Geheime Depeschen enthüllen: Washington intervenierte in Italien zur Verteidigung von CIA-Entführern

Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtete am 17. Dezember, dass von WikiLeaks enthüllte geheime amerikanische Depeschen enthüllen, wie amerikanische Stellen Druck auf die italienische Regierung ausgeübt haben, um für Entführung und Folter verantwortliche CIA-Agenten zu schützen.

Amerikanische Vertreter intervenierten aggressiv bei der Regierung von Silvio Berlusconi und gingen soweit, mit einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu drohen, um die Verfahren gegen zwei Dutzend CIA-Agenten niederzuschlagen. Die Agenten hatten den ägyptischen islamistischen Prediger Hassan Mustafa Osama Nasr 2003 entführt, der als Abu Omar bekannt war.

Die Entführung Omars bei hellem Tage auf offener Straße in Mailand ist einer der am weitesten bekannten Fälle für illegale außerordentliche Überstellungen, wie sie von den USA praktiziert wurden. Omar wurde auf den US-Luftwaffenstützpunkt Aviano gebracht und schließlich nach Kairo transportiert, wo er vierzehn Monate lang brutal gefoltert wurde. Er behauptet, US-Ermittler seien bei den Misshandlungen und Verhören zugegen gewesen. Der Imam wurde 2004 vorübergehend freigelassen, später erneut verhaftet und 2007 endgültig entlassen. Es wurden keinerlei Anklagen gegen ihn erhoben. Er steht noch immer unter Hausarrest.

Der italienische Staatsanwalt Armando Spataro klärte die Verschwörung der CIA gegen Omar fünf Jahre lang Schritt für Schritt auf. Die Nachforschungen führten zur Anklage von 26 Amerikanern, darunter Mitarbeitern von CIA und Militär. Mehrere italienische Regierungen verweigerten oder ignorierten die Auslieferungsersuchen des Staatsanwalts.

Im November 2009 verurteilte ein Mailänder Richter 21 CIA-Agenten und einen Offizier der Air Force in Abwesenheit zu je fünf Jahren Gefängnis und den Hauptorganisator der Entführung, den Ex-Chef des CIA-Büros in Mailand, Robert Lady, zu acht Jahren Gefängnis. Weitere drei amerikanische Staatsbürger, darunter Ladys Boss, der CIA-Chef für ganz Italien in 2003, Jeff Castelli, wurden frei gesprochen, weil sie diplomatische Immunität genossen. Siehe [Italian court convicts US agents in CIA rendition case [6 November 2009] http://wsws.org/de/2009/nov2009/cia-n10.shtml]

Der Spiegel erklärt, dass die amerikanische Regierung seit 2007, als die Ermittlungen gegen die CIA-Entführer endgültig aufgenommen wurden, „auf die Untersuchung der Staatsanwaltschaft – zuerst in Mailand und dann in Rom – Einfluss zu nehmen versuchte“. Wie das Nachrichtenmagazin berichtet „belegen die Dokumente detailliert, wie der amerikanische Botschafter und US-Verteidigungsminister Robert Gates direkt Einfluss auf die italienische Regierung nahmen“.

Gates und der Botschafter wollten sicher stellen, dass Berlusconi seinen Einfluss nutzte, um zu verhindern, dass internationale Haftbefehle gegen die beschuldigten CIA-Agenten ausgestellt wurden. Ein entsprechender Haftbefehl ist gegen Julien Assange von WikiLeaks wegen konstruierter Vorwürfe wegen sexueller Belästigung erwirkt worden.

Der Spiegel berichtet, dass der amerikanische Botschafter “eine in drohendem Ton verfasste Botschaft übermittelt habe: Wenn tatsächlich Haftbefehle ausgestellt würden, könne das zu einer drastischen Verschlechterung der zwischenstaatlichen Beziehungen führen.“ In einer Gesprächsnotiz nach dem Gespräch des Botschafters mit einem hohen italienischen Regierungsvertreter schrieb der Botschafter, er habe deutlich gemacht, dass „nichts die Beziehungen schneller und gründlicher beschädigen könne, als eine Entscheidung der italienischen Regierung, Haftbefehle gegen die CIA-Agenten auszustellen“.

Die italienische Regierung war nur allzu bereit, dem nachzukommen. Der Spiegel schreibt: „Schon bevor die amerikanische Regierung begann, Druck auszuüben, hatte die italienische Regierung begonnen, alles zu tun, um die Abu Omar Affäre unter den Tisch zu kehren“. Auch die eigenen Geheimdienste waren tief darin verwickelt. Das Magazin fügt hinzu: „Andere Kabel erwecken den Eindruck einer unterwürfigen Haltung der italienischen Seite – bis hin zu aktiver Komplizenschaft. Mit überraschender Offenheit erweckten Regierungsmitglieder gegenüber den Amerikanern den Eindruck, dass Italiens Justiz leicht manipuliert sei.“

Diese höchst problematische Affäre wurde auch weiterhin auf höchster Ebene diskutiert. Verteidigungsminister Gates traf im Februar 2010 mit Ministerpräsident Berlusconi zusammen, um für den im November 2009 verurteilten Offizier der Luftwaffe, Joseph Romano, Immunität zu erwirken. Einer der veröffentlichten Depeschen zufolge informierte Berlusconi Gates, dass er „hart an einer Lösung der Frage arbeite“.

Der italienische Ministerpräsident informierte den Pentagon-Chef darüber, dass das Justizsystem seines Landes “von Linken beherrscht” werde, und dass er dort viele Feinde habe, besonders bei den Staatsanwälten. Berlusconi kündigte an, dass „die Gerichte in der Revisionsinstanz in unserem Sinne entscheiden“ würden.

Am 15. Dezember verschärfte ein italienisches Appellationsgericht die Urteile gegen die 23 Amerikaner, die für die Entführung verurteilt worden waren. Das Gericht erhöhte die Strafe für den Ex-CIA-Chef Lady um ein Jahr, und die Urteile der anderen verurteilten 22 Amerikaner um zwei Jahre. Die CIA-Verbrecher bleiben auf freiem Fuß, riskieren aber ihre Verhaftung, falls sie nach Europa reisen sollten.

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