Bulgarische Eisenbahner planen Streik

Die Beschäftigen der staatlichen bulgarischen Eisenbahn BDZ planen für den 11. März einen Streik. Darüber diskutierten die Führer der beiden großen Gewerkschaftsverbände KNSB (Union Unabhängiger Gewerkschaften in Bulgarien) und Podkrepa („Unterstützung“) am vergangenen Montag in einer Dringlichkeitssitzung.

Der geplante Protest richtet sich gegen die drastischen Sparmaßnahmen der bulgarischen Regierung, die diese auf Druck der Weltbank ausführt. Sie verlangt unter anderem, dass die Bahngesellschaft binnen kürzester Zeit die Lohnkosten um insgesamt dreißig Prozent kürzt, damit sie bis 2013 die Gewinnzone erreiche. Simeon Djankow, bulgarischer Finanzminister, der sich seinen Posten als ehemaliger Weltbankmanager verdient hat, erläuterte, man werde dabei schrittweise nach dem Prinzip „Geld gegen Reformen“ vorgehen.

Nach Angabe von Markus Repnik, dem Bulgarienbeauftragten der Weltbank, sollen bis 2014 bei der Staatsbahn BDZ 2.800 und bei der für die Bahn-Infrastruktur zuständigen Gesellschaft NKZI knapp 4.000 Beschäftigte ihre Arbeitsplätze verlieren.

Dieses rabiate Vorgehen ist Bedingung dafür, dass Gelder der EU für Investitionen in den bulgarischen Bahnsektor fließen, der am europäischen Markt in Zukunft für zahlungskräftige Konzerne und Finanzgruppen durchaus attraktiv sein kann.

Wie ein Vertreter der Weltbank berichtete, laufen 25 Prozent des bulgarischen Güterverkehrs über die Schiene, verglichen mit fünfzehn Prozent im europäischen Durchschnitt. Untragbar für private Investoren ist jedoch, dass auf einen Kilometer Schienennetz zwei Beschäftigte kommen, während es im europäischen Durchschnitt nur einer ist.

Bloomberg Business Week berichtete am 13. Januar unter Berufung auf Beamte des Verkehrsministeriums, die Güterverkehrsbranche der BDZ werde nach der Umstrukturierung bis Ende 2011 teilweise oder ganz privatisiert. Laut BDZ-Vorstand Wladimir Wladimirow sind deutsche und österreichische „market players“ am Kauf interessiert.

Vor einer Privatisierung müssen jedoch die Schulden abgetragen werden. Nach Angaben von Transportminister Swetkow verschlingen die Zinszahlungen an die Gläubigerbanken bis zu achtzig Prozent des Bahnhaushalts.

Bei der Umsetzung der Pläne konnte sich die Regierung bislang auf die Unterstützung der Gewerkschaften verlassen. Erst als nach einem wilden Streik Mitte Januar die Gefahr bestand, dass sich der Protest außerhalb der Kontrolle des Gewerkschaftsapparates entwickelt, beschlossen die großen Gewerkschaften, die Forderungen der Beschäftigten halbherzig zu unterstützen, um die Proteste unter Kontrolle zu bringen.

In der Nachtschicht zum 11. Januar 2011 waren etwa sechzig Bahnarbeiter in Sofias Zentralbahnhof in einen spontanen Streik getreten. Sie forderten die sofortige Auszahlung ihrer seit November ausstehenden Löhne. Der Streik wurde durch eine Ankündigung der bulgarischen Regierung angeheizt. Premier Bojko Borrisow hatte wissen lassen, man werde zwischen 7.000 und 28.000 Bahnbedienstete entlassen, um weitere Kredite der Weltbank zu erhalten.

Die Streikenden kündigten an, bis zum Erhalt ihres Lohnes weiter zu streiken. Der Streik, in dessen Verlauf ein internationaler Zug blockiert wurde, war nicht von den Gewerkschaften organisiert worden. Die Streikenden verlangten direkte Verhandlungen mit Vertretern der BDZ und des Finanzministeriums. Nach Gewerkschaftsangaben schuldet die BDZ ihren Beschäftigten insgesamt über 10,5 Millionen Lewa (5,25 Millionen Euro).

Die Gewerkschaften, die bislang Hand in Hand mit der Regierung und der Betriebsleitung der BDZ gearbeitet hatten, gerieten durch die Initiative der Beschäftigten unter starken Druck. Petar Bunew, der Vorsitzende der KNSB-Eisenbahnergewerkschaft, forderte eine Dringlichkeitssitzung der Gewerkschaftsbürokratie mit Betriebsleitung und Finanzministerium. Ergebnis war das Versprechen, die Löhne am folgenden Montag, spätestens Mittwoch auszuzahlen.

Seit Ende der 1990er Jahre haben sich in Bulgarien Altstalinisten und rechte bürgerliche Parteien an der Regierung abgewechselt. In Vorbereitung auf den EU-Beitritt des Landes setzten sie alle immer neue Entlassungswellen unter den Bahnbeschäftigten durch, deren Monatslöhne zwischen 200 und 300 Lewa (100-150 Euro) liegen.

Schon im November 2002 hatten fast 4.000 Arbeiter die Arbeit niedergelegt und achtzig Züge gestoppt, um vom Staat ausstehende Löhne in Höhe von 9,2 Millionen Dollar einzufordern. Im Dezember 2008 streikten die Bahnarbeiter für die Auszahlung der seit Oktober ausstehenden Löhne, während der Transportminister von der Sozialistischen Partei die Entlassung von 1.000 Bahnarbeitern verfügte.

Bei allen bisherigen Angriffen sahen die Bahngewerkschaften von KNSB und Podkrepa ihre Aufgabe darin, den Konflikt zu entschärfen und die Arbeiter von einem entschiedenen Kampf abzuhalten. Das ging so weit, dass sich die KNSB im Mai 2007 nach der Ankündigung von 950 Entlassungen durch Bahnchef Oleg Petkow beim Transportminister beschwerte, Petkow verletze den Kodex für soziale Kooperation und schaffe Spannungen unter den Arbeitern.

Ende 2009, als die heutige GERB-Minderheitsregierung schon an der Macht war, wurde eine Entlassungswelle von 4.000 Arbeitern angekündigt. Um die gesteigerte Unruhe und Spannung zu entschärfen, entschlossen sich die Gewerkschaften in Abstimmung mit Bahnmanagement, Regierung und Gläubigerbanken zu einem groß angelegten Manöver.

Bei einer Protestaktion am Eisenbahnknotenpunkt Gorna Orjahowitsa an einem Sonntag Ende September 2009 durften dann dreihundert Arbeiter ihre Forderungen und Empörung über Hungerlöhne und Elend, Lohnausstände und Entlassungsdrohungen zum Ausdruck bringen und medienwirksam Dampf ablassen.

Mit großem Tamtam beschlossen Mitte Oktober 2009 alle bei der BDZ vertretenen Gewerkschaften, ein gemeinsames Streikkomitee zur Vorbereitung von Protestaktionen zu gründen, verbanden dies jedoch mit der Garantie, dass ein möglicher Streik den Arbeitsablauf keinesfalls stören werde; somit werde das „Gesetz zur Beilegung kollektiver Arbeitskämpfe“ respektiert.

Am 27. Oktober 2009 trafen Gewerkschaften und Unternehmen eine Vereinbarung über Entlassungsstopps, Zahlung aller Lohnrückstände für 2009 und über Zulagen für eine freiwillige zusätzliche Rentenversicherung. Doch sie war für die Arbeiter das Papier, auf dem sie stand, nicht wert. Schon am 15. Dezember 2010 unterzeichneten Vertreter von Regierung und Weltbank ein Memorandum über die entscheidenden Angriffe, die die Privatisierung einleiten.

Mit der Bewilligung von EU-Krediten kommt die Regierung den Privatisierungs-Zielen näher, die sie schon seit den 1990er Jahren anstrebt. Die BDZ, Betreiberin des Personen- und Güterverkehrs, bekommt einen Kredit in Höhe von 460 Millionen Lewa (230 Millionen Euro), die Staatliche Gesellschaft für Bahn-Infrastruktur NKZI erhält 140 Millionen Lewa. Diese Gelder sollen zum Abtragen der Schulden der finanziell und technisch völlig heruntergekommenen Gesellschaften eingesetzt werden.

Bis 2015, so plant die EU-Bürokratie, soll der Schienenkorridor IV, der Zentraleuropa mit der Türkei im Personen- und Güterverkehr verbindet, fertig gestellt sein. In Folge der Wirtschaftskrise sind billige Transportwege für die europäischen Mächte eine zentrale Frage. IWF, Weltbank, die Brüsseler EU-Bürokratie und nicht zuletzt ihre unterwürfigen Befehlsempfänger in der bulgarischen Regierung stehen dafür, dass diese Transportwege für private Investoren auch profitabel sind. Die Regierung Borissow von der rechten Bürgerpartei GERB konnte im Januar dieses Jahres ein Misstrauensvotum im Parlament nur mit Hilfe der neofaschistischen Partei Ataka überleben.

Der Internetnachrichtendienst novinite.com berichtet, die Bahngewerkschaften Podkrepa und KNSB hätten am 14. und 15. Dezember mit dem Transportministerium, dem Finanzministerium, der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) „lange und harte Gespräche“ geführt. Was nur bedeuten kann, dass die beiden Gewerkschaften von Anfang an bei der Erstellung des Memorandums vom 15. Dezember eingebunden waren. Die Äußerungen des KNSB-Vorsitzenden Petar Bunew, man werde in einen unbefristetem Streik treten, „falls es keine Korrektur des Memorandums“ gibt, ist reine Augenwischerei und soll die Bahnarbeiter von weiteren spontanen Streiks abhalten.

Am 26. Januar beklagte sich der KNSB-Vorsitzende Bunew laut novinite.com öffentlich, an einer weiteren gemeinsamen Diskussion zur Umsetzung der „Reformpläne“ habe kein Vertreter des Finanzministeriums teilgenommen. Bei dieser Gelegenheit versprach er nochmals, dass die Gewerkschaften bis zum 15. Februar stillhalten würden, danach aber, falls es zu „ungerechtfertigten Entlassungen“ komme, „keine Aktion ausschlössen“. Unüberhörbar auch sein warnender Rat an die Regierungsseite: Verzichtet nicht auf die Zusammenarbeit mit der Arbeiterbürokratie, sonst könnte es zu unkontrollierbaren Streiks und Protesten kommen!

Die massiven Angriffe auf die Löhne und Lebensbedingungen in Bulgarien sind symptomatisch für die Situation in der gesamten Balkanregion.

In Serbien haben Ende Januar vier Lehrergewerkschaften nach gescheiterten Verhandlungen mit der Regierung zu einem unbefristeten Streik aufgerufen. Der Unterrichtsminister drohte, den Streikenden die Gehälter zu sperren. Es gebe einfach kein Geld in der Staatskasse, sagte Finanzministerin Diana Dragutinovic.

Zahlreiche Kommentare warnen bereits vor einer „Akkumulation der Unzufriedenheit“, die eskalieren könnte. Seit Jahren steigen Preise und Arbeitslosigkeit, während der Lebensstandard sinkt. Die Inflation liegt bei über zehn Prozent, der einheimische Dinar ist abgewertet, die Gehälter im öffentlichen Dienst sind eingefroren, ein Durchschnittseinkommen beträgt rund 280 Euro. „Hier sind eher soziale Unruhen wie in Albanien oder Tunesien zu erwarten, als ein glückliches Ende in der Umarmung der EU“, zitierte die taz eine pensionierte Lehrerin.

In Serbien sind Anfang des Monats tausende Polizisten in den Streik getreten. Insgesamt 13.000 Polizisten legten die Arbeit nieder, berichtete die Gewerkschaft in Belgrad. Sie verlangen vierzig Prozent höhere Gehälter und eine bessere Ausrüstung. Schon früher hatte die Gewerkschaft geklagt, die Polizisten hätten weder warme Kleidung noch Schuhe, um im Winter auf den Straßen ihren Dienst zu tun. Bereits seit fünf Tagen streiken die Lehrer. Sie wollen mit ihrem Ausstand 24 Prozent höhere Löhne erzwingen. Die Regierung lehnt dies mit Hinweis auf die leeren Staatskassen ab.

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