Italien: Berlusconi des Amtsmissbrauchs und der Prostitution Minderjähriger angeklagt

Am 15. Februar erhob Richterin Cristina Di Censo Anklage gegen den italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi wegen Amtsmissbrauchs und Begünstigung der Prostitution einer Minderjährigen.

Mehrere Staatsanwälte legten Beweise dafür vor, dass Berlusconi Beziehungen zu einer "erheblichen" Zahl von Prostituierten unterhalten hat. Die Richterin stimmte einem Schnellverfahren zu, das ohne die sonst üblichen Voranhörungen stattfinden kann. Der Prozess beginnt am 6. April und wird von den drei Richterinnen Carmen D'Elia, Orsola De Cristofaro und Giulia Turri geführt.

Die mediale Aufmerksamkeit konzentriert sich auf Karima El Mahroug, eine marokkanische Tänzerin, die 17 Jahre alt war, als Berlusconi sie auf seine Parties einlud. Sie und Berlusconi leugnen beide, dass es zu Sex gekommen sei. Berlusconi behauptet auch, er habe wirklich geglaubt, sie sei die Nichte des jetzt abgesetzten ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak. Dies hatte er im Oktober letzten Jahres vorgebracht, um den Polizeichef von Mailand dazu zu bewegen, El Mahroug nach einer Verhaftung wegen Diebstahls freizulassen.

El Mahroug war nur eine von zahlreichen jungen Frauen, die an Berlusconis Parties teilnahmen. Dies kam im April 2009 ans Licht, als es darum ging, dass Berlusconi am 18. Geburtstag des Modells Noemi Letizia teilgenommen hatte.

Am Sonntag vor einer Woche protestierten Hunderttausende Frauen in ganz Italien gegen die Art, wie Berlusconi mit jungen Frauen umgeht, und gegen seine weitere Amtsführung. Der Regierungschef goss zusätzlich Öl ins Feuer, als er behauptete, sein Umgang mit jungen Frauen sei Ausdruck seines Respekts für sie alle, und sich brüstete: "Ich habe es immer geschafft, dass sich jede Frau, – wie soll ich sagen –, als was Besonderes fühlt."

Die Anklage gegen Berlusconi zeigt eine Veränderung im politischen Klima. Dahinter steht die Zunahme der sozialen Spannungen seit der globalen Wirtschaftskrise, die jetzt mit der revolutionären Welle der Arbeiterklasse im Nahen Osten zusammenkommen. Berlusconis Popularität befindet sich auf einem Rekordtief: Zwei Drittel der Italiener unterstützen seine Entfernung aus dem Amt.

Allerdings zeigt sich in der Anklageschrift auch, dass die Bourgeoisie einen neuen Weg einschlägt. Ein Teil der italienischen und internationalen herrschenden Klasse ist mit Berlusconi schon lange unzufrieden. Sie sind besonders mit seiner Reaktion auf die weltweite Wirtschaftskrise unzufrieden. Seine sozialen Angriffe auf die Arbeiterklasse waren nicht so scharf wie die des sozialdemokratischen Premierministers Griechenlands, Giorgos Papandreou, dessen Kürzungen den Lebensstandard der Arbeiterklasse um schätzungsweise dreißig Prozent reduzierten.

Deshalb reicht es vom Standpunkt der Arbeiterklasse nicht, wenn Berlusconi aus dem Amt des Ministerpräsidenten entfernt wird. Es ist vielmehr notwendig, eine Massenbewegung und eine neue revolutionäre Arbeiterpartei zu schaffen, um das bankrotte politische und wirtschaftliche System Italiens zu stürzen.

Die bürgerliche "Linke" konzentriert alles auf die eine Frage der Entfernung Berlusconis aus dem Amt und versucht, ihre Pläne für eine neue Offensive gegen die Arbeiterklasse dahinter zu verbergen. Sie hofft, dass der Gerichtsprozess diesem Ziel dienen wird.

Der Flügel der Finanzaristokratie, der Berlusconi den Kampf angesagt hat, sucht fieberhaft ein neues Gesicht, um schärfere soziale Angriffe auf die Arbeiterklasse durchzuführen. Weil sich Italiens Staatsschulden auf etwa 1,8 Billionen Euro oder rund 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts belaufen, fordert die Finanzpresse aggressivere Sparmaßnahmen. Die Financial Times fürchtet, ein Berlusconi-Prozess könnte "zu einer anhaltenden politischen Pattsituation führen" und damit verhindern, dass der Staat die Sozialausgaben wirkungsvoll beschneidet.

Das Hauptproblem für diese Kräfte ist jedoch, dass Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PdL) von einem Teil des politischen Establishments Italiens immer noch unterstützt wird. In Meinungsumfragen führt die PdL vor der oppositionellen Demokratischen Partei (PD). In der PD sind heute ehemalige Mitglieder der Sozialistischen Partei und der ex-stalinistischen Kommunistischen Partei organisiert. Im Dezember konnte Berlusconi einen Versuch der Opposition vereiteln, seine Regierung im Parlament zu stürzen.

Berlusconi verdankt seine Position vor allem der Unbeliebtheit und dem politischen Bankrott der bürgerlichen "Linken" Italiens. Deren Parteien haben sich von dem Debakel der Mitte-Links-Regierung unter Romano Prodi (2006-2008) niemals erholt. Dieser Regierung hatte auch die ex-stalinistische Rifondazione Comunista angehört. In offener Missachtung des Wählerwillens hatte die Prodi-Regierung Rentenkürzungen durchgeführt und Italiens Teilnahme am Afghanistan-Krieg und an der UNO-Friedenstruppe im Libanon fortgesetzt.

Heute beinhaltet der Versuch, eine Alternative zu Berlusconi zu schaffen, alle möglichen Allianzen unter Einschluss des gesamten politischen Spektrums. So genannt „linke“ Politiker streben die Zusammenarbeit mit verschiedenen, ganz rechten Parteien an.

Ein Teil der bürgerlichen "Linken" drängt auf ein Bündnis mit dem neuen Dritten Pol des Postfaschisten Gianfranco Fini, dem ehemaligen Chef der Nationalen Allianz (AN), die bis vor einem halben Jahr Berlusconis Partei Volk der Freiheit angehörte.

Ein Beispiel für diesen Flügel ist Nichi Vendola, ein prominenter Ex-Stalinist und Chef der Partei Linke, Ökologie, und Freiheit (SEL). Er pries Gianfranco Fini vor kurzem mit den Worten: "Vom Standpunkt demokratischer Spielregeln und des Säkularismus’ ist Finis Rechte sicherlich moderner und europäischer als die von Berlusconi. In der Tat ist sie, bezogen auf Sozial- und Wirtschaftspolitik, sogar liberaler als die Berlusconis. Deshalb muss ich Fini und seine Partei respektieren, die sicherlich eine Alternative zu der meinen darstellt."

Aber gerade Finis Versuch, seine Partei Zukunft und Freiheit für Italien (FLI) zum Herzstück der Allianz des Dritten Pols auszubauen, erlitt vor kurzem einen herben Rückschlag. Nur wenige Tage nach dem 13. Februar, der Gründungskonferenz der FLI, trat Senator Giuseppe Menardi wieder aus dieser Partei aus und kritisierte Fini und den FLI-Vizepräsidenten Italo Bocchini. Dies untergräbt die Position der Partei im Senat, weil sie jetzt keine zehn Senatoren für eine offizielle Fraktion mehr hat.

Ein weiteres Beispiel für die bürgerliche "Linke" ist Pier Luigi Bersani, Chef der PD. Er hat sich für ein Zusammengehen mit der rechten, separatistischen Lega Nord ausgesprochen. Bersani sagte kürzlich: "Ich war schon immer der Meinung, dass es trotz vielfältiger und oft gegensätzlicher Positionen im Land zwei echte Kräfte für die Autonomie gibt: die PD und die Lega. Wir identifizieren uns damit und wollen diese große Tradition pflegen und erneuern.“

Die Bourgeoisie hofft darauf, dass der Berlusconi-Prozess eine Rechtswende einleitet. So spekuliert die Presse, dass die Person, die davon profitieren könnte, Giulio Tremonti sein werde, der derzeitige Finanzminister von Berlusconis PDL. Die Financial Times lobte ihn als "herausragende Ausnahme" und als einen Mann, der kämpfen würde, "um öffentliche Schulden und Defizite unter Kontrolle zu bringen".

Giulio Tremonti war früher einmal Journalist der kleinbürgerlich-radikalen Zeitung Il Manifesto und als ehemaliges Mitglied der Sozialistischen Partei dem korrupten Premierminister Bettino Craxi verbunden. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR wechselte Tremonti auf die politische Rechte. Die herrschende Klasse schätzt zweifellos Tremontis finanzpolitische Kenntnisse. Ebenso wichtig ist jedoch auch, dass sie auf seine Fähigkeit zählt, zwischen der Rechten und der etablierten "Linken" zu manövrieren, um die Art reaktionäre Regierung zusammen zu schustern, mit der sie Berlusconi zu ersetzen hofft.

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