Präsident und Premierminister bei Kämpfen im Jemen verwundet

Im Jemen feuerten regierungsfeindliche Milizen am vergangenen Freitag mehrere Raketen auf den Präsidentenpalast in Sanaa. Sieben Menschen wurden getötet und mehrere hohe Regierungsbeamte verletzt, unter ihnen auch Präsident Ali Abdullah Saleh.

Zunächst verkündeten die Sprecher der Rebellen, Saleh sei getötet worden, doch kurz darauf übertrug das staatliche Fernsehen eine kurze Audio-Botschaft des jemenitischen Herrschers, um die Behauptung zu widerlegen. Saleh ist seit 33 Jahren an der Macht. Er soll Zuhörern zufolge beim Sprechen schwer geatmet haben.

Als weiterer Beweis seines Überlebens wollte Saleh erst an einer Pressekonferenz teilnehmen, doch ließ er den Plan fallen. Seither reißen die Spekulationen darüber, wie schwer er verletzt sei, nicht ab.

Ministerpräsident Ali Mohammed Mujawar erlitt offenbar Verbrennungen im Gesicht, doch die am schwersten verwundeten hohen Beamten sind der Gouverneur von Sanaa, Nooman Dweid, und ein stellvertretender Ministerpräsident, Rashad al-Alimi, Salehs höchster Sicherheitsverantwortlicher, der nach der Explosion bewusstlos liegenblieb.

Auch der Parlamentspräsident, Jahya al-Raie, wurde lebensgefährlich verletzt, und ein weiterer Fraktionsvorsitzender, Abdulaziz Abdulgani, sowie der Abgeordnete Jasser al-Awadi und Salehs Privatsekretär, Abdo Burji, wurden verwundet.

Mindestens drei Raketen trafen den Präsidentenpalast. Eine verwüstete die Moschee auf dem Gelände, wo Saleh und seine Mitarbeiter gerade beteten, wie das staatliche Fernsehen angab. Der Imam der Moschee und sechs Leibwächter des Präsidenten wurden bei der Explosion getötet.

Der Angriff auf den Präsidentenpalast zeigt erneut, dass sich die Gewalteskalation im ganzen Land mehr und mehr in einen offenen Bürgerkrieg verwandelt. Vor drei Wochen griffen regierungstreue Truppen das Haus von Scheich Sadik al-Ahmar an, dem Anführer des Haschid-Stammes und Gegner Salehs. Der Scheich ist der Bruder des reichsten Mannes im Land, des Mobilfunk-Milliardärs Hamid al-Ahmar.

Milizsoldaten, die loyal zur Familie al-Ahmars stehen, strömten in die Hauptstadt und lieferten sich Gefechte mit der Republikanischen Garde und anderen Spezialeinheiten, die unter Salehs Leitung stehen. Das Gros des jemenitischen Militärs hielt sich weitgehend aus dem Konflikt heraus und erklärte sich neutral.

Anfang Juni erschienen Presseberichte, denen zufolge General Ali Mohsen, der im März öffentlich mit Saleh gebrochen hatte, sich auf die Seite der al-Ahmars stellen soll. Die Tatsache, dass die sogenannten Stammeskämpfer über Panzer und Raketen verfügen, legt die Vermutung nahe, dass sie bis zu einem bestimmten Grad mit der Armee zusammenarbeiten, die ihrerseits von den USA unterstützt wird.

Ali Mohsen hatte seine Truppen aufmarschieren lassen, als die Studenten die Universität von Sanaa besetzten, und hat dadurch Angriffe von Salehs Schergen auf die Demonstranten verhindert. Doch ansonsten hat er bisher eine öffentliche Stellungnahme in dem Konflikt abgelehnt.

Saleh erwähnte in seiner Audio-Botschaft diese Kluft in seinem Militärregime. Er machte eine "Bande von Gesetzlosen" für den Raketenangriff auf sein Hauptquartier verantwortlich und appellierte an die Streitkräfte im ganzen Land, zu seiner Verteidigung zu kommen.

Salehs persönliche Truppen griffen die Häuser der Oppositionsführer an. Sie bombardierten den Wohnsitz von General Mohsen und von Hamid al-Ahmar, dem milliardenschweren Bruder von Sadik, der eine wichtige Figur in der Reform-Partei Islah ist.

Al Dschasira berichtete, auch in der Nähe des Universitätsgeländes seien Granaten eingeschlagen. Der Sender berichtete außerdem über Artillerie-Gefechte und Angriffe mit schweren Maschinengewehren, die im Viertel Hassaba im Norden von Sanaa wüteten. Dort hatte ein Großteil der Kämpfe der letzten zwei Wochen stattgefunden. Das Hauptquartier der nationalen Fluggesellschaft Yemenia und die Büros von Suhail TV wurden zerstört. Der Fernsehsender Suhail TV wird von der Familie al-Ahmar kontrolliert.

Zehntausende Demonstranten versammelten sich in einem Protestlager auf dem so genannten "Platz des Umsturzes" vor der Universität zum Freitagsgebet. Etwa fünfzig Särge mit den Opfern der jüngsten Kampfhandlungen wurden in einer Prozession an ihnen vorbei getragen, und über ihre Köpfe hinweg donnerten Granaten in verschiedene Richtungen.

Die chaotische Szenerie symbolisierte offensichtlich die Tatsache, dass die Proteste immer stärker ins Fahrwasser rivalisierender Machtcliquen geraten. Mehr und mehr werden die Demonstrationen gegen Saleh von den heftigen Machtkämpfen innerhalb der korrupten Elite überschattet.

Die al-Ahmars waren lange Jahre Verbündete von Saleh, der vor mehr als dreißig Jahren ursprünglich mit ihrer Unterstützung aus dem Dunkeln in die obersten Ränge des Militärs aufstieg. Doch Saleh erwies sich zuletzt als zu selbstherrlich. In den letzten Wochen hatte er aufgrund von Vereinbarungen mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Staaten dreimal zugesagt, die Macht abzugeben, und dies drei Mal wieder gebrochen. Deshalb organisieren die al-Ahmars nun eine Art Palastrevolution aus Salehs eigenem Lager heraus.

Jamal Nasser, Koordinator der „Jugend-Revolution der Veränderung“ (eine Gruppe, welche die Proteste an der Universität organisiert), reagierte auf die Gewalteskalation mit der Aussage: "Wir unterstützen die al-Ahmars nicht, und wir geloben, friedlich zu bleiben."

Es gab jedoch Berichte, dass Jugendliche in Taiz, südlich der Hauptstadt, begonnen hatten, sich zu bewaffnen. Vorausgegangen war ein Massaker der Sicherheitskräfte der Regierung, die Ende Mai ein Protestcamp angegriffen und mindestens 68 wehrlose Demonstranten getötet hatten.

In Taiz wurden drei Polizisten durch eine Panzerfaust getötet und 28 weitere bei Zusammenstößen mit Demonstranten verletzt. Dies berichtete der Sprecher eines örtlichen Krankenhauses. In den Kämpfen wurden zwei Demonstranten getötet und dreißig weitere verwundet.

Die Obama-Regierung bemüht sich weiterhin, die Krise im Jemen in der Weise zu beeinflussen, dass die Interessen des US-Imperialismus gewahrt bleiben. Die USA haben dem Saleh-Regime in den letzten vier Jahren militärische Hilfe im Wert von mehr als 200 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt. Jemen hat eine lange Grenze zum ölreichen Saudi-Arabien und eine lange Küste am Roten Meer und dem Golf von Aden. Über diese Route wird ein Großteil der Öllieferungen aus dem Persischen Golf transportiert.

John Brennan, der Stellvertretende Nationale Sicherheitsberater für Innere Sicherheit und Anti-Terrorismus im Weißen Haus, unternahm letzte Woche eine dreitägige Reise in die Region, in deren Verlauf er mit Vertretern von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten Gespräche über die Situation im Jemen führte.

Jay Carney, Pressesprecher des Weißen Hauses, bekräftigte den Standpunkt der Regierung und sagte: "Saleh sollte sofort damit beginnen, die Macht zu übertragen. Wir fordern seine Regierung außerdem auf, Gewalt gegen friedliche Demonstranten zu unterlassen. Und wir sind weiterhin sehr über das, was dort passiert, besorgt."

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