Japanisch-chinesische Spannungen flammen wegen umstrittener Diaoyu-Inseln auf

Die Spannungen zwischen Japan und China haben sich erheblich verschärft, nachdem zwei Schiffe der japanischen Küstenwache, wie berichtet, am 7. September in den Gewässern der umstrittenen Diaoyu-Inseln (in Japan unter dem Namen „Senkaku“ bekannt) mit einem chinesischen Fisch-Trawler kollidiert sind. Beide Regierungen haben eine besonders harte Haltung eingenommen und pochen darauf, ihre Hoheitsrechte über die Inseln seien „unanfechtbar“ oder „unbestreitbar“.

Die japanische Regierung verhaftete den Kapitän und vierzehn Besatzungsmitglieder des 166-Tonnen-Trawlers in provozierender Weise und brachte sie nach Okinawa. Tokio übermittelte dem chinesischen Botschafter in Japan eine offizielle Beschwerde angesichts der Aktivitäten des Trawlers in japanischen Gewässern. Trotz der Proteste aus Beijing genehmigte ein japanisches Gericht die Inhaftierung des Kapitäns Zhan Qiziong, dem die vorsätzliche Kollision mit einem Schiff der japanischen Grenzpatrouille vorgeworfen wird. Ihm drohen bis zu drei Jahre Haft.

China hat Schiffe der Fischereibehörde in das umstrittene Gebiet entsandt. Tokio hat letzten Samstag einen weiteren offiziellen Protest eingelegt und behauptet, ein chinesisches Schiff habe versucht, ein Schiff der japanischen Küstenwache 280 Kilometer nordwestlich der japanischen Insel Okinawa aufzubringen.

Beijing hat von Tokio verlangt, Zhan Qiziong freizulassen und das „illegale Abfangen“ von Schiffen in „chinesischen Gewässern“ zu beenden. Der japanische Botschafter in China, Uichiro Niwa, ist viermal von Funktionären einbestellt worden – zuletzt vom Staatsrat Dai Bingguo, dessen Rang dem eines Vizepremiers gleich kommt. Den chinesischen Medien zufolge sagte Dai Niwa, dass Tokio „die Situation nicht verkennen, eine kluge politische Entscheidung treffen“ und die Fischer umgehend auf freien Fuß setzen müsse. Die Besatzungsmitglieder wurden mit Ausnahme des Kapitäns gestern freigelassen.

Der japanischen Küstenwache zufolge besteht seit Mitte August eine erhöhte Präsenz chinesischer Fischereiboote in oder nahe den umstrittenen Gewässern. Am Tage der mutmaßlichen Kollision behauptete Japan, dass sich 160 chinesische Fischereiboote in dem Gebiet aufhielten, von denen sich dreißig in japanischem Hoheitsgebiet befänden – 22 Kilometer von Diaoyu entfernt.

Der Streit um Diaoyu – eine kleine Inselgruppe zwischen Taiwan und Okinawa – hat sich im letzten Jahrzehnt verschärft. Sowohl die japanische, als auch die chinesische Regierung haben das Problem benutzt, um den Nationalismus anzufachen und die Zunahme ihrer jeweiligen militärischen Aktivitäten zu rechtfertigen. Die Meinungsverschiedenheiten sind wegen unterschiedlicher Sichtweisen über die territoriale Zuordnung der Gewässer im Ostchinesischen Meer weiter verkompliziert worden. Es geht potentiell um bedeutende Unterwasser-Energie-Ressourcen wie auch um Fischereigebiete.

Dieses jüngste Aufflackern von Spannungen ist jedoch Teil größerer Rivalitäten, die nicht nur Japan und China, sondern auch die USA einschließen. In den vergangenen Monaten hat die Obama-Administration Chinas Ansprüche im Südchinesischen Meer und auch in Gewässern nahe der koreanischen Halbinsel auf provozierende Weise herausgefordert. Auf einem Forum der Vereinigung südostasiatischer Staaten (ASEAN) in Hanoi im Juli beteuerte US-Außenministerin Hillary Clinton zum ersten Mal, die USA hätten ein nationales Interesse daran, die „Freiheit der Schifffahrt“ im Südchinesischen Meer sicherzustellen. Beijing hat US-Regierungsbeamten mitgeteilt, dass diese Meeresregion eines von Chinas „Hauptinteressen“ verkörpere, ähnlich wie Taiwan und Tibet.

Die Obama-Administration ist auch entschlossen, ihren großen Marine-Luftwaffenstützpunkt auf Okinawa aufrecht zu erhalten, der strategisch vor dem chinesischen Festland liegt. Japans herrschende Demokratische Partei (DPJ) war gezwungen worden, ihr Wahlversprechen vom letzten September fallen zu lassen, die Basis zu schließen. Nachdem er den US-Forderungen nachgegeben hatte, trat Yukio Hatoyama als Premierminister zurück und ebnete den Weg für Naoto Kan, der den Posten im Juni übernahm.

Seit seiner Amtsübernahme hat sich Kan hinter die USA gestellt und eine härtere Haltung in Territorialauseinandersetzungen mit China eingenommen. Trotz chinesischer Einwände hielten die USA und Südkorea im März ein Manöver im japanischen Meer ab. Sie wollten damit auf Nordkoreas vermeintliche Verstrickung in den Untergang des südkoreanischen Kriegsschiffes Cheonan protestieren. Kan entsandte demonstrativ drei japanische Marineoffiziere zu dem Manöver. Ebenfalls im Juli gab Tokio Pläne bekannt, die japanische U-Bootflotte zum ersten Mal seit 1976 auszubauen – um der „chinesischen Bedrohung zur See“ zu begegnen.

Letzten Monat kündigte die Kan-Regierung ein Verzeichnis von 25 Inseln außerhalb der japanischen Hauptinselgruppe an, das Diaoyu/Senkaku als „nationales Eigentum“ einschloss. Die Erklärung betonte, dass die Inseln und die sie umgebenden unterseeischen Bodenschätze und Fischgründe „ausschließlich“ Japan gehörten. Obwohl noch nicht offiziell bestätigt, haben die japanischen Medien berichtet, dass Tokio zusammen mit den USA ein großes Militärmanöver abhalten wird, das sich auf die „Eroberung von Inseln“ konzentriert.

Letzten Freitag gab die Regierung ihr Verteidigungsweißbuch heraus, das vor Chinas wachsenden Marineaktivitäten warnte, „einschließlich in Gewässern in der Nähe Japans“. Es äußerte sich besorgt, dass Chinas Militärausgaben sich im letzten Jahrzehnt vervierfacht hätten, während Japans Wehretat aufgrund des schlechten Wirtschaftswachstums um vier Prozent geschrumpft sei. Das Dokument schloss mit der Feststellung, dass Japan das US-Militär zur Abschreckung gegen China brauche.

Japans Beziehungen zu China sind ein entscheidender Faktor für Ichiro Ozawas Beschluss, heute bei den Wahlen um die Führung der DPJ gegen Kan zu kandidieren und sich damit für den Stuhl des Premierministers zu bewerben. Ozawa hat zu einer neuen Verhandlungsrunde mit Washington über den Stützpunkt Okinawa aufgerufen und eine unabhängigere Außenpolitik vorgeschlagen, die sich nicht so sehr an den USA orientiert. Er verlangt außerdem bessere Beziehungen zu China.

Ozawas Haltung spiegelt die wachsende Sorge von Japans herrschender Elite wider, dass Tokios Unterstützung der aggressiven Politik Washingtons die wirtschaftlichen Beziehungen mit China beschädigen könnte. China ist Japans wichtigster Handelspartner. Der chinesisch-japanische Handel erreichte letztes Jahr ein Volumen von 238,7 Milliarden US-Dollar und könnte dieses Jahr die 300 Millionen-Grenze erreichen.

Auch China nimmt in der Angelegenheit um die Diaoyu-Inseln und die Festnahme des Trawler-Kapitäns eine harte Haltung ein. In Beijing versammelten sich letzte Woche und am Montag einige Dutzend Demonstranten vor der japanischen Botschaft. Im gegenwärtigen Stadium hält die chinesische Regierung die Proteste noch zurück - darunter einen Plan fanatischer Nationalisten aus Hongkong und Macao, auf den Inseln zu landen und Chinas Landeshoheit auszurufen.

Das chinesische Regime könnte jedoch leicht hässliche anti-japanische Proteste in Gang bringen, wie sie sich im Jahre 2005 ereigneten, als Demonstranten japanische Firmen und Einzelpersonen angriffen. In den vergangenen zwanzig Jahren hat die chinesische kommunistische Partei bewusst den Nationalismus gefördert, insbesondere den anti-japanischen Chauvinismus, um von zunehmenden sozialen Spannungen im eigenen Land abzulenken. Dabei gibt sie dem japanischen Volk als Ganzem die Schuld an den Verbrechen des japanischen Militarismus in den 1930er und 1940er Jahren und schürt absichtlich Feindseligkeiten gegen ein Land, das von der herrschenden Elite Chinas als einer seiner Hauptrivalen in Asien angesehen wird.

Kurz vor dem Zwischenfall auf See, nahmen sämtliche neun chinesischen Spitzenpolitiker, einschließlich Präsident Hu Jintao, letzte Woche an einer öffentlichen Gedenkfeier zur Erinnerung an Japans Niederlage im Zweiten Weltkrieg im Museum des Widerstandskrieges des chinesischen Volkes gegen Japans Aggression teil.

Ein Kommentar in der staatseigenen Global Times von heute forderte die Regierung auf, „stärkere Vergeltungsmaßnahmen“ zu erwägen, falls Japan in der Frage der Freilassung des chinesischen Trawler-Kapitäns nicht nachgeben sollte. „Japan hat vielleicht noch nicht erkannt, wie viel es auf Grund seiner Aktionen zu verlieren hat“, hieß es in Anspielung auf die japanische Exportabhängigkeit von chinesischen Märkten. Mit einem Hinweis auf die Vorstandswahlen der DPJ schloss der Artikel: „Egal, wer gewinnt, der (neue) japanische Führer wird sich der Tatsache stellen müssen, dass Japan China nicht einschüchtern oder sich ihm gegenüber feindselig verhalten kann, ohne dass das ernsthafte Konsequenzen nach sich zieht.“

Wie immer die Angelegenheit ausgeht, der Zwischenfall in der Nähe der Diaoyu-Inseln zeigt deutlich, dass die Großmachtrivalitäten zwischen den USA, China und Japan zunehmen und damit das Potential für eine gefährliche Konfrontation in Nordostasien wächst.

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