Wikileaks:

Depeschen offenbaren Duldung Mubaraks Diktatur durch die US-Regierung

Am Donnerstag veröffentlichte WikiLeaks Depeschen des US-Außenministeriums, die Details zur offiziellen amerikanischen Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Regime von Hosni Mubarak zeigen, das jetzt von der empörten Bevölkerung belagert wird.

Was auch immer Präsident Barack Obama, Außenministerin Hillary Clinton und eine Reihe von amerikanischen Regierungsvertretern behaupten mögen, die WikiLeaks-Depeschen zeigen, dass sich die US-Regierung über die systematische Unterdrückung durch das ägyptische Regime völlig bewusst war. Abgesehen von Pro-forma-Ermahnungen, verhielt sich Washington gegenüber dessen Verbrechen gleichgültig.

Die sieben Depeschen stammen aus dem Zeitraum zwischen Juni 2006 und Januar 2010 - das bedeutet, sowohl aus der Amtszeit der Regierung von Bush als auch von Obama - und verdeutlichen, dass der Wechsel der US-Regierung weder Auswirkungen auf die amerikanische noch auf die ägyptische Regierungspolitik hatte.

Die erste Depesche vom 21. Juni 2006 von Botschafter Francis J. Ricciardone berichtet, dass ägyptische Staatsanwälte „in einem bemerkenswerten Bruch mit der bisherigen Praxis“ begonnen hätten, einen Offizier der Staatssicherheitsbehörde (SSIS) wegen Folter anzuklagen. Die Aktion war zur Besänftigung der Menschenrechtsorganisationen gedacht, die beklagten, dass das Mubarak-Regime der Geheimpolizei vollständige Handlungsfreiheit einräumte, um die Bevölkerung zu terrorisieren.

Ricciardone stellt fest, dass das Personal des Staatssicherheitsdienstes SSIS “bisher keine Untersuchungen durch die Staatsanwaltschaft wegen der Misshandlung von Gefangenen befürchten musste. Dies hat Human Rights Watch und andere angesehene Beobachter dazu gebracht, die ‘Kultur der Straflosigkeit’ bei den ägyptischen Sicherheitsbehörden anzuprangern. Folterer würden nicht belangt und bestraft.“

Der Botschafter erklärt, dass die Staatsanwälte in Ost-Kairo einen Hauptmann der Sicherheitsbehörde wegen angeblicher Folter angeklagt hätten, die den Tod des Häftlings Mohammed Abdul Kader El-Sayed zur Folge hatte. Gemäß Zeitungsberichten und von Menschenrechtsorganisationen veröffentlichtem Material, starb El-Sayed am 21. September 2003, nach einem Verhör, das am 16. September begann. "El-Sayeds Leiche trug Spuren, die von Folter stammen, einschließlich schwerer Prellungen am Kopf und am Körper und elektrische Verbrennungen an den Genitalien. Wir wissen nicht, warum El-Sayed inhaftiert war."

In einem Bericht vom 28. Oktober 2007 zu den Hintergründen, der anlässlich des bevorstehenden Besuchs des stellvertretenden FBI-Direktor John Pistole in Kairo an diesen gerichtet ist, drängte Ricciardone letzteren, den Vorschlag anzusprechen, dass Ägypten mit uns Fingerabdrücke von mutmaßlichen Terroristen [unter ihnen ohne Zweifel viele Folter-Opfer] austauschen solle, um diese in die globale Fingerabdruck-Datenbank des FBIs einzugeben. Dies würde unsere praktische Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung stark verbessern." Alles wie gehabt.

Der US-Botschafter erklärte: "Mubarak, der im Mai 79 Jahre alt wurde, bleibt ein Symbol der Stabilität im Nahen Osten. Wie immer, sieht er die Interessen Ägyptens bezüglich der wichtigsten regionalen Themen – Terrorismus, Irak, Israel-Palästina, Sudan, Iran – weitgehend deckungsgleich mit den unsrigen.“

Im nächsten Absatz räumte Ricciardone jedoch ein, dass "Mubarak viele seiner früheren Versprechen von politischen Reformen zurückgezogen hat. Unterdessen ist der ehemalige Präsidentschaftskandidat der Opposition Ayman Nour weiterhin krank und im Gefängnis. Verhaftungen von Aktivisten der Demokratiebewegung durch die Regierung bleiben an der Tagesordnung, und in diesem Jahr hat die Regierung begonnen, die Redefreiheit zu unterbinden, indem sie Redakteure, Journalisten und Blogger verfolgt. Mubarak macht jetzt kaum mehr öffentliche Andeutungen über einen möglichen demokratischen Wandel." Ricciardone fügte hinzu, dass Ägyptens Polizei und innerer Sicherheitsdienst weiterhin glaubwürdig der Misshandlung von Gefangenen beschuldigt werden."

Eine Meldung vom 10. Dezember 2007 aus der Botschaft in Kairo wirft ein Licht auf die Art und Weise, wie das ägyptische Regime mit der passiven Unterstützung der US-Regierung, mit Menschenrechtsorganisationen verfuhr, die Folter und Misshandlungen untersuchten.

In der Nachricht wird ein Treffen zwischen Joe Stork, dem stellvertretenden Direktor von Human Rights Watch für den Nahen Osten und Nordafrika, und General Hassan Abdel Rahman geschildert, dem Generaldirektor des ägyptischen Sicherheitsdienstes. Das Treffen wurde vom US-Botschafter organisiert.

Gemäß der Depesche sahte Stork, Abdel Rahmans tue so, als ob der Sicherheitsdienst „nichts Schlimmes tut“. Der höchste Beamte des Staatssicherheitsdienstes sagte zu Stork, „dass er mehr als 40.000 Polizisten unter seinem Befehl“ habe und ... „dass er die Zahl derer, die Misshandlungen begangen hätten, an einer Hand abzählen könne“. Abdel Rahman erhob Einwände gegen die Verwendung des Wortes Folter, da es etwas Systemisches implizieren würde und behauptete, Ägyptens Sicherheitsdienste würden „übel verleumdet“. Auf die Verfolgung von Mitarbeitern von NGOs angesprochen, behauptete Abdel Rahman solche polizeilichen Maßnahmen seien notwendig, weil diese Organisationen von "Anarchisten" und Personen geführt würden, die in der Vergangenheit bereits in Haft waren und die „überwacht“ werden müssten.

Der stellvertretende Direktor von Human Rights Watch wies den US-Botschafter darauf hin, dass er "keine nennenswerten Fortschritte“ erzielt habe.

In einem Bericht zur aktuellen Lage vom 13. April 2009 an FBI-Direktor Robert Mueller, behauptet die neue US-Botschafterin, Margaret Scobey kalt: "Wir fördern weiterhin die demokratischen Reformen in Ägypten, einschließlich der Ausweitung der politischen Freiheit und des Pluralismus sowie der Achtung der Menschenrechte."

Sie wies darauf hin, dass "Ägyptens Polizei und der innere Sicherheitsdienst immer wieder glaubwürdig der Misshandlung von Gefangenen beschuldigt werden." Dies war jedoch kein Hindernis für die Beziehungen der USA mit dem Mubarak-Regime. Im Gegenteil, Scobey prahlte, dass die US-Beziehungen zu ägyptischen Polizei- und Sicherheitsdiensten, die Mueller zu besuchen beabsichtigte, solide geblieben seien.

Scobey bemerkte, dass "die Regierung in den vergangenen fünf Jahren aufgehört hat zu leugnen, dass Folter existiert, und seit Ende 2007 haben Gerichte etwa achtzehn Polizisten wegen Folter und Tötungen zu Haftstrafen verurteilt. Im März verurteilte ein Gericht einen Polizisten zu fünfzehn Jahren Gefängnis wegen der Tötung eines Autofahrers nach einem Streit."

Sie fügte hinzu: "Das Innenministerium setzt den staatlichen Sicherheitsdienst zum Überwachen und Infiltrieren der politischen Opposition und der Zivilgesellschaft ein. Der staatliche Sicherheitsdienst unterdrückt die politische Opposition durch Verhaftungen, Schikanen und Einschüchterungen. Im Februar nach dem Gaza-Krieg verhaftete der staatliche Sicherheitsdienst eine kleine Anzahl von pro-palästinensischen Aktivisten und Bloggern und hielt sie für die Dauer von einigen Tagen bis zu mehreren Wochen in Haft."

Ein Lagebericht für Michael Posner (dem ehemaligen Direktor und damaligen Präsidenten der Organisation "Human Rights First"), vom Januar 2010, verfasst vom US-Bevollmächtigten in Kairo, Matthew Tueller, gibt einen Überblick über die Situation in Ägypten.

Obwohl Tueller vorsichtige, diplomatische Formulierungen verwendet, dringt dennoch ein Teil der Realität durch, die ein Jahr vor dem Ausbruch der sozialen Unruhen in Ägypten im Land herrschte. Er schreibt, dass "die Regierung fortfahre, die politische Opposition zu unterdrücken, gegen Journalisten und Blogger vorzugehen und die Religionsfreiheit einzuschränken. Während die Parlamentswahlen im Jahr 2010 und die Präsidentschaftswahlen von 2011 näher rücken, verhindert Präsident Mubarak weiterhin alle Ansätze von Reformen, die seine Macht schwächen könnten und nennenswerte politische Reformen sind kaum zu erkennen."

Der Handlungsbevollmächtigte wies darauf hin, dass "Mubarak und andere höchste Regierungsmitglieder in privaten Gesprächen argumentierten, dass die Stabilität Ägyptens ohne einen starken Sicherheitsapparat gefährdet sei. Die religiösen Extremisten seien sonst schwer zu bekämpfen,." In ihren Meinungsäußerungen verurteilt die US-Regierung diesen Standpunkt. In der Praxis akzeptiert sie jedoch diese Ansicht und begünstigt sie.

In dem der Brutalität der Polizei gewidmeten Abschnitt seines Berichts, schreibt Tueller: "Während die ägyptische Regierung und ihre Anhänger behaupten, dass Brutalität der Polizei die Ausnahme sei, glauben Menschenrechtsvertreter weiterhin, dass diese in den Gefängnissen, Polizeistationen und in der Zentrale des staatlichen Sicherheitsdienstes weitverbreitet und alltäglich ist. Aktivisten bestätigen, dass die Polizei und der staatliche Sicherheitsdienst auf die erhöhte Aufmerksamkeit der Medien und der Blogger auf die Brutalität der Polizei reagiert haben, indem sie den Missbrauch verheimlichen und Druck auf die Opfer ausüben, damit diese keine Anzeige erstatten."

In einem Kommentar zu Ereignissen, deren Bedeutung Tueller vermutlich übersah, nahm er zu einer Welle von Streiks und Arbeiterunruhen in Ägypten Stellung. Obwohl Ägyptens Arbeitsrecht verlangt, dass streikende Arbeiter vor einem Streik die Genehmigung einer von der ägyptischen Regierung kontrollierten "Gewerkschaft" einholen, was jedoch von den meisten Streikenden ignoriert wird, werden die Streiks in der Regel von der Regierung kaum behindert. ... Die Aktivitäten der Arbeiter konzentrieren sich auf wirtschaftliche Fragen und es ist unklar, ob die Arbeiterbewegung Ägyptens eine offenere politische Rolle übernehmen wird."

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