blut an den Händen haben. Sie hätten ihre kriminellen Ziele nicht ohne die bereitwillige und aktive Unterstützung der Geheimdienste, der konservativen Opposition, der Medien und zahlreicher gefälliger, hoher Staatsdiener erreichen können.

Deswegen trat Clegg sofort den Rückzug an. Die World Socialist Web Site betont, dass eine Wiedergutmachung der schrecklichen Verbrechen, die am irakischen Volk begangen wurden, nur möglich ist, wenn die Arbeiterklasse unabhängig gegen imperialistischen Krieg und seine Ursache, das kapitalistische Profitsystem, mobilisiert wird.

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