Erneut große Proteste in Bahrain, Jemen, Libyen und Irak

In mehreren Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas gehen die Demonstrationen gegen die jeweilige Regierung weiter. Die Demonstranten fordern politische Rechte und wirtschaftliche Verbesserungen. Damit entwickelt sich eine beispiellose Unruhe- und Widerstandswelle. Diese Aufstände haben in Washington, Paris, London und den Hauptstädten aller Großmächte einen Schock ausgelöst, denn sie richten sich gegen die Unterdrückung herrschender Eliten, die eng mit dem Imperialismus zusammenarbeiten.

In der winzigen Inselnation Bahrain (1,2 Millionen Einwohner) gab es am Mittwoch schon den dritten Tag hintereinander große Proteste. Die Demonstranten ließen sich von dem Regime König Scheich Hamad bin Isa Al Khalifas nicht einschüchtern. Mindestens zwei Protestierende wurden von den Sicherheitskräften getötet. An dem Begräbnis des einen, des 20-jährigen Ali Abdulhadi Mushaima, nahmen am Dienstag ca. 10.000 Menschen teil (das entspricht gemessen an der Bevölkerungszahl in den USA drei Millionen).

Am Mittwoch nahmen erneut Tausende an einer Beerdigungsprozession in der Hauptstadt von Bahrain, Manama, teil. Sie gingen zu Ehren des 31-jährigen Fadhel Ali Almatrook auf die Straße, der getötet wurde, als die Polizei die Beerdigung vom Vortag angriff. Die zweite Beerdigung blieb von der Polizei verschont, weil die Regierung aus Furcht vor der Massenbewegung ihre Sicherheitskräfte zurückzog. An der Beerdigung am 16. Februar nahmen auch viele Frauen teil.

Bahrains Innenminister hat bekannt gegeben, dass die angeblich für die Schüsse verantwortlichen Polizisten verhaftet worden sind. Gegen sie werde ermittelt. Dieser Versuch, ein paar Einzelpersonen zu Sündenböcken für Entscheidungen zu machen, die an der Spitze der Regierung getroffen wurden, beeindruckt die Bevölkerung nicht.

Regierungsfeindliche Demonstranten haben in großer Zahl den zentralen Perlen-Kreisverkehr in Manama besetzt und angekündigt, ihn zu der Bahrainer Version des Kairoer Tahrir Platzes zu machen. Sie fordern politische Rechte und den Rücktritt des Onkels des Königs, Sheikh Khalifa bin Salman al-Khalifa, vom Posten des Ministerpräsidenten, den er seit 1971 inne hat. In den Augen vieler ist der Ministerpräsident die Verkörperung von Reichtum und Korruption. Die Demonstranten fordern auch die Freilassung politischer Gefangener.

Viele Bewohner Bahrains bleiben der Arbeit fern, um an den Protesten teilzunehmen. Eine oppositionelle Facebook-Seite zeigt zwei junge Männer, die Schilder mit der Aufschrift hochhalten: „Nicht zur Arbeit gehen, bis das Regime fällt“ und „Weder Sunniten, noch Schiiten, – alle unsere Forderungen sind legitim. Mein Volk will Demokratie, eine Verfassung und Freiheit“.

Die USA und andere Westmächte sind über die Entwicklungen in Bahrain äußerst besorgt. Peter Goodspeed kommentierte in der kanadischen National Post am 14. Februar offen: “Aber wenn es in Bahrain zu der gleichen demokratischen Transformation kommen würde wie gerade in Ägypten, dann hätte das ernste Konsequenzen für die amerikanische Außenpolitik. Bahrain ist der Heimathafen der 5. US-Flotte. Die Vereinigten Staaten können dort, mitten im Herzen des Persischen Golfs, fünfzehn Kriegsschiffe stationieren, einschließlich einer Flugzeugträgergruppe.

Der Inselstaat vor der Küste Saudi-Arabiens liefert Washington die perfekte Basis, von der aus es die Transportwege des Öls im Persischen Golf sichern, ein Auge auf den Iran haben und die pro-westlichen Monarchien am Golf gegen politische Bedrohungen schützen kann.”

Die Demonstranten in Bahrain wurden ganz praktisch an die amerikanische Unterstützung der USA für die reaktionäre königliche Familie des Landes erinnert. Wie ein Photo der Leiterin für Außenpolitik am Bahrainer Zentrum für Menschenrechte, Maryam Alkhawaja, zeigt, sind Kanister mit Tränengas aus den USA gegen Demonstranten im Einsatz. Das Gas wurde von NonLethal Technologies in Homer City, Pennsylvania geliefert.

Eine diplomatische Depesche der USA vom Dezember 2009, die von WikiLeaks bekannt gemacht und am 15. Februar im Guardian veröffentlicht wurde, brüstet sich damit, dass amerikanische Konzerne Milliarden an Verträgen mit Bahrain verdienen und dessen Regierungsvertreter „exzellente Beziehungen“ zu Washington unterhalten.

Jemen

Die Regierung im Jemen hat ihre Gewalt- und Einschüchterungskampagne verschärft. Die Polizei hat in Aden im Süden des Jemen zwei Demonstranten erschossen und mindestens vier andere verwundet. Der 21-jährige Mohammed Ali Alwani wurde erschossen, als die Polizei Demonstranten angriff, sagte sein Vater. Der andere Tote hieß Jassin Askar. Mittwoch war der sechste Tag der jüngsten Protestwelle im Jemen.

Al-Dschasira zufolge feuerte die Polizei in Aden in die Luft, um ungefähr 500 Demonstranten zu vertreiben; eines der Opfer wurde in den Rücken geschossen. Die Demonstranten bewarfen die Polizisten mit Steinen, setzten Reifen und Fahrzeuge in Brand und stürmten ein Regierungsgebäude. Associated Press berichtet, dass an der Demonstration im Distrikt Mansoura „Studenten und Arbeiter beteiligt waren“.

Die regierungsfeindlichen Kräfte in Aden riefen: “Das Volk will das Regime stürzen” und “Hau ab, Ali”, womit der Diktator des Jemen, Ali Abdullah Saleh, gemeint ist. Mittwochabend sammelten sich Hunderte vor dem Polizeipräsidium von Mansoura und verlangten die Freilassung der am Vortag festgenommenen Demonstranten. Sie waren empört über die tödlichen Schüsse.

In Taiz im Südwesten des Jemen kämpfen immer noch Tausende Studenten gegen das Regime. Sie halten Straßen besetzt und geloben zu bleiben, bis Saleh zurücktritt. Die Polizei in Taiz hat mehr als einhundert Verhaftungen vorgenommen, und dreißig Studenten sind bei Angriffen regierungsfreundlicher Schläger verletzt worden.

In der Hauptstadt Sanaa versammelten sich hunderte Studenten zum Protest, wurden aber von regierungsfreundlichen Kräften mit Knüppeln, Steinen und Holzschwertern angegriffen. „Die Schläger und Anhänger der Regierungspartei [Salehs Allgemeiner Volkskongress]… wollen die Studenten niedermachen“, erklärte Radwan Masud, der Vorsitzende der Studentenvertretung an der Universität von Sanaa. Masud fügte hinzu, dass zehn Studenten bei dem Angriff verletzt worden seien.

Am 16. Februar befanden sich ungefähr 120 Richter den zweiten Tag in einem Sitzstreik vor dem Justizministerium in Sanaa. Sie forderten eine größere Unabhängigkeit der Justiz und die Entlassung des Obersten Justizrats und des Justizministers. Darüber hinaus verlangen sie eine höhere Besoldung.

Interessanterweise berichtet Agence France Press (AFP): “Vor mehreren Staatsbetrieben in Sanaa versammelten sich Arbeiter und forderten den Rücktritt ihrer Manager. Auch sie verlangten höhere Löhne.“

Angesichts der Unruhe im Land sagte Saleh einen Besuch in Washington bei seinen Gönnern ab.

Die offizielle Opposition des Gemeinsamen Forums (JMP) beteuert weiter ihre Kompromissbereitschaft. Aber die New York Times berichtet, dass „sich zwischen den studentischen Organisatoren, die den sofortigen Rücktritt des Präsidenten fordern, und den etablierten Oppositionsgruppen…, die eher für langsamere Reformen sind, ein Konflikt auftut“.

Abullah Al-Faqih, Politikprofessor an der Universität von Sanaa, sagte dem Guardian: „Was Salehs regierende Partei und die Opposition am meisten fürchten, sind laute und gewalttätige Proteste von Leuten, die keiner politischen Partei angehören.“

Libyen

Am Dienstag und Mittwoch brachen in Bengazi im Osten Libyens Proteste aus, die anscheinend von der Verhaftung des Menschenrechtsanwalts Fathi Terbil ausgelöst wurden. Die BBC berichtet, dass Terbil „die Familien von mehr als 1.000 Gefangenen vertritt, die 1996 bei einem Massaker im Gefängnis Abu Salim in Tripolis umgebracht worden waren. Er ist offenbar später wieder frei gelassen worden.“

Medienberichten zufolge ging der Protest von Familien der Opfer des Gefängnismassakers aus, die am Dienstagabend vor dem Polizeipräsidium gegen die Festnahme Terbils protestierten. Umstehende schlossen sich ihnen an und riefen regierungsfeindliche Parolen. Der Protest dauerte die ganze Nacht an und wurde am nächsten Morgen wieder aufgenommen. Bis zu 2.000 Personen nahmen daran teil. Die Polizei zerstreute die Menge gewaltsam mit Gummigeschossen und wurde dabei von regierungsfreundlichen Elementen unterstützt.

Al-Dschasira berichtet, in der Stadt Al Bayda, östlich von Bengazi, seien am Mittwoch die zwei Demonstranten Khaled El Naji Khanfar und Ahmad Shoushaniya von der Polizei getötet worden. Hunderte Demonstranten sollen ein Polizeirevier in Brand gesteckt haben. 38 Personen wurden verletzt.

In Zentan, 120 km südlich der Hauptstadt Tripolis, zogen Demonstranten durch die Straßen und setzten die Zentrale der Sicherheitsdienste und ein Polizeirevier in Brand, schreibt Al-Dschasira.

Für den 17. Februar ist in Libyen eine “Tag des Zorns” geplant. Die Forderung soll „Ende des Regimes“ lauten. Oberst Muammar Gaddafi herrscht seit 1969 in dem ölreichen Land.

Irak

Die Protestwelle im Irak gegen Regierungskorruption, Arbeitslosigkeit und miese öffentliche Dienstleistungen erreichte am Mittwoch ein neues Stadium.

Ein Protest von 2.000 Menschen gegen fehlende Arbeitsplätze und Elektrizität in Kut im Osten des Irak, 160 Kilometer südlich von Bagdad, wurde zu einer tödlichen Angelegenheit, als private Wachen der Provinzregierung direkt in die Menge feuerten. Unterschiedliche Berichte geben die Zahl der Toten zwischen einem und drei an. Rund fünfzig Menschen wurden verletzt. Einer der Toten war ein sechzehnjähriger Junge, der in die Brust geschossen wurde.

Nach der Schießerei vor dem Verwaltungsgebäude der Provinzregierung griff die erzürnte Menge das Gebäude an, sagte ein Augenzeuge der Washington Post. „Der Gouverneur floh derweil mit seinen Leibwächtern aus der Hintertür…. Wie Bilder im irakischen Fernsehen zeigten, stieg aus dem Gebäude schwarzer Rauch auf, und Demonstranten versuchten, über die Mauern in das Gebäude einzudringen. Auch andere Mitglieder des Provinzrates sollen entkommen sein, und die irakische Armee wurde gerufen, um das Getümmel zu beenden.“

Dem Artikel zufolge soll die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtet haben, dass „irakische Polizeieinheiten zur Verstärkung in die Stadt eindrangen. Sie sperrten alle Zugänge ab, damit die Bewohner der Vororte und umliegenden Ortschaften den Demonstranten in der Stadt nicht zu Hilfe eilen konnten, wie die Quelle berichtete”.

Die Menge soll drei Gebäude angezündet haben: die Büros des Provinzrates von Wasit, das Hauptverwaltungsgebäude des Gouverneurs und seine offizielle Residenz.

Die New York Times zitierte den Demonstranten Ali al-Wasity mit den Worten: „Wir hatten eine Delegation hineingeschickt, die den Gouverneur aufforderte, zurückzutreten… Sie weigerten sich herauszukommen und mit uns zu reden.“ Wasity fuhr fort, als die Sicherheitskräfte das Feuer eröffnet hätten, „hatte ich nicht den Eindruck in einem freien Land zu leben. Wir leben in einer Diktatur. Ich sage ihnen: Wir werden weiter protestieren, bis der Gouverneur zurücktritt und uns in Ruhe lässt“.

Die Times weiter: “Wir haben viele Anrufe aus allen Teilen der Provinz erhalten, die ankündigen, zu uns zu stoßen”, sagte Mr. Wasity. „Jetzt gibt es eine Ausgangssperre, aber wir werden nicht aufgeben. Wir werden wieder und wieder kommen.“

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