Berliner Wahl: Lebhafte Debatte auf PSG-Wahlkampftreffen

Seit über vier Wochen sind Mitglieder und Wahlhelfer der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) in Berlin unterwegs, um Unterstützungsunterschriften für die Zulassung zur kommenden Abgeordnetenwahl zu sammeln.

Die PSG hat eine eigene Landesliste mit fünf Kandidaten aufgestellt. Weil sie aber bisher noch nicht im Abgeordnetenhaus vertreten ist, muss sie 2.200 Unterstützungsunterschriften sammeln, von denen jede einzelne amtlich beglaubigt werden muss.

Die meisten Unterschriften sammeln die PSG Wahlhelfer vor den Jobcentern und in Wohnvierteln. Dabei finden oft sehr ausführliche Diskussionen über das Programm der PSG statt. Darüber hinaus treffen sich die Wahlkämpfer jeden Freitagabend zur Diskussion über die politische Entwicklung und zu einem Meinungs- und Erfahrungsaustausch.

Zum Wahlkampf-Treffen am vergangenen Freitag kamen neben Mitgliedern auch Sympathisanten und Interessenten, die durch die Unterschriftensammlung auf die Partei aufmerksam geworden waren. Es wurden zunächst zwei Kurzvorträge gehalten, danach wurde angeregt über aktuelle politische Fragen diskutiert.

Im ersten Vortrag erläuterte PSG-Mitglied Wolfgang Weber die Krise in Griechenland. Die Frage der Eurokrise und der wachsende Widerstand gegen die von den Banken geforderten Sparmassnahmen hatten auch beim Sammeln der Unterschriften eine grosse Rolle gespielt. Der Vortrag umfasste wichtige Fakten, die der vorherrschenden Propaganda über angeblich „faule Griechen“, die sich in einer „sozialen Hängematte ausruhen“, deutlich widersprachen.

Weber betonte, dass der Beitritt des Landes zur EU und die Einführung des Euro weder den arbeitenden Menschen noch der Infrastruktur dieses weitgehend von der Agrarwirtschaft bestimmten Landes genützt haben. Dagegen haben internationale Banken und Großkonzerne erheblich davon profitiert. Die gegenwärtige Schuldenkrise und der drohende Staatsbankrott sind kein Ergebnis „nationaler Misswirtschaft“, sondern direkte Folge der internationalen Finanzkrise von 2008 und der verbrecherischen Machenschaften internationaler Grossbanken.

Im zweiten Vortrag beschrieb eine PSG-Wahlhelferin, die selbst eineinhalb Jahre lang in Griechenland gelebt hat, die Situation der arbeitenden Menschen im Land. Die Löhne sind im Durchschnitt etwa halb so hoch wie in Deutschland, die Preise aber ähnlich hoch und die Mieten zum Teil noch höher. Arbeitslosengeld wird nur ein Jahr lang gezahlt. Die Gewerkschaften haben in den vergangenen Jahren an Ansehen (und an Mitgliedern) verloren, da sie ausser mehr oder weniger symbolischen Aktionen nichts zur Verteidigung der arbeitenden Bevölkerung gegen die rigorosen Massnahmen der Regierung unternommen haben. Die Abneigung gegen sie hat so stark zugenommen, dass Gewerkschaftsmitglieder sich bei manchen Demonstrationen nicht als solche zu erkennen geben.

In der anschliessenden Diskussion wurden diverse Fragen aufgeworfen und die politischen Standpunkte der PSG diskutiert.

Die Frage einer Besucherin, weshalb auf einer Berliner Wahlveranstaltung derart ausführlich über Griechenland diskutiert werde, führte zu einer lebhaften Diskussion über den Charakter der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise.

Ein PSG-Mitglied betonte, dass es sich bei der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise nicht um einen konjunkturellen Abschwung, sondern um eine grundlegende, historische Krise des kapitalistischen Systems handelt. Der Zusammenbruch der US-Hypothekenmarktes und der US Bank Lehman Brothers im Jahr 2008 hat das globale Finanzsystem wegen der internationalen Vernetzung der Banken (vor allem über Kreditausfallversicherungen) in seinen Grundfesten erschüttert. Die Grossbanken aller Länder erlitten enorm hohe Verluste, die von den Regierungen in Form von „Rettungspaketen“ ausgeglichen wurden.

Durch diese Abwälzung privater Schulden auf den Staat gerieten einige Länder Südeuropas wie Griechenland wegen ihrer ohnehin schwachen Wirtschaft und maroden Finanzen in einen Abwärtsstrudel. Spekulanten und internationale Grossbanken, unterstützt von US-Ratingagenturen, nutzten ihn um – der Logik des Profitsystems folgend - immer höhere Zinsforderungen zu stellen und so auch noch den letzten Cent aus diesen Ländern herauszupressen. Diese Plünderung hat Griechenland in die Zahlungsunfähigkeit getrieben.

Diesen Hintergrund erhellt zwei entscheidende Aspekte der gegenwärtigen Situation: Zum einen den internationalen Charakter der Krise, die das wirtschaftliche und damit auch das politische Geschehen weltweit bestimmt und alle Länder untrennbar miteinander verbindet. So werden die „Rettungspakete“ der EU für Griechenland (Gelder, die über den Umweg nach Athen direkt in die Kassen der internationalen Großbanken fließen) auch aus den Steuern Berliner Arbeiterinnen und Arbeiter finanziert.

Zum anderen ist die Entwicklung in Griechenland richtungsweisend, denn sie nimmt die weitere Entwicklung in Deutschland und anderen europäischen Ländern gewissermaßen vorweg. Haben die Sparmaßnahmen der Vergangenheit schon zu seiner Senkung des Lebensstandards geführt, werden die unausweichlichen Staatbankrotte in Südeuropa und der daraus resultierende Zusammenbruch des Euros in seiner bisherigen Form zu gewaltigen wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen bis hin zu revolutionären Aufständen führen.

Eine weitere Frage die aufkam lautete: Was unterscheidet die PSG von allen anderen Parteien?

Bereits auf früheren Wahlkampf-Treffen war über die Rolle der Linkspartei diskutiert worden, die während ihrer zehnjährigen Regierungsbeteiligung in Berlin eine unsoziale Politik im Interesse der Banken und grossen Konzerne verfolgt hat.

Während die Linkspartei und alle anderen Parteien behaupten, der Kapitalismus lasse sich reformieren und zu einer menschenwürdigen Gesellschaft umgestalten, und dies durch immer neue Sparprogramme und Sozialkürzungen selbst widerlegen, steht die PSG in der marxistischen Tradition, die davon ausgeht, dass die inneren Widersprüche des Kapitalismus katastrophale Konsequenzen haben.

Die Kriege der vergangenen hundert Jahre, die Millionen Menschen unvorstellbares Leid brachten, waren keine Ausnahme sondern das Ergebnis grundlegender Widersprüche des Kapitalismus, die bis heute existieren. Die gegenwärtigen Kriege in Afghanistan, Irak und Libyen sind das Wetterleuchten neuer großer internationaler Kriege.

Darüber hinaus zeigt der Kapitalismus gegenwärtige sein wahres Gesicht durch eine nie dagewesene soziale Ungleichheit. Die Kluft zwischen den Superreichen und den Ärmsten der Welt ist heute größer als zur Zeit der Sonnenkönige. Die Widersprüche innerhalb des Kapitalismus werden nicht kleiner, sondern größer und führen zu immer schlimmeren Katastrophen (auch ökologisch – siehe Golf von Mexiko und Fukushima). Allein seine Abschaffung garantiert der Menschheit eine lebenswerte Zukunft.

Als deutsche Sektion der Vierten Internationale, der Weltpartei der sozialistischen Revolution, steht die PSG auf dem Standpunkt des sozialistischen Internationalismus. Für die PSG und ihre Schwesterparteien verlaufen die Grenzen nicht zwischen einzelnen Staaten, sondern zwischen Klassen. Der Kapitalismus und das Finanzkapital haben die Grenzen des Nationalstaates längst gesprengt.

Auch die Frage der Grösse und Stärke der Arbeiterklasse spielte in der Diskussion eine Rolle.

In der Diskussion wurde deutlich, dass sich das Gesicht der Arbeiterklasse in den letzten Jahrzehnten verändert und bei vielen zu der irrigen Ansicht geführt hat, es gebe keine Arbeiterklasse im klassischen Sinne mehr. Das sei falsch. Ein Mensch muss nicht im blauen Overall an einer Werkbank stehen, um als Arbeiter zu gelten. Zur Arbeiterklasse zählen all diejenigen Menschen in unserer Gesellschaft, die sich nicht auf ihrem Vermögen ausruhen können, sondern zur Bewältigung ihres Alltags gezwungen sind, vom Verkauf ihrer Arbeitskraft zu leben. Ob es sich dabei um Handarbeit oder um geistige Arbeit handelt, ist einerlei.

Weltweit hat die Anzahl der Industriearbeiter in den vergangenen 15 Jahren vor allem in Asien, aber auch in Afrika und Südamerika, um über 500 Millionen zugenommen. Die Globalisierung des Kapitalismus hat damit international ein gewaltiges zusätzliches revolutionäres Potential geschaffen.

Die Frage, warum die bisherigen Revolutionen nicht erfolgreich waren, löste eine Diskussion über die Bedeutung einer revolutionären Führung und Partei aus. Die revolutionären Erhebungen in Tunesien und Ägypten haben zwar die Diktatoren in diesen Ländern gestürzt, aber sie haben die Lebensverhältnisse der Arbeiterklasse nicht grundlegend verbessert. Noch immer herrscht der vom Militär unterstützte Geldadel.

Der Grund dafür liegt vor allem im Fehlen einer revolutionären Führung, und die ganze Arbeit der PSG ist darauf ausgerichtet, eine solche Führung als internationale, sozialistische Partei aufzubauen.

Am Ende der Veranstaltung wurde noch über die Frage diskutiert, wie diejenigen, die durch den Wahlkampf mit der PSG in Kontakt treten und sich durch ihr Programm angesprochen fühlen, zu ihrem Aufbau beitragen können. In diesem Zusammenhang wurden weitere Wahlkampf-Teams zusammengestellt und eine erfolgreiche Sammlung durchgeführt. Die PSG kann ihren Wahlkampf, im Gegensatz zu anderen Parteien, nicht durch Wahlkampfkosten-Rückerstattung finanzieren.

Das nächste Wahlkampf-Treffen findet am kommenden Freitag, den 1. Juli, um 19:00 Uhr im Selbsthilfe-Treffpunkt in Friedrichshain-Kreuzberg in der Boxhagener Straße 89 statt.

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