Perspektive

Hosni Mubaraks Sturz

Die World Socialist Web Site begrüßt den Sturz des ägyptischen Diktators Hosni Mubarak. Berechtigter Jubel hallt durch die Straßen von Kairo, Alexandria und andern Städten, wo Millionen ägyptische Arbeiter und Jugendliche ihren historischen Sieg feiern.

 

Die außerordentlichen Ereignisse sind nicht nur für Ägypten, sondern für die ganze Welt ein Wendepunkt. Sie zeigen die gewaltige soziale Kraft der Arbeiterklasse und treten den unwiderlegbaren Gegenbeweis gegen jene an, die im Zusammenbruch der Sowjetunion das „Ende der Geschichte“, – d.h. das Ende des Klassenkampfs als treibender Faktor der menschlichen Entwicklung, – erblickten. Der Sieg der ägyptischen Massen, die heroisch Folter, Verhaftung und Unterdrückung trotzten, ermutigt Arbeiter und Jugendliche auf der ganzen Welt.

Mubaraks Rücktritt war eine erniedrigende Kehrtwende: Nur 24 Stunden vorher hatte er sich am späten Donnerstagabend noch provokativ geweigert zurückzutreten. Es war auch ein Schlag gegen die Militärführung, die am Freitagmorgen in einer Erklärung ausdrücklich begrüßte, dass die Macht auf den Vizepräsidenten Omar Suleiman, den langjährigen Chef des ägyptischen Geheimdienstes, übertragen wurde.

Es ist ein verheerender Rückschlag für die arabische Bourgeoisie, die nichts mehr fürchtet als die Ausbreitung der Revolution über Ägypten hinaus, und für den israelischen Staat, dessen Repressionspolitik und Militärterror davon abhängt, dass die Arbeiterklasse sowohl in den arabischen Ländern als auch in Israel selbst weiterhin unterdrückt wird. Vor allem aber ist es ein Rückschlag für den US-Imperialismus, der 31 Jahre lang wichtigster Geldgeber und Unterstützer der Mubarak-Diktatur war. Die Regierung in Washington ist Komplize bei allen Verbrechen des Regimes, einschließlich der verbreiteten Anwendung von Folter gegen politische Gegner.

Die revolutionären Aufstände, die in Nordafrika um sich greifen, sind die erste deutliche Antwort der Weltarbeiterklasse auf die durch die kapitalistische Weltwirtschaftskrise geschaffenen Bedingungen. Mit dem Sturz Mubaraks, haben die ägyptischen Arbeiter in einem weltweiten Kampf gegen wirtschaftliche Ausbeutung, soziale Ungleichheit und die Unterdrückung demokratischer Rechte den ersten Schuss abgefeuert. Diese Bedingungen herrschen nicht nur in Ägypten, sondern auf der ganzen Welt.

So wichtig Mubaraks Rücktritt jedoch ist, so hat damit der Kampf doch erst begonnen. Zwar ist Mubarak gegangen, doch das Regime ist noch da, und die Macht befindet sich immer noch in Händen desselben Offizierscorps’, welches der kapitalistischen Diktatur seit Jahrzehnten als Dreh- und Angelpunkt in Ägypten dient.

In ihrem Bemühen, die Macht zu erhalten, wird das ägyptische Regime seinen rücksichtslosesten Verbündeten in der Finanzaristokratie der imperialistischen Mächte finden. Seit Wochen hat die Obama-Regierung hinter den Kulissen alles getan, um Mubarak zu halten, zuletzt in der Form einer dringenden Aufforderung an ihn, den „geordneten Übergang“ einzuleiten. Obamas flüchtiger Kommentar vom Freitagnachmittag, in dem er Mubaraks Rücktritt bekanntgab, kam nur wenige Stunden nach einer Erklärung am Freitagvormittag, in der die US-Regierung Mubarak ausdrücklich nicht zum Amtsverzicht aufgefordert hatte.

Ohne Zweifel führt die Washingtoner Regierung mit der ägyptischen Militärführung schon jetzt intensive Gespräche um sicherzustellen, dass die Interessen des US-Imperialismus auch von dem nächsten Regime vertreten werden.

Weder dem Militär, noch der offiziellen „Opposition“ darf ein „demokratischer Übergang“ anvertraut werden. Die offizielle „Opposition“ versichert übrigens einer Militärregierung jetzt schon ihre volle Unterstützung. Einer der „Oppositions“-Führer, Mohammed ElBaradei, schlägt vor, die Wende innerhalb eines Jahres zu vollziehen, was bedeutet, dass die Armee ein ganzes Jahr lang freie Hand erhält, um zu tun und zu lassen, was sie will.

Amerikanische imperialistische Strategen hoffen, die Regierung in Washington werde in der Zwischenzeit die Möglichkeit erhalten, ihre bevorzugten Statthalter in Ägypten mit ausreichend Geld auszustatten. Sie sollen einen „Übergang“ organisieren, bei dem die Arbeiter in ihre alte Lage zurückgeworfen werden, in der sie sich vor Mubaraks Sturz befanden. So erklärte der ehemalige CIA-Direktor James Woolsey auf CNN, Amerika müsse „mit jenen Kräften der Stabilität und des Wechsels zusammenarbeiten, die sich in Richtung Demokratie und Legalität bewegen“, und müsse ihnen „wirtschaftlich und politisch zur Seite stehen“.

Die Arbeiterklasse muss solche Worte als ernste Warnung verstehen. Heute, zu Mubaraks Abgang, ist die Jubelfeier vollkommen berechtigt, aber die ersten Erfolge der Revolution dürfen nicht verloren gehen. Fragen der Klassenstrategie und des Aufbaus einer neuen revolutionären Führung in der Arbeiterklasse werden über das Schicksal der nächsten Schritte der Revolution entscheiden.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale ruft die ägyptischen Arbeiter auf, ihre Aufmerksamkeit auf die Schriften von Leo Trotzki zu lenken. Gemeinsam mit Wladimir Lenin führte er die Oktoberrevolution von 1917; er gründete die Vierte Internationale und war der wichtigste Praktiker und Theoretiker der internationalen sozialistischen Revolution. Wie Trotzki in seiner Theorie der permanenten Revolution erklärte, ist der Kampf für Demokratie untrennbar mit dem Kampf für die Arbeitermacht und mit der sozialistischen Umwandlung Ägyptens und der ganzen Welt verbunden.

Die Unterstützung für die Militärregierung durch die Regierung in Washington und ElBaradei ist kein Zufall. Darin drücken sich die Interessen der kapitalistischen Klasse aus. Bei jedem Versuch, die Bedingungen der großen Bevölkerungsmehrheit zu verbessern, – ob es um Lohnsteigerung, Preissenkung oder Verteidigung politischer Freiheiten geht, – werden die Arbeiter unweigerlich mit den Vertretern dieser Elite in Konflikt geraten, denn diese lehnt jeden Wechsel ab, der ihre ökonomischen oder strategischen Interessen tangiert.

Vor der Arbeiterklasse steht die wichtige Aufgabe, Machtorgane der Bevölkerung aufzubauen. Diese müssen sich auf die Arbeiterklasse stützen, die Überreste des Mubarak-Regimes besiegen und sie durch eine Arbeiterregierung ersetzen. Der Sieg dieser Revolution hängt davon ab, ob sie über Ägypten hinaus getragen wird; deshalb müssen sich die ägyptischen Arbeiter mit ihren Klassenbrüdern und –schwestern im gesamten Nahen Osten und in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern zusammenschließen.

In diesem Kampf müssen Parteien aufgebaut werden, die für die Perspektive des Trotzkismus kämpfen und die Arbeiter in Ägypten und weltweit für die Klassenkonflikte bewaffnen, die Mubaraks Sturz eröffnet.

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