UAW-Opposition hat keine Strategie für Kampf in Indianapolis

Die Arbeiter im GM-Presswerk von Indianapolis treten in ein neues Stadium ihres Kampfs ein. Der Widerstand der 650 Fabrikarbeiter hat die jüngsten Versuche, eine fünfzigprozentige Lohnsenkung durchzusetzen, erst einmal vereitelt. Die Briefwahl hat ergeben, dass die Arbeiter mit einer überwältigenden Mehrheit von 457 Nein- gegen 96 Ja-Stimmen das Abkommen ablehnten, das die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) im Namen von General Motors mit dem Ex-Börsenhai JD Norman abgeschlossen hat.

Nichts könnte die Ablehnung der Arbeiter klarer zeigen als diese Abstimmung. Doch jetzt stellt sich die Frage: Wie geht es weiter? An einer Demonstration, die am Samstag von Funktionären des UAW-Ortsverbands und der so genannten „Gewerkschaftsopposition“ organisiert wurde, beteiligten sich ungefähr 75 Arbeiter. Sie gingen hin, weil sie ihre Ablehnung der Zugeständnisse zum Ausdruck bringen wollten. Die Organisatoren hatten jedoch keinerlei Strategie anzubieten, wie der Kampf weiter geführt werden könnte. Sie bestehen darauf, dass jegliche Opposition strikt im Rahmen der UAW bleiben müsse, die den Interessen der Arbeiter aktiv zuwiderhandelt.

Die UAW, die selbst einen großen Teil der GM-Aktien besitzt, heckt zweifellos neue Methoden aus, um die Lohnkürzung doch noch durchzusetzen. Andernfalls will sie einfach die Werkschließung zulassen, um andern Autoarbeitern eine Lehre zu erteilen. Maurice Davison, UAW-Vorsitzender der Region 3, sagte am Montag dem Indianapolis Star, jetzt, wo der Deal geplatzt sei, suche GM schon nach neuen Wegen, die Maschinen abzutransportieren und das Werk zu schließen.

Anfang September haben Arbeiter des Presswerks ein Basiskomitee gegründet. Sie wollen damit alle Autoarbeiter unabhängig gegen die UAW zusammenschließen, um gegen die Lohnkürzungen und drohende Werkschließung zu kämpfen. Ihr Versuch, den Würgegriff der UAW aufzubrechen, findet breite Anerkennung, und eine Flut von Solidaritätsbriefen erreicht das Komitee seither. Sie stammen von Arbeitern aus allen Teilen der Vereinigten Staaten und aus vielen andern Ländern (siehe: Letters on the Indianapolis rank-and-file committee”).

Die Gründung des Komitees hat den UAW-Apparat in große Unruhe versetzt, und die Gewerkschaft fürchtet, das Management und die Regierung könnten ihre Rolle als Fabrikpolizei nicht länger würdigen, wenn es ihr nicht gelinge, die Basis unter Kontrolle zu halten und das Diktat des Konzerns durchzusetzen.

Seit ein paar Jahren gibt es immer mehr Anzeichen für eine Rebellion gegen die UAW. Sie reichen vom Widerstand gegen die Lohnkürzungen bei Delphi 2005 und gegen die „Umstrukturierung“ der Großen Drei Autobauer 2007 in Detroit bis hin zum bitteren Streik der Arbeiter von American Axle 2008, der drei Monaten dauerte und von der UAW isoliert und ausverkauft wurde. Vergangenes Jahr erregten die Einschnitte bei GM und Chrysler große Empörung, die infolge des Bankrotts und der Umstrukturierung unter der Leitung der Obama-Regierung erzwungen wurden. Bei Ford lehnten siebzig Prozent der Arbeiter die Zugeständnisse ab.

Unter diesen Bedingungen versuchen viele “linke” Gewerkschafter und ihre Anhänger in Organisationen wie Labor Notes und der International Socialist Organization, einen Bruch mit der UAW um jeden Preis zu verhindern.

Diese ehemaligen kleinbürgerlich Radikalen haben sehr oft ein unmittelbar materielles Interesse an der Verteidigung der UAW. Viele stehen auf der Gehaltsliste der Gewerkschaft als Organisatoren, Ortsverbandsfunktionäre oder deren Sprecher. Das sind keine Sozialisten, die dafür kämpfen, dass die Arbeiterklasse mit dem kapitalistischen Zweiparteiensystem bricht und den Kapitalismus abschafft. Ihre Unterstützung für die UAW hat in Wirklichkeit viel mit ihrer politischen Bindung an die Demokratische Partei zu tun. Im Kern vertreten sie keine andere Politik als der nationale UAW-Vorsitzende Bob King.

Dies zeigte sich auf der Demonstration vom Samstag in Indianapolis deutlich. Sie war von Funktionären des UAW-Ortsverbands 23 unter dem Motto „Steh zur Solidarität“ organisiert. Die wichtigsten Sprecher waren der UAW-Dissident Greg Shotwell, Gründer der Gruppe Soldiers of Solidarity, Wendy Thompson, die frühere UAW-Vorsitzende des Ortsverbands 235 beim American-Axle-Konzern in Detroit, sowie ein Anhänger der Gruppe Labor Notes.

Die Sprecher entwickelten keine Strategie, um die Arbeiter gegen die Schließungsdrohung zu mobilisieren. Sie zogen keine Schlussfolgerungen aus dreißig Jahren Verrat der UAW. Nicht einer von ihnen brachte den Kampf der Arbeiter von Indianapolis in Verbindung mit den Angriffen auf Arbeitsplätze und Existenzbedingungen der Arbeiter überall in den Vereinigten Staaten und weltweit. Mit keinem Wort wurde die Obama-Regierung erwähnt, geschweige denn der Republikanische Gouverneur von Indiana oder der Demokratische Abgeordnete, der versucht hatte, die Arbeiter zur Akzeptanz der Lohnkürzung zu zwingen.

Die Demonstration hatte nicht den Zweck, die Arbeiter vor den drohenden Gefahren zu warnen und sie auf den Kampf vorzubereiten. Sie bezweckte vielmehr, sie mit nichtssagenden Slogans über Solidarität einzulullen und Illusionen über diesen oder jenen Ortsverbandsfunktionär zu verbreiten, der angeblich der UAW Beine machen würde.

Der Text eines Flugblatts gab den Tenor für die Kundgebung vor. Darin wurden die Arbeiter aufgefordert, die Gewerkschaftsführung daran zu erinnern, dass sie der Mitgliedschaft Rechenschaft schuldig sei. Es sei schockierend und enttäuschend, dass Maurice Davison, der regionale UAW-Vorsitzende – ein Handlanger von General Motors mit einem Jahresgehalt von 150.000 Dollar – von den Arbeitern verlangt habe, eine fünfzigprozentige Lohnsenkung zu akzeptieren, statt sich wie jemand aufzuführen, „den wir dafür bezahlen, dass er unsere Löhne und Ansprüche schützt“.

Den Gipfel der Feindschaft dieser Funkionäre gegenüber den Arbeitern erreichte schließlich Wendy Thompson. Sie lobte die Führung des Ortsverbands 23 mit den Worten: „Ihr seid so ein Ortsverband, wie er wirklich sein sollte.“ Sie fuhr fort: „Die Gewerkschaftsführung muss erklären, warum sie euch nicht unterstützt“ – womit sie die Tatsache völlig überspielte, dass die UAW die Arbeiter nicht einfach „nicht unterstützt“, sondern die Angriffe auf sie im Namen der Autobosse selbst führt.

Thompson gab den einfachen Arbeitern die Schuld an den Niederlagen, die ihnen die UAW in der Vergangenheit zugefügt hat. „Erinnert ihr euch an den Streik bei American Axle? Unsere Mitglieder haben einen schweren Fehler begangen. Sie glaubten einen Weg zu kennen, wie dieser Streik gewonnen werden konnte, und er wurde doch zerschlagen; es hätte nicht sein müssen.“

Aber wer hat diesen Streik “zerschlagen”? Das waren nicht, wie Thompson vorgibt, die 3.650 Arbeiter in Michigan und New York, die drei Monate lang Streikposten standen, um die Werksschließung, den Einsatz von Streikbrechern und die drohenden Polizeieinsätze zu verhindern. Es war die UAW, welche die Arbeiter mit Streikgeldern von mickrigen 200 Dollar die Woche aushungerten, obwohl die Streikkasse mit fast einer Milliarde Dollar prall gefüllt war. Die Gewerkschaft arbeitete tagein tagaus am Ausverkauf dieses Kampfs und bereitete das Terrain für die Zugeständnisse vor, die sie dann 2009 gegenüber GM, Ford und Chrysler machte.

Als die UAW die Arbeiter von American Axle isolierte, geschah dies mit aktiver Beteiligung von Wendy Thompson, welche die Autorität der UAW aufrechterhielt. Sie verhinderte die Gründung von Basiskomitees, mit denen die Isolation des Streiks hätte durchbrochen und der Streik zum gemeinsamen Kampf aller Autoarbeiter hätte gemacht werden können. Sie beteiligte sich schließlich daran, den Streik zu zerschlagen, was dazu führte, dass Tausende ihren Arbeitsplatz verloren. Das Werk in Detroit wurde geschlossen und der Konzern konnte die Löhne und Zusatzleistungen drastisch zusammenstreichen.

Greg Shotwell, ein früherer Ortsverbandsfunktionär von UAW 1753 in West-Michigan, spielte bei Delphi damals eine ähnliche Rolle, indem er die Wut von der UAW ablenkte, welche die Zerstörung der Arbeitsplätze und Löhne mitorganisiert hatte. Auch er widersetzte sich jedem Bruch mit der UAW. Er hatte den Arbeitern nichts anzubieten außer einer Protestaktion nach dem Motto „Dienst nach Vorschrift“, welche die UAW angeblich von der Notwendigkeit eines Kampfs überzeugen würde. Diese Politik hat eine breite Spur von Werkschließungen und zerstörten Existenzbedingungen hinter sich gelassen.

Auf der Demonstration wiederholte Shotwell die Phrasen der Dissidenten. Er sagte: “Die höchste Autorität in der Gewerkschaft ist die Mitgliedschaft. Wir sind die Führer.“ Diese Worte sollten den vollkommen undemokratischen Charakter der UAW verschleiern, die keineswegs für die Arbeiter spricht, sondern für eine privilegierte Schicht, die von der Ausbeutung der Arbeiter profitiert.

In den Monaten vor der erzwungenen Umstrukturierung von GM und Chrysler spielten Wendy Thompson und ein weiterer Sprecher auf der Demonstration vom Samstag eine üble Rolle. Der andere Sprecher war Frank Hammer, ehemals Mitglied der nationalen UAW-Führung. Thompson und Hammer verbreiteten damals die Lüge, die Obama-Regierung und andere Demokratische Politiker stünden auf der Seite der Arbeiter. Stattdessen vernichtete der Präsident zusammen mit der Auto-Task-Force des Weißen Hauses, in der mehrere Wall-Street-Investoren saßen, Zehntausende Arbeitsplätze und verordneten den Autoarbeitern Armutslöhne. Die UAW erhielt zum Dank für ihre Kollaboration Aktien der Konzerne in Milliardenhöhe.

Der UAW-Vorsitzende des Ortsverbands 23, Greg Clark, bot keinerlei Strategie an. Stattdessen wendet er sich an den National Labor Relations Board – eine staatliche Behörde, die bewusst den Konzerninteressen dient –, um die UAW-Führung unter Druck zu setzen, dass sie ihre Forderung nach Lohnkürzung zurückzieht. Er behauptete, es sei besser, die Fabrik zu schließen, und argumentierte, die Arbeiter könnten von anderen Werken übernommen werden. Die Schließung der Fabrik wäre aber kein Sieg, sondern würde andern Arbeitern als Beispiel dienen, damit sie künftig die Zugeständnisse akzeptieren.

Im Gegensatz dazu kämpft das Basiskomitee des GM-Presswerks dafür, die breitestmögliche Unterstützung unter Autoarbeitern in Indianapolis und im ganzen Land zu mobilisieren, um die Werkschließungen und Lohnkürzungen zu stoppen. Es appelliert unmittelbar an andere GM-Arbeiter, wie auch an Ford-Arbeiter in Indianapolis, die vor Massenentlassungen und einer Werkschließung stehen. Ein solcher Kampf ist nur möglich, wenn ein Bruch mit der UAW vollzogen wird und in jeder Fabrik Basiskomitees für einen gemeinsamen Kampf gegründet werden.

Ein Mitglied des GM-Presswerk-Basiskomitees kommentierte die Demonstration mit den Worten: “Wir dachten, wir würden was Besseres zu hören bekommen. Alles was wir hörten, war nur: Sagt Nein zu den Zugeständnissen. Das ist ihre ganze Strategie. Keiner von denen ist bereit, darüber hinauszugehen. Wir haben aus der ganzen Welt Briefe erhalten, aus Südafrika, Irland, Australien. Keiner ihrer Sprecher kann erklären, warum diese Arbeiter Interesse am Geschehen in Indianapolis haben. Der Grund ist, dass sie in der gleichen Situation sind wie wir.“

Die Arbeiter, die dabei waren, unterstützten die Fortsetzung des Kampfs. Ein Arbeiter aus dem GM-Presswerk im nahe gelegenen Marion, Indiana, sagte: „Ich war in Lansing, als sie die Oldsmobile-Straße schlossen, und kam hierher. Jetzt wollen sie Indianapolis schließen. Es ist Zeit, aufzustehen.“

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