Perspektive

Griechenland: Die Diktatur des Finanzkapitals

Die diktatorische Forderung des Internationalen Währungsfonds, vor der Freigabe der letzten Tranche des gegenwärtigen griechischen Rettungspakets in Höhe von zwölf Milliarden Euro noch härtere Sparmaßnahmen durchzusetzen, kennzeichnet eine scharfe Wendung in der europäischen Finanzkrise.

Noch bedeutender als die direkten wirtschaftlichen und finanziellen Folgen ist die Tatsache, dass die griechische und europäische Arbeiterklasse jetzt vor entscheidende politische Aufgaben und Herausforderungen gestellt wird.

Einem Bericht in der Financial Times zufolge hatten die Minister der Eurozone bei einem Treffen am Sonntagabend geplant, das Geld unter der Bedingung freizugeben, dass die griechische Regierung neuen Sparmaßnahmen zustimmt.

Doch IWF-Funktionäre gingen dazwischen und bestanden darauf, “sie bräuchten festere Verpflichtungen, bevor sie die Zahlung leisten könnten.”

Diese Umorientierung hatte sich vergangene Woche abgezeichnet, als der IWF-Direktor für Geld- und Kapitalmärkte, Jose Vinals, einen neuen Bericht vorstellte, in dem vor einer Verlangsamung des weltweiten Wachstums und dem erhöhten Risiko einer erneuten globalen Kreditklemme gewarnt wird.

“Die Schlüsselbotschaft”, sagte er, “besteht darin, dass wir in eine neue Phase der Krise eintreten, die ich die politische Phase der Krise nennen würde. Es ist nun an der Zeit, politische Entscheidungen zu treffen, die notwendig sind, um zukünftige Probleme zu vermeiden.“

Die vorangegangene Phase wird als die beschrieben, in der “herumspielte” oder “zeitliche Zugeständnisse machte und so tat als ob”. Gemeint waren zeitliche Zugeständnisse an Banken und Finanzhäuser und das Getue, als ob man die zugrunde liegenden Probleme angegangen wäre, bevor sie aufs Neue in Erscheinung traten.

Aber die Phase der "zeitlichen Zugeständnisse und des ‚So tun als ob‘” ist nun vorbei. Die Ratingagenturen stufen die staatlichen Schulden eine nach der anderen herab, nicht nur in Griechenland, sondern auch in Irland, Spanien, Portugal und kürzlich in Italien.

Diese Herabstufungen sind wie eine Anweisung des Finanzkapitals an die politischen Parteien des kapitalistischen Staates, neue politische Mechanismen und Herrschaftsformen zu entwickeln, um die Billionen von Dollar aus der Arbeiterklasse herauszupressen, die benötigt werden, um die Profite und die Gesundheit des kapitalistischen Finanzsystems wieder herzustellen, und das nicht nur in Griechenland und Europa, sondern international.

Wo dies in zunehmendem Maß nicht mehr innerhalb des parlamentarischen Systems geschehen kann, müssen andere Maßnahmen getroffen werden.

Der kommissarische Direktor des IWF, John Lipsky, der Dominique Strauss-Kahns Posten nach dessen Absetzung übernahm, machte klar, dass man bei der Entscheidung, die Zahlung der letzten Tranche in Höhe von zwölf Milliarden zurückzuhalten, keinen Widerspruch dulde.

“Das wichtigste ist, dass die griechischen Behörden die sehr ehrgeizigen Strukturreformen durchsetzen, die notwendig sind, um die Wirtschaft zu kurieren und zu neuem Wachstum zu gelangen.”

Die Behauptung, eine “Heilung” und “neues Wachstum” ließen sich durch weitere Lohnsenkungen, tiefere Einschnitte in Staatsausgaben und den Ausverkauf von staatseigenem Vermögen erzielen, ist, wie viele Millionen Menschen auf Grund ihrer Erfahrungen wissen, eine verachtungswürdige Lüge.

Auf die Sparmaßnahmen des vergangenen Jahres – die auch mit dem Versprechen einer “Erholung” durchgesetzt wurden – folgten rapide wirtschaftliche Schrumpfung und steigende Arbeitslosigkeit. Statt die Schuldenlast zu senken, stieg das Verhältnis von Schulden zum Bruttoinlandsprodukt weiter an und steuert auf 160 Prozent zu.

Leitmotiv des IWF ist nicht die Wiederherstellung wirtschaftlichen Wachstums in Griechenland oder irgendwo anders, sondern der Schutz der Interessen der Großbanken und der Finanzhäuser.

Es ist bezeichnend, dass mit John Lipsky ein Vertreter des US-Finanzkapitals, die deutsche Regierung, die - aus eigenen nationalistischen Motiven heraus - vorgeschlagen hatte, private Banken an den Kosten für ein neues griechisches Rettungspaket zu beteiligen – scharf kritisierte.

Kanzlerin Merkel und ihre Regierung hatten darauf spekuliert, dass eine solche Maßnahme die französischen Banken weit heftiger belasten würde als die deutschen.

Dagegen sprachen sich auch der französische Präsident Sarkozy und die europäische Zentralbank (EZB) aus – letztere aus Angst, da sie 140 Milliarden Euro griechischer Staatsanleihen hält, die im Falle einer Restrukturierung praktisch wertlos würden.

Lipsky kritisierte den deutschen Plan nicht aus Sorge um die französischen Banken oder die EZB, sondern weil jeder Bankrott Griechenlands eine Welle von Forderungen auf dem Markt der Credit Default Swaps (Kreditausfallversicherungen) nach sich ziehen könnte, in dem US-Banken und Finanzhäuser heftig engagiert sind.

Wegen des undurchsichtigen Charakters dieses Marktes ist eine genaue Schätzung schwierig, aber es wird angenommen, dass US-Banken ein Marktrisiko gegenüber dem sogenannten „peripheren“ Europa in Höhe von 100 Milliarden Dollar tragen und dass sich ihr globales Risiko auf dem Credit-Default-Swap-Markt auf zwei Billionen US-Dollar beziffert.

Es sind diese Interessen, zu deren Verteidigung die Vertreter des Finanzkapitals entschlossen sind – um jeden Preis. Während die Bourgeoisie ihre Vorbereitungen trifft, muss die Arbeiterklasse nicht weniger entschlossen handeln.

Die “politische Phase” der Krise bedeutet, dass mit der Vorstellung aufgeräumt werden muss, die gegenwärtigen Proteste oder sogar Streiks könnten die Troika – EZB, IWF und EU - in irgendeiner Weise dazu bewegen, die Sparprogramme zu beenden, oder dass unter der Führung der existierenden politischen Parteien eine Lösung gefunden werden könnte.

Stattdessen müssen Streiks, Proteste und Massendemonstrationen, Betriebsbesetzungen und alle Methoden des Klassenkampfes, die in den vergangenen 150 Jahren entwickelt wurden, eingesetzt werden, um den Kürzungen und Sparmaßnahmen Widerstand entgegenzusetzen. Sie müssen untrennbar verbunden werden mit dem Kampf für eine Arbeiterregierung, die der bankrotten herrschenden Klasse und ihren politischen Parteien, die Griechenland in die Katastrophe gestürzt haben, die Macht entreißt

Der Kampf für diese Perspektive muss gegen die pseudo-linken Gruppen geführt werden, die behaupten, der Weg nach vorn führe über den Austritt aus dem Euro, die Wiedereinführung der Drachme und die Rückkehr zu nationaler Regulierung, während die Kapitalistenklasse und ihre politischen Vertreter an der Macht bleiben.

Ein solches Programm wäre der direkte Weg in die Katastrophe. Es würde zu einem Zusammenbruch der griechischen Banken führen, zu Hyperinflation, einem Zusammenbruch der Wirtschaft und noch höherer Arbeitslosigkeit. Wenn die Arbeiterklasse mit einem solchen Programm und dem sozialen Elend, das es zur Folge hätte, in Verbindung gebracht würde, wäre der Weg frei für die Mobilisierung faschistischer Kräfte. Sie würden die verzweifelten Teile der Mittelschichten und des enteigneten Kleinbürgertums mobilisieren und die Bedingungen schaffen, unter denen das Militär seine Herrschaft etablieren könnte.

Die Arbeiterklasse muss ihr eigenes unabhängiges sozialistisches Programm vorantreiben, das sich auf den Kampf zum Sturz des gegenwärtigen Regimes stützt, und die politische Macht in die eigenen Hände nehmen.

Die erste Aufgabe einer Arbeiterregierung wird es sein, die Banken und großen Finanzinstitutionen zu verstaatlichen und alle öffentlichen Schulden zurückzuweisen.

Gleichzeitig wird eine Arbeiterregierung gezwungen sein, die Arbeiterklasse in ganz Europa aufzurufen, sich dem Kampf zur Beendigung der Diktatur des Finanzkapitals durch die Gründung der Vereinigten sozialistischen Staaten von Europa anzuschließen.

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