Perspektive

Die israelischen Arbeiter und die ägyptische Revolution

Die ägyptische Revolution hat im gesamten Nahen Osten Schockwellen ausgelöst. In den Hauptstädten aller arabischen Staaten diskutieren despotische Herrscher und korrupte Regierungen, wie sie verhindern können, dass sich die Revolte der Massen von Kairo weiter ausbreitet. Niemand fürchtet die Auswirkungen des Volksaufstands in Ägypten mehr als die herrschende Klasse in Israel.

Die israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu, das Oberkommando der israelischen Streitkräfte und der Geheimdienst Mossad, haben alle ihre Feindschaft gegenüber der Bewegung gegen das Regime von Hosni Mubarak zum Ausdruck gebracht. Sie würdigten Mubarak als Garanten der Stabilität in der Region und beschworen die Gefahr des islamischen Extremismus, um ihre Unterstützung für dessen Regime zu rechtfertigen. Auch leisteten sie praktische Hilfestellung bei der Abschaltung des Internets und stimmten der Entsendung ägyptischer Truppen auf den Sinai zu.

Mubaraks Sturz war für sie Anlass zu unverhülltem Jammern. Zvi Mazel, der frühere Botschafter Israels in Kairo warnte im Ynet: „Israel befindet sich jetzt in einer feindlichen Umgebung. Wir können nun eine ganze Reihe derartiger Erhebungen in der Region erleben. Mubaraks Sturz begünstigt die Revolutionäre überall vom Jemen bis nach Algerien.“

Der israelische Staat unterstützt das Militärregime unter Führung von Feldmarschall Muhammad Sayyid Tantawi und beharrt darauf, dass es keine „hastigen Vorstöße“ zu Wahlen geben dürfe. Inzwischen bereitet Israel sich auf einen Krieg vor, möglicherweise sogar mit Ägypten.

Der scheidende Oberbefehlshaber der israelischen Streitkräfte (IDF) Gabi Ashkenazi erlaubte einen höchst aufschlussreichen Einblick in diese Diskussionen. In einer Rede vor den Teilnehmern der Konferenz wichtiger amerikanischer jüdischer Organisationen am Montag in Jerusalem sagte er: „Bei aller Kritik war Mubarak in den vergangene drei Jahrzehnten ein Anker der Stabilität in dieser Region. Wir sollten das zugeben.“ Sollte ein neues Regime das Friedensabkommen mit Israel von 1979 aufheben, „dann müssen wir darauf vorbereitet sein und wir haben Pläne, falls diese Situation eintritt“, fügte er hinzu.

Anlässlich einer Zeremonie zur Amtsübergabe an General Benny Gantz teilte Ashkenazi seinem Nachfolger mit: „Ich übergebe Ihnen das Buch mit den Angriffszielen im Gazastreifen.“

Die IDF hat nicht nur vor, Ziele in Gaza anzugreifen. Ashkenazi betonte in aller Öffentlichkeit, dass die israelischen Streitkräfte in der Lage sein müssten, simultan verschiedene Arten von Krieg an etlichen Fronten zu führen. „Das ist die größte Herausforderung und davon ausgehend können wir uns auch anderen Formen der Kriegsführung zuwenden“, erklärte er.

Als Reaktion auf das Streben der ägyptischen Massen, sich von ihren Fesseln zu befreien und Demokratie zu erreichen, arbeitet Israel mit deren militärischen Unterdrückern zusammen. Gleichzeitig bereitet es sich auf einen möglichen Krieg vor, der verheerende Folgen für Araber und Juden gleichermaßen hätte.

Das ist ein vernichtendes Urteil über das zionistische Projekt, das darin besteht, einen Staat ausschließlich auf religiöser Grundlage zu errichten und gewaltsam die Palästinenser zu vertreiben und zu unterdrücken. Von seiner Gründung an lebte Israel im Konflikt mit seinen Nachbarn und war vom US-Imperialismus abhängig, um zu überleben.

Das Abkommen von Camp David von 1979 normalisierte die Beziehungen zum Regime in Ägypten und in der Folge auch zu anderen arabischen Staaten. Aber es schuf keinen Frieden. Vielmehr arbeitete das israelische Regime mit dem korrupten und zunehmend erstarrten Regime von Mubarak zusammen, um den Widerstand der Arbeiterklasse und der unterdrückten Massen in Ägypten zu ersticken. Dies erlaubte Tel Aviv, seine militärischen Ambitionen zu verfolgen. Es konnte seine Herrschaft über Jerusalem und die Westbank durch das brutale Vorgehen gegen die Palästinenser festigen sowie wiederholt Gaza und den Libanon mit Krieg überziehen. Gleichzeitig gelang es ihm, die soziale und politische Opposition der israelischen Arbeiterklasse zu desorientieren.

Die israelische Elite kultiviert Angst vor und Hass auf die arabischen Massen. Das ist eine Politik des Teile und Herrsche und ein entscheidendes politisches Instrument, um einer politischen Bedrohung durch die Arbeiterklasse entgegen zu wirken. Indem sie die Illusion einer nationalen Einheit erzeugt und eine Mentalität der Belagerung fördert, ist sie in der Lage, den tatsächlichen tiefen Gegensatz zwischen den Interessen der Arbeiter und ihrer Ausbeuter zu verschleiern.

In Wirklichkeit aber sind die tiefen Klassengegensätze, die zu dem Aufstand in Ägypten geführt haben, nicht auf die Palästinenser und die arabischen Israelis beschränkt, sondern erstrecken sich genauso auf die jüdischen Arbeiter. Israel ist ein soziales Pulverfass, in dem wachsende soziale Ungleichheit und Armut herrschen. Es wird von einem Dutzend Familien beherrscht, die nahezu die Hälfte der Unternehmen kontrollieren, die an der Börse in Tel Aviv notiert sind.

Die Löhne sinken und die Wut über die sozialen Verhältnisse steigt, was der Gewerkschaftsverband Histadrut verzweifelt unter Kontrolle zu bringen versucht. Der Vorsitzende der Histadrut, Ofer Eini, versucht ein Abkommen mit Netanjahu zu schließen. Er warnt ihn, Israel nicht den Weg Ägyptens gehen zu lassen. „Wir sind nicht in Ägypten“, meinte er zum Armeesender. „Lasst uns einen Weg finden, gemeinsam den Bürgern zu helfen, die nicht über die Runden kommen … Macht dieses Land nur ein bisschen sozialer.“

Für die israelischen Arbeiter gibt es keine Möglichkeit, die schrecklichen sozialen Verhältnisse, mit denen sie konfrontiert sind, zu verändern oder der Kriegsgefahr entgegen zu wirken, wenn sie das nationalistische und chauvinistische Gift nicht zurückweisen, das die herrschende Klasse verbreitet. Dies gilt auch für Agenturen wie die Histadrut.

Die Verantwortung, den zukünftigen Kurs der Entwicklung des Nahen Ostens zu bestimmen liegt bei der Arbeiterklasse. In Israel gibt es viel Sympathie für den Kampf der ägyptischen Arbeitermassen. Aber die Arbeiter müssen weitergehen und die in Ägypten und in der ganzen Region entstehende revolutionäre Bewegung begrüßen und zu ihrer eigenen machen. Ihre strategische Orientierung muss die arabisch-jüdische Einheit sein.

Um eine solche Einheit zu erreichen, dürfen die offiziellen Bestrebungen nicht unterstützt werden, die Beziehungen zu den Despoten der Region zu pflegen, einschließlich der Beziehungen zur Militärjunta in Ägypten. Im Gegenteil, es bedeutet, der arabischen Arbeiterklasse und der armen Landbevölkerung die Hand auszustrecken und zusammen gegen die gemeinsamen Unterdrücker zu kämpfen – das ägyptische Militärregime und seine Unterstützer in Israel.

Israelische Arbeiter und Intellektuelle müssen auf die entstehende revolutionäre Bewegung in Ägypten mit dem Aufbau einer revolutionären Bewegung der Arbeiterklasse auf sozialistischer Grundlage reagieren. Die politische Führung für eine solche Bewegung zu schaffen, heißt, eine israelische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale aufzubauen. Das bedeutet, für die Einheit der Arbeiterklasse über die nationalen Grenzen hinweg für die Vereinigten sozialistischen Staaten des Nahen Ostens und die sozialistische Weltrevolution einzutreten.

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