Proteste gegen Konterrevolution in Ägypten

Am Wochenende gingen in Kairo Tausende auf die Straße, um für die Forderungen der Revolution und gegen die von den USA unterstützte Konterrevolution in Ägypten zu demonstrieren. Das vom Militär installierte Regime unter Premierminister Essam Sharaf hatte am Mittwoch ein Gesetz erlassen, das alle Proteste und Demonstrationen verbietet und Verstöße dagegen mit drakonischen Strafen ahndet.

Protestierende auf dem Meidan al-Tahrir Protestierende auf dem Meidan al-Tahrir

Im Gesetzestext heißt es, dass alle Proteste oder Streiks, die die Wirtschaft stören oder die Arbeit in staatlichen Institutionen, öffentlichen Behörden und im privaten oder staatlichen Sektor behindern, mit Gefängnisstrafen von einem Jahr und Geldbußen zwischen 100.000 und 500.000 ägyptischen Pfund bestraft werden.

Das Gesetz ist eine Kampfansage an die revolutionären Arbeiter und Jugendlichen in Ägypten, verbietet es doch mit Streiks und Protesten genau die Mittel, die zum Sturz des Diktators Hosni Mubarak geführt haben. Das Gesetz soll so lange gelten, wie die Notstandsgesetze in Kraft sind, mit denen das Mubarak-Regime das Land seit 1981 unterdrückte. Eine zentrale Forderung der Revolution war die Aufhebung der Notstandsgesetze, das Militär und Sharaf schlagen nun den entgegengesetzten Weg ein.

Es ist deutlicher denn je, dass das Militär und Sharaf nicht die Interessen der Revolution, sondern ausschließlich die Klasseninteressen der herrschenden Elite vertreten. Sie sind bereit, die Proteste und Streiks genauso zu unterdrücken wie zuvor der gestürzte Diktator Mubarak. Das Gesetz wurde verkündet, kurz nachdem die ägyptische Börse den seit dem 27. Januar ausgesetzten Handel wieder aufgenommen hatte und der Index um nahezu zehn Prozent abgesackt war.

Der Versuch der ägyptischen Bourgeoisie, die Wirtschaft durch die gewaltsame Unterdrückung der Arbeiter zu stabilisieren und ausländische Investoren zu beruhigen, findet die volle Unterstützung der Regierungen in Europa und den USA. In den vergangenen Wochen waren Scharen von hochrangigen Regierungsvertretern nach Ägypten gereist, um sicherzustellen, dass das neue Regime die imperialistischen Interessen des Westens ebenso vertritt wie das alte. Das Gesetz wurde nicht zufällig am selben Tag erlassen, an dem der Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten, Robert Gates, in Kairo zu Besuch war.

Viele Jugendliche und Arbeiter, die nach dem Sturz Mubaraks teilweise Illusionen in die Militärs hatten, beginnen nun deren konterrevolutionäre Rolle zu verstehen und nach politischen Antworten zu suchen.

Ahmed und Freund Ahmed und Freund

Ahmed, ein zurzeit arbeitsloser Journalist, erklärte im Gespräch mit der WSWS auf dem Meidan al-Tahrir: „Spätestens nachdem Sharaf und das Militär den Tahrir-Platz räumen ließen, war klar, dass sie von den alten Kräften kontrolliert werden. Vor allem die Führung im Militär repräsentiert die alte Mubarak-Diktatur. Besonders hasse ich Tantawi. Er ist ein alter Freund Mubaraks und ein enger Verbündeter der USA.“

Die Rolle der USA sei an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten. „Hillary Clinton läuft nun über den Tahrir und erzählt etwas von Demokratie? Ich erinnere mich noch gut an die Waffen und das Tränengas ‚made in USA’, das man gegen uns verwendet hat.“ Obama habe Mubarak bis zuletzt unterstützt und nun greife er unter dem Vorwand von Menschenrechten Libyen an.

Ein Freund von Ahmed, der eine Facebookgruppe gegründet hat, für die beide Flyer mit ihren Forderungen verteilen, weist ebenfalls auf die konterrevolutionäre Rolle des Militärs hin und berichtet, das Militär habe am Mittwoch friedliche Studenten an der Kairo Universität verprügelt.

Beide betonen, dass sie ihre Proteste nicht beenden werden, bevor ihre Forderungen umgesetzt sind. Sie verlangen die Verhaftung Mubaraks und anderer korrupter Minister, vollständige Presse- und Meinungsfreiheit, Auflösung der Mubarak-Partei NDP usw. Sie sind sich sicher, dass das neue Gesetz auf keinen Fall akzeptiert werden wird und die Demonstrationen weitergehen werden.

Auf dem Meidan al-Tahrir protestieren an diesem Tag viele Hunderte, skandieren ihre Forderungen und diskutieren die nun aufgeworfenen politischen Fragen. Es sind etwas weniger Menschen als an den Freitagen zuvor, aber die Stimmung unter den Protestierenden ist bestimmt. „Wir haben keine Angst, wir werden wieder auf den Tahrir kommen“, rufen sie oder, adressiert an die Militär-Regierung: „Nehmt eure Befehle vom Tahrir.“

Etwa gegen 16 Uhr macht sich dann ein Protestzug auf, um vom Tahrir zum Gebäude des staatlichen Fernsehens in Maspero zu ziehen. Dort demonstrieren ebenfalls Hunderte gegen das neue Gesetz und für die Entlassung korrupter Journalisten, die bis zuletzt die Lügen des Mubarak-Regimes verbreitet haben. Während des Marsches sagt eine Demonstrantin, man sei weiterhin mit denselben Verbrechern konfrontiert, wie zur Zeit Mubaraks. „Mubarak ist zwar weg, aber das System ist geblieben. Die neuen Mubaraks heißen nun Sharaf und Tantawi.“

Vor allem in der Ablehnung von Feldmarschall Mohammed Tantawi, der seit dem Sturz Mubaraks als Vorsitzender des Obersten Rats der Streitkräfte mit diktatorischen Vollmachten das Land regiert, drückt sich das wachsende Misstrauen der Massen gegenüber den Militärs aus. Dominierten zu Beginn der Revolution noch Sprechchöre, die die Einheit zwischen Protestierenden und der Armee forderten, sind mittlerweile Rufe zu hören, die sich direkt gegen die Armeeführung richten. „Das Volk will den Sturz des Feldmarschalls“ oder „Tantawi, hau ab, wir wollen dich nicht“, skandierten Demonstrierende vor dem Rundfunkgebäude.

Der junge Student Hassan bestätigt, dass es bei vielen zunächst Illusionen ins Militär gab, diese aber nach den Ereignissen der letzten Wochen stetig sinken würden. „Das Militär vertritt nicht unsere Interessen, es vertritt die Interessen der USA, und das seit der Zeit von Sadat, als Ägypten sich wieder den USA untergeordnet hat.“ Er habe den Eindruck, dass das nun immer mehr Leute verstehen würden.

Das neue Gesetz findet er völlig inakzeptabel. Auf dem Schild, dass er vor sich trägt, steht die Aufschrift: „Streik ist ein legitimes Recht. Gegen Armut. Gegen Hunger.“ Hassan sagt, dass sich die Situation der vielen Armen und Hungernden in Ägypten seit der Revolution kein bisschen verändert habe. Das neue Regime habe zwar viele Versprechungen gemacht, aber bislang keine einzige eingelöst. Es sei z. B. ein Mindestlohn von 1.200 Pfund versprochen worden, dieser lasse aber bislang auf sich warten. Dann hält er kurz inne und sagt: „Wenn sich nicht bald etwas ändert, wird es eine neue Revolution geben.“

Am Sonntagabend zogen erneut Hunderte Arbeiter und Jugendliche durch die Innenstadt von Kairo, um gegen das neue Gesetz und die Militärjunta zu demonstrieren. Auf dem Meidan al-Tahrir und vor dem Parlamentsgebäude skandierten sie: „Nieder mit dem Feldmarschall und mit dem Gesetz“. Zur gleichen Zeit demonstrierten Journalisten vor dem Gebäude des staatlichen Fernsehens. Für die kommende Woche sind bereits die nächsten Proteste angekündigt.

Loading