USA und Großbritannien verfolgen im Libyenkrieg zweigleisige Strategie

Die Vereinigten Staaten und Großbritannien sind damit beschäftigt, einen internen Putsch gegen des libysche Regime von Muammar Gaddafi zu inszenieren. Gleichzeitig haben sie CIA-Agenten und militärische Spezialtruppen in Libyen im Einsatz, um die desolate militärische Situation der Anti-Gaddafi-Rebellen zu verbessern.

Dieses zweigleisige Vorgehen wurde mit der groß herausgestellten Flucht zweier Gefolgsleute Gaddafis evident. Der libysche Außenminister und Ex-Geheimdienstchef Mussa Kussa setzte sich am Mittwochabend nach Großbritannien ab, und Ali Abdessalam Treki, ehemaliger Außenminister und Präsident der UN-Generalversammlung, gab am Donnerstag auf mehreren Webseiten der Opposition sein Überlaufen bekannt.

Al Dschasira berichtete über in Tripolis zirkulierende Gerüchte, dass mehrere hohe Regierungsbeamte in Verhandlungen über die Bedingungen eines Überlaufens stünden. Dies seien: der Chef des Auslandsgeheimdienstes Abuzed Omar Durda, Mohammed Zwei, der Generalsekretär des allgemeinen Volkskongresses (des Parlaments), der Chef der nationalen Ölgesellschaft Schokri Ghanem und der stellvertretende Außenminister Abdulait Al Obeidi. Letzterer hatte Mussa Kussa auf einer Reise nach Tunis begleitet, von wo aus dieser nach Großbritannien geflohen war.

Die Liste hatten Al Dschasira und mehrere britische Zeitungen von britischen Regierungsvertretern erhalten. Diese wollen offensichtlich eine politische Krise im Gaddafi-Regime provozieren und versuchen, damit die militärischen Rückschläge der libyschen Rebellen in den letzten beiden Tagen zu kompensieren.

Die vollständige Namensliste wurde von der liberalen britischen Zeitung The Independent veröffentlicht, die den Krieg gegen Libyen enthusiastisch unterstützt (und am Freitag in einer Kolumne zur Ermordung Gaddafis aufrief).

The Independent und der Guardian, eine weitere liberale Zeitung, die in Großbritannien den Krieg befürwortet, berichteten auf der ersten Seite auch über die Behauptung britischer Regierungsvertreter, sie stünden mit Mohammed Ismail, einem Vertrauten von Gaddafis Sohn Saif al-Islam, in Verhandlungen über die Bedingungen für Gaddafis eigenen Machtverzicht.

Der britische Außenminister William Hague erklärte, das Überlaufen Mussa Kussas zeige, dass das Gaddafi-Regime “unter Druck auseinanderfällt und von innen zerbröselt“. Er fuhr fort: „Mussa Kussa ist einer der höchsten Vertreter des Gaddafi-Regimes und war in den letzten Monaten einer meiner wichtigsten Kommunikationskanäle mit dem Regime.“

Auch die Obama-Regierung begrüßte Kussas Überlaufen. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats sagte: „Kussa kann wichtige Informationen über Gaddafis gegenwärtigen Geisteszustand und seine militärischen Pläne liefern.“

Zahlreiche amerikanische Vertreter, darunter Verteidigungsminister Robert Gates und Außenministerin Hillary Clinton, haben geäußert, eine Absetzung Gaddafis durch seinen inneren Zirkel wäre der schnellste Weg aus der Krise.

Trotz der Versuche der Obama-Regierung und ihrer europäischen Verbündeten, das Gaddafi-Regime mit Hilfe der Medien als gewaltiges Monster hinzustellen, würde es den räuberischen Zielen der US-Nato-Intervention durchaus dienen, wenn lediglich Gaddafi, und vielleicht seine Söhne, durch einen politischen Putsch entmachtet würden.

Washington und London könnten dann gut und gern einwilligen, ihre Propagandamaschinerie über das Massaker an Zivilisten und den “Völkermord” anzuhalten und mit Gaddafis engsten Mitarbeitern einen Deal abzuschließen, sofern er den imperialistischen Interessen in Libyen nachkäme.

Der Unterschied zwischen einer solchen Nach-Gaddafi-Kabale in Tripolis und der Führung des von Frankreich anerkannten und von den USA und Großbritannien unterstützten Nationalen Übergangsrats in Bengasi wäre nur geringfügig. Der TNC wird von zwei ehemaligen Gaddafi-Beratern geleitet, dem Ex-Innenminister Abdel Fattah Yunis und Justizminister Mustafa Mohammed al-Jalil.

Im offiziellen Washington wurden am Mittwoch und Donnerstag intensive Diskussionen darüber geführt, dass unter den Rebellentruppen offensichtlich das Chaos herrsche, und was dagegen getan werden könne. Ausschüsse des Repräsentantenhauses und des Senats ließen sich in nicht-öffentlichen Sitzungen von hohen Vertretern von Militär und Geheimdienst unterrichten.

Geheimdienstsprecher bestätigten, dass CIA-Agenten schon seit zwei Wochen in Ostlibyen vor Ort aktiv seien. Präsident Obama habe verdeckte Operationen autorisiert, um den Rebellen mit Informationen und technischer Unterstützung unter die Arme zu greifen.

Die Los Angeles Times berichtete am Donnerstag: “Die CIA ist schon seit kurz nach der Evakuierung der US-Botschaft in Tripolis im Februar in Rebellengebieten Libyens aktiv, sagen US-Vertreter. CIA-Vertreter haben Rebellen getroffen, um sie kennen zu lernen, und lassen ihnen gelegentlich Informationen über Gaddafis Truppen zukommen. Die CIA-Agenten gehören zu einem Kontingent von Agenten aus westlichen Ländern.“

Das Wall Street Journal berichtete, dass Geheimagenten unmittelbar eine taktische militärische Rolle spielten. Die Zeitung schrieb: „Die CIA hat, ihren Angaben zufolge, verdeckte Agenten in Teilen Libyens am Boden, die dem amerikanischen Militär und den Koalitionskräften Informationen über Bodenziele übermitteln und in Kontakt mit Rebellen im Kampf gegen Oberst Muammar Gaddafi stehen.“

Die Entsendung von CIA-Agenten wird als erster Schritt gesehen. Maßnahmen wie die Entsendung von Predator-Drohnen und amerikanischen Special Forces werden folgen. Das wäre dann für die Obama-Regierung immer noch keine Verletzung ihres Versprechens, keine Bodentruppen einzusetzen.

Aber selbst dieses Versprechen wird unter dem ein- oder anderen Vorwand bestimmt irgendwann gebrochen. Nato-Kommandeur James Stavridis gab bei einer Kongressanhörung schon einen Hinweis darauf, als er erklärte, als Teil einer Lösung der Libyenkrise sei „ein Stabilisierungsregime nicht ausgeschlossen“. Er spielte damit auf die von den USA unterstützten Stabilisierungskräfte in Bosnien Mitte der 1990er Jahre an, zu denen Bodentruppen der USA und von Nato-Ländern gehörten.

Dem National Journal zufolge sind auch britische Sondereinheiten schon vor Ort. Das Magazin in Washington berichtete am Donnerstag: „Bis jetzt gibt es kein militärisches Personal der USA auf libyschem Boden, aber Großbritannien, Amerikas engster Kampfgenosse, hat dort schon mehrere Dutzend Special Air Service (SAS) Kommandos und MI6-Agenten im Einsatz.“

Das Magazin fügte hinzu: “Ein US-Militärsprecher sagte, dass britische Special Forces Informationen für Nato-Luftangriffe auf Bodenziele geliefert hätten. Eine verdeckt arbeitende britische Einheit, das Special Reconnaissance Regiment, hat die Aufgabe, ‘das Schlachtfeld operativ vorzubereiten’. Ein anderer US-Militärsprecher sagte, Großbritannien habe auch Gruppen der SAS, einer besonders fähigen Special Operations-Einheit, sowie MI6-Leute in Libyen.“

Die Washington Post erklärte die CIA-Intervention in Libyen als Versuch, mehr über die libyschen Rebellen in Erfahrung zu bringen. Sie berief sich auf „einen hohen Regierungssprecher“, der der Zeitung gesagt habe, „wir kennen einige Führer in Bengasi gut“.

Das ist eine bemerkenswerte Untertreibung, wenn man berücksichtigt, dass der Top-Kommandeur der Rebellenkräfte, Oberst Khalifa Hifter, ein langjähriger Mitarbeiter der CIA ist. Er hat dem Gaddafi-Regime schon 1987 den Rücken gekehrt und fast zwanzig Jahre lang in den Vororten von Washington, DC, in Virginia gelebt. Er kehrte vergangenen Monat nach Libyen zurück und wurde am 14. März an die Spitze der Rebellenkräfte gestellt.

Die Post hat Hifters Namen noch nicht abgedruckt, seit er zum Rebellenkommandeur ernannt wurde. Die New York Times und der größte Teil der amerikanischen Medien halten sich in dieser Frage ebenfalls bedeckt. Diese politische Zensur soll der amerikanischen Öffentlichkeit verschweigen, dass der Kommandeur der Anti-Gaddafi-Kräfte ein Veteran der CIA ist, von dem die Post damals, im Jahre 1996, selbst geschrieben hatte, er sei Chef einer „Contra-ähnlichen Gruppe“ unter Leitung der CIA.

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