Perspektive

IWF-Bericht deutet auf globale wirtschaftliche Unsicherheit

Zwei Jahre nach dem Beginn der angeblichen Erholung ist keiner der zugrundeliegenden Widersprüche, die die schwerste Wirtschafts- und Finanzkrise seit der Großen Depression verursacht haben, aufgelöst. Stattdessen zeigen sich neue Probleme.

Die Überschrift des letzten World-Economic-Outlook-(WEO)Berichtes des Internationalen Währungsfonds (IWF) lautet: „Trotz neuer Risiken gewinnt die globale Erholung an Stärke“. Ungeachtet seiner Voraussage, das weltweite Wachstum werde sowohl 2011 als auch 2012 4,5 Prozent betragen, enthüllt die Lektüre des Berichtes, dass die Überschrift darauf abzielt, eine schlimme und sich in einigen Teilen verschlimmernde Situation zu beschönigen.

Der Bericht beginnt optimistisch. Die wirtschaftliche Erholung sei “nachhaltiger” geworden, das Risiko einer zweiten Rezessionswelle in den fortgeschrittenen Ländern nehme ab. Aber er geht sofort zu der Feststellung über, dass „das Tempo wirtschaftlicher Aktivität ungleich bleibe und die Arbeitslosigkeit hinter der Entwicklung herhinke“. Das Wachstum sei „nicht stark genug, um eine größere Veränderung in den Arbeitslosenstatistiken herbeizuführen“, wobei die Zahl der Arbeitssuchenden seit 2007 um dreißig Millionen angestiegen sei.

Während die Finanzmärkte wegen des massiven Einfließens staatlicher Gelder in den vergangenen zwei Jahren stabilisiert werden konnten – einige Experten schätzen die Gesamtsumme der weltweiten Rettungspakete auf 14 Billionen US-Dollar - ist die Bedrohung durch eine weitere Kernschmelze noch immer vorhanden. Möglicherweise wird sie in Europa beginnen, entweder wegen eines Staatsbankrotts oder eines Bankenzusammenbruchs.

In dem Bericht heißt es: “Kurzfristig bedeutet die anhaltende Belastung angeschlagener Eurostaaten und Banken eine erhebliche Bedrohung der finanziellen Stabilität… Dies liegt vor allem an der weiter bestehenden Schwäche von Finanzinstitutionen in vielen Bereichen der fortgeschrittenen Volkswirtschaften und an einem Mangel an Transparenz, was ihre Bilanzprobleme angeht.“

Anders ausgedrückt: Niemand kennt den wirklichen Zustand der europäischen Banken und niemand weiß, wie viel der Hunderte von Milliarden Dollar, die sie verliehen haben, verloren sein könnten. Ihr „Vermögensstatus“ ist „unsicher“, während sie vor einer „Wand von fälligen Verbindlichkeiten“ und „erheblichen Kapital-Defiziten“ stehen.

Die Zustände in den Vereinigten Staaten zusammenfassend, für die es seine Wachstums-Voraussage von drei Prozent auf 2,8 Prozent herabstufte, verweist der IWF-Bericht auf eine „Beschleunigung“ der Wirtschaft. Er stellt fest, dass die Aktienmärkte als Ergebnis „unkonventioneller Bereitstellung von Geld“ (die Versorgung der Banken durch ultra-billige Kredite durch die US-Federal Reserve) etwa zwei Drittel ihrer Verluste aus der Finanzkrise wettgemacht hätten.

Der Bericht gesteht jedoch ein, dass es auf dem Arbeitsmarkt sehr wenig “Erholung” gebe. Nachdem 2008 und 2009 mehr als 8,5 Millionen Stellen gestrichen wurden, hat die Wirtschaft seit dem Tiefpunkt der Krise nur 1,5 Millionen neue Jobs geschaffen, „kaum genug, um mit dem Wachstum der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter mitzuhalten“.

Die konventionelle Wirtschaftswissenschaft geht davon aus, dass eine ökonomische “Erholung” zu einer Verbesserung am Arbeitsmarkt führt. Nun allerdings funktioniert das Kausalprinzip, das sonst am Werk war, in entgegen gesetzter Richtung.

Die Erholung im Bereich der Profite und der Aktienpreise ist das Ergebnis hoher Arbeitslosenquoten und des daraus resultierenden Drucks auf die Arbeiter. In anderen Worten: Die Erholung der Profite ist das Ergebnis einer menschlichen Rezession.

Dieser Druck wird jetzt zunehmen. Der IWF hat in den Chor der Finanz- und Politikkreise eingestimmt, die einen Angriff auf das verlangen, was vom Sozialsystem in den USA noch übrig ist.

Der WEO-Bericht fordert eine “fundamentale Reform der Ansprüche auf Sozialleistungen innerhalb des nächsten Jahrzehnts“. Diesem Aufruf folgte im Fiscal Monitor des IWF die Forderung nach einer „Anzahlung“ in Form einer Verringerung des Staatsdefizits in diesem Jahr.

Dem IWF zufolge fehlt den USA eine “glaubwürdige Strategie” zum Abtragen ihrer Schulden. Um ihre Verpflichtung einzuhalten, das Defizit bis 2013 zu halbieren, müssen sie schärfere Sparmaßnahmen als zu irgendeiner Zeit seit 1960 durchsetzen, als die Aufzeichnungen begannen.

Diese Kritik an den USA, dem größten Gesellschafter des IWF, unterstreicht die epochale Veränderung in der Weltwirtschaft, die durch den relativen wirtschaftlichen Niedergang der USA und der anderen größeren kapitalistischen Ökonomien veranschaulicht wird.

Eines der herausragenden Merkmale des WEO-Berichtes war die Statistik der erwarteten Wachstumsraten einzelner Länder und Regionen. Sie zeigte, dass die Wachstumsrate keiner einzigen fortgeschrittenen industriellen Wirtschaft der dreißig Mitglieder umfassenden Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) um oder über dem prognostizierten globalen Wachstum von 4,5 Prozent lag. Alle hatten projezierte Wachstumsraten von 2 – 4 Prozent oder darunter.

Die Hauptregionen des Wachstums waren Asien und Lateinamerika. Doch die Expansion dieser Regionen, die die Basis für einen weltweiten wirtschaftlichen Aufschwung bildet, hängt noch immer weitgehend von den USA und den europäischen Wirtschaften ab.

Wie der Bericht feststellt: “Trotz einer beträchtlichen Zunahme des interregionalen Handels kommen zwei Drittel der Endnachfrage für asiatische Exporte noch immer von außerhalb der Region, und erneute Turbulenzen im Euroraum würden Asien zu allererst durch seine Handelsverbindungen treffen.“

Darüber hinaus schafft das Wachstum in Asien und Lateinamerika neue Quellen der Instabilität. Der IWF erwähnt, dass die Finanzbehörden sowohl in China als auch in Hongkong Maßnahmen getroffen hätten, um die Kreditexpansion einzudämmen und bereit wären, weitere Schritte zu unternehmen.

“Nichtsdestoweniger bleibt die Kreditzunahme in beiden Ländern hoch verglichen mit der Zeit vor den bisherigen Kredit-Booms und dem Zerplatzen ihrer Blasen, und es gibt zunehmend Sorgen wegen scharfer Korrekturen bei Grundstückspreisen und ihren Auswirkungen.“

Ungeachtet der Bemühungen der Finanzbehörden fuhr der IWF fort: “Zunehmende Sorgen bereiten gebündelte Kredite, die eingesetzt werden, um makroökonomische Kontrolle auszuüben und die durch die finanziellen Innovationen der Banken und ihre nicht aus den Bilanzen ersichtlichen Aktivitäten unterminiert werden.“

Anders ausgedrückt: Die Art von Aktivitäten, die zur Sub-Prime-Krise in den USA geführt haben, wiederholt sich, wenn auch in anderer Form, in China.

Die lateinamerikanischen Wirtschaften wuchsen letztes Jahr um sechs Prozent – nachdem sie 2009 um 1,75 Prozent geschrumpft waren. Ihr Wachstum war das Ergebnis einer starken Nachfrage aus China und steigender Rohstoffpreise. Aber der IWF warnt, dass diese beiden „günstigen“ Bedingungen Auslöser für Kredit-Booms in einer Anzahl von Ländern werden könnten, die dann „schließlich zu einem Platzen der Blase führen könnten“.

Und das Wachstum könnte sich schnell ins Gegenteil verkehren, wenn es zu einem Abschwung in Brasilien käme, von dem ein großer Teil der Region abhängt, oder zu einer “harten Landung” in China, die zu einem Rückgang der Rohstoffexporte führen könnte.

Die Unsicherheit der Weltwirtschaft, die nicht einmal der übliche Zweckoptimismus des IWF verhüllen kann, weist darauf hin, dass die globale Finanzkrise, die 2008 ausbrach, kein vorüber ziehender Sturm war, sondern die Eröffnung einer neuen Phase in der Geschichte des Weltkapitalismus, die gekennzeichnet ist von andauernden ökonomischen Turbulenzen, wachsenden internationalen Spannungen und sich verschärfendem Klassenkampf.

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